Dresden: Waldschlösschenbrücke [realisiert]

  • Cowboy, jetzt enttäuschst Du mich aber. Die pauschale Beschreibung einer großen Bevölkerungsgruppe, welche hier mal nicht Deiner Meinung ist als "moralisch bankrott" hätte ich von Dir nicht erwartet.


    Auch bei diesem Streit ist es so, daß die Menschen verschiedene Prioritäten im Leben setzen, daß ihnen verschiedene Dinge mehr oder weniger wichtig sind.
    Und mal ehrlich. die Interviewschnipsel, welche man ausnahmslos von Brückenbefürwortern auf Dresdner Straßen eingefangen hat und im Rahmen der neuesten UNESCO-Entscheidung oder auch Nichtentscheidung in den Nachrichten verschiedenster Sender zum Besten gegeben hat, lassen dann doch leichte Scham in mir aufkommen, aus Dresden zu stammen. Was da so zu hören war ...
    Eine nicht unbedeutende Rolle in der Argumentation der Brückenbefürworter spielt die Annahme, es mit dem Brückenbau "denen da oben", hier muß die UNESCO für herhalten, mal richtig zu zeigen. Jetzt erst recht. Aber das ist mir als Argument für eine Brücke an dieser Stelle und in dieser Form mit all ihren Auswirkungen zu wenig.


    oh weh, jetzt mache ich mir meine ganze schöne grüne Bewertung kapputt

  • ^ Aber nicht durch mich, mein lieber Torsten. Ich weiß auch nicht, wer sich hier mit der Vergabe roter Laternen behaupten will.


    Eine nicht ganz unbedeutende Rolle bei diesem ganzen Theater spielt sicherlich auch, dass die Brückengegner so tun, als ob es nie eine direkt-demokratische Abstimmungsmöglichkeit der Bürger für die WSB gegeben hätte, und die Unesco so tut, als ob sie vor diesem Begehren nie informiert worden wäre. Es wäre jetzt sehr vermessen, nur weil die Unesco gepennt hat, den Brückenbau zu stoppen, der bislang schon über 30 Millionen Euro gekostet hat, und dafür einen Tunnel zu planen, wo irgend so ein Experte später sagen wird, dass das nur mit einem Mehraufwand im dreistelligen Millionenbereich möglich sei. Eine Tunnelvariante wäre natürlich auch mir lieber gewesen, aber der Zug ist dahingehend bereits vor Jahren abgefahren.


    Und ich finde nicht, dass du dich schämen solltest, aus Dresden zu stammen. Zumindest die Hardliner, die für oder gegen die Brücke argumentieren, stammen überwiegend aus dem Westen. Der gemeine Dresdner Bürger hat andere Probleme...

  • [size=8], dass die Brückengegner so tun, als ob es nie eine direkt-demokratische Abstimmungsmöglichkeit der Bürger für die WSB gegeben hätte, und die Unesco so tut, als ob sie vor diesem Begehren nie informiert worden wäre.


    Man kann von der Unesco wohl kaum erwarten, dass sie sich weltweit mit irgendwelchen Bürgerabstimmungen zu Brücken beschäftigt oder gar ihre Bewertungen davon abhängig macht.


    Man kann aber sehr wohl erwarten, dass die demokratische Abstimmung in Anbetracht der geänderten Rahmenbedingungen wiederholt wird.


    Diese Posse, wie auch andere Auffälligkeiten in Ostdeutschland (Neonazis, überstarke Linkspartei), zeigen leider sehr deutlich, dass man dort auch fast 20 Jahre nach dem Mauerfall immer noch unglaublich unbeholfen der Demokratie gegenübersteht.


    Honnecker ist weg, nun sucht man sich einen anderen "Diktator" in Form einer ach so demokratischen Brückenabstimmung, an der man zwanghaft festhalten zu müssen glaubt.

  • Super micro, zuerst war's die Stasidenke, die für dich ausschlaggebend an dem Festhalten der WSB war, jetzt sind's die Neonazis, die Linken und überhaupt die Ossis, die von einer starken Hand (wie dem WSB-Bürgerbegehren) geführt werden wollen. Auf so einen Blödsinn antworte noch nicht mal ich.

  • Meine Meinung: Es wurde viel öffentlich diskutiert und abgestimmt, nun ist die Brücke bereits im Bau und damit ist der Zug abgefahren. Es sei denn, die Brückengegner (und nur die) zahlen die Mehrkosten für Beseitigung der im Bau befindlichen Brücke.
    Gibt es denn irgendwelche Schätzungen, was der Stadt für ein ökonomischer Schaden entstehen würde, wenn der Titel weg ist (also Ausfall an Touristen)?

