Bauakademie - Rekonstruktion und Geschichte

  • ^ Du erläuterst gerade, dass es keine grundsätzliche Blockade durch linke Parteien gibt, weil Politiker dieser Parteien sich sehr wohl auch für Rekonstruktionen einsetzen. Das ist sehr gut! Die rechten Parteien sind ohnehin dafür. Und die linken Parteien blockieren angeblich nicht. Dann können wir am besten noch im Januar 2025 mit der originalgetreuen Reko der Bauakademie beginnnen. Gibt es noch irgendwelche Einwände?

  • Es ging mE eher darum, dass die gängigen Zuschreibungen nicht pauschal/ immer so zutreffen. Man sollte es also jeweils im konkreten Fall untersuchen und bewerten. Eigentlich ja auch mehr oder weniger selbstverständlich und fast schon eine Binse. Aber da es zumindest öffentlich nicht mal mehr eine politische Diskussion gibt, eben auch irgendwo sehr hypothetisch und daher müßig.


    Generell ist dieses mE inzwischen einer der ermüdendsten Threads des Berlin-Bereichs. Das liegt jedoch weniger an den Foristen (die teils immerhin noch wie durch ein Wunder noch neue Aspekte und Argumente aus dem Hut zaubern) als an den unglaublich zähen Prozessen. Man kann wirklich nur inständig hoffen, dass da bald ein paar Weichen neu gestellt werden und der Zug überhaupt mal vom Wartehangar und dann zeitnah auch aus dem Startbahnhof rollt. Sonst drehen die Diskussionen hier noch ein Dutzend Schleifen, ohne dass sich in der eigentlichen Sache irgendetwas Neues ergeben hätte.

  • In der Realität ist es jedoch genau umgekehrt. Genau diese Parteien sperren sich reflexhaft gegen jede originalgetreue Rekonstruktion ....

    Ganz so pauschal würde ich das nicht behaupten. Immerhin ist die Rekonstruktion der Frankfurter Altstadt unter Schwarz-Grün abgesegnet worden, um mal ein gewichtiges Gegenbeispiel zu nennen. In der Summe steht links eher für progressiv und rechts für konservativ, aber das sollte in jedem konkreten Fallbeispiel überprüft werden.


    Die Bauakademie bezieht sich in manchem auf die klassische Antike, greift aber auch, und das in stärkerem Maße, der heute so genannten klassischen Moderne vor.

    Kannst du das bitte näher erläutern? Worin siehst du die klassische Antike und worin die klassische Modern konkret?

  • Worin siehst du die klassische Antike und worin die klassische Modern konkret?

    Ohne Anspruch auf Vollständigkeit und mit Spielraum für Interpretation...


    Anleihen sn die klassische hellenistisch-römische Antike

    • Gliederung in Sockel, Mittelteil und oberen Abschluss
    • umlaufende Balustrade
    • darunter auskragende Attika mit Zahngesims
    • Pilaster, außen allerdings ohne Kapitelle
    • Schmuckterrakotten mit antiker Ornamentik wie Palmetten, Akanthusblättern, Rosetten, Kannellierungen, abgewandelten Mäanderbändern, aber auch teils mythologischen Szenen
    • im Inneren Säulen mit antikisierender Anmutung

    Vorgriff auf die Architektur der iindustriellen Moderne

    • Gleichartigkeit der vier Gebäudeseiten
    • keine Betonung der Achsensymmetrie, gerade Anzahl an Fensterachsen
    • Keine Vor- und Rücksprünge oder Risalite, welche die Grundform des Kubus optisch auflösen könnten
    • Rasterung des Gebäudes in gleich große Einheiten, was auch in der Fassade zum Ausdruck kommt
    • Ablesbarkeit unterschiedlicher Nutzungen an der Fassade
    • Zurschaustellung des konstruktiven Baumaterials
    • hoher Glasanteil
  • Danke für die ausführliche Antwort. Ich möchte aber anmerken, dass die Bauakademie eher die Renaissance rezipiert als die klassische Antike. Natürlich gehen nahezu alle Einzelformen letztlich auf die Antike zurück, aber die Komposition als Ganzes ist von antiken Bauwerken sehr weit weg. Hier stehen eher italienische Palazzi als Vorbild. Die Terrakotte-Elemente lassen mich wiederum an die norddeutsche Renaissance eines Statius von Düren denken. Beides ist im Fürstenhof von Wismar vereint, der nach meiner Einschätzung entscheidende Impulse für den Schinkelbau gegeben haben könnte. Dieser verweist natürlich wieder in die italienische Renaissance: https://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%BCrstenhof_(Wismar)

