Streit um das Metropol

  • Streit um das Metropol

    Anfang des Jahre hat die Interboden Innovative Gewerbeimmobilien GmbH Co. KG das Bonner Traditionskino Metropol ersteigert, um dort eine Einzelhandelsnutzung zu verwirklichen.
    Das Echo in der Bevölkerung war enorm. Bis heute wurden über 30 000 Unterschriften gesammelt (http://www.rettet-das-metropol.de).
    Schon einmal war das Kino in den Achtzigern durch eine Bürgeriniatitive vor der Schließung bewahrt worden. Erst danach wurde es unter Denkmalschutz gestellt. Ob dieser sich in Bonn wieder einmal als stumpfes Schwert erweist, wird sich bald zeigen.


    Der Generalanzieger führte ein Interview mit dem Geschäftsführer von Interboden:
    http://www.general-anzeiger-bo…ews/artikel.php?id=178066

  • Man kann nur hoffen, dass das Metropol als Kino und Kulturstätte erhalten bleibt. Alles andere wäre ein riesiger Verlust.

  • Wenn Herr Schneider von "Symbiose von neuer Nutzung in alter Bausubstanz" faselt (vielleicht erklärt ihm ja mal ein netter Mensch die Bedeutung des Worts Symbiose), dann habe ich schon eine große Baugrube vor dem geistigen Auge, am Rande eine paar kümmerliche, durch Stahlkonstruktionen gestützte Mäuerchen - die Reste der Altbaufassade.

  • Im Wikipedia-Lemma über das Metropol findet sich der Wortlaut des Denkmallisten-Eintrages vom Oktober 1983, in dem die Bedeutung dieses Kinos nicht nur für Bonn recht gut zusammengefaßt ist:


    „Es [das Metropol] ist bedeutend für die Geschichte des Menschen und damit auch für die Stadt Bonn, da es 1928, also zu einer Zeit erbaut wurde, als das Kino einen Entwicklungsstand erreicht hatte, der für die damalige Gesellschaft neben Theater, Oper und Konzert zum wesentlichen Unterhaltungsfaktor geworden war.
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    Mit der Entwicklung des Kinos stellte sich aus architekturgeschichtlicher Sicht eine neue Bauaufgabe, nämlich in den Städten große Lichtspielhäuser zu errichten. Letztere hängen wie das Metropol in Bonn bautypologisch und baugenetisch insbesondere mit Theaterbauten zusammen. Hierbei ist für das Metropol von besonderer Bedeutung, daß es eine Bühne besitzt, so daß es nicht nur als Kino, sondern auch beispielsweise für Variete-Veranstaltungen genutzt werden konnte. Funktionell folgt das Metropol somit noch einer auf die Ursprungszeit des Kinos zurückgehenden Tradition, nach der Kinovorführungen (zumal zur Stummfilmzeit) mit musikalischen und anderen Darbietungen verbunden waren. Dies ist für eine Dokumentation der Geschichte des Lichtspiels von großer Bedeutung. Beim Metropol hat sich der Typus des Lichtspieltheaters mit Eingangs- und Kassenraum, Garderobe im Souterrain, Foyer und Erfrischungsraum (Café) vor den Zugängen zu Logen bzw. Rängen im 1. Geschoß, einem festlich überkuppelten Vorführsaal mit bis an die Bühnenseiten verlaufendem Balkon erhalten. Da die Großkinos seit den 60er Jahren aufgrund zunehmender Verbreitung des Fernsehens nicht mehr wirtschaftlich waren, wurde eine Fülle großer Lichtspielhäuser abgebrochen oder für andere Nutzungen umgebaut. Diese Negativentwicklung des Großkinos gibt dem Metropol seinen beachtlichen Denkmalwert, da die Bauaufgabe Großkino inzwischen Geschichte geworden ist und mit dem Metropol nur noch eines der wenigen Lichtspielhäuser dieser Art in unserem Lande erhalten ist.


