Bauakademie - Rekonstruktion und Geschichte

  • Ich könnte mir ehrlich gesagt auch gut vorstellen, dass die Stiftung um Spars langsam aber sicher begriffen hat, dass der Wind auch im Bund Richtung CDU weht und das Land diesen für eine Reko der Bauakademie günstigen Umstand für sich nutzen würde. Und dass es dann ggf. ohnehin einen Personalwechsel gegeben hätte, nur nicht unbedingt so geräuschlos wie bei einem vorzeitigen freiwilligen Abgang.


    Und auch ich würde nicht zu viel spekulieren, halte den Abgang des ewigen Quertreibers aber zumindest nicht für ein schlechtes Zeichen. Hoffentlich wird sich letztlich auch hier die alte Weisheit bestätigen: Was lange währt, wird endlich gut.

  • Streng genommen, liegt Wuppertal aus Berliner Sicht vor den sieben Bergen 😀.

    Man kann natürlich immer irgendwem bewusstes und ideologische geprägtes Verhalten unterstellen, aber m.A.n. liegt es viel näher, dass "soviel Schinkel wie möglich" auf allerlei Arten interpretiert werden kann.

    Die Rekobefürworter sehen darin den Auftrag zur Vollrekonstruktion, die Rekoskeptiker erwarten einen Bau, der so aussähe, wie ein heute lebender Schinkel ihn bauen würde.

    Das ist also ein ziemlich weites Spektrum, bishin zur völligen Neukonzeption, ohne das optisch irgendwas an die historische Bauakademie erinnern würde, außer dem Standort.

    Dann, aber nur dann, wäre die letzte Visualisierung unter Spars, immerhin mit Ziegelfassade, eine gute Wahl.

    Übrigens bin ich nach wie vor, für eine Teilrekonstruktion, mit einer modernen Seite.

  • ...die Rekoskeptiker erwarten einen Bau, der so aussähe, wie ein heute lebender Schinkel ihn bauen würde.

    Was ist das eigentlich immer für eine Unsinnsaussage, die ich jetzt schon öfters gelesen habe? Das ist schon ziemlich anmaßend und ignorant von "Rekoskeptikern" Schinkels Geist für sich zu vereinnahmen. (Edit: Habe mich etwas weniger bildlich ausgedrückt. ;))
    Schinkel war ein Kind der Romantik. Er verehrte/verklärte wie viele Künstler seiner Zeit die Antike, das Mittelalter, die Renaissance etc. und während er auf modernste Weise und mit modernsten Mitteln baute, setzte er immer eine Fassade davor, welche die Erhabenheit und Schönheit der Antike, des Mittelalters, der Renaissance etc. aufleben ließen. Was bitteschön bilden sich diese "Rekoskeptiker" eigentlich ein? Dass der moderne Schinkel da irgendwelche ultramodernen Beton-, Glas-, oder Holzkisten hinsetzen würde?

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  • Ich muss etwas Wasser in den Wein gießen. Ich hatte es anfangs auch nicht mitgeschnitten, da Spars Abgang unmittelbar nach der Pro-Reko-Sitzung verkündet wurde: er verlässt seinen Posten wohl nicht vorzeitig, sondern wird nur seinen "Vertrag, der Ende August 2025 ausläuft, nicht verlängern". Ich bin mal gespannt, ob die Stiftung es jetzt mit dem Wettbewerb sehr, sehr eilig hat, damit Herr Spars noch an der Jury-Sitzung teilnehmen kann. :D


    Gründungsdirektor Prof. Dr. Guido Spars verabschiedet sich von der Bundesstiftung Bauakademie͏

  • ^^ Also ich würde mich ja als Restroskeptiker outen. Das heißt aber nicht, dass ich Schinkels Geist irgendwo herausreißen möchte, schon gar nicht aus seinem Grab.


    Natürlich bin ich nicht grundsätzlich gegen Rekonstruktionen. Im Falle der "Flèche" auf der Notre-Dame bin ich völlig d´accord mit der 1:1 Rekonstruktion. Das ist dann auch kein "Disneyland".


