Karl-Marx-Allee/Frankfurter Allee

  • 1. Meisterwerk
    - ganz klar nicht


    2. Bedeutender Schnittpunkt menschlicher Werte in Bezug auf Entwicklung der Architektur…
    - absolut nicht


    3. außergewöhnliches Zeugnis von einer kulturellen Tradition…
    - nein ganz gewöhnlicherSovietkram.


    4. ein hervorragendes Beispiel eines Typus von Gebäuden, architektonischen oder technologischen Ensembles oder Landschaften darstellen, die einen oder mehrere bedeutsame Abschnitte der Menschheits-Geschichte versinnbildlichen
    - Jein, hervorragend ist das nicht gerade - nicht mal wirklich fertig und einfach nur ein Beispiel

  • Ich sehe tatsächlich keinen Grund für Pessimismus. Die Tatsache, dass es die beiden sehr unterschiedlichen Berliner Bewerbungen diesmal nicht auf die Tentativliste geschafft haben, dürfte tatsächlich damit zusammenhängen, dass Berlin bei den letzten Entscheidungen ziemlich gut behandelt wurde, da gebe ich Bau-Lcfr Recht. Da ist es in einem föderalen Land wie Deutschland nicht verwunderlich, dass nun auch andere Länder an die Reihe kommen wollen.


    Jedenfalls finde ich es nicht schlimm, wenn ein Erfolg nicht im ersten Anlauf erzielt wird, auch wenn ich die Entscheidung, der Kultusministerkonferenz natürlich bedauere. Aber die Zeit bis 2019 ist ja auch überschaubar, man kann sie nutzen, um die Kandidaten noch attraktiver zu machen.

  • Die Zuckerbäckerbauten sind durchaus einmalig in Deutschland und erhaltenswert.


    Nein, das sind sie nicht. Die stehen in ganz ähnlicher Art bspw. in Magdeburg und vereinzelt auch in Dresden,Leipzig oder Neunbrandenburg. Natürlich sind diese Zeugnisse einer frühen klassizistischen Phase der DDR unbedingt zu erhalten und haben auch ihre besondere Ästhetik - in diesem Weltkulturerbe-Antrag ging es aber vor allem auch um die ganzen nachträglich industriell errichteten Wohnblöcke bis hin zum Alex. Das ist nun wirklich Stangenware und ganz gewiss nichts Einmaliges.

  • Kann es sein, dass wir über unterschiedliche Gebäude reden?


    Die KMA besteht nun mal aus zwei Teilen - dem städtebaulich gelungeneren und erhaltenswerten im Stil des Sozrealismus (Zuckerbäcker) - der jedoch nicht so absolut einmalig ist, da überall im Stalins Machtbereich so gebaut wurde. Dann gibt es den mit Plattenbauten - nur die passen in das Schema der "Versöhnung" gepaart mit einer Siedlung der Moderne im Westen. Wenn diese Paarung das Hauptargument war - obwohl sie sich nur auf einen Teil der KMA bezieht, wo der andere einem ganz anderen Fassadengestaltungskonzept folgt - kein Wunder, dass derart krude Konstruktion abgeleht wurde.


    Mir fällt aber mehr auf, mit welcher überheblichen Selbstverständlichkeit manche meinen, dass der Titel zustehen sollte und "Empörung" entfaltet wird, wenn irgend so welche Kultusminister oder UNESCO es wagen, die Begehrlichkeit abzulehnen. Selbstreflexion scheint in Germania (jemand schrieb richtig was vom Ego) Mangelware geworden zu sein.


    Im älteren KMA-Teil gibt es ein Cafe mit einer Ausstellung über KMA - dort habe ich kürzlich erfahren, dass es mal an der KMA einen in nur 150 Tagen errichteten Volkssport-Palast gab, den man mit Skulpturen vom kaiserlichen Schloss schmückte. Einmal wollte man mir in einem der Threads nicht glauben, dass die DDR in minimal anderer Konstellation fähig wäre, das Schloss selbst zu bauen - und doch, sie tat es, in ähnlicher Architektursprache wie das Schloss selbst. (Gegenüber stand kein Kaiser-Wilhelm-Reiterdenkmal, sondern welches von Stalin in stehender Pose.) Leider war das Tempo zu hoch und es wurde gepfuscht - irgendwann Ende der 1960er oder Anfang der 1970er wurde der baufällige Palast abgerissen, stattdessen weitere Plattenbauten errichtet. Schade - die Konstruktion wäre interessanter.

