Quartier am Tacheles

  • Eines der profiliertesten Architekturbüros der Gegenwart bebaut ein ganzes Areal mit unterschiedlichen Gebäuden in der Mitte Berlins, und das beste Gebäude, das in eben diesem Areal stehen wird, ist das alte von Franz Ahrens, einem Berliner Provinzarchitekten, erbaute Tacheles-Gebäude.


    O tempora, o mores!


    Wenn das nicht Bände über die moderne Baukunst spricht...

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  • Auch ich möchte mich anschließen (in der Hoffnung, dass die Projektentwickler mitlesen).


    Die Vielfältigkeit der Fassaden ist positiv.


    Oro und Vert sind sehr erfreulich gestaltet, wobei Oro Chipperfield imitiert.


    Die beiden externen Büros haben Entwürfe geliefert, die an den Kunstcampus in der Europacity erinnern und auch dort stehen könnten.


    Wirklich enttäuscht bin ich von der Passage und dem massiven Rasterkopfbau. Zunächst würde ich dort gerne eine Visu für 2030 bezüglich des Alterungsprozesses sehen (insbesondere die Betonplatte zwischen den beiden Kopfbauten). Die Passage selbst wirkt trotz des verwendeten Backstein abweisend. Eine Anlehung an das Blackfriars Projekt in London hätte ich gut gefunden. Das wirkt auch großstädisch, ohne abweisend zu sein. Ich kann nicht bewerten, ob Architekten aufgrund der lokalen Bauordnung, den zu erreichenden Energiestandards oder dem zu erwartenden Mietniveau weniger Gestaltungsmöglichkeiten besitzen.


    Die Idee zur Rettung wäre für mich, dass die Geschäfte die Erdgeschosszone aufwendig und individuell mit Holz oder andersfarbigem Backstein gestalten dürfen, um so Nischen zu schaffen, wo Menschen gerne verweilen.


    Positiv ist allerdings, dass trotz eintöniger Rasterfassade über der Erdgeschosszone Vorsprünge geschaffen wurden. Psychologisch halten sich Menschen ungern länger direkt vor glatten Fassaden auf.

  • Insgesamt finde ich die Visualisierungen ansprechend. Die unterschiedlichen Gebäude sind abwechslungsreich und die Passage, die Höfe und Durchgänge versprechen Kurzweiligkeit.


    Schade finde ich, dass die Passge nicht überdacht ist, da hätte man auch gestalterich noch mehr rausholen können.


    Ehrlich gesagt, fremdel ich z.Zt. noch mit der Pyramide auf dem Altbau, sie erscheint mir, wie aus einem Science Fiction Film.


    Die Fassade des Scape zur Friedrichstraße hin, könnte akzentuierter sein. Das Störende könnte aber auch an dem Fehler in der Visualisierung liegen. Die beiden Betonbrücken wirken auf mich falsch proportioniert (relativ breit, dafür aber sehr "dünn").


    Das Oro gefällt mir gut, ist aber fast eine Kopie des Cipperfield Baus (Gropius Ensemble) im Forum an der Museumsinsel und das nur wenige hundert Meter entfernt.


    Sehr gut finde ich das Vert, welches aber in der Johannisstraße kaum zur Geltung kommen wird. Das hätte im Ensemble einen besseren Platz bekommen sollen.

  • Da man das Projekt besser mit anschaulichen Bildern diskutieren kann, hier zwei Renderings (beide © BLOOMIMAGES) aus dem News-Bereich der Tacheles-Seite, dessen Kennwort in der Pressemitteilung angegeben ist.


    Dem "Oro" kommt städtebaulich eine besondere Bedeutung zu, da er nicht nur exponiert an der Oranienburger Straße steht, sondern auch die Straße gabelt, öffnet und dazu einlädt, in den Innenbereich zu gehen. Abgesehen von der beachtlichen architektonischen Qualität des Oro entstehen an der Oranienburger Straße spannende Perspektiven, diese Öffnung sehe ich als echten Gewinn gegenüber dem Vorkriegszustand an, der, wenn ich richtig informiert bin, keine solche Öffnung hatte. Die halbrunden Fenster, die viele, auch mich, an Chipperfield erinnern, zitieren m.E. den großen Rundbogen des Tacheles, und es wird sowieso interessant werden, nach solchen wechselseitigen Bezügen zu suchen.


    Meinem Eindruck nach fügt sich das alte Tacheles auch im Innenbereich mit schöner Selbstverständlichlichkeit im neuen Umfeld an, oder umgekehrt: Die neuen Bauten schließen sehr natürlich am alten Tacheles an, ohne verkrampfte Abgrenzung und ohne kitschige Anbiederung.


  • "Presseschau", textlastiger:)


    Das Vorhaben werde laut "Tagesspiegel" jetzt vorsichtig mit rund 600 Millionen Euro Gesamtkosten taxiert. Die Passage von der Friedrichstraße zur Oranienburger (meine Korrektur..) Straße entstehe nicht überdacht - eine Überdachung war mal in einer 2017er Visu zu sehen.