    Einmal editiert, zuletzt von tegula ()

  • tegula Schinkel gehörte der Kunstepoche des Klassizismus an. Und diese bezog sich allem voran auf die griechisch-römische Antike, wobei man sich auch anschaute, wie die Antike in der Renaissance wiederbelebt worden war. Man interessierte sich aber auch z. B. für die Gotik, etwa als Vorbild für aufkommende Stahlbauweisen, wie Schinkel sie bei seiner Englandreise besichtigte. Ein bisschen kann man das im Inneren der Bauakademie bei den Säulengängen ahnen. Als Maler träumte er mit dem Pinsel von riesigen gotischen Kathedralen. Ein anderes Interessengebiet der Zeit war der Orientalismus. Man bediente sich aller möglichen Versatzstücke.


    Für meine These, dass die Bauakademie zwei als klassisch bezeichnete Traditionen vereint, spielt keine Rolle, ob nun eine Antike 1. oder 2. Ordnung Modell stand. Die seit der Antike gepflegten Bautraditionen haben in verschiedenen Epochen einen spezifischen Ausdruck gefunden. Einige grundsätzliche Einsichten oder Regeln wurden erneuert, kreativ verarbeitet, aber respektiert. Der Respekt vor der Tradition kam augenfällig im Ornament zum Ausdruck, wie man es auch bei der Bauakademie sieht.


    Die "klassische Moderne" versteht sich viel stärker als Umsturz, als Bruch mit älteren Traditionen. Sie pflegt ihre eigenen Traditionen. Auch dies kommt im Ornament zum Ausdruck, das man, wenn man auf Nummer sicher gehen will, am besten ganz beiseite lässt, auf keinen Fall aber an die Vormoderne anknüpfend gestaltet. Die erhebliche Transformationsleistung früherer Architektengenerationen und das Aufbauen auf jahrhundertelang tradierte Sehgewohnheiten fehlen, und moderne Bauten strahlen - absolut gewollt! - Leere in verschiedenen Schweregraden aus.


    Das Gewerbeinstitut Schinkels hat diese Richtung der Architektur weit radikaler vorweggenommen als die Bauakademie. Ich weiß nicht, ob eine Rekonstruktion des Gewerbeinstituts möglich wäre, aber ich glaube, es würde auch keiner fordern. Ich bin überzeugt, dass Gebäude nur rekonstruiert werden, wenn sie uns etwas geben, nicht nur, weil sie historisch bedeutsam sind. Das einst revolutionäre Gebäude würde im heutigen Kontext nur noch banal erscheinen.


    Dagegen ist die Bauakademie, gerade weil sie keine reine Lehre vertritt und einen Spagat zwischen Tradition und Moderne macht, dabei deutlich näher an der Moderne ist, interessant für uns Heutige. Sie zeigt uns, mit welchen verblüffend einfachen Mitteln sich auch eine gerasterte, eigentlich eintönige Fassade so gestalten lässt, dass sie tief in uns eingeprägten ästhetischen Bedürfnissen entspricht. Ich pauschaliere das "uns", weil man ohne Pauschalierungen gar nicht über Gesellschaft sprechen kann.

  • Schinkel gehörte der Kunstepoche des Klassizismus an. Und diese bezog sich allem voran auf die griechisch-römische Antike, wobei man sich auch anschaute, wie die Antike in der Renaissance wiederbelebt worden war.