  • Ich finde die KMA insofern einmalig, als dass sie in einer Stadt mit zur selben Zeit entstandenen Projekten der "kapitalistischen" Moderne steht. Der 1. BA der KMA und das Hansaviertel entstanden zur selben Zeit und waren eine Art Wetteifern der Systeme. Noch dazu wurden sie in einem gegensätzlichen Stil erbaut. Die Hinwendung zu moderener Architektur erfolgte erst im 2. BA u.A. aus Geldmangel. Ich finde auch den 2. BA sehr interessant, fühlt man sich doch nirgendwo sonst in Berlin so sehr wie in der Sowjetunion. Auch durch die Länge und Uniformität der Straße ergibt sich eine besondere Wirkung. Ob das nun alles zum Welterbetitel langt sei mal dahingestellt. Der Titel ist ja ohnehin zunehmend weit gefasst und so lächerlich finde ich den Gedanken nicht.

  • Der Titel ist ja ohnehin zunehmend weit gefasst


    Ach so - da es inflationär wurde, hat jeder einen Anspruch bis auf jedem Haus das UNESCO-Bapperl hängt? Hier fand ich eine Liste der nominierten Objekte (nur ein-zwei davon werden ernsthaft begutachtet - etwa das weltberühmte Reichskloster Corvey wartet bereits seit 1999). Unter den neun Kandidaten 2014 gibt es u.a. Höhlen in der Schwäbischen Alb, wo die älteste Menschenskulptur des ganzen Planeten gefunden wurde wie auch die älteste erhaltene Synagoge Mitteleuropas in Erfurt. Selbst das weltbekannte Schloss Neuschwanstein, von Disney als Logo angenommen, soll relativ geringe Chancen haben.
    Wenn man nicht erkennen kann, dass Plattenbauten (die per se Massenware waren und auf keinen Fall von der ganzen Welt als erhaltenswert gesehen werden) oder eine Siedlung der Moderne aus einer Zeit, in der überall im Westen dieser Stil herrschte, längst nicht vergleichbare Einzigartigkeit vorweisen, kann man nicht weiter helfen.


    fühlt man sich doch nirgendwo sonst in Berlin so sehr wie in der Sowjetunion


    Sehr niedlich - und deswegen sollte diese Siedlung auf die Liste statt Hunderter Vorbilder in der Ex-UdSSR? Ähnlich-wie-etwas-woanders-verbreitetes ist doch das genaue Gegenteil der Einzigartigkeit. Mal ist davon die Rede, dass der ältere KMA-Teil sich mit dem Hansaviertel versöhnen sollte, mal der neuere - da blicken wohl selbst die Bewerbungsanhänger nicht durch, welcher denn jetzt von den Beiden.

  • Schade, dass es nichts wird (vorerst). Mit den für viele inakzeptabelen Bauten des 2. Bauabschnitts der KMA hat man dem Projekt denke ich keinen gefallen getan. Für viele Entscheidungsträger ist es undenkbar der UNESCO so ein Areal vorzuschlagen. Die eh schon mutige Idee zwei städtebauliche Großprojekte aus den 50ern aus West und Ost gemeinsam vorzuschlagen, wurde so maßlos ausgeweitet. Der pädagogische Gedanke auch noch die DDR-Moderne mit ihrer Armutsästhetik miteinzubeziehen war ein Fehler, den man nun korrigieren sollte.


    ^ Demnach haben Berlin und Brandenburg 8 von 37 deutschen Weltkulturerbe-Objekten, also gemessen etwa an der Bevölkerungsanzahl sind sie eher überrepräsentiert als benachteiligt. Davon gibt es gleich 6 (sechs) Siedlungen der Moderne,


    Das ist nun wirklich großer Unsinn. Die sechs Siedlungen sind EIN EINZIGER Eintrag und nicht sechs.