    Seit vier Monaten seien alle Baugenehmigungen vorhanden - was IMHO so nicht ganz stimmt:
    Die für die Sanierung der Häuser Friedrichstraße 112 a und b fehlt wohl noch.
    Ein Grund dafür könnte darin liegen:

    .. im Baudenkmal an der Friedrichstraße 112 a (mit dem früheren Irish Pub "The Oscar Wilde" im EG) befindet sich im 1. Stock ein Saal vom ehemaligen „Scala Kino“ von 1908, dessen Erhalt und Reaktivierung eine Initiative um Filmgrößen wie Wim Wenders, Rosa von Praunheim und Alexander Kluge fordere: https://www.tagesspiegel.de/be…rlin-retten/23780138.html


    Insofern einfach mal abwarten:

    Ein Skandal wäre es, wenn man den unter Denkmalschutz stehenden Altbau Friedrichstraße 112A tatsächlich entstucken würde, wie es auf den Visualisierungen zu erkennen ist.


    Dass es ausschließlich (275) Eigentumswohnungen - und keine (günstigen) Wohnungen zur Miete - gebe, ist gemäß einem "Abendschau"-Video vom 19.09.2019 auf den - frühen - Zeitpunkt der Erstellung des diesbezüglichen B-Plans zurückzuführen.


    Unter dem Datum 18. September 2018 heißt es seitens des Projektentwicklers pwr development per Nachtrag, dass alle Untergeschosse nun erst bis Anfang 2020 im Rohbau hergestellt werden sollen.
    Per 19.09.2019 nennt die Berliner Morgenpost für die Fertigstellung der ersten Gebäude - darunter das Atelierhaus - den März 2022; erst bis Anfang 2023 sollen alle Häuser stehen.


    Dass das schwedische Fotomuseum Fotografiska in den Altbau einziehe, sei noch nicht spruchreif, so der Investor. Laut "Abendschau" sähe es einer der früheren "Tacheles"-Macher, Jochen Sandig, gerne, wenn eine Stiftung den denkmalgeschützten Altbau trage.
    Insofern heißt es auch hier: abwarten, "work in progress"..;)

    ..
    Der Investor des Areals kündigte demnach ein Gesamtkulturkonzept für das Quartier an, das sich gegenwärtig in der letzten Phase der Verhandlungen befinde - allerdings kooperiere er mit den Filmschaffenden nach deren Angaben bisher [in Sachen „Scala Kino“] nicht..

  • Ein Skandal wäre es, wenn man den unter Denkmalschutz stehenden Altbau Friedrichstraße 112A tatsächlich entstucken würde, wie es auf den Visualisierungen zu erkennen ist.


    Da das Gebäude eine Natursteinfassade hat, ist eine Entstuckung wohl nicht zu befürchten.

  • "Presseschau", 2. Teil anlässlich der Grundsteinlegung:


    Der "Berliner Woche" vom 24.09.19 (inkl. vielen Fotos, Visus) zufolge ist pwr-development hinsichtlich der künftigen kulturellen Nutzung vom "Tacheles"-Altbau neben „Fotografiska“ auch in Gesprächen mit Stiftungen, dem Goethe-Institut und der Senatskulturverwaltung; ein Kinokonzept habe sich zerschlagen wegen der Akustik und einem deshalb ggf. erforderlichen Umbau.


    "Der Tagesspiegel" vom 29.09.19 lässt den einstigen "Tacheles"-Mitbegründer Jochen Sandig in einem Gastbeitrag aus seiner Sicht Revue passieren; er spannt darin etwas wolkig den Bogen zu den heute 20- bis 30-Jährigen ("Generation Fridays for Future") und appelliert an die Eigentümer, eine gemeinnützige Tacheles Foundation neu "in einer zukunftsweisenden Public Private Partnership" aus der Taufe zu heben - zwecks Schaffung eines Raums im Zentrum Berlins, wo "die großen Fragen der Gegenwart und der Zukunft wie unter einem Brennglas künstlerisch-kreativ behandelt werden können, mit wechselnden internationalen Akteuren und Aktivisten".

  • Wieder einmal ein Bild der Baustelle von der Friedrichstraße. (Im Hintergrund rechts kann man die heutige Unteilbar-Demo gegen Rassismus und Antisemitismus mehr erahnen als erkennen.)



    Bild von heute & von mir & gemeinfrei.

  • wenn man hier mal aus Frankfurt seinen Senf dazu geben darf, muss ich einfach sagen was für ein cooles Projekt! Bin vor ca. einem Jahr noch am Baufeld vorbei gelaufen.