  • Auf so einen Blödsinn antworte noch nicht mal ich.


    :nono: Unlogisch, denn Du hast geantwortet. Meine letzten beiden Absätze waren aber eh nicht an Dich adressiert.


    Ist ja nur eine Theorie von mir. Andere äußern ihre ja auch.


    Jetzt bitte möglichst sachlich weiter.

  • Ich fände es gut, wenn der Erbe-Titel endgültig flöten geht. Gehört eine Stadt zu den wichtigsten Kulturgütern der Welt, in der man alte Fassaden vor Beton pflanzt um kitschig schöne Postkarten zu produzieren? Oder eine, die die prägendsten Orte der Stadt einem rein technischen Städtebau unterwirft, der keine anderen Ziele hat, als die Stadt einfach abzuwickeln? Dresden ist für mich seit der Wende eher ein Beispiel für kulturellen Niedergang, als kulturelles Highlight, woanders bemüht man sich um die Pflege eben dieser Kultur, in Dreden sorgt man sich darum nicht!


    Westropolis:
    Auch Dresden darf bauen, was es will, nur wird es dann genauso wie die Städte in den USA und in China kein Weltkulturerbe mehr sein.

  • Es ist doch nicht ganz Dresden Weltkulturerbe, sondern nur das Dresdner Elbtal, welches sich halt auf Stadtgebiet befindet.

  • micro, ich glaube, Du übertreibst. Mag sein, dass im tiefsten Ostdeutschland die Uhren anders ticken. Das wird aber vermutlich Wirkung und nicht Ursache sein. Es bemängelt ja auch kaum einer den krankhaften und typisch westdeutschen Misanthropen-Kult, der aus dem Überfluss heraus alles unter Generalverdacht stellt, was vom Tage X an von Menschenhand geschaffen wurde und geschaffen werden soll. Nach meiner Überzeugung steckt darin nicht weniger Ideologie, als in der sturen Beibehaltung des Brückenkonzeptes. Übrigens, die schillerndsten Linken (wenn man's mal unabhängig vom Label betrachtet) und die einflussreichsten rechtsextremen Vorkäuer sind allesamt originär westdeutsch.



    Wenn man allerhand profilierungswütige Politiker sowie die Wortmeldungen und Aktivitäten zweckgebundener Vereinigungen, die von Robin Wood bis zur UNESCO aufgrund der eigenen Legitimation geradezu genötigt sind Missstände zu erkennen bzw. zu erfinden, kritisch hinterfragt und ggf. aus der Debatte rauskürzt, dann bleibt vor allem eins: eine seit mehr als einem Jahrzehnt völlig unbefriedigende Situation, die Elbe an dieser Stelle mit Individualverkehrsmitteln zu queren. Und das Ganze findet in einem der dichtesten Siedlungsgebiete Europas statt! Demagogen mögen die Lösung dieses Problems in der Ausrottung des motorisierten Individualverkehrs sehen. Es wäre jedoch blauäugig anzunehmen, zukünftige Mobilitätskonzepte für alle Verkehrsteilnehmer (die es zwangsweise geben wird) würden in Sachen Flächenverbrauch mit den heutigen, derzeit vor allem auf effizienten Strecken und zu lukrativen Zeiten verkehrenden, ÖPNV-Mitteln auskommen können. Außerdem sollten nach meiner Auffassung die Restriktionen von Heute nicht zu Hemmnissen für morgen werden. Wir wissen nicht, wie sich das Mobilitätsverhalten künftig entwickeln wird. Zusammengefasst: eine Elbquerung muss her, aufgrund der schon lange bestehenden Probleme möglichst bald!


    Die Frage, ob es eher eine Brücke oder ein Tunnel werden soll, stellt sich leider nicht mehr wirklich, auch wenn ein Tunnelbau aus bekannten Gründen zu bevorzugen wäre. Die Querung ist aber nicht Selbstzweck, sie wird zeitnah benötigt! Bei den hierzulande üblichen umfangreichen Genehmigungsverfahren bedeutet aber die Aufgabe des Brückenkonzeptes zu Gunsten eines Tunnels eine Verzögerung von vielen Jahren (die zusätzlich mit den länger währenden Baumaßnahmen erklärbar sind). Das ist Punkt eins. Punkt zwei: die Gelder, die Tiefensee heute für das Tunnelprojekt in Aussicht stellt, fehlen bei anderen Infrastrukturprojekten, wo sie im Einzelfall sicher ähnlich wichtig sind. Außerdem wird inzwischen aus Dresden kolportiert, diese Gelder seien eh für Sachsen vorgesehen gewesen und Tiefensees Angebot lediglich ein durchschaubares Täuschungsmanöver (wobei ich nicht weiß, wie das motiviert sein sollte). Zu den tatsächlichen Kosten eines Tunnelbaus, der dann zu den Marktpreisen von 2015 oder 2020 errichtet wird, kann heute noch niemand mit Bestimmtheit Auskunft geben. Gerade bei öffentlichen Bauvorhaben gab es in der Vergangenheit nicht wenige, politisch bedingte, extreme Fehleinschätzungen.


