Museumsinsel und Erweiterungsbauten (James-Simon-Galerie)

  • Architekt David Chipperfield schaffe in der Verbindung der modernen Ergänzungen und der historischen Rekonstruktion eine „Harmonie der Widersprüche“, lobte der Präsident des Bundesamtes, Florian Mausbach, gestern nach einem Rundgang explizit das Sanierungskonzept.


    Wie heißt es doch so schön: „Ich kann gar nicht so viel essen, wie ich kotzen möchte.


    Chipperfield hat das Neue Museum so dermaßen verhunzt, dass man es eigentlich nur noch abreißen kann. Das "Konzept" die Schäden (der britischen Bomber) sichtbar bleiben zu lassen, muss vor dem Hintergrund der Schäden betrachten werden, die Chipperfields "Restauration" erst angerichtet hat. Nicht nur hat der Architekt den echten Restauratoren die Hände gebunden. Er hat auch an allen möglichen Stellen sogenannte "Lücken" mit modernen Materialien und Formen aufgefüllt. Dadurch wird der Bau aufs Hässlichste entstellt. Selbst als Ruine sah das Museum noch besser aus als "nach" dieser Sanierung. Von der noch fraglich ist, ob sie überhaupt stattgefunden hat.

    Die Bauarbeiten sind fast abgeschlossen, was nicht leicht zu erkennen ist.


    Besonders das Betonmonster im Foyer des Neuen Museums stellt m.E. die größte Verunstaltung eines historischen Gebäudes in der Geschichte der Menschheit dar. Nie zuvor ist ein Bau bei seiner Restauration derart beschädigt worden. Und auch auf die Gefahr hin, wieder negative Wertungen zu sammeln, kann ich hier nur erneut die körperliche Züchtigung des Architekten fordern. Das Ausmaß der von David Chipperfield angerichteten Schäden erfordert eine wahrhaft göttliche Bestrafung. Ein Schicksal wie das des Prometheus ist noch viel zu gut für den König Midas des Sichtbetons.


    Zeus ließ Prometheus fangen und in die schlimmste Einöde des Kaukasus schleppen, wo er ihn an einen Felsen über einem Abgrund fesseln ließ. Ohne Speis, Trank und Schlaf musste Prometheus dort ausharren, und jeden Tag kam der Adler Ethon und fraß von Prometheus Leber, die sich zu dessen Qual immer wieder erneuerte, da er ein Unsterblicher war. Vergeblich flehte Prometheus um Gnade. Wind und Wolken, die Sonne und die Flüsse machte er zu Zeugen seiner Pein. Doch Zeus blieb unerbittlich.


    P.S.: Die 233 Millionen Euro für diese unsichtbare Restaurierung des Neuen Museums sollte man durchaus in Beziehung setzen zu den Sparsamkeitforderungen gegenüber der Rekonstruktion der sichtbaren Fassaden des Stadtschlosses.

    3 Mal editiert, zuletzt von Guderian ()

  • ich muss mich hier mal ein wenig anders positionieren. kein argument ist es, das berlin hochglanzmuseen vermissen lasse, es gibt ja jede menge. das ist alledings auch kein argument dafür, irgendeines so herzurichten wie hier der fall.
    ich persönlich finde das anliegen eigentlich berechtigt, nur von der idee und den worten her, würde ich von einem unheimlich spannenden projekt ausgehen, das ich als bereicherung der berliner museen- und architekturlandschaft sehen würde.
    leider finde ich das, was man jetzt schon sehen kann, nicht nach meinen vorstellungen. kann ich mir bei vielen innenräumen noch vorstellen, dass diese mit ihren exponaten eine besondere atmosphäre aufweisen ewrden, finde ich die fassade (warum nicht gleich beton, sondern minderwertig aussehender naturstein, ein augengraus) und die eingangshalle (sieht auf den fotos absolut überladen aus, der beton erschlägt ja alles) wenig gelungen.


    schade, sieht nach einer bisschen verpassten chance für mich aus.

  • Tja, sehr traurig das ganze. Ich kann moderner Architektur durchaus etwas abgewinnen, aber Alt und Neu gemischt das passt nicht. Wuerde ja auch niemand seine Wohnung mit Altdeutschen- und Designer-Moebel mischen.
    Klingt jetzt zwar arg polemisch, zumal ich die Englaender seit ich in England lebe gut leiden kann, aber mir scheint der Englaender Chipperfield will das beenden was die englischen Bomber nicht ganz geschafft hatten...

  • Ich denke da teilweise so wie meine Vorredner.
    Allerdings: Mir scheint das Konzept für den Innenraum spannend und interessant. Die Fotos dazu würde ich sogar "vielversprechend" bezeichnen.