    Wo ich so meine Bauchschmerzen habe, ist - wenn Gebäude, die schon längere Zeit verschwunden sind, originalgetreu wieder aufgebaut werden sollen. Das ist für mich wie "schummeln". Man tut so, als wäre es ein historisches Gebäude, aber eigentlich ist es das nicht.


    Beim Schloss hat man das mit der modernen Fassade und der modernen Innenausstattung geschafft. Mehr brauche ich dort aber nicht: Keinen "historisierenden" Brunnen, keinen Kuppelausbau oder weitere "königliche" Treppenhäuser...


    Ich weiß, es gibt bei der Bauakademie viele Argumente für eine Rekonstruktion. Und die Argumente sind hier auch schon ausgetauscht worden. Aber es sollte dennoch die Chance gegeben werden, ein Gebäude zu entwerfen, dem anzusehen ist, dass es aus dem 21. Jahrhundert und nicht original aus dem 19. Jahrhundert ist.

  • [...] Wo ich so meine Bauchschmerzen habe, ist - wenn Gebäude, die schon längere Zeit verschwunden sind, originalgetreu wieder aufgebaut werden sollen. Das ist für mich wie "schummeln". Man tut so, als wäre es ein historisches Gebäude, aber eigentlich ist es das nicht. [...]

    Beim Schummeln-Argument wäre ich nicht so dabei (Abt: "Was ist schon authentisch?") – da zählt für mich die Rolle eines Gebäudes als Kunstwerk, ästhetisches Statement und Beitrag zum Städtebau mehr.


    Immer vorausgesetzt, die Qualität stimmt: Wenn das jetzt ein Plastikhaus wäre oder vorgehangte Riemchen, würde ich schon eher mit Schrecken abwenden ;).


    Generell bin ich aber auch für ein ganz neues Gebäude offen. Ganz wichtig wäre für mich, dass es die städtebauliche Funktion ausfüllt und wertvoll wirkt. Also: Bitte keine "transparenten Begegnungsräume mit Geschichtsguckloch", virtuelle Ideen von Vorgängerbauten à la Bethlehemkirchplatz oder sonstige Eskapaden. Roter Backstein und elegant proportioniert müsste es schon sein und auch gleich groß wie die Bauakademie. Und vielleicht auch namensmäßig ein Statement machen und z.B. "NEUE Bauakademie" heißen.


    Auch über eine Vollrekonstruktion würde ich mich freuen.

  • Man tut so, als wäre es ein historisches Gebäude, aber eigentlich ist es das nicht.

    Ach, das ist ein Problem, das sich nach wenigen Jahrzehnten von selbst erübrigt. Viele Rekonstruktionen werden heute gar nicht mehr als solche wahrgenommen. Sie sind selbst Teil der Geschichte geworden.


    Wenn manchmal geschrieben wird, man müsse modernen Entwürfen eine Chance geben, muss ich immer sehr lächeln. Ja, moderne Entwürfe haben heutzutage kaum eine Chance, erst recht nicht in Berlin, wo auf jedem Grundstück eine Rekonstruktion entsteht.


    Ich kann es total akzeptieren, wenn jemand diese oder jene Rekonstruktion skeptisch sieht. Aber die Skeptiker können sich ja nun auch nicht immer durchsetzen. Und da es nur ganz wenige ausreichend wertvolle Gebäude (oder Treppenhäuser) gibt, deren Rekonstruktion möglich ist, sollten die Wünsche der Befürworter in diesen wenigen Fällen eine höhere Gewichtung haben. Zumal sie, soweit es bekannt ist, zumeist für Mehrheiten sprechen.

  • Wir können aber doch nicht etwas rekonstruieren, weil eine willkürliche Quote noch nicht erfüllt ist!


    Beim Stadtschloss gab es schon genau diese Problematik, bei der Bauakademie ist es noch ausgeprägter. Es gibt schlicht keine Verwendung dafür, außer als Denkmal für sich selbst.


    Ohne das berühmte Vorbild, wäre der Bauplatz längst bebaut und auch schon Teil der Geschichte geworden.

  • Beim Stadtschloss gibt es keine Verwendung? Bei 1,7 Millionen Besuchern 2023 und damit Platz 2 der meistbesuchten Museen Berlins? Allein diese Aussage zeigt schon deine negative Voreingenommenheit.