    Die Rolle der UNESCO ist nicht zwingend als unparteiisch anzunehmen. Sie ist in ihrer Arbeit auf die Mithilfe nationaler Komitees angewiesen. Diese werden zwar vorrangig mit fachkompetentem Personal besetzt, jedoch obliegt deren Berufung politischen Entscheidungsträgern (so ähnlich wie das auch bei den ARD-Rundfunkräten ist, was u. a. erklärt, weshalb die Politmagazine der einzelnen Sendeanstalten häufig im Sinne der jeweiligen Landesregierungen agitieren). Wer hier im konkreten Fall von wem gesteuert verantwortlich ist, wissen die anwesenden Dresdener vielleicht besser. Auffallend bei diesem Streit ist unter anderem, dass es die UNESCO erst sieben Jahre nach dem Beginn der Brückenplanungen für notwendig befand, das Elbtal als Welterbe-Kulturlandschaft zu klassifizieren. Dem vorausgegangen waren allerhand Querelen auf lokalpolitischer Ebene. Wer dort nicht den Verdacht der Instrumentalisierung bekommt, muss sehr optimistisch sein. Interessant auch, dass die UNESCO erst ein halbes Jahr nach dem Bürgerentscheid, der den Abschluss dieser Querelen bilden sollte, aktiv wurde und das Subjekt auf die "Rote Liste" der gefährdeten Stätten setzte. Und spätestens die Sichtung dieser Liste lässt erkennen, dass wir es hier mit einem national gesteuerten Problem zu tun haben. Vielleicht bin ich ja voreingenommen, aber ich sehe in dieser Liste keinen vergleichbaren Fall, der auch nur näherungsweise mit der Banalität des Waldschlösschenbrücken-Problems mithalten könnte. Wenn in dieser Liste von Schutzwürdigkeit gesprochen wird, dann betrifft das vor allem signifikante Zerstörungen durch Verwahrlosung, durch ideologischen Missbrauch oder durch Naturkatastrophen. Seltener ist auch von Abrissen die Rede. Es geht jedoch nie um die (notwendige) Ergänzung einer Kulturlandschaft.


    Man muss sich vielleicht vor Augen führen, dass die Anlegung der Dresdener Elbwiesen – im Gegensatz zu vielen anderen wertvollen Stätten - keinem kulturhistorisch einzigartigen und unwiederbringlichen, weltlichen oder religiösen Umstand zu verdanken ist. Vielmehr wurde hier im Nachhinein die Verquickung von pragmatischen, konservatorischen Ansätzen und dem Willen zur Nutzbarmachung des Areals auf eine ästhetisch eher zufällig bedeutsame Stufe gehievt. Es existieren weltweit unzählige ähnliche Fälle der Landschaftsüberformung. Kaum einer von diesen ist in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. Kein einziger Fall ist wegen zeitgemäßer Anpassung auf die berüchtigte „rote Liste“ geraten. Die Waldschlösschenbrücke – sofern wir sie noch erleben werden – zerstört diese Landschaft nicht! Sie schafft notwendigerweise neue Sichtbeziehungen und verändert die bisherige Anmutung im Bereich der Zufahrten und Brückenlager partiell. Das Weltkulturerbe wird somit nur im Bereich weniger Promille beeinflusst.