    Während hier ein 08/18-Bau nach dem anderen entsteht, wäre das was Herzog, Grüntuch und Brandlhuber hier "hinzaubern" in Frankfurt (bis auf wenige Ausnahmen) fast schon ein Gamechanger. Gefällt mir gut. Ist natürlich auch schön, wenn man eine so beeindruckende Altbau-Substanz vorfindet.
    Grüße

  • Dass hier überhaupt noch Altbausubstanz vorhanden ist, ist übrigens Bürgern der Stadt zu verdanken, die an anderer Stelle in der Stadt ( z.B. als Bewohner einer Wagenburg, Benutzer günstiger Künstlerateliers, etwa.) nicht mehr erwünscht sind, weil der Stadt Einnahmen verloren gehen könnten.


    Ein Schicksal dass sie auch mit ehemaligen Hausbesetztern teilen die in den 70er und 80er Jahren den Abriss ganzer Gründerzeitlerzeilen verhinderten...


    Immerhin übernehmen die Maximalverwerter der Immobilie gerne den Namen als Markennname und das kostenlos, ist das nicht grandios?


    Wenn unbedingt OT dann dort. Hier bitte im Thema weiter.
    Bato

  • Zuletzt hier: #390

    Hier noch einmal zwei Bilder vom Süden auf die imposante Baustelle und die Rückseite des Tacheles. Bald dürfte dieser Blick nicht mehr möglich sein.


    2019-11-0111.33.531qwj8i.jpg


    2019-11-0111.33.4825ekaq.jpg


    Bilder von mir & von heute & gemeinfrei.

  • Aufgefallen ist mir an der Oranienburger Straße folgende Konstruktion vom EG ins 1. OG:


    img_20191108_134450g9k6n.jpg

    (Foto: Hallole)


    Dabei könnte es sich um den Zugang zum "temporären Showroom" handeln:

    Außerdem ist bei der Oranienburger Straße 54 - 56 A die Rede von einer "Nutzungsänderung, Temporärer Showroom in Teilen des Erdgeschosses und des ersten Obergeschosses des ehemaligen Kunsthaus Tacheles bis zum 31.03.2021"

    Einmal editiert, zuletzt von Hallole ()

  • Die Bauten des Tachelesquartiers sind nun auch an der Oranienburger Straße deutlich erkennbar.


    Hier die Sicht, von der Auguststraße kommend:


    2019-11-2916.19.0222lkdh.jpg


    2019-11-2916.19.32143jjn.jpg


    Hier ein Blick in den Innenbereich:


    2019-11-2916.20.101xajuu.jpg


    An der Friedrichstraße ist der Bau am weitesten fortgeschritten:


    2019-11-2916.22.561s6k2c.jpg


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    Bilder von mir & von heute & gemeinfrei

  • ^ Die sichtbaren Bauarbeiten sind gegenüber dem Stand Ende November zwar nur geringfügig fortgeschritten, aber ich konnte diesmal immerhin Aufnahmen bei Tageslicht machen:


    Von der Augststraße kommend:





    Blick von der Oranienburger Straße:



    Genau gegenüber sieht es so aus. Schwer zu glauben, dass die Ecke noch immer unbebaut ist.



    Hier einige Bilder in das Innere des Tacheles:




    Mal sehen, was mit den akephalischen Ritterstatuen geschieht. Von mir aus könnten sie so bleiben.



    An der Friedrichstraße ist die Traufhöhe bald erreicht:




    Alle Bilder von heute & von mir.

  • Fun fact für Nicht-Mathematiker: Das "A" vom Logo des Projekts "Am Tacheles" ist umgedreht und wird so zu einem Allquantor, der "für alle" gelesen wird. Ich frage mich, ob damit suggeriert werden soll, dass das Projekt "für alle" da sei oder etwas in der Art. ^^

  • Man hätte hier von der Strahlkraft ein zweites Sony Center schaffen können. Es wirkt trotz der vielen bekannten Architekturstudios doch relativ unambitioniert. Die Rasterfassade Seite Friedrichstr. sieht sogar merkwürdig aus der Zeit gefallen aus. Sie erinnert mich stark an einen Bau der 90er Jahre und wirkt eher abweisend als einladend. Würde das grüne Büschchen dort nicht herab hängen, wäre der Eindruck noch weit profaner. Es ist kein Schrott der da entsteht, aber ich kann mir das Projekt genauso in München, Düsseldorf oder Hamburg vorstellen und in diesem Sinne wird es dem Standort und seiner Bedeutung für Berlin einfach nicht gerecht.

  • Da der bestehende Altbaut integriert wird und auch der Verlauf der ehemaligen Passage wieder entsteht, kann das Gebäude schlecht woanders genauso entstehen. Es ist aber auch selbverständlich, dass die allermeisten Gebäude, bzw. Fassaden heutzutage auch in den allermeisten Städten gebaut werden könnten.

    Warum auch nicht? Selbst die typischen Gründerzeitgebäude gibt es genau so in vielen anderen Städten. Ich halte da eher die Vielzahl dieser Gebäude in Berlin für prägender, als den konkreten Baustil.