    Berlin und Brandenburg haben mit
    1. Schlösser und Gärten Berlin/Potsdam
    2. Museumsinsel
    3. Siedlungen der Moderne
    drei Welterbe-Einträge, die schön breit gestreut sind und über alle Zweifel erhaben. Keiner der Einträge zieht menschheitsgeschichtlich mit den ägyptischen Pyramiden gleichrangig, aber das ist wohl eine bescheuerte Forderung für ein breit aufgestelltes Weltkulturerbe.


    Berlin sollte auf jeden Fall versuchen weitere geeignete Stätten unter den UNESCO-Schutz zu bekommen. Ich denke die KMA (1. BA) ist langfristig dafür geeignet. Eventuell sollte man sogar die Koppelung an das Hansaviertel aufgeben. Möglicherweise sind solche pädagogisch polarisierten Vorschläge nicht geeignet. Wann die Unterschutzstellung erfolgt ist letztlich nicht wichtig, man sollte nur das Ziel nicht aus den Augen verlieren. Meinetwegen auch am 17. Juni 2053.

  • Sehr niedlich - und deswegen sollte diese Siedlung auf die Liste statt Hunderter Vorbilder in der Ex-UdSSR?


    Quatsch. Ich wollte damit nur sagen, dass ich im Gegensatz zu einigen in diesem Forum auch den 2. BA als erhaltenswert ansehe. Einzigartig sind in Bezug auf die KMA und das Hansaviertel, wie gesagt, allein die Gegensätzlichkeiten innerhalb einer Stadt bzw. der Bezug zur einzigartigen politischen Situation Berlins.

  • Laut einer Meldung des RBB gibt es mittlerweile auch Hinweise des Fachbeirates zur Evaluierung der Welterbebewerbungen bezüglich des weiteren Vorgehens. Demnach wird bemängelt, dass es noch keine ausreichende wissenschaftliche Forschung zur Karl-Marx-Allee / zum Hansaviertel geben würde.


    Ich denke, dass diese Einschätzung nicht völlig aus der Luft gegriffen ist. Schon im Vorfeld der Bewerbung wurde von Bauhistorikern bemängelt, dass es zuwenig Geld für die Forschung und vor allem für die Publikation der Forschungsarbeiten geben würde. Beispielsweise ist die Arbeit von Irma Leinauer zur Karl-Marx-Allee 2. Bauabschnitt bis heute nicht veröffentlicht. Daher muss tatsächlich noch mehr getan werden, um die Bewerbung zum Erfolg zu führen.


    Weiterhin stimmt es optimistisch, dass die Kultusministerkonferenz keine ähnlich gelagerte Konkurrenzbewerbung befürwortet hat. Da sehe ich die Situation für den Jüdischen Friedhof Weißensee viel kritischer, nachdem die Kultusministerkonferenz den Jüdischen Friedhof Hamburg - Altona, die jüdischen Stätten in Erfurt und das jüdische Erbe in Speyer, Worms und Mainz befürwortet hat. Ich muss ehrlich sagen, dass ich nicht ganz verstehe, warum der Jüdische Friedhof in Hamburg-Altona welterbewürdiger sein soll als der Friedhof in Weißensee.


    Ansonsten weiß ich nicht, woher etliche Nutzer die Information nehmen, dass die Kultusministerkonferenz aus Ablehnung gegen Plattenbauten oder gegen sozialistische Architektur entschieden hätten. Dafür gibt es keinerlei Belege, und die Tatsache, dass auch ganz anders gelagerte Bewerbungen wie die Altstadt von Görlitz, die Gartenstadt Hellerau, die Industriekultur im Ruhrgebiet oder das Doberaner Münster diesmal nicht berücksichtigt wurden, ist auch kein Beleg für eine Voreingenommenheit der Kultusministerkonferenz.


    http://www.rbb-online.de/kultu…re-welterbe-staetten.html

  • Die Zuckerbäckerbauten sind durchaus einmalig in Deutschland und erhaltenswert. Hier reicht aber auch der Denkmalstatus, da in anderen osteuropäischen Groß- /Hauptstädten so einige ähnliche Bauten in dem Stil vorhanden sind.