    Die wortführenden und meinungsbildenden Medien haben es bis heute nicht geschafft, die Trennung zwischen dieser Kulturlandschaft und der touristisch verwertbaren Attraktivität Dresdens herauszustellen. Die Touristen, die diese Stadt besuchen, um sich während ein paar günstigen Tagen in den Sommermonaten an den Elbwiesen zu erfreuen, dürften die absolute Ausnahme darstellen und oft eher zufällig fündig geworden sein. Die Attraktivität Dresdens liegt für seine Besucher vor allem in den barocken Bauten, im Mythos und dem Wiederaufbau begründet, dessen Sinnbild vor allem die Frauenkirche ist. Ob von den Brühlschen Terrassen aus sieben oder acht Brücken sichtbar sind, ist dagegen reichlich irrelevant. Ich gebe zu, durch diese unglückliche Berichterstattung bin auch ich anfangs getäuscht worden. Aber die Silhouette Dresdens stand bei der Diskussion um die Brücke niemals im Vordergrund! Dafür sind die Dresdener Innenstadt und der Brückenstandort räumlich viel zu sehr voneinander getrennt. Wer in der Gegend ist und eher die Landschaft als den städtischen Trubel bevorzugt, dem bieten sich seit eh und je allerhand deutlich attraktivere Lagen an, als es die Elbwiesen sein können.


    Ich habe einiges an Verwandtschaft in der Gegend. Dazu gehören auch pensionierte, fachlich versierte Akademiker, die den Streit um die Brücke seit Anbeginn mitverfolgt haben. Ich kann es ihnen nicht verübeln, wenn sie die Positionen der Kritiker als maßlos überzogen und selbstgerecht beurteilen und wenn sie sich über ein paar Hauptschüler amüsieren, die in Robin Wood eine letzte Chance zur Mitgestaltung zu sehen glauben. Zum Glück schwingen in der Dresdener Seele scheinbar auch immer eine Portion Ironie und Gelassenheit mit.


    Es gibt in Deutschland allerhand Vereinigungen, deren „Oberindianer“ vom Hass und der Agitation gegenüber städtebaulicher Veränderung, gegenüber Wachstum, Individualverkehr oder Investitionen leben müssen. Das Gleiche trifft - oft mit umgekehrten Vorzeichen - auf allerhand lokale Politprominenz zu. Wenn man diese und ihre oft noch pubertierenden Gefolgsleute rausrechnet, dann bleibt am Ende ein relativ kleiner Konflikt übrig, der zwischen den sicherlich notwendigen Konservierungsbedürfnissen der UNESCO und den Mobilitätsbedürfnissen einer ganzen Agglomeration auszutragen ist. Ich halte es für eine schlechte Diskussionsgrundlage, wenn die eine Seite sich auf ihre internationalen Protegés beruft, während die andere mühsam versuchen muss, sich über die Erfordernisse im Hier und Jetzt Gehör zu verschaffen. Besonders schade finde ich, wenn dann auch noch einige auf der Links-/Rechts-Extremisten-Schiene herumreiten und den Betroffenen mangelnde politische Kompetenz bescheinigen. Die Institution Weltkulturerbe ist auch nicht Selbstzweck. Sie ist für den Bürger gemacht und muss sich dessen Interessen gegebenenfalls unterordnen. Das wurde mittlerweile auch höchstrichterlich beschieden! Die Erpressungsversuche der UNESCO – nichts anderes ist das, als Aufschub verkleidete, Ultimatum der letzten Woche – schießen hier deutlich über das Ziel hinaus! Sie bauen in meinen Augen auch auf die Unwissenheit ortsfremder Meinungsmacher. Wenn die UNESCO ihr Gesicht wahren will, sollte sie langsam über eine geeignete Rückzugsstrategie nachdenken. Sonst kommt vielleicht irgendwann noch jemand auf den Gedanken, diese Organisation möge ihr städtebaulich und architektonisch völlig deplaziertes, minderwertiges und alle Maßstäbe sprengendes Hauptquartier im südlichen Paris auf eigene Kosten ersetzen.

  • Zitat von AeG

    Punkt zwei: die Gelder, die Tiefensee heute für das Tunnelprojekt in Aussicht stellt, fehlen bei anderen Infrastrukturprojekten, wo sie im Einzelfall sicher ähnlich wichtig sind.


    Das Leben ist selten ein Nullsummenspiel, auch wenn wir alle immer wieder dazu neigen, das anzunehmen, weil es logisch erscheint, und weil man nicht alle Gesichtspunkte berücksichtigt. Geld, das man irgendwo hin gibt, muss ja schließlich an anderer Stelle fehlen, ok. Aber dabei vergisst man, dass Geld, klug eingesetzt, einen Gewinn bringen kann, der den Verlust mehrfach ausgleicht.


    Der Welterbestatus dürfte so viele, auch internationale, Touristen in die Stadt spülen, dass es sich langfristig auf jeden Fall lohnen dürfte. Was ich "dem Osten" vorwerfe (ohne damit jemanden persönlich angreifen zu wollen oder das überhaupt zu können), ist, dass man dort immer noch zu wenig international denkt. Es wird nicht gesehen, dass man auch einen finanziellen Verlust machen wird, wenn man den Welterbestatus verspielt.