    Nur unterscheide ich da entschieden zum Ausseneindruck. Hier das Konzept ebenso anzuwenden mag zwar konsequent sein, aber das Ergebnis spricht eine andere Sprache. Ich zähle mich zu jenem Teil der Architekturkritiker, die die äussere Erscheinung eines Gebäude zum überwiegenden Teil der Umgebung geschuldet sehen. Aus gleichem Grund habe ich auch keine Berührungsangst mit Rekonstruktionen (und dabei sogar die verschrieene vorgehängte Fassade vorziehe: Zeitgemäßer Innenausbau zieht mein persönlicher Geschmack neuen Stuckdecken vor).
    Hier muss man klar sagen diskreditiert die Ausführung die restliche Museumsinselbebauung. Schon die zeitgenössische Fassade finde ich unpassabel. Neuer Putz aussen -zumal hier keine Fresken überputzt oder rekonstruiert werden müssten- wär schon das Geringste.
    Aber mein Protest ist hier noch relativ verhalten, denn den muss ich mir für das zentrale Eingangsgebäude aufheben - das mit ihrer einfältigen Zeitgenössigkeit dem bis dahin noch ungebrochen homogenen Ensemble seinen Rest gibt. Dann herrscht hier der selbe Mix wie im Rest Berlins.

  • (warum nicht gleich beton, sondern minderwertig aussehender naturstein, ein augengraus)


    Naturstein...naja, das ist Ziegelmauerwerk und zwar soweit ich mich erinnere aus alten (abgerissenen) Scheunen der Region. Auch wenn sie dir minderwertig erscheinen, offenbar haben sie schon (ich schätze einfach mal dilettantisch) 100 Jahre auf dem Buckel und meiner Meinung nach haben sie so ziemlich den schönsten Farbton den man irgendwo für Mauerwerk bekommen kann.

  • Selbst wenn man sich dazu entschliesst, bei einer Restauration weitgehend auf Rekonstruktionen zu verzichten. Weil diese erstens gegenüber den wenigen erhaltenen Originalteilen dominieren würden und sie zweitens bei allem Bemühen um Authentizität immer die Gefahr bergen, die künstlerische Aussage des Originals zu verfälschen. Dann müssten sich die nicht rekonstruierten Ergänzungen im Gesamteindruck dennoch unsichtbar machen. Das kann zum Beispiel geschehen, in dem man ursprünglich vorhandene Formen und Bilder nicht bis ins Detail ausführt. Sondern sie nur in groben Umrissen andeutet, ohne sie vollständig "auszumalen". So dass einerseits die Raumwirkung wiederhergestellt wird, aber andererseits der Blick nicht von den erhaltenen original Fragmenten abgelenkt wird.


    Der Versuch das Original zu würdigen, indem man die Ergänzungen in einem scharfen Kontrast vom Original abhebt und herausstechen lässt, kann nie und nimmer gelingen. Dadurch wird weder das Original restauriert noch die Ruine konserviert. Es entsteht vielmehr ein völlig neues Gebäude als Stilmix aus Moderne, Ruine und ein bisschen Original. Die vielen Brüche und Kontraste entsprechen dabei weder dem Charakter des Originals noch dem der originalen Ruine. Die Gegenüberstellung der Bilder vom alten und vom neuen Treppenhaus zeigt ganz deutlich, dass diese kein einziges Detail mehr miteinander gemein haben. Dies kann nicht das Ergebnis einer Rekonstruktion sein. Stattdessen fragt man sich bei Chipperfield unwillkürlich, wann denn die Bauarbeiten endlich beginnen und ob das alles wirklich so bleiben soll.


    Ironischer Weise entspricht diese Collage widersprüchlicher Stile genau dem vorherrschenden Trend in der Stadt. Der auch die verschiedenen Fassaden des Stadtschlossentwurfs und die modernen An- und Umbauten an Zeughaus, Reichstag, Pergamonmuseum, Olympiastadion, Reichsluftfahrtministerium etc. hervorgebracht hat. Daher wird sich diese „Harmonie der Widersprüche“ (was in sich schon ein Widerspruch ist) perfekt in das ebenso unharmonische Stadtbild einpassen und den Ruf Berlins als „spannender Ort voller Gegensätze“ noch verstärken. Berlin ist und bleibt die „hübsch-hässlichste Stadt der Welt“.

  • Tja, dann bin ich wohl einer der wenigen, der die Arbeiten Chipperfields am Neuen Museum großartig findet. Perfekte Rekonstruktionen wie Bodemuseum, Alte Nationalgalerie oder später einmal Altes Museum werden dadurch ja nicht negiert. Im Gegenteil, ich finde das Neue Museum jetzt eine ideale Ergänzung in dem Ensemble.