    Moment mal? Ich dachte hier geht es um den Mitteraner Teil mit den Plattenbauten und nicht die "Stalinallee" in Friedrichshain, die genauso aussieht wie eine Strasse in Kiew. ( jedenfalls musst ich bei dem Bild mehrmals hinschauen um zu sehen dass diese NICHT in Berlin ist, so zum Ausstauschen gleich sieht die aus.)

  • Berlin sollte auf jeden Fall versuchen weitere geeignete Stätten unter den UNESCO-Schutz zu bekommen.


    Warum?


    Weil man es in diesem zivilisiertem Land ansonsten nicht schafft erhaltenswerte Bauwerke und Strukturen zu schützen und zu bewahren?

    Während früher der normale Denkmalschutz noch eine wirkliche Rolle spielte, wird dieser doch heute nur noch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten gesehen - und seine Aushebelung ist entsprechend käuflich. Also muss dann der "Welterbetitel" als Schutz her, damit eine Institution von Außen bei jeder noch so nichtigen oder notwendigen Veränderung Einspruch einlegen und mitentscheiden kann? Das zeigt wie weit der hiesige Denkmalschutz gesunken ist. Ein ziemliches Armutszeugnis!


    Der Welterbetitel ist zu einem reinen Marketinginstrument verkommen. Am Besten sollte die Welterbekommission diese Titel gegen Gebote versteigern. Dann könnte sie sich mit dem eingenommenen Geld nämlich um die wichtigen Welterbestätten kümmern, für die sonst kein Geld da ist.



    Im übrigen halte ich die Stalinallee für erhaltenswert, dies muss aber auch ohne Welterbetitel funktionieren.

  • ^ Etwas chaotische Argumentation. Da kann ich nicht ganz folgen.


    Warum sollte Berlin und natürlich Deutschland insgesamt weitere Stätten unter UNESCO Schutz bringen?


    1. Es ist der stärkste und am besten überwachte Denkmalschutz. Es gibt in Berlin durchaus eine ganze Reihe schützenswerter Stätten und über lange Zeit gesehen ist deren Erhalt natürlich nicht selbstverständlich, sondern geradezu ausgeschlossen, da jedes Menschenwerk vergeht. Möchte man eine möglichst gute und lange Konservierung ist der UNESCO-Schutz also anzustreben.


    2. Natürlich ist es auch ein Aushängeschild, eine sichtbare Auszeichnung für eine kulturelle Leistung, was ich für erstrebenswert halte und in dem Zusammenhang natürlich auch ein Marketinginstrument.


    3. Hat ein UNSECO-Titel eine pädagogische/didaktische Wirkung. Er lenkt das Interesse von Nachkommenden auf bestimmte Stätten mit epochaler Bedeutung und trägt damit neben der ästhetischen auch zur historisch-politischen Bildung bei. Ich denke, gerade Berlin hat da für nachkommende Generationen einiges an Gutem und Schlechtem zu bewahren und natürlich die vielen Grauzonen vom Gutem im Schlechten.



    PS
    Der jüdische Friedhof in Altona wurde vmtl. bevorzugt, da er viel älter ist als der in Weißensee. Die schwäche von Weißensee ist eben, dass der Friedhof jung ist und damit nur einen ganz kurze Zeit von wenigen Jahrzehnten in den Grabstätten abgebildet wird. Ich habe daher immer an seiner Eignung für den UNESCO-Schutz gezweifelt, obwohl ich den Friedhof immer wieder besuche und sehr mag und natürlich Berlin die Daumen drücke.

  • Die negative Entscheidung zum Berliner Antrag rückt ein wenig die sehr subjektive, verzerrte Berlinische Sicht der Dinge aus gesamtdeutscher Perspektive wieder gerade. Der Versuch, die 60er-Jahre-Plattenbauten in Ost und West unter UNESCO-Schutz zu bringen ist im Ansatz gescheitert.


