Museumsinsel und Erweiterungsbauten (James-Simon-Galerie)

  • Mag sein, dass es teurer gewesen wär. Aber das Preis-Leistung-Verhältnis wär langfristig wohl möglich ein anderes gewesen...Man hätte schon mal den Star-Architekten-Aufschlag sparen können und diesen wiederum für die künstl. Arbeiten einsetzen können. Die Baupläne gabs ja schon und neue Konzepte, was den Einbau neuer Toiletten etc. angeht, kann jeder x-beliebige Architekt entwickeln. Ingenieure und Statiker wären wohl wichtiger gewesen, um die Pläne noch mal aus technischer Sicht zu überarbeiten und damit das alte nicht bei den Bauarbeiten zusammenbricht. Bei der Frauenkirche war laut Wikipedia auch kein Architekt, sondern lediglich ein Ingenieur die Hauptrolle gespielt. Und wenn immer spätere Generationen dazu aufgefordert werden, z.B. die Wände wieder originalgetreu zu bemahlen, kann diese Idee von der Konservierung ja nicht sowas besonderes sein...


    Was wär bitte an einer Reko das NM fragwürdiger, als an der (auch nicht unbedingt 100%igen) anderer Bauten? Keiner beschwert sich über die Reko des Charlottenburger Schlossest oder den Kolonnaden um die Museen herum. Im Falle des Schlosses wär der überlegte Abriss bestimmt auch die preiswertere Version gewesen. Heute würde man sich in den A* beißen, dass man eine DER zwei Attraktionen dieses Bezirkes vernichtet hat. Bei letzteren kann man die Geschichte an den unterschiedlichen Zuständen des Materials ablesen. Dies hätte man beim Museum genauso machen können. Man kann sich den Nachkriegszustand auf Bildern an Infotafeln oder in Büchern anschauen, wenn es einen interessiert. Ich gebe zu, das originale NM war teilw. schon recht überladen, was die ganzen Malereien angeht. Aber die Alte Nat. Gal. ist im Inneren auch keine 1:1-Reko, aber trotzdem entspricht das neue Innere dem, was man von außen erwartet.


    Treverer
    Gute Frage. Eigentlich hätte man z.B. das Brandenburger Tor auch nicht säubern dürfen. Immerhin sind das Spuren der Geschichte. Oder gilt das nur für im Krieg beschädigte Gebäude?

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  • Tristesse

    #546
    Das Gebäude erinnert jetzt an zwei traurige Ereignisse:
    Einmal an das traurige Ereignis einer Zerstörung und einmal an das traurige Unvermögen einer Rekonstruktion.

  • Hatte sich eigentlich einer mal das Interview mit Chipperfield angehört, das hier neulich gepostet wurde? Er erklärt das eigentlich ganz einleuchtend finde ich. Und zwar zieht er den Vergleich zu einer Antiken Vase oder Statue, deren Schönheit man schätzt (wer würde sowas wegwerfen) jedoch nicht einfach nachbaut. In der Regel kann man dann auch bei Ergänzungen unterscheiden was neu und was alt ist. Die Frage an der sich jetzt die Geister scheiden ist, ob das Museum als Relikt oder Überbleibsel einer vielleicht vergangenen Zeit verstanden wird, oder man es schlicht als Kriegsruine bezeichnet.
    Mich hat diese Erklärung auf jeden Fall ein wenig umgestimmt in meiner kritischen Haltung. Und seien wir ehrlich, an der Arbeit, die dort geleistet wurde kann man kein bisschen meckern.


    Treverer: Ja, eine Frage die ich auch schon ein paar mal gestellt habe...konnte bis jetzt keiner beantworten. Zumal ich mich auch frage ob die verwendetet Ziegel überhaupt hart genug gebrannt sind um den Witterungsbedingungen auf Dauer standzuhalten, sind ja schließlich nicht bis zur Sinterung gebrannt...

  • Ich habe das Neue Museum zwar leider noch nicht in Natura gesehen, nur von Bildern und Videos, aber einen grobe Einschätzung kann man dann doch schon geben.


    Es sieht ein wenig so aus, als hätte man das Gebäude entkernt, die alten Strukturen sind zum Vorschein gekommen und man fängt jetzt an es zu restaurieren. Auch wenn der Effekt durchaus gewollt ist, sieht es irgendwie unfertig aus.