    Und ja, großartige Bauwerke sind oft genug "Denkmäler für sich selbst". Das ist irgendwie auch das Wesen des Denkmalschutzes und des Verständnisses von Kulturerbe.


    Ob die angedachte Nutzung für die Bauakademie eine sinnvolle Ergänzung der deutschen Forschungslandschaft sein wird, wird sich zeigen. Und wenn nicht, findet sich für das Gebäude ganz sicher eine andere Nutzung. Schinkels Entwurf ist für verschiedenste Nutzungen geeignet.


    Auch ästhetisch hat er einen großartigen, ja perfekten Entwurf vorgelegt, sodass gar keine Notwendigkeit besteht, hier etwas Neues zu erfinden. Erst recht nicht am Schinkelplatz, in Sichtweite zu anderen bedeutenden Schinkel-Bauten. Von einer "willkürlichen Quote" würde ich da nicht sprechen, sondern von einer ganzheitlichen Betrachtung eines historisch bedeutenden Stadtraumes, in dem jeder Baustein den gewachsenen Gesamtzusammenhang verdeutlicht und die Gesamtwirkung aufwertet.

  • Baukörper Das mit der vermeintlichen Quote ist ja wohl eine Strohpuppe oder mindestens Polemik. Nirgendwo war davon die Rede. Aber wenn es eine solche Quote gäbe, dann wäre sie entweder homöopathisch gering oder aber wir müssten eine ganze Menge Reko-Projekte anschieben (was natürlich irgendwann auch zu einem Qualitätsverlust führen würde). Alleine der Gedanke an eine Quote, also einen Quotienten bzw. prozentualen Anteil zeigt mE aber recht gut, WIE absurd eigentlich die radikale Ablehnung gegen ein paar ausgewählte Reko-Projekte ist. Da wäre umgekehrt die Forderung einer Reko-Quote ja fast schon plausibler.


    Und wie Ziegel schon richtig sagt, muss man sich neben dem potentiellen Ziel/Verwendungszweck eines Bauprojektes schon auch das direkte Umfeld und ggf. auch mal die Historie der Baufläche ansehen. Man könnte am Schinkelplatz natürlich auch einen Wohnturm errichten, weil Wohnungen dringend gebraucht werden. Oder man findet wie beim Humboldtforum einen Kompromiss aus Stadtbildreparatur und einer zeitgemäßen Lösung mit Mehrwert. Ich finde jedenfalls, dass die Ethnologischen Museen nun eine ganz andere Bedeutung erhalten haben als in Dahlem und dass dieses Signal Berlin als weltoffene Stadt und Weltstadt gut tut. Vielleicht könnte man auch dem Thema Architektur zu einem höheren Stellenwert im öffentlichen Bewusstsein verhelfen. Das kann doch im Sinne der regionalen Architektur und somit auch des DAF nicht ganz verkehrt sein?

  • Wo ist das Problem? Es kommt doch immer mal wieder auch hier vor, dass argumentiert wird, es wird so wenig rekonstruiert (jammer), dann müsste doch die Gelegenheit genutzt werden, jetzt und hier. Das wäre die Quote.


    Ich bin überzeugt, dass es für ein Gebäude in Größe und Gestalt der Bauakademie keine wirkliche Verwendung besteht, sonst hätten wir diese endlose Diskussion nicht und es wäre schon längst gebaut.

    Die Funktion einer Bauakademie wird nicht als Neubau benötigt, da längst an anderer Stelle vorhanden, bliebe also nur eine Räpresentanz, oder ein Museum, die/das aber dann auch an enge Grenzen stößt, es gibt nicht mal mehr eine Aussenfläche.


    Ich komme nochmal zu meinem Vergleich mit dem Stadtschloss/Humboldtforum: Das Museum darin läuft ganz gut, mehr aber auch nicht. Ein richtiger Museumsbau hätte hier viel mehr erreichen können, wenn nicht die Barockfassade dem Gebäude die Struktur vorschreiben würde.