    Wieviel Geld hat man eigentlich zur Vorbereitung des Antrages zum Fenster ausgegeben?

  • ^^ Zur Selbstwahrnehmung der Antragsteller fällt mir das schöne englische Wort 'delusional' ein. Es ist schon ein an Idiotie grenzender Wahn, die Plattenbauten auf eine Stufe mit wirklich bedeutenden Bauwerken zu stellen, etwa der Museumsinsel oder Sanssouci. Das Geschwurbel um die angebliche Versöhnung von Ost und West unter der Ägide der Moderne glaubt doch kein normal denkender Mensch.

  • ^
    Ein Beitrag zum Einrahmen und Aufhängen :)


    Das ist es auch was ich bei Debatten um MEF & Co nie verstehen kann: Aus beschränkter, kurzfristiger Perspektive mag ich ja noch verstehen dass einige emotionale oder kulturhistorische Beweggründe dazu haben, den Bestand erhalten oder schützen zu wollen. Aber wer ein ganz kleines bisschen die Augen aufmacht und mal im Kopf die ihm bekannten Baudenkmäler, Bauwerke und Monumente durchgeht der wird zwangsläufig feststellen müssen, das Plattenbauten und plumper Stahlbeton niemals in die Reihe der in Jahrhunderten weltweit entstandenen und geliebten Architektonischen Schmuckstücke passen werden, die gemeinheim von der absoluten mehrheit der Menschheit als "erhaltenswert und schön" betrachtet werden. Egal wie toll man sie schönzureden versucht.

  • "kapitalistischen" Moderne steht. Der 1. BA der KMA und das Hansaviertel entstanden zur selben Zeit und waren eine Art Wetteifern der Systeme


    Es gibt keine "kapitalistische" Moderne, da der Kapitalismus lediglich ein Geldsystem (genau genommen nicht einmal ein Wirtschaftssystem, das ist nämlich die Marktwirtschaft) beschreibt. Er ist apolitisch und erhebt keinen Gestaltungsanspruch. Auch gab es keinen international ziemlich identischen "kapitalistischen" Städtebau, die amerikanischen Highrise Buildings sahen doch sehr anders aus, als die piefigen Stahlbetonwürfel in Westdeutschland (die sich architektonisch von den DDR Plattenbauten ja v.a. darin unterschieden, dass sie keine normierten Gebäude eines Standardtyps waren, sondern es sich um jeweils individuelle Einzelentwürfe einzelner Architekturbüros handelte, die für jedes einzelne Gebäude komplett neu entworfen wurden; die üblicherweise auch einzeln in Ortbeton hochgezogen wurden, was nichts daran änderte, dass auch diese recht monoton aussahen; auch die junge Bundesrepublik tat sich mit Individualität bekanntermaßen noch schwerer). Hätte es stylische Apartmenthochhäuser im Chicago Style in Westberlin gegeben, dann hätten die auch ein ganz anderes Image gehabt. Summasummarum, in den westlichen/"kapitalistischen" Staaten gab es im Gegensatz zum Ostblock keine einheitliche Architekturströmung, der kleinste gemeinsame Nenner war der, den man auf der ganzen Welt und in allen Systemen antreffen konnte (viel rechte Winkel usw.). Wäre es in Westberlin tatsächlich um ein Wetteifern gegangen, gar stellvertretend für den großen Bruder aus Übersee, dann hätte Westberlin eher eine Skyline wie San Francisco, Seattle usw., als die auch aus Ostberlin ziemlich bekannte zweckmäßige Stahlbetonrasteroptik. Die Phrase vom "Schaufenster des Westens" war doch reichlich übertrieben, keine westeuropäische Großstadt war weniger glamourös und hatte weniger "Aura der großen weiten Welt" usw. als das alte Westberlin (hier im Forum ist auch häufig vom alten "Westberliner Mief" die Rede). In Westberlin hatten die Kids doch genauso das stereotype Fernweh-Poster mit der Skyline von Manhattan im Jugendzimmer an der Wand, wie in Pusemuckel. Westberlin, nicht München, war das "Millionendorf" der alten Bundesrepublik.


