Flughafen Berlin Brandenburg „Willy Brandt“

  • Etwas differenzierter sollte man das mE aber schon sehen.


    Zum einen lag es eben leider nicht nur an den hohen deutschen Standards, sondern mindestens zu einem recht großen Teil auch einfach an Planungsfehlern, fragwürdiger Auftragsvergabe und Inkompetenz auf vielen Ebenen. Und zumindest das ist nachvollziehbarerweise ein großer Imageschaden für Deutschland.


    Zum anderen sollte man halt auch nicht vergessen, dass entgegen der öffentlichen Darstellungen (besagte hohe Standards) hinter verschlossenen Türen ordentlich gemurkst und geschummelt wurde und man alles mögliche versucht hat, um IRGENDWIE rechtzeitig zu eröffnen. Das trennt uns dann nicht mal mehr so stark von dem ein oder anderen Regime - nur dass es hier letztlich doch noch vorher herauskam. Aber auch das ist nicht unbedingt immer der Fall (vgl. Kölner U-Bahn-Katastrophe)...

  • Der BER passt eigtl. nicht in dieses Bild, weil die enormen Verzögerungen ja vor allem durch Pfusch und Korruption, bzw. politische Fehlentscheidungen/Inkompetenz entstanden sind und nicht in erster Linie weil hier "überdemokratisch" jeder Laubenbesitzer im Umland angehört wurde. Der Bau selbst war auch relativ im Zeitplan soweit ich weiß, wenn mal davon absieht, dass er verpfuscht wurde.

    Es sind auch nicht so sehr die Sicherheitsvorschriften den Schutz der Bauarbeiter betreffend, die in Deutschland die Bauvorhaben ausbremsen, sondern ineffiziente Behörden, komplexe Bau(Umwelt)vorschriften und ausgebuchte Bauunternehmen. Wir können durchaus schneller bauen, ohne jetzt direkt zu einem Unrechtsstaat zu mutieren. Vor allem die Genehmigungsphase muss und kann noch deutlich entschlackt werden.

  • Man könnte es tatsächlich, wie Ostkreuzblock schon schreibt, auch als Errungenschaft betrachten, dass solche Großprojekte eben länger dauern

    Naja, sich auf die Schultern klopfen und sich freuen, dass bei uns immer alles noch länger dauert .... kann man machen, wenn einem egal ist, dass das Geld, von dem wir heute Leben, auch in Zukunft irgendwie erwirtschaftet werden muss.


    Es ist ja eh gerade in, sich voll und ganz selbst darüber zu freuen, wenn wir unsere eigene Industrie möglichst schnell los sind. Letztlich haben wir uns über die vergangenen 60 Jahre den Luxus erarbeitet, dass wir uns heute über solche Themen Gedanken machen können, weil wir all unsere elementaren Grundbedürfnisse problemlos abdecken können und wenn wir es nicht selbst können, dann hilft uns eben der Staat.


    Was wir aber immer wieder vergesen, ist die Tatsache, dass all das Geld, mit dem wir heute in Umweltschutz, in Arbeitnehmerschutz, in Bildung und Innovation investieren können, nur dann investiert werden kann, wenn es vorher auch erwirtschaftet wurde und niemand Hunger leidet oder die Menschen von Massenarbeitslosigkeit bedroht sind. Denn letztlich sind es Privilegien einer gesättigten Gesellschaft.


    Aber darauf zu vertrauen, dass dem auf immer so sein wird und dass wir moralisch wieder schön auf China etc. einhauen können, weil sie ja eh nur Verwerfliches tun, ich glaube, da werden wir ganz bösen Schiffbruch erleiden. Denn im Zweifel juckt den Chinesen unsere westliche Moral gleich null. Das ist etwas, was der Westen noch immer nicht begreifen will. Wir glauben noch immer, diese Gesellschaften sind in der Entwicklung hinter uns und werden praktisch automatisch irgendwann die gleichen Moralvorstellungen teilen, die wir heute so bereitwillig in die Welt tragen. Nur man wird sehen, ob man sich da nicht böse täuscht.


    Dies hat nichts damit zu tun, das ich das gutheiße, was aber Fakt ist, ist, dass wir mit diesen Staaten um die zuküftige Innovations- und Marktführerschaft kämpfen. Und da geht es nicht um die Technik, die Infrastrutur und die Innovation von gestern. Sondern um jene von morgen. Das ist dann nicht mehr der Flughafen, sondern vielleicht der Hyperloop oder die Gentechnik oder was auch immer. Wenn wir glauben, wir müssten die anderen einfach nur verurteilen und mit dem Finger auf sie zeigen und hoffen, dann wird schon alles gut, fürchte ich, dass man hier böse verkalkulieren. Nichts ist älter als der Erfolg von heute.