    Prinzipiell finde ich den Ansatz sehr gut, dass man die Stile so mischt und dies auch sehr offensichtlich zeigt. Ich denke aber das Problem ist, dass man auf der einen Seite sagt, die Museeumsinsel soll Weltkulturerbe bleiben, auf Grund ihrer historischen Gebäude und auf der anderen Seite will man aber etwas sehr modernes schaffen.
    Ich finde an einer anderen Stelle würde das Ensemble wirklich sehr gut wirken und passen, hier scheint das Augenmerk in Zukunft weniger auf die Exponate als auf das Gebäude liegen.

  • Nach einem ausgiebigen Rundgang durch die ehrwürdigen Gemäuer muß ich nun auch meine anfänglich kritische Haltung in weiten Teilen revidieren. Bis auf einige Details (die furchtbar abgenagt aussehenden Säulen im ethnographischen Saal, das Treppenhaus das den Raum eher erschlagend dominiert als sich zurückzunehmen und die leider sehr verunglückten, zwei komplett modernen Räume) hat mich das Konzept doch einigermaßen überzeugt.


    Der Bau, und da muß ich einigen widersprechen, sieht nicht so aus, als wäre die Renovierung gerade im Gange, sondern erinnert wesentlich mehr an das was man in der Türkei, Griechenland und Ägypten so Historisches zu sehen bekommt. Man tritt in eine etwas unwirkliche Welt.
    Einmal fühlt man sich fast wie in byzantinischen Kirchen in denen Archäologen Fresken wieder zutage förderten die von Ikonoklasten beschädigt, von Ottomanen übertüncht und vom Gebäudezerfall mitgenommen wurden, oder wieder ausgegrabenen ägyptischen Kammern, an denen Ungeliebtes von mißgünstigen Nachfolgern beseitigt wurde und Räuber und Sand ihr übriges taten, ein bißchen Pompeji ist auch dabei, etc. Dazwischen immer moderne Anbauten die sich wirklich meist zurücknehmen.
    Das ganze hat natürlich ein leichtes Geschmäckle, denn man bekommt natürlich das Gefühl einem werde etwas vorgegaukelt.


    Dennoch, und das ist für mich das Auschlaggebende, da wird ein sehr passendes Umfeld für die Exponate kreiert. Das neue Neue Museum ist weder so dekorativ überfrachtet wie der Bau im Original, noch so minimalistisch karg wie alles was man so in modernen Museumsbauten präsentiert bekommt (mal abgesehen von den Museen wo der Architekt meinte sein Gebäude sei wichtiger als das Ausgestellte). Jeder Raum, und das finde ich etwas woran sich heutige Architekten orientieren könnten, nimmt auch in seiner baulichen Sprache Bezug auf das Ausgestellte. Statt bloßer karger Konferenzräume (von denen heutzutage ja immer wieder behauptet wird, daß sie so sein müssen um nicht von den Exponaten abzulenken) findet man ägyptische, römische, griechische Säulen, etc. vor und kann wesentlich mehr mit dem zukünftig Ausgestellten in diesem Kontext, dieser sie umgebenden "Welt" anfangen.


    Insgesamt muß ich sagen, daß Chipperfield in meinen Augen viel Respekt vor dem bereits Vorhandenen bewiesen hat. Er drängt sich meist nicht unangenehm in den Vordergrund und konserviert ein Stück bauliche Geschichte so, daß den späteren Museumsbesucher keine großen Brüche oder gutgemeinte Überfrachtung mit Komplettkopien von den Exponaten ablenken werden.


    just my 2 cents

  • Was mir immer Wieder Auffält ist, das einige hier bemerken, dass die Treppe zu monströs wirkt. Sie entspricht, in den Abmessungen, genau der alten Treppe. Ausserdem habe ich hier gelesen, dass wohl kein Geld gewesen wäre für Sandstein. Die alten Gebäudeteile sind auch nur verputztes Ziegelmauerwerk, mit vereinzelten Sandsteinzierelementen. Mir gefällt das Gebäude. Warum soll man ein 150 jahre altes Gebäude nicht so behandeln, wie den Pergamonaltar und das Ischtar- tor im benachbarten Pergamonmuseum? Der Nofretete setzt man auch kein neues Auge ein...

  • Naja, deine Aussage entkräftigt sich ja von selbst. Die Treppe WIRKT monströs. Das kommt wohl durch die fehlenden Details...

  • Naja, deine Aussage entkräftigt sich ja von selbst. Die Treppe WIRKT monströs. Das kommt wohl durch die fehlenden Details...


    Das wirds sein:o Ist ja nicht so, das man solche Treppen nicht schon immer monumental geplant hätte.