    Die Arbeit der Unesco ist wissenschaftlich. Historisch und erdgeschichtlich besonders interessante Plätze in ihrer Vielfalt werden entsprechend kenntlich gemacht, um Interessierten damit Anhaltspunkte zu geben, aber auch um ein Gesamtbild zu erstellen. Für die Aufnahme gibt es nunmal bestimmte Kriterien. Welchen Grund sollte die Unesco haben, "erpresserisch" tätig zu sein und sozusagen aus Spaß irgendwelche Städte zu piesacken?


    Ich habe an die 50 Welterbestätten gesehen, allerdings nicht um einen Sport daraus zu machen, sondern weil sie sich oft zufällig mit dem deckten, was ich nach Beschäftigung mit meinen Reisezielen selbst für besonders sehenswert hielt. Das habe ich dann erst später gemerkt, als ich mal die Unesco-Liste durchgegangen bin. Aus dieser Erfahrung heraus sehe ich den Welterbestatus aber auch zunehmend als Qualitätsurteil, so dass ich Welterbestätten vermehrt auch gezielt ansteuere. Es ist eine brauchbare Entscheidungshilfe, und man wird selten enttäuscht.


    Manche Plätze sind nunmal nicht sooo besonders, so dass der Welterbestatus auf der Kippe steht. Und wenn dann ein paar unpassende Gebäude aus dem Boden schießen, kündigt die Unesco entgegenkommenderweise an, dass die Kriterien bald nicht mehr erfüllt sind. Ich sehe darin keine Schikane, sondern einen objektiv ablaufenden Prozess.

  • @ Dvorak, wie DiggerD21 bereits schrieb, ist nicht die Stadt Dresden, sondern das Elbtal Weltkulturerbe. Was Dresden angeht, so steckt nicht nur die Stadt, sondern auch der Freistaat, der sich bekanntlich vehement für die Brücke einsetzt, enorm viel Geld in die Dresdner Kultur (Städteranking gefälligst?). Dein Standpunkt zum Thema Rekonstruktion ist uns allen hinlänglich bekannt, und dein Eindruck, dass Dresden ein Beispiel für kulturellen Niedergang ist, sei dir von Herzen gegönnt. Aber weder hat das was mit der Realität, noch mit dem Thema Waldschlösschenbrücke zu tun.


    @ micro, die wenigsten Touristen, die Dresden besuchen, interessieren sich für den Welterbetitel. Sie kommen, wie AeG bereits ausführte, wegen der (barocken) Stadt und ihren vielen Sehenswürdigkeiten. Sie besuchen die Frauenkirche, das Grüne Gewölbe, den Zwinger, die Hofkirche, den im Wiederaufbau befindlichen Neumarkt, die quirlige Neustadt und vieles mehr. Das Elbtal erkunden sie nur, wenn noch Zeit bleibt, und dann meistens in Form einer Schaufelraddampferfahrt zur Schlossanlage Pillnitz (oder darüber hinaus in Richtung Sächsische Schweiz), wo sie sich sicher nicht an einer weiteren Brücke stören werden. Genauso wie der Touri heute nicht sagt, das Elbtal ist Weltkulurerbe, deshalb muss ich unbedingt nach Dresden, wird er bei einer Aberkennung nicht sagen, die Unesco hat den Titel entzogen, da fahre ich bestimmt nicht hin.


    Zur Unesco hat AeG schon sehr ausführlich geschrieben. Von mir nur soviel: Den Vorwurf der Posse muss sich nicht die Stadt Dresden, sondern die Unesco gefallen lassen. Anders ist es auch nicht zu erklären, warum sie der Stadt noch 1 Jahr Gnadenfrist gewährt, wo doch der Bau der WSB schon in vollem Gange ist. Es wurden bereits über 2 Millionen Euro verbaut. Entweder hätte sie den Welterbetitel schon jetzt aberkennen müssen, oder ihn fürs Elbtal (zähneknirschend) beibehalten.

  • Der folgende Beitrag überschneidet sich etwas mit Cowboys Letztem. Sorry, ich hatte ihn bereits zuvor begonnen.