    Das heißt nicht, dass man alle Errungenschaften der letzten 60 Jahre für blinden Technikglauben opfern soll. Aber wir sollten uns schon mal fragen, ob wir so zukunftsfähig sind, wie wir sein sollten. Und der BER ist hier leider zum traurigen Symbol dafür geworden, dass wir doch einiges an Hausaufgaben zu erledigen haben.

  • ^

    Ich weiss zwar nicht was du damit sagen willst, denn niemand hat hier davon gesprochen in unserem Land die Industrie abzubauen.

    Alles was den Unterschied zwischen BER und den AirPorts in China oder der Arabischen Welt ausmacht sind Menschliche Komponenten und Bedürfnisse die in der Bedürfnispyramide von Maslow gut einzuordnen sind.


    Technisch stehen wir in nichts nach. Und man sollte auch endlich mal aufhören die Deutsche Industrie und Innovationskraft so in Frage zu stellen.

    Der heute in China fahrende Transrapid wurde in Deutschland entwickelt. Dass das Teil hier nicht fährt hat wieder mit Menschlichen Komponenten zu tun.

    Herrenknecht ist mit im Rennen wenn es um den Bau der Tunnel von Elon Musk geht.

    Das Team der FU München hat Elon Musks Wettbewerb für den Antrieb des Hyperloop gewonnen.

    Es wird wahrscheinlich ein Deutsches Unternehmen sein, welches als erstes "Flugtaxis" in die Luft bringen wird....irgendwo auf der Welt.

    Das größte Kreuzfahrtschiff der Welt läuft bald in Deutschland vom Stapel und nicht in Südkorea.

    Satelliten die um die Erde kreisen und weit in die Tiefen des Alls fliegen sind voll mit Technik und Optik aus Berlin Adlershof.


    Alles innovationen Made in Germany in einer globalisierten Weltwirtschaft. Das ist doch gut.

    Was soll also die Nestbeschmutzung und Schwarzmalerei als ginge hier alles den Bach runter.

    Dieses Getue als würde hier morgen keiner mehr Geld verdienen und alles ins Ausland abfließen...dieses Land hat die höchsten privaten Spareinlagen in der ganzen Welt.


    Das einzige was sich hier in den letzten Jahren stark verändert hat, ist der Umschwung weg vom preussischen Militarismus und von der Schwerindustrie hin zur Wissens- und Dienstleistungsgesellschaft und das in einem Land was eigentlich komplett zerstört und über Jahrzehnte geteilt war.

    Von diesem Aufstieg haben doch immer alle geträumt, das soll jetzt infrage gestellt werden, weil aus Menschlichen Bedürfnissen und Fehlern ein Flughafen nicht fertig zu werden scheint und uns beim AirPortbau ein anderes Land ein besseres Beispiel sein soll? Deshalb soll man jetzt die Verhältnisse in China und Co. hochjazzen und wir sollen uns daran gefälligst mal ein Beispiel nehmen? No way...da steig ich lieber in FRA um oder verzichte noch ne Weile auf die nächste Flugreise.


    Fun Fact: letzte Nacht war Dwayne the Rock Johnson in Berlin um seinen neuen Film vorzustellen. Er ist hier trotzdem in Berlin gelandet.


    Will sagen: der BER ist eben nicht zum traurigen Symbol einer angeblich schwindenden Deutschen Industriemacht geworden. Wir haben hier funktionierende Flughäfen. Es ist ne peinliche Nummer, ohne Frage. Die Jacke müssen sich aber eher Politiker und Politiker die offenbar auch gern Hobbyplaner sind anziehen und nicht Industrieunternehmen bzw. ein ganzer Wirtschaftszweig, die ebenfalls am Bau von Flughäfen in der ganzen Welt beteiligt sind.

  • Ich frag da mal ganz rhetorisch nach: was sind das denn für andere Länder die in den letzten Jahren die großen AirPorts mit riesigem Passagieraufkommen aus dem Boden gestampft haben?

    Hmm. In BER hapert es ja v.a. am Terminal. In München wurde mit dem Satelliten und etwa 11 Millionen PAX Kapazität ein Terminalgebäude in ziemlich genau 4 Jahren hochgezogen, das fast halb die Kapazität von BER hat Und das unter den erschwerten Bedingungen, dass die Baustelle innerhalb der Sicherheitszone und Flugvorfeldes eines aktiven Flughafen war. Ganz ohne Skandale oder Verrsagen oder Verzögerungen. Für mich ist BER kein Synonym für generelle Probleme in Dtld. sondern extremes Versagen der lokal Verantwortlichen.