  • So Leute...Aus "morgen" ist leider nichts geworden ;). Statt jedes Bild einzeln hier hochzuladen gibt es sie dieses Mal kommentiert bei Picasa zu sehen. Leider war es so voll, dass immer mal Leute durchs Bild laufen. Und da man mal wieder nicht Blitzen durfte, ist manches auch etwas verwackelt oder krisselig. Viel Spaß trotzem :).

  • Tolle Bilder Ben! Die Böden sind wirklich fantastisch! Gott sei Dank erhalten die sich so wunderbar.


    So schöne Fotos auch gepostet wurden bisher, vom Konzept bin ich trotzdem nicht überzeugt. Nicht, dass ich die konservierte Ruine hässlich oder nicht schön genug finden würde; Gerade durch die Reduzierung auf Erhaltenes rückt dieses in den Vordergrund und wird mehr gewürdigt. Nur: die Konservierung der Ruine in archäologischer Manier hebt die Fresken, Säulen, Wandgemälde in eine ungerechtfertigte Höhe. Die Ausstattung des NM sollte ursprünglich die Atmosphäre für echte altertümliche Ausstellungsstücke schaffen; sollte die wertvollen Stücke in eine passende Umgebung setzen. Chipperfield lässt das Gebäude jetzt selbst suggerieren, es wäre ein altertümliches Trümmerfeld, das durch zurückhaltende Ergänzung bewahrt wurde. So sehr mir das Gebäude gefällt, aber ich kann darüber nur den Kopf schütteln. So war die Sache nie gedacht. Für mich ist das mehr Hochmut und Unwahrheit als es eine Reko hätte sein können.

  • @Andi
    Das habe ich mir auch schon überlegt. Jetzt weiß man gar nicht, weshalb genau man ins NM geht...Wegen Nofretete oder wegen des Treppenhauses.


    @remy
    Die neuen Kolonnaden sind zum großen Teik ausgepackt. Die alten sind hingegen noch eingerüstet.



    Hier noch ein Bild von einem der beiden Löwen, die einen auf den Treppenwangen des Großen Treppenhauses sitzend empfangen. Ist beim Hochladen irgendwie nicht mitgekommen...

    Einmal editiert, zuletzt von Ben ()

  • Vielen dank Ben, du hast dem Forum einen großen Dienst erwiesen.


    Wenn man auf den Diskussionsverlauf verfolgt, hat Chipperfield etwas geschaffen, was er so vielleicht gar nicht beabsichtigt hatte. Sein Bau, hat eine beispielhafte städtebauliche Diskussion in Gang gerufen, die berlintypisch, mal wieder eine Messlatte im Diskurs über Sinn und Funktion von Architektur setzt. Ein Umbau, der eine derart facettenreiche, theorielastige Diskussion in Gang setzt, sucht weltweit seines Gleichen. Warum passt dieser Umbau zu Berlin?
    Die Antwort ist einfach, denn selbst den Architekturlaien zwingt der Bau eine Architekturdiskussion auf.

  • #567


    Ah! Gut das du das postest. Ich frage mich nämlich schon die ganze Zeit, ob diese beiden Löwen antik sind (ägyptisch?) oder ob sie aus der Zeit der Erbauung des Neuen Museums stammen. Waren da vielleicht zufällig Hinweisschilder dabei?


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    Bitte Bilder nicht Quoten.

    Vielen Dank, Batō.

  • Habe keine Schilder gesehen...Aber ich frage mich das auch. Vom Material her tanzen sie glaube ich etwas aus der Reihe, was vielleicht ein Indiz dafür wär. Vielleicht siehts auch nur so aus.

  • Super! Das trifft den Nagel doch genau auf den Kopf!
    Das eigentliche Problem des Neuen Museums ist doch das man Exponat und Präsentation der selbigen nicht genau auseinander halten kann. Dies ist nicht nur heute, nach Chipperfields Restaurationen und Ergänzungen so, sondern war beim einstigen Stülerbau auch nicht anders, schließlich ist die Eingangshalle einer der am besten erhaltenen Räume aus jener Zeit. Diese Verwechselungen kann man als Vorteil oder aber auch als Nachteil des Museums sehen, sicher ist, es macht das Neue Museum zu einem Unikat. Man sieht auch, so gravierend liegen beide Konzepte, Stülers und Chipperfields, nicht auseinander.

  • Es war aber sicherlich nicht Chipperfields Intention ein "Ruinen-Disneyland" zu erschaffen, wo der der Besucher nicht weißt, was nun echt Antik oder einfach nur Kriegsruine ist. Ich würde sagen, Thema verfehlt! Erinnert mich irgendwie an die Vorwürfe der Modernisten gegen Rekonstruktionen. ;)


    Die Löwen sind für ägyptische Werke vielleicht einen Ticken zu gut erhalten. Die Sockel unter ihnen sehen auch eher historistisch aus...wenn man nur wüsste...