    Das ist dann das gleiche wie bei der BA. Die Vollrekonstruktion der Fassade würde den Gebrauch des Gebäudes bestimmen und da wird es dann schwierig, selbst als Hauptstadtrepräsentanz irgend eines Großkonzerns.

    Die ganzen modernen Bauvorschriften hab ich dabei mal ganz außen vor gelassen...

  • Falsch!


    Der Mehrwert des Schlosses für Berlin und den Tourismus ist immens. Historische Gebäude im Zentrum zu rekonstruieren lohnt sich wirtschaftlich und ideell.


    Vergleichen wir das Humboldtforum mit Bilbao: Das dortige Guggenheimmuseum ist ein immenser Erfolg für die Stadt. Bis heute zieht es Menschen an und fasziniert. Rein technisch gesehen wäre es aber als Museum ungeeignet, wenn man nicht Willens ist, es selbst als ein Kunstwerk zu verstehen. Genauso ist es bei der Sydneyoper. Mit einem Quader hätte man weitaus mehr Nutzfläche und eine höhere Effizienz. Dagegen ist das Humboldtforum (weil quasi ein Quader) viel effizienter, noch besser wäre, der von dir geforderte Funktionsbau.


    All das gilt für die Bauakademie genauso. Potsdam ist sehr glücklich mit seinen Rekonstruktionen, ebenso Frankfurt. Diese Bauwerke waren ja schon zur Zeit ihrer Errichtung als repräsentative Gebäude gedacht, die reine Funktion ist dabei eben nur ein Aspekt.


    Am Ende erfüllt das Humboldtforum seine Funktion weitaus besser, als die Kunstscheune nach der Roth‘schen Rosskur. Das wird ein weiteres trauriges Beispiel für ein ungeliebtes Funktionsbauwerk - ganz anders als die grandiose Elbphilharmonie.


    Rekonstruktionen sind meistens ein Garant für eine sehr gute Alzeptanz, Beliebtheit und damit auch Funtionalität.


    Deren Ablehnung ist ein dysfunktionaler Ansatz und basiert auf einer zwanghaft progressiven Kulturtheorie, die sich zunehmend spaltend auswirkt.

  • ^^Es wird meiner Beobachtung nach zumindest in Berlin sehr selten gefordert, dass irgendein Gebäude unbedingt (komplett) rekonstruiert werden soll. Neben der Bauakademie fällt mir da spontan nicht mal ein weiteres aktuelles Beispiel ein. Und auch wenn man sich die ersten Seiten hier im Berlin-Subforum ansieht, findet man da mE nichts. Und wo das tatsächlich mal gefordert wurde, hat man mE auch primär mit der individuellen Qualität des konkreten Bauwerks argumentiert. Klar: Dass effektiv fast nie rekonstruiert wird und dass die teils aggressive Ablehnung daher überzogen erscheint, wird in solchen Fällen dann durchaus auch mal angesprochen, es trifft mE aber auch einfach zu. Daraus dann umgekehrt eine implizite Quote für Rekos abzuleiten, erscheint mir mit Verlaub komplett hanebüchen.

    Falls es dieses Muster aber doch gibt, muss das an mir komplett vorbei gegangen sein (oder vielleicht andere Subforen des DAF betreffen) und ich würde mir hierfür mal Belege wünschen.


    Ich bin überzeugt, dass es für ein Gebäude in Größe und Gestalt der Bauakademie keine wirkliche Verwendung besteht, sonst hätten wir diese endlose Diskussion nicht und es wäre schon längst gebaut.

    Die Verzögerung hat inzwischen überhaupt nichts mehr mit dem fraglichen Verwendungszweck zu tun, sondern einzig und allein mit dem Gebaren bzw. der Sabotage der Stiftung (welche nach gültigem Beschluss des Bundestages von eben jenem zum Zweck des Baus gegründet wurde). Ich gehe jetzt mal davon aus, dass Du das eigentlich auch selbst weißt.