    In Frankfurt werden wir mit dem T3 sehr wahrscheinlich auch nicht so ein Trauersspiel sehen...


    In dtld. gibt es genug Kompetenz wie man Flughäfen baut. Nur die Berliner Politik wusste es ja besser und haben diese nicht in BER bauen lassen. (Hochtief o.a.) sondern wollten es billiger hinbekommen....

  • ^Nun ja, der Bau des Flughafens München inkl. Planungs- und Bauzeit dauerte mehrere Jahrzehnte. Das sollte man bei aller Kritik nicht unerwähnt lassen.


    Dass die Schuldigen nur in der lokalen Politik zu suchen sind, ist genau so ein Ammenmärchen. Es sind nach wie vor drei Gesellschafter. Der Bund, Brandenburg und Berlin. Ich würde keinen der drei Beteiligten aus der Verantwortung entlassen. Und dass die Industrie sich beim Bau mit Ruhm bekleckerte, kann man so auch nicht sagen. Man denke nur an die Brandschutztüren. Aber all das ist ja eigentlich auch bekannt.

    2 Mal editiert, zuletzt von DerBe ()

  • Apropos Bund: Lt. RBB hat der Bund das Projekt Regierungsterminal nun auf mindestens 2030 verschoben und möchte in das Interimsterminal auch erst nach Schließung von Tegel umziehen ( obwohl eigentlich Frühjahr 2020 anvisiert war)

  • Also die Schuld alleine bei Berlin zu versorgen finde ich auch äußerst fraglich. Immerhin sind der Bund und Brandenburg auch beteiligt - Brandenburg sogar zu gleichen Teilen. Zudem befindet sich der BER auch komplett in Brandenburg und unterliegt dessen spezifischen Landes-Bauvorschriften. Schließlich ist die Genehmigungsbehörde auch das Landratsamt Dahme-Spree.


    Warum sollte es also „nur Berlin“ sein?

  • @ LugPaj und DerBe:


    Ich denke, die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Es ist definitiv zu einfach, die vermeintlich notorisch unfähige Berliner Politik allein für das Desaster verantwortlich zu machen. Zum einen, weil Berlin nur einer von drei Gesellschaftern ist; zum anderen, weil der Flughafen ja keineswegs von irgendwelchen fachfremden Beamten aus der Stadtverwaltung geplant wurde, sondern von der Flughafengesellschaft FBB - die Gesellschafter sind hier nur im Aufsichtsrat vertreten.


    Einen Kardinalfehler haben die damals zuständigen Politiker (aller drei Beteiligten) aber gemacht: Nämlich nach den gescheiterten Privatisierungsversuchen kein Generalunternehmen zu beauftragen, sondern die Gewerke durch eine Planungsgemeinschaft einzeln ausschreiben zu lassen. Die vielen verschiedenen Firmen zu koordinieren und sich nicht von ihnen auf der Nase herumtanzen zu lassen - das hat die Planer dann völlig überfordert.

  • ^ Ja, das sehe ich auch so. Ebenso die ständigen Umplanungen.

    Mich nervt nur das ständige Gehacke ausschließlich auf Berlin. Das bildet eben nicht die Realität ab und das muss man doch mal irgendwann verstanden haben.

  • ^Nun ja, der Bau des Flughafens München inkl. Planungs- und Bauzeit dauerte mehrere Jahrzehnte. Das sollte man bei aller Kritik nicht unerwähnt lassen.

    Die Bauzeit dauerte von 87 bis 92, also 5 Jahre. Dass die Planungszeiten in Deutschland ewig sind, ist eine ganz andere Geschichte - das unterschreibe ich dir sofort.

  • Die Anbindung des BER mit der Bahn über die Dresdner Bahn wird sich verzögern, da die Gemeinde Blankenfelde-Mahlow im Landkreis Teltow-Fläming gegen einen der drei Planfeststellungsbeschlüsse klagt, dem Bereich mit der Mahlower Kurve.

    Wann das oberste deutsche Verwaltungsgericht in Leipzig über den Eilantrag und die Klage entscheidet, ist ungewiss. Man kann aber mit mind. 1,5 Jahren rechnen.


    Q: Berliner Zeitung

  • Hier zeigt sich so vieles von dem, was in Deutschland falsch läuft, zu welcher Bananenrepublik das Land verkommen ist.