    Ganz anders als der Sozialismus, der (unter Zwang) den "neuen Menschen" schaffen wollte, wo der Städtebau entsprechend ganz bestimmte Funktionen hatte, die weit über bloße Nutzflächenerstellung hinaus gingen. Alleine deswegen bin ich gegenüber dem "sozialistische Städtebau" sehr kritisch eingestellt, mit seinen menschenverkleinernden Monumentalformen und Sichtachsen und der normierten Monotonie (das in Beton gegossene Unterdrückungsmantra "hälst du dich etwa für was besseres?", was keine individuellen Bedürfnisse und Vorlieben zugestand, Wohnung nach Plan für das Leben nach Plan). Denn wie schon die Marxisten wussten, "das Sein bestimmt das Bewusstsein". Ansonsten ist Berlin die Hauptstadt des mitteleuropäischen Deutschlands und das darf man auch gerne sehen. Kleinteiligkeit und Individualität vor Megastrukturen.



    (aus "Berchen" wurde "Eisber", neuer Name, selber Ber :) )

    3 Mal editiert, zuletzt von Eisber ()

  • Mittlerweile ist auch der Bericht des Fachbeirates der Kultusministerkonferenz zu den Welterbenominierungen verfügbar. Hier werden nicht nur die Empfehlungen begründet, sondern es werden auch Vorschläge für das weitere Vorgehen in Bezug auf die nicht berücksichtigten Bewerbungen gemacht. Bei einigen Bewerbungen ( wie bei den Domen von Speyer, Worms, Mainz und Halberstadt) wird keine weitere Bearbeitung empfohlen, bei anderen Bewerbungen (wie beim Jüdischen Friedhof in Berlin) wird die Teilnahme an einer internationalen seriellen Nominierung angeregt, bei noch anderen Bewerbungen (wie der Karl-Marx-Allee / Hansaviertel) wird eine Weiterbearbeitung der Bewerbung empfohlen.


    Bei der Bewerbung Karl-Marx-Allee / Hansaviertel werden vor allem zwei Punkte bemängelt.
    Erstens wird ein ungenügender Forschungsstand kritisiert. Vor allem werden internationale Vergleichsanalysen gefordert.
    Zweitens wird bemängelt, dass für diese Gebiete kein ausreichendes Pflege- und Erhaltungskonzept vorhanden wäre.
    Allerdings wird empfohlen, das Thema weiter zu verfolgen, da die Bewerbung die Architektur der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts zum Gegenstand hat und diese eine unterrepräsentierte Kategorie unter den UNESCO-Welterbestätten wäre.


    http://www.kmk.org/fileadmin/p…ussbericht_Fachbeirat.pdf


    Daher denke ich schon, dass es gute Chancen gibt, das Thema bei einer Berücksichtigung der Ratschläge bei der nächsten Bewerbungsrunde zum Erfolg zu führen.

  • Bei einigen Bewerbungen ( wie bei den Domen von Speyer, Worms, Mainz und Halberstadt) wird keine weitere Bearbeitung empfohlen


    Etwa beim Speyerer Dom würde ich tatsächlich keine Bewerbungsbearbeitung empfehlen, weil der Dom seit 1981 auf der Liste steht. Die in Mainz und Worms werden von den Kennern wiederum oft in einem Atemzug mit dem in Speyer genannt.
    Bei den Plattenbauten wiederum würde ich den Verantwortlichen empfehlen, mal zu fragen, ob wir Bevölkerung in Deutschland uns überhaupt wünschen, dass Plattenbauten uns als "Erbe" gegenüber der ganzen Welt vertreten. Viele (mich inklusive) empfinden sowas als Schlag ins Gesicht und Verhönung wirklich einmaliger Bauwerke (selbst in der unterrepräsentierten Kategorie der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts gibt es wesentlich einzigartigere, auch in Berlin - die Neue Nationalgalerie zum Beispiel). Beim älteren KMA-Teil hätte ich noch Verständnis.


    Dass ich etwa die Zeche Zollverein (es gibt ein paar ähnliche in der Umgebung) sogar gerne von der Liste runternehmen würde, ist eine andere Geschichte.