  • Es war aber sicherlich nicht Chipperfields Intention ein "Ruinen-Disneyland" zu erschaffen, wo der der Besucher nicht weißt, was nun echt Antik oder einfach nur Kriegsruine ist. Ich würde sagen, Thema verfehlt! Erinnert mich irgendwie an die Vorwürfe der Modernisten gegen Rekonstruktionen. ;)


    Die Trennung zwischen alt und neu ist eindeutig erkennbar und war ja auch Ziel der Aktion, darum geht es nicht.


    Disneyland bezeichnet vor allem alles künstliche. Der hohe Aufwand, um einen Ruinenzustand zu verlängern ist etwas künstliches, denn so etwas gab es in tausenden Jahren der Baugeschichte nicht. Etweder hat man Ruinen abgetragen, vollständig neu aufgebaut oder einfach verfallen lassen. Dies wären die üblichen Optionen beim Neuen Museum gewesen.


    Erst in der Neuzeit hat man antike(!) Ruinen ausgegraben, gesichert und konserviert. Gerade der Vergleich mit diesen antiken Ruinen verstärkt aber hier noch die Künstlichkeit, denn das Neue Museum war ein hochmodernes Bauwerk, ein Produkt des Industriezeitalters mit Eisenkonstruktionen anstelle eines konventionellen Massivbaus. Es könnte sogar Photos der Eröffnung des Bauwerk geben, so jung ist das Neue Museum. Selbst Zeitzeugen, die das intakte Bauwerk kennen, gibt es noch. Alles replizierbare Technik, kein verschollenes antikes Wissen. Chipperfield selber hatte den Vergleich zu antiken Vasen gebracht und genau den empfand ich äußerst künstlich, denn zwischen diesen Epochen liegen Jahrtausende, die jetzt künstlich gleichgesetzt werden. Das Neue Museum wird nun in der Behandlung auf eine Stufe gestellt mit Pompeji oder dem Forum Romanum, welches echte antike Ruinen sind und nur deshalb als Ruinen erhalten werden. Diese baut man natürlich nicht mehr auf, unter anderem weil man gar nicht weiß, wie sie exakt aussahen (es gibt keine Photos oder Augenzeugen) oder auch die Gesellschaftssysteme aufgehört haben zu existieren.


    In Berlin gibt seit längerem den Zeitgeist, sich selber zum Kriegs- und Ruinendisneyland zu machen, seltsamerweise nur in Berlin. Das neue Neue Museum ist ein weiterer Baustein auf der Reise dorthin. Geistig ist die Kunstruine eine Melange aus dem Topf, aus dem auch der künstliche Checkpoint Charlie oder die fake-Soldaten am Brandenburger Tor entspringen. Für keines gibt es heute noch eine Rechtfertigung, die Zeiten sind vorbei, aber man betreibt dennoch den Aufwand des Erhaltens eines künstlichen Zwischenzustandes. Ziel ist hier Spiel, Spannung und Infotainment für die ganze Familie, aber keine Echtheit im Jahr 2009. Das Neue Museum ist in diesem Sinne auch interessant geworden. Die Herangehensweise scheint interessanterweise auch eine modische Erscheinung gewesen zu sein, denn mit dem Humboldtforum, Naturkundemuseum oder der Bauakademie baut man nun völlig zerstörtes wieder auf - warum auch nicht, es waren ja keine antiken Ruinen.

  • Ich finde, die Löwen sehen durch ihren Kopfschmuck und der kräftig akzentuierten Pranken sowie deren Haltung eher nach einer Dekoration Stülers aus. Antike Sphinxen würde Stüler und erst recht nicht Chipperfield als Deko am Treppenaufgang platzieren. Kann mich natürlich irren.


    Es war aber sicherlich nicht Chipperfields Intention ein "Ruinen-Disneyland" zu erschaffen, wo der der Besucher nicht weißt, was nun echt Antik oder einfach nur Kriegsruine ist. Ich würde sagen, Thema verfehlt!

    Diese Sinnestäuschung war doch auch schon früher gewollt. Ist jedoch hier etwas anderes.


    Echt Antik wirkt das Gebäude heute nur weil es einst "Neoantik", eine Übersteigerung des Klassizismus, wirken sollte. (Dies bezieht sich natürlich nur das Innere) Die Gedächtniskirche verwechselt heute auch niemand mit einer echten Ruine der rheinischen Romanik.