    Der Hauptstadtgrossflughafen eröffnet (voraussichtlich) mit 8,5!!! Jahren Verspätung und dennoch wird es mindestens weitere 6 oder 7 Jahre dauern, bis eine angemessen leistungsfähige ÖPNV-Anbindung gewährleistet ist. Laut IHK droht ein Verkehrschaos auf der A113. Geschätzte 40 mio. Fluggäste pro Jahr werden das ausbaden müssen.

    Ich bin im Detail sicherlich wesentlich schlechter informiert als die meisten Forenteilnehmer, aber nur mal einige Beobachtungen:

    - Verlängerung der U7 bis zum BER wird noch nicht einmal mehr diskutiert (nur noch bis SXF). Teilweise liegt die Problematik hier in der geteilten Zuständigkeit zwischen den Ländern BB und Berlin.

    - Für die absurde Situation, dass nur Taxen aus dem LK Dahmen-Spreewald Fahrgäste am Airport aufnehmen dürfen, nicht solche aus Berlin, die wohl über 95% der Flugreisenden dort absetzen werden, gibt es meines Wissens noch keine Lösung, obwohl jedem klar sein dürfte, wie absolut kontraproduktiv dies unter ökonomischen wie ökologischen Gesichtspunkten ist.

    - Die schnelle und kürzest mögliche Zug-Anbindung wird von einer Randkommune aus vergleichsweise banalen Gründen verzögert (ohne zu wissen, ob hier Blankenfelde-Mahlow oder das Eisenbahnbundesamt oder beide die Hauptverantwortung tragen). Das angerufene Bundesgericht ist so überlastet, dass es nicht in der Lage ist, zügig zu Entscheidungen in solchen Fällen von nationaler Bedeutung zu kommen, die Millionen von Menschen betreffen. Offensichtlich fehlt es hier an personeller Ausstattung oder der richtigen Priorisierung.

    Ich ziehe mal zum Vergleich meinen Wohnort Kopenhagen heran (auch eine Demokratie mit Rechtsstaat, wo nicht jeder einfach alles ohne jedwede Rücksicht auf Anwohnerinteressen bauen kann).

    Der hiesige Flughafen fertigt pro Jahr etwas über 30 mio. Passagiere ab und verfügt über:

    - Autobahnanschluss (sowohl in Richtung Malmö über die Öresundbrücke) als auch in Richtung Kopenhagen und weiter landeinwärts

    - Regionalbahnanschluss (alle 20 Minuten mit Fahrzeit von 15 Minuten / 25 Minuten bis Kopenhagen / Malmö Hbf)


    - U-Bahn-Anschluss (24h-Betrieb, die meiste Zeit des Tages im 3-Minuten-Takt, ca. 20 Minuten Fahrzeit bis zur Innenstadt)

    Ich will nicht behaupten, dass die infrastrukturellen Herausforderungen hier exakt dieselben waren wie in Berlin, sondern nur aufzeigen, dass es auch anders geht. Und das selbst dann, wenn internationale Kooperation notwendig wird, wie im Falle von DK und Schweden. Man muss sich als Deutscher nicht damit abfinden, dass alles erstarrt und man uns international nur noch müde belächelt.

  • ^ Die Anbindung des BER wird nicht so schlecht. Es werden sechs S-Bahnen pro Stunde sein, vier Regionalbahnen pro Stunde und wer mit der U7 kommt, hat eine direkte Busanbindung. Und was mich sehr freut ist die zweistündige Anbindung von Leipzig und Rostock mittels eines IC.

    Die Autobahnanbindung ist schon Jahre fertig. Und zu nicht wenigen Zeiten wie an so vielen anderen Orten überlastet. In Kopenhagen nicht?


    Gleichzeitig ärgere ich mich mit Dir darüber, dass der Ausbau der Dresdner Bahn so eine zähe Geschichte ist, schon in der Vergangenheit und nun mit der Klage weiterhin. Und das die U7 weitergeführt werden sollte, klar, das wäre auch nach meiner Meinung sinnvoll. Überhaupt ist der Ausbau des U-Bahnnetztes oder der auch Straßenbahn in Berlin ein Prozess, der nicht nachvollziehbar träge verläuft.

  • In dem von dir selbst verlinkten Artikel, Architektenkind, wird als Merkmal einer Bananenrepublik auch politische Ineffizienz gennant. So falsch ist der Begriff dann wohl doch nicht.