    Außer den im Innern allerdings nur zum Teil erhaltenen ursprünglichen Details erweist die Fassade des Metropols zum Markt hin das Gebäude als typisches Werk mit vom Bauhaus geprägter Formensprache der 20er Jahre dieses Jahrhunderts. Dies belegen die geometrischen Gliederungselemente in der Anordnung der schlichten Pfeiler der dreiachsig gebildeten Eingangszone mit breiter Betonung der Mitte, das darüber liegende von fünf rechteckigen großen Fenstern gebildete Feld des ersten Geschosses (Cafe), dem ein Balkon vorgelagert war, sowie die zu einer Dreiergruppe zusammengeschlossenen Fenster in der Mitte des zweiten und dritten Geschosses, die von schmalen Türen mit vorgelegten halbrunden kleinen Balkons im zweiten Geschoß und entsprechend schmalen Fenstern im dritten Geschoß flankiert werden. Diese schmalen Türen, Balkons und Fenster liegen in einem hohen sich bis zur Traufe erstreckenden in die Fassade eingetieften schmalen Feld. Mit dieser Fassadengestaltung wird erreicht, daß die durch die Fenster des ersten Geschosses angedeutete Fünfachsigkeit in den darüber liegenden Geschossen gewahrt bleibt, gleichwohl aber der Dreierrythmus mit Betonung der Mitte im Eingangsbereich einsetzend bei der Gesamtfassade vor allen im 2. und 3. Geschoß optisch wirksam bleibt.


    http://de.wikipedia.org/wiki/Metropol_(Bonn)

  • Ich habe im Radio aufgeschnappt, die Stadt habe die Bauvoranfrage im Sinne von Interboden entschieden. Die unverhohlenen Drohungen gegen die Verwaltung haben wohl gewirkt.

  • Hier der aktuelle Stand der Dinge:
    http://www.general-anzeiger-bo…ews/artikel.php?id=182008


    Alles tritt nun in die entscheidende Phase. Ich muß sagen, daß ich sehr entäuscht von der Bonner Kommunalpolitik wäre, wenn sie nicht die Notbremse zieht.
    Selbst der Neubau eines einfachen Baumarktes wird in Bonn auf seine `Zentrenverträglichkeit´ überprüft; und die Verwaltung steigert sich in diesen Kontroll-Wahn so herein, daß sich großflächiger Einzelhandel mittlerweile vor den Toren der Stadt angesiedelt hat.
    Jetzt, wo es wirklich darauf ankommt, die Innenstadt vor einem unwiederbringlichen Verlust zu bewahren, ist dagegen nichts sicher. :(


    Wenn `Interboden´ eine kulturelle Nutzung nicht vertreten kann oder will, sollen sie eben verkaufen.

  • Meine Hoffnung beruht auf den 35.000 Unterschriften, die bisher gesammelt wurden. Sind ja alles Wählerstimmen, insofern könnte sich die Politik davon beeindrucken lassen, ähnlich wie in der Diskussion um den Bahnhofsvorplatz.

  • Nicht ganz unerwartet hat die Ampelkoalition die Pläne zur Umnutzung als Kaufhaus per Dringlichkeitsantrag gestoppt. Es soll jetzt einen Bebauungsplan für die betroffenen Grundstücke geben. Eine kulturelle Nutzung des Metropols sei unverzichtbar für das integrierte Handlungskonzept für die Bonner Innenstadt, das 2001 vom Rat beschlossen wurde.


    Quelle: http://www.general-anzeiger-bo…ews/artikel.php?id=182517

  • Ich freue mich wirklich sehr!
    Ich glaube, ohne die 35 000 Unterschriften hätte es anders ausgesehen. Sowohl Politik als auch Medien, namentlich der Generalanzeiger, zeigten sich anfangs sehr zurückhaltend und ohne Leidenschaft für das Metropol. Man wollte dem Volke wohl erst auf den Zahn fühlen und hätte bei ausbleibender Reaktion anders gehandelt bzw. berichtet.


    Mal sehen, was die Gerichte sagen werden.

  • Einzug des Einzelhandels ins Metropol läßt sich nicht mehr verhindern

    Schaut Euch das unbedingt an:


    http://www.general-anzeiger-bo…ews/artikel.php?id=188709


    Oberbürgermeisterin und Stadtbaurat Trommer teilten den Vorsitzenden der Ratsfraktionen mit, daß das demokratische Votum des Bonner Stadtrates keinen Pfifferling wert sei - aufgrund eines formalen Fehlers, provoziert durch die Stadtverwaltung! Dies gehe aus einem Rechtsgutachten hervor.