    Dass man unabhängig vom Zweck immer auch einen modernen Bau errichten und diesen funktional optimieren könnte, ist eine Binse. Aber manchmal ist die Hülle eben auch gewichtiger Teil der Konzeption und Attraktion, die ja eben NICHT für die grüne Wiese entworfen wurde, sondern für den konkreten Standort. Und schau Dir doch bitte einfach mal an, welche Museen in London, Paris und auch Berlin die jeweils beliebtesten sind. Und wie gut diese in historischer Hülle ihren Zweck erfüllen. Für mich haben die drei attraktivsten Museen Berlins alle drei historische bzw. rekonstruierte Fassaden (Naturkundemuseum, Technikmuseum und Ethnologische Museen im Humboldt Forum). Die Museumsinsel käme bei mir direkt dahinter in dichter Konkurrenz zum zumindest überwiegend modernen Jüdischen Museum. Ich allein bin nicht der Maßstab. Bei den Besucherzahlen sieht es aber sehr ähnlich aus.


    Und klar hätte man bspw. die Ethnologischen Museen auch in Mitte in ähnlich hässlichen Kästen wie schon in Dahlem unterbringen können - und so etwas mehr und flexiblere Nutzflächen erhalten. Hätte nur absolut grausam ausgesehen und die Sammlungen mE auch nicht so würdig vertreten. Ich glaube auch nicht, dass man mehr Besucher angezogen und sie nachhaltiger beeindruckt hätte.

    Und ich halte es analog dazu für einen klugen Kompromiss, am Schinkelplatz ein Bauwerk für Baukultur und architektonische Qualität IN einem Bauwerk unterzubringen, dass diese Qualität in herausragendem Ausmaß selbst verkörperte und dass in der Tat zugleich auch ein ziemlich modernes und flexibles Innenleben besaß. Zumal der jetzige Ansatz ja ist, dass man die alte Kubatur und Erscheinung als Orientierungspunkt bewahrt und lediglich "abstrahiert". Also kein erkennbarer funktionaler Mehrwert und auch keine ästhetische Optimierung, sondern einfach nur eine Entfremdung des Originals als reinen Selbstzweck. Das ist für mich KEIN vielversprechender Kompromiss, sondern erinnert mich an den im angelsächsischen Raum verbreiteten Ausspruch: "Wir sind Zwerge auf den Schultern von Giganten (mein Zusatz: und wir arbeiten aktiv weiter an unserer Verzwergung)."


    P.S.: WENN die Zunft mal ein wirklich selbstbewusstes Signal unserer Zeit hätte setzen wollen, dann wäre das Museum der Moderne DIE Gelegenheit dazu gewesen. Stattdessen auch dort kein Bilbao 2.0 sondern eine geniale Abstraktion, in dem Fall ja angeblich vom antiken Tempel (muss man dann nur ganz dringend mit dazu schreiben, damit das irgendjemand im Ansatz erkennt und beim dritten ungläubigen Hinsehen vielleicht sogar noch glaubt oder wie bei des Kaisers Neuen Kleidern im Zweifel lieber achselzuckend gelten lässt) und Scheune. Für mich ist das höchstens ein abgesackter/versunkener Tempel in einer Qualität, welche die erste Graphikkarte der Welt vielleicht daraus gemacht hätte. Eigentlich ist es aber einfach ein riesig aufgeblasener Discounter VOR deren optischer Optimierung gegen den jeder moderner proportionierte Aldi oder Rewe wie ein architektonisches Meisterwerk aussieht. Man merkt: Ich hatte mir viel versprochen (da ich auch moderne Architektur liebe) und bin maßlos enttäuscht worden.

    Und die Ansätze für sukzessiv verstärkte Abstraktionen von Schinkels Bauakademie haben wir ja leider(!) auch "live und in Farbe" gesehen bzw. voll Grauen mit angesehen. Ich bleibe dabei: Dann bitte 0% Schinkel bauen (weder im Titel des Baus noch in dessen Gestalt) oder selbst lieber weiter eine Brache als so eine schreckliche Humunkulus-Missgeburt dort hinzustellen und das dann noch ohne jede bewusste Selbstironie wieder "Bauakademie" zu nennen. Ein schlimmerer Doppelschlag gegen die historische Ikone und unser Zeitalter ist ja kaum noch möglich. Und diese kulturlosen Barbaren in ihrer aufgeblasenen Hybris werden sich dessen wohl nicht einmal bewusst sein.