    Mag sein, dass der Ossi zu wenig international denkt. Er hat ja auch historisch bedingt eine andere Sicht auf sich und die Welt. Das kollektive, opferartige Wir-Gefühl und die Angst zu kurz zu kommen, sind relativ stark ausgeprägt. Vermutlich ist Vieles von dem hausgemacht. Aber dieses Lebensgefühl teilt er mit zahlreichen anderen Minderheiten hierzulande. Kein Wunder, wird er doch wie diese gerne pauschal kategorisiert und von den Meinungsmachern abgegrenzt. Wo die Rechtsextremen im Westen vier Prozent erhalten, sind’s im Osten sechs - schon ist der „der Ossi“ ein Nazi. Dabei ist er in dem Bestreben, sich selbst der Nächste zu sein, vermutlich dem Amerikaner, dem Italiener, dem Afghanen oder dem Chinesen ähnlicher als „der Wessi“, der wiederum auch historisch bedingt dazu neigt, seinen Selbstwert über das häufig kasteiende, eher virtuelle internationale Ansehen zu definieren – was dem Deutschen im Ausland mittlerweile bei nicht wenigen auch den Ruf des Krankhaften beschwert hat.
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    Selbstverständlich existiert kein natürliches Interesse der UNESCO, einzelne Erdteile und deren Bewohner in ungerechter Weise zu piesacken. Aber sie ist nun mal kein unabhängiger, einzig von innen heraus agierender Expertenverein. Indem die Personalwahl durch politische Entscheidungsträger erfolgt und in dem Maße, in dem sich ebenso motivierte Gestalter entsprechender Organisationen bemächtigen (wofür sich in Deutschland eine ausgeprägte Kultur entwickelt hat, siehe „der Marsch durch die Institutionen“) ist die UNESCO auch nicht gänzlich unpolitisch. Das kann man im Fall der Waldschlösschenbrücke bereits dem zeitlichen Ablauf entnehmen. Die Aberkennung des Weltkulturerbe-Status war nur möglich, nachdem dieser erst im Anschluss an die lokalen Querelen vergeben wurde. Die zeitlich enge Abfolge von politischen Entscheidungsprozessen, der Status-Zuerkennung und der direkt im Anschluss erfolgten Aberkennungsdrohung (dazwischen liegt jeweils weniger als ein Jahr; mit dem lange schon in der heutigen Form existierenden Streitsubjekt kann das kaum begründet werden) legen die Vermutung der Instrumentalisierung der UNESCO zum verlängerten Arm politischer Strömungen nahe.


    Die Feststellung, die Welterbestätten würden im Regelfall auch auf individuelles privates Interesse stoßen, ist banal. Das dürfte jedem halbwegs kulturell Gebildeten bzw. Interessierten ähnlich gehen. Die UNESCO fungiert hier doch aber mehr als Wegweiser, denn als Etikettierer. Das Interesse an den meisten ausgewiesenen Orten ist auch ohne dieses Label gegeben und existierte bereits vor der Gründung dieser Organisation. Wichtiger ist doch der Konservierungsgedanke. Womit ich wieder beim Thema bin, dass ich es als sehr merkwürdig empfinde, dass der drohenden Aberkennung im Fall der Dresdener Elbquerung schnell noch die angeblich so bedeutsame Anerkennung vorausgehen musste. Und wie im letzten Beitrag schon erwähnt, die Gesellschaft, in der sich die Elblandschaft samt der geplanten Brücke auf der „roten Liste“ befindet, verstärkt nur noch diesen Missbrauchsverdacht.


    Apropos Missbrauch: ich betrachte es schon als reichlich unredlich, wenn die Aberkennungsdrohung, die sich eindeutig auf das Elbtal und nicht auf die Stadt an sich bezieht, heute von der UNESCO oder den eigenartig engagierten Politikern gegen den zukünftigen Stadttourismus zu Felde geführt wird. Die Tourismuszahlen haben sich bisher nahezu unabhängig vom kilometerweit vom Stadtzentrum entfernten Elbwiesenstandort der zukünftigen Brücke entwickelt. Für die überwiegende Zahl der Besucher spielt diese Gegend bisher keine derart überragende Rolle. Die geschickt formulierten Drohungen suggerieren aber, durch den Brückenbau würde das Antlitz der populären Dresdener Attraktoren in Mitleidenschaft gezogen werden. Es wird zudem völlig vernachlässigt, dass es sich lediglich um eine weitere Brücke handelt. Von einer neuen Qualität kann dabei keine Rede sein. Dort sind bereits einige existent. Die Regelung, die eine Maximalzahl an Brücken aus verschiedensten Epochen vorsieht, möchte ich mal sehen. Die Waldschlösschenbrücke weicht auch nur geringfügig von den Dimensionen der anderen Brücken ab – etwa in dem Maße, wie immer einer der Größte sein muss. Legitim wäre es aus meiner Sicht allenfalls, über die zeitgeschmäcklerische Gestaltung des Bauwerkes nachzudenken. Mit etwas gutem Willen ließe sich sogar ein Stück Kulturerbe hinzugewinnen. Schade, dass der zwischenzeitlich eingeschlagene Weg der UNESCO, sich mehr an der Gestalt als an der Brücke selbst zu stören, mit dem neuesten unsäglichen, erpresserischen Ultimatum wieder verlassen wurde. Das viele Geld, dass heute angeblich für einen Tunnel zur Verfügung gestellt werden kann (warum engagierte sich nicht schon vor zehn Jahren jemand derart, die Querung wäre längst fertiggestellt und alle wären zufrieden?!) könnte man genau so gut, dabei aber zeitnah und effizient, in eine wesentlich attraktivere, vielleicht einmalig elegante Gestaltung der Brücke investieren!