    Die Verwaltung hatte die Bauvoranfrage der Firma Interboden verschleppt. Nicht nur die Beantwortung der Anfrage, auch der Satzungsbeschluß des Rates zur Verhinderung der Einzelhandelsnutzung erfolgten erst, als die gesetzliche Frist für die Bearbeitung der Bauvoranfrage abgelaufen war. Damit sei der Ratsbeschluß für das Kino ungültig.
    Daß der Stadtrat die Beantwortung der Anfrage abgewartet hat, wird dem Metropol nun zum Verhängnis.


    Der Rat gibt sich ahnungslos und wirft der Verwaltung vor, nicht rechtzeitig über die Fristen informiert worden zu sein. Ich frage mich: war das Absicht?
    Der Bürokratieapparat trickst einfach die demokratisch legitimierte Vertretung der Bürger aus, verselbständigt sich und schafft so Tatsachen gegen den erklärten Willen der Bonner.


    Oberbürgermeisterin, Stadtbaurat und Verwaltung scheinen dagegen mit der Entwicklung recht zufrieden und erleichtert zu sein. Fast hätte man tatsächlich denken müssen, daß ein Stadtrat an einer sowieso schon entschiedenen Angelegenheit etwas ändern kann.
    Interboden jedenfalls lacht sich ins Fäustchen.

  • Ich kann es immer noch nicht fassen, und es ist sehr traurig.


    Was mich schockiert, ist, daß das alles so offensichtlich abläuft.

  • Zitat von rec

    Inkompetenz oder Korruption?


    Ich sage: Stümperei mit einem satten Geschmäckle.


    Andererseits war das Kino wohl völlig unrentabel (allen Kinos scheint es derzeit sehr schlecht zu gehen - die DVD-Revolution...). Wenn die Stadt die Verluste nicht trägt, wer dann? Bonn hat angesichts seiner Finanzlage mehr als genügend Subventionsgräber.


    Die Stadt konnte das Metropol zudem ohnehin nicht "retten" - sondern höchstens die Retailnutzung verhindern (man kann dem Eigentümer nicht auftragen ob und wann er sein Kino zu öffnen hat). Vermutlich hätte das Veto der Stadt nur dazu geführt, dass das Gebäude während eines langen Prozesses brach liegt.

  • Ob das Kino unrentabel war oder vom Investor Interboden unrentabel geredet wurde, kann ich nicht beurteilen. Ärgerlich ist, dass der Investor das Metropol bewusst über dem Verkehrswert ersteigert hat, um es in Einzelhandelsflächen umzuwandeln, und das, obwohl das Metropol seit Jahrzehnten unter Denkmalschutz steht und einer solchen Umwandlung eigentlich von den Denkmalbehörden nicht zugestimmt werden darf. Und genau das ist jetzt passiert, die Stadt will den geplanten baulichen Veränderungen unter Hinweis auf den Denkmalschutz nicht zustimmen (s.u.). Ärgerlich für den Investor, der aus der Stadtverwaltung vor der Ersteigerung des Metropols wohl einen Wink bekommen hatte, eine Umnutzung sei möglich ...oder werde möglich gemacht...


    Dass das Metropol ohne Umbau definitiv leerstehen muss denke ich nicht. Es gab auch andere Bieter, u.a. Solarworld-Gründer Asbeck, der das Metropol für kulturelle Zwecke erhalten wollte. Nun darf Interboden zumindest im Foyer Einzelhandel betreiben, aber wirtschaflich tragen lässt sich das Metropol damit nicht. Möge Interboden ein Einsehen haben und sich von seiner Immobilie bald wieder trennen.


    Stadt verweigert geplante Umbauten: http://www.general-anzeiger-bo…mid=10001&detailid=199377

  • Zitat von rec

    Solarworld-Gründer Asbeck, der das Metropol für kulturelle Zwecke erhalten wollte.


    ...klingt nach einem Messias. ;)