    Edit: Rotes Rathaus war schneller, ich lasse es jetzt aber trotzdem so stehen.

    Einmal editiert, zuletzt von jan85 ()

  • Baukörpers Ausführungen sind derart lieblos begründet, dass es sich kaum lohnt, darauf einzugehen. Nur drei kurze Anmerkungen.


    Die Fassaden des Berliner Schlosses waren schon bei ihrer ersten Erbauung Kulissenfassaden, die dem viel älteren Schloss dahinter eine damals neue, moderne Anmutung gaben. Sie lassen sich hervorragend mit verschiedenen Raumkonzepten in Einklang bringen und Baukörper wäre für seine These, andere Fassaden würden die Nutzung erleichtern, ein Beispiel schuldig.


    Das Humboldtforum liefert, wie belegt, eine hervorragende Performance ab - trotz einer schwachen Führung. Mit interessanteren Wechselausstellungen ließe sich eine noch höhere Resonanz erzielen. Vielleicht ist der vom Land Berlin angestrebte Auszug des Stadtmuseums eine Chance, hier schon Verbesserung zu erreichen.


    Statt der Schinkelschen Bauakademie ein modernes Gebäude zu fordern, ist etwas albern. Sie ist ein modernes Gebäude. Gerade das macht ja den Großteil ihres Wertes aus. Dass es für den Schinkelschen Entwurf keine Verwendung gäbe, lässt sich schon durch ein einfaches Gedankenexperiment ad absurdum führen. Wer ginge denn ernsthaft davon aus, das Haus stünde heute leer, wenn es im Krieg und unter der SED nicht zerstört worden wäre?

  • Ich komme nochmal zu meinem Vergleich mit dem Stadtschloss/Humboldtforum: Das Museum darin läuft ganz gut, mehr aber auch nicht. Ein richtiger Museumsbau hätte hier viel mehr erreichen können, wenn nicht die Barockfassade dem Gebäude die Struktur vorschreiben würde.

    Rund um die Welt sind Museen in Altbauten untergebracht. Nicht nur in alten Hüllen, sondern sogar zwischen Säulen und üppigem Stuck (anders als das supermoderne Interieur des Humboldt-Forums), und dort laufen und schwelgen zig Millionen an Besuchern jedes Jahr durch. Louvre, British Museum, Vatikanische Museen, Metropolitan Museum, Eremitage etc., sie gehören zu den meistbesuchten Museen der Welt. Und, welch Überraschung, auch in Berlin ist die Museumsinsel, mit ihren schönen, historischen Bauten, größter Magnet für Museumsbesucher.
    Wir wissen außerdem ziemlich genau, dass die Schlossrekonstruktion der größte Anziehungspunkt des Humboldt-Forums ist. Hartmut Dorgerloh, der Generalintendant höchstpersönlich, hat sich mehrfach dazu geäußert. Die Schlossrekonstruktion zieht Millionen an Besuchern an, sie bestaunen die Fassaden, rasten im Innenhof (im Moment gibt es sogar einen schönen Weihnachtsmarkt), gönnen sich einen Kaffee auf dem Dach...aber nur ein kleinerer Teil dieser Besucher begibt sich dann in die Ausstellungen des Humboldt-Forums.
    Sind die schönen Schlossfassaden daran schuld? Ganz gewiss nicht. Erst mal muss sich ein neues Museum hier zwischen den vielen altbewährten Museen etablieren. Zweitens, und vielleicht noch wichtiger, sollte man sich mal Gedanken darum machen, wie man sich positiver und einladender nach außen präsentieren kann. Außer konstant schlechter Presse von Raubkunst, Kunstrückgaben in die falschen Hände, Stunk um rechte Spender und Schlossaneigner hört man nicht viel aus und vom Humboldt-Forum.
    Wenn sich die Leute des Humboldt-Forums damit versöhnen können, dass sie das große Privileg haben, in einem solch schönen, anziehenden Bau residieren zu dürfen, und außerdem ihre Kunstschätze in positivem Licht präsentieren (was diese echt verdient hätten), dann knackt man vielleicht nächstes Jahr die zwei Millionen Marke an Besuchern. Was überhaupt keine zu verachtende Bilanz wäre.