  • Wenn ich mich recht erinnere, hat doch die Unesco sich nur an der Form der Brücke empört. Es wurden schlankere Füsse entwickelt und die Strassenbeleuchtung anders gestaltet. Oder nicht?


    Ich meine ja, dass die Form mit den Bögen eigentlich genau die passende ist. Die ganzen Innenstadtbrücken sind ja Bogenbrücken (genau wie die alte Carola sie auch einst war). Einzig die Materialien und paar EInzelheiten stören. Die Betonbögen sind mir irgendwie zu "betonig" und zu massiv. Irgendwie fehlt mir Sandsteinoptik, denn das passt Meilen besser zum Gesamtbild der Stadt. Dieses ganze grau macht die Umgebeung irgendwie trostloser als die Brücke selber und das würde die Landschaft zerstören. Und irgendwie irgendwo Stahlfachwerk wäre auch passender für das Städtegesamtbild. Schliesslich haben diese Kombination bereits Blaues wunder und Hauptbahnhof, beides Verkehrswahrzeichen der Stadt. Ja selbst die alte, im Krieg zerstörte Carolabrücke hatte beides.


    Hätte man eine solche Brücke geplant, wäre ein Tunnel nicht nötig gewesen, da die Brücke ein Gewinn für die innenstädtischen Charakters des Kulturerbes gewesen wäre.


    Ausserdem: Ich will nicht die Leute kritisieren, die den Welterbetitel gerne behalten wollen. Ich kitisiere die Unesco mit ihren Entscheidungen. Die Brücke ist mitten im Elbtal, richtig. Nur: Von so vielen Punkten aus wird man sie nicht sehen können. Warum muss Pillnitz mit Einbussen belastet werden, obwohl man von dort die Brücke nicht sieht? Warum muss das Altstadtessemble bzw die Canaletto-Silouette "entUNESCOsiert" werden, obwohl die Brücke da nicht steht? Auch hat die Brücke keinen Einfluss auf das Ostragehege. Ich halte ja die ganzen Bauten der Pirnaischen Vorstadt viel viel destruktiver als die Brücke. Selbst die so nahe an der Altstadt gelegene neue Carolabrücke ist immens hässlicher als die WSB. Trotzdem wurde das Welterbe anerkannt.
    Man könnte ja jetzt genauso argumentieren, dass im Mittelrheintal zu viele Industrieschiffe verkehren und das Bild stören...


    Warum wurde denn das Welterbe erteilt? Na weil der Städtebau besonders gut in die Elblandschaft integriert wurde. Einfach die Brücke überarbeiten und ästhetischer in die Landschaft integrieren, da kann dann auch keiner von der Unesco was sagen. Man wollte schliesslich schon weit "vor Unesco" dort eine Brücke bauen.
    Tunnel wäre natürlich noch besser. ;)

  • heiji, Du schließt Dich in Deinem Beitrag meiner Meinung absolut an, wie ich sehe. Du scheinst nur leider noch nichts vom neuesten UNESCO-Ultimatum aus dieser Woche gehört zu haben. Darin wird eine Brücke grundsätzlich kritisiert und in spätestens einem Jahr als Ursache für den Status-Entzug herhalten müssen, ganz unabhängig von ihrer Form.


    Es ist übrigens nicht der Verdienst der Dresdener oder der Sachsen, wenn Brückenkonstruktionen heute im Allgemeinen weit weniger elegant wirken als noch vor 50, geschweige denn vor 100 Jahren. Die "Schuldigen" dafür kann man getrost in Berlin, in Bonn oder auch in Brüssel suchen.