  • ^ Hmpf. "Bananenrepublik" steht in jedem sinnvollen Zusammenhang für einen korrupten Staat (der natürlich auch ineffizient ist). Das Problem mit der hiesigen Verkehrsplanung (es geht um eine Bahnlinie) ist aber nicht Korruption, sondern überkomplex gewordene Planungsvorgänge und zahllose mögliche Klagegründe – Landschaftschutz, Naturschutz, Lärmschutz, Vergaberecht, Kompetenzkonflikte, etc. Erschwerend kommt hinzu, dass es ja sinnvoll ist, Einspruchsmöglichkeiten z.B. gegen Naturzerstörung zu haben.


    Man kann das Problem also nicht mit dem Schwert zerschlagen wie Alexander den gordischen Knoten, indem man das Planungsrecht einfach radikal zusammenstreicht und der Exekutive volle Entscheidungsbefugnis gibt. Können Sie einschätzen, ob die Vorbehalte der Gemeinde Blankenfelde-Mahlow stichhaltig sind oder nur borniertem Egoismus entspringen? Ich kann es nicht. Vielleicht gibt es ja wirklich Probleme mit dem Planfeststellungsbeschluss...


    Man sieht: Alles in allem eine komplexe Gemengelage, die sich aus über Jahrzehnte gewachsenen rechtsstaatlichen Verfahrensweisen ergibt – und in Bananenrepubliken spielt der Rechtsstaat keine Rolle.

  • Wann das oberste deutsche Verwaltungsgericht in Leipzig über den Eilantrag und die Klage entscheidet, ist ungewiss. Man kann aber mit mind. 1,5 Jahren rechnen.


    Das gesamte PFV, alle drei PFA zusammen, hat in der Tat sehr lange gedauert; die Chronologie des Verfahrens. kann man im PFB vom 30.8.2019 nachlesen (S. 117 ff.). Warum das so lange gedauert hat, kann ich nicht beurteilen, aber die Befürchtungen eines jahrelangen Rechtsstreits dürften unbegründet sein.


    Nach der Wiedervereinigung hat der Gesetzgeber den Rechtsweg für bestimmte Verkehrsprojekte gestrafft und dem BVerwG eine umfassende Zuständigkeit zugewiesen, es ist in diesen Verfahren Tatsacheninstanz, Berufungs- und Revisionsgericht zugleich. Der Gesetzgeber hat durch Bundesgesetz bestimmte Ausbauvorhaben für vordringlich erklärt und in diesen Vorhaben die Alleinzuständigkeit des BVerwG angeordnet. Die Liste steht in der Anlage zu § 1 des Bundesschienenwegeausbaugesetzes (BSWAG), im Abschnitt 1, Ziffer 26 (die Strecke gehört zum Ausbau des Knotens Berlin).


    Verfahrensrechtlich ist bestimmt, dass der Eilantrag binnen eines Monats zu stellen und zu begründen ist, d.h. am 6.1.2020 liegt die Begründung dem BVerwG vor, die Klagebegründung muss binnen 70 Tagen, also bis Mitte Februar 2020 vorliegen. Dem BVerwG-Jahresbericht entnehmen wir, dass die Dauer dieser Verfahren (2018 sind 47 Verfahren anhängig geworden) im Schnitt 11-12 Monate dauern. Es sieht deshalb hier nicht nach "mindestens 1,5 Jahren" aus. Die Eilentscheidung dürfte sogar rascher vorliegen und schon zu erkennen geben, ob und ggf. wo das Gericht Probleme sieht. Es kann dann ggf. Teile der festgestellten Pläne außer Vollzug setzen, so dass der Rest schon begonnen werden kann, aber eine vollständige Aufhebung des PFV und ein "geh' zurück auf Los" gibts nicht mehr.


    In dem verlinkten PFB kann man übrigens auch nachlesen, was von der Gemeinde gegen die Planung eingewendet wurde und wie das EBA über die Einwendung entschieden hat.

  • Durch die langwierigen Entscheidungen werden diese aber nicht besser. Wenn man den Menschen zum Maßstab nimmt, ist es absurd, dass juristische Verfahren oft beträchtliche Teile eines Lebens in Anspruch nehmen, ohne dass die Entscheidungsqualität besser wird. Es ist keine Bananenrepublik, sondern ein (in Teilen) kafkaesker Staat, dessen aufgeblähte Behörden niemandem mehr sinnvolle Rechenschaft ablegen. Es handelt sich hier um ein direkt nach der Wiedervereinigung geplantes Projekt.


    Man bedenke, dass es hier um eine Bahnstrecke mit ihren evidenten ökologischen Vorteilen geht.