    Das ist mir zu eindimensional gedacht. Schinkel war ein Kind des beginnenden 19. Jahrhunderts, also auch der ersten Experimente des Historismus. Und hier diente er als entscheidender Wegbereiter. Man denke nur an die Friedrichswerdersche Kirche. Die Fassaden der Bauakademie stehen auf jeden Fall der Renaissance näher als der Antike. Sie sind in wesentlichen Zügen als Neorenaissance anzusprechen, wobei auch Tendenzen des Backsteinexpressionismus vorweggenommen werden. Das Revolutionäre an diesem Bau ist doch aber gerade die Verbindung von klassischer Fassade mit modernen Bauweisen.

  • tegula Nichts von dem, was du schreibst, ist falsch. Ich bemühe mich, zu verstehen, wie sich verschiedene Herangehensweisen an Architektur entwickelt haben. Du steckst die Architektur lediglich in Schubladen, als ob die Renaissance etwas vollkommen anderes als die klassische Antike wäre. Die Renaissance verstand sich als Wiedergeburt der Antike, ebenso der Klassizismus. Wenn man kategorisieren will, dann eher so: die Stile liegen alle in der gleichen, großen Schublade, tragen aber verschiedene Etiketten. In der Kommode der Architektur gibt es eine ganze Menge Stile und jemand wie Schinkel hat verschiedene Schubladen geöffnet, um sich daraus zu bedienen. Ich schrieb doch oben z. B. von der Neogotik, dem Orientalismus, die in der Schublade "Historismus" liegen. Hast du das überlesen, oder warum unterstellst du mir Eindimensionalität?


    Der Modernismus hat nun den Anspruch, eine ganz eigene Kommode zu sein. Er stellt sich frech vor alles, was vor ihm war, und will verhindern, dass man die alten Schubladen noch öffnen kann. Selbst hat er aber nicht so viel anzubieten, außer dass man die flachen Pakete mit dem Auto gut nach Hause fahren kann und die folierten Bauteile nach einfacher Anleitung selbst zusammenschustert. Und wenn`s einem irgendwann nicht mehr gefällt, schmeißt man die Kiste halt weg und kauft sich eine neue. Moderne Architektur hat mehr mit IKEA zu tun als mit Athen.


    Im letzten Satz formulierst du nur anders, was ich oben schon geschrieben habe. Ich würde mir erhoffen, dass die modernen Bauweisen, die oftmals nicht sehr nachhaltig, weil wartungsintensiv, schlecht reparabel, dünnwandig, anti-lokal und chemiebelastet sind, auch stärker hinterfragt werden. Aber Globalisierung, Industrialisierung und Gewinnorientierung begünstigen genau diese Bauweisen und es ist schwer, dagegen anzukämpfen. Auf Fassaden mit neu interpretierter klassizistischer Gestaltung lässt sich schon leichter hoffen.

  • Ich schrieb doch oben z. B. von der Neogotik, dem Orientalismus, die in der Schublade "Historismus" liegen. Hast du das überlesen, oder warum unterstellst du mir Eindimensionalität?

    Nein, das habe ich nicht überlesen und du hast damit natürlich absolut recht, wie mit vielem, was du schreibst. Mir war lediglich der Einstieg zu eindimensional, wenn man einem Architekten der Zeit des Klassizismus selbstverständlich unterstellt, sich bei der Antike bedient zu haben, wenngleich seine Bauten - hier die Bauakademie - deutlich machen, dass zwar antike Motive eingesetzt wurden, diese aber nur über die Entwicklung der Renaissance wirklich erklärbar sind. Die Fassaden der Bauakademie sind vom Klassizismus so weit weg (oder nah), wie der Barock von der Antike. Die Wurzeln sind unbestritten, aber die dazwischenliegenden Entwicklungssprünge erklären erst, was wir da sehen.


    Übrigens: Wenn du das Gefühl hast, ich würde in Schubladen denken, liegt es vielleicht darin, dass ich Kunsthistoriker bin, obwohl auch unsere Zunft längst zu der Erkenntnis gekommen ist, dass Epocheneinteilungen vielfach zu starr sind.