  • Cowboy:


    Mir ist schon klar, dass der Welterbetitel nur für das Elbtal gilt, das hab ich einfach falsch formuliert. Ich glaube aber nicht, dass man da so einfach die Grenze ziehen kann, sicher spielt auch immer die ganze Stadt eine Rolle bei der Vergabe eines solchen Titels, zumal es sich in diesem Fall ja nicht um ein einzelnes Gebäude oder Gebäudeensemble handelt, sondern eben um einen relativ großen Tiel der Stadt.


    Ich habe mich zu keiner Rekonstruktion geäußert, sondern zu dieser unsägliche Art alte Fassaden einfach vor Beton zu hängen. Ich kenne niemanden der sich das als Normalzustand wünscht. So etwas ist einfach kulturelle Barberei! Braunschweig hat sich mit eben so einem "kulturellen Projekt" nämlich dem Schloss als Kuturhauptstadt beworben, und außer Gelächter nichts dafür kassiert.


    (Vor circa 3 Wochen hat an der Uni ein Architekt von einer Dresdner Posse erzählt. Dabi ging es darum, das ein Mäzen (die Dresdner werden ihn besser kennen als ich) eine Künstlerkolonie in Dresden bauen wollte. Der Architekt hat sich dann unter Künstlern an den verschidensten Hochschulen umgehört un immer zu hören bekommen, Dresden sei der letzte Ort an den man gehen würde. So viel zum kulturellen Status der Stadt.)

  • ^ Ja, ja, schon klar, ausgerechnet der Architekt geht an verschiedene Unis, um sich bei den Künstlern umzuhören, die ihm dann aber blöderweise zu verstehen geben, dass sie lieber nach Braunschweig statt nach Dresden gehen würden. Jetzt aber bitte wieder zurück zum Thema Waldschlösschenbrücke.

  • Es geht auch anders

    Vorhin in ZDF-"heute" ein Bericht über eine geplante Rheinquerung im Unesco-Welterbegebiet nahe der Loreley zwischen St. Goar und Goarshausen. Es wurde ausdrücklich auf die Analogie zur Waldschlösschenbrücke hingewiesen.


    Anders als an der Elbe will man sich am Rhein auf jeden Fall mit der UNESCO abstimmen und eine "weltkulturerbeverträgliche" Lösung suchen. Geld spielt eine untergeordnete Rolle, auch eine Tunnellösung kommt in Betracht. Wirtschaft und Anwohner sind pragmatischerweise eher für eine feste Verbindung der beiden Städte, ein Fährunternehmer hat im ZDF das Argument ins Feld geführt, dass Fähren auch ein fester Teil der dortigen schützenswerten Kulturlandschaft seien.


    War nicht einfach, im WWW eine Quelle zu finden, die das back-upt. Hier ein Bericht vom SWR.

  • die beiden projekte sind bezüglich der verkehrsführung nicht vergleichbar.
    entlang des rheins gibt es bereits uferstrassen und -befestigungen, die tunnelrampen würden auch direkt und parallel zum fluss gebaut - quasi ein tunnel in u-form. in dresden gibt es hingegen breite elbwiesen beiderseits des flussses. tunnelrampen wie bei st. goar sind damit nicht vereinbar.

  • Vorhin in ZDF-"heute" ein Bericht über eine geplante Rheinquerung im Unesco-Welterbegebiet nahe der Loreley zwischen St. Goar und Goarshausen. Es wurde ausdrücklich auf die Analogie zur Waldschlösschenbrücke hingewiesen.


    Anders als an der Elbe will man sich am Rhein auf jeden Fall mit der UNESCO abstimmen und eine "weltkulturerbeverträgliche" Lösung suchen. Geld spielt eine untergeordnete Rolle, auch eine Tunnellösung kommt in Betracht. Wirtschaft und Anwohner sind pragmatischerweise eher für eine feste Verbindung der beiden Städte, ein Fährunternehmer hat im ZDF das Argument ins Feld geführt, dass Fähren auch ein fester Teil der dortigen schützenswerten Kulturlandschaft seien.


    War nicht einfach, im WWW eine Quelle zu finden, die das back-upt. Hier ein Bericht vom SWR.

    Ehrlich, diese Visualisierung dort ist ja noch viel schlimmer als die Waldschlösschen...


    Dass Geld weniger eine Rolle spielt, ist in der Rhein-Main-Region ja eh klar... Der Vorteil dieser Planer ist ja, dass man ganz gewaltig von der Dresdener Situation gelernt hat. Naja...