    Und, im Gegensatz zu vielen hier, finde ich das Chipperfield-Museum auch ästhetisch ungemein ansprechend :)

  • Meiner Meinung nach hätte man sich von Anfang an die Frage stellen sollen, welchen Philosophie man für das Museum und insbesondere zur Präsentation der Exponate verfolgen will.


    Stülers "Neues" Museum war insofern innovativ und bewundert worden, weil es den Besucher mit auf eine Zeitreise in die antike Welt genommen hat. Es standen nicht nur die Exponate im Mittelpunkt sondern die Inzinierung dieser in ihrem Kontext. Auch neuer, wie antiker Bautechniken bediente sich Stüler (siehe Gewölbedecke aus Tonkrügen) Jenseits einer Mediengesellschaft sicherlich eine Zeitreise. Ein Bildungsauftrag! (Eine ähnliche Philosophie hat auch Ihne beim Bodemuseum angewandt.) Vieleicht würde man sich heute, von der reinen Masse an Exponaten und den üppigen Darstellungen an den Wänden, "erschlagen" fühlen. Exponat und präsentierende Umgebung konnte man nicht visuell trennen. (Beim Bodemuseum wurde ja auch etwas "entrümpelt")


    Chipperfield ging einen zwar redlichen, wissenschaftlerischen Weg, der aber mit Stülers Leitidee und dem "echten" Neuen Museum nicht mehr viel Gemeinsamkeiten hat. Hierbei spielt das Wieviel rekonstruieren und Womit nicht die primäre Rolle.
    Der Grad den man gehen konnte ohne das Projekt ins lächerliche zu ziehen war nicht einfach.
    Man nehme den Kaulbach-Zyklus im Hauptreppenhaus. Kaulbach war nicht irgendwer, den man mal eben nach alten Fotos nachmalen kann. Er war der bekannteste "Historienmaler" seiner Zeit im deutschsprachigen Raum. (http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_von_Kaulbach)
    Insofern Chipperfields Ansatz. Die Kriegsspuren sollte man natürlich auch nicht ganz vergessen.


    Was er aber daraus bertieben hat, spricht eine andere Sprache. Warum kann man eine rot gestrichene Wand nicht wieder rot streichen? Wenn bei mir in der Wohnung die Farbe von den Wänden fällt werde ich diese nicht konservieren sondern wieder überstreichen. Eine logische historische Entwicklung. Welchen historischen Wert hat eine einfach und einfarbig gestrichene Wand? Das gleiche gilt für die Putzflächen im Äußeren. Obwohl Chipperfield natürlich damit konsequent war.


    Ich bin mal gespannt wie der Ägyptische Hof werden wird. Da könnten doch wenigstens die Säulen, schlicht und modern in alter Form mit Sichtbeton nachempfunden werden.


    Die äußerlichen Ergänzungen sind sicherlich und mit den horizontalen Streifen für sich betrachtet sehr gut gemeint und architektonisch gut, wie unkonventionell gestaltet worden.
    Die Porportionen des linken Flügels wirken aber völlig anders als der originale rechte Flügel. Er wirkt höher und schmaler. Größter Grund dafür, das Weglassen der Gesimse, insbesondere des abschließenden Kranzgesimses. Dies wäre mit einer zeitgenössischen Formensprache auch nicht so sehr eigenständig gelungen.


    Was soll ich jetzt vom Neuen Museum halten? Redlich bemüht aber Thema verfehlt?, Er hat das Neue Museum ein zweites Mal zerstört? oder Architektonisch neu interpretiert, konsequent konserviert und handwerklich solide?


    Das jetzige "pompejianische Interior" wirkt vieleicht so auch als Weiterentwicklung zu Stülers lupenreinen Themenräumen. Das Exponat bekommt nicht einen auf sich idealisiertes passendes, räumliches Pondant, sondern eines was sich auf gleicher Ebene mit ihm bewegt, als historisch verschlissenes Gegenstück. Das Museum als "antikes" Austellungsstück No 1. Ob dabei das Exponat noch weiter in den Hintergrund tritt, als manche es von Stülers Konzept behaupten ist fraglich.


    Das Neue Museum ist zumindest keine totsanierte und für jedliche Austellung sterile "Museumshülle" geworden. Es polarisiert und lässt Platz für jedliche Interpretation, wie es die Kunst tut.?! :confused:


    Ihr seht so ganz im Klaren bin ich mir noch immer nicht was jetzt dort entsteht.

    2 Mal editiert, zuletzt von Timmi ()

  • @ Andy 777
    Von einer "klassischen" homogenen Bebauung, im Zusammenhang mit der Museumsinsel zu sprechen, finde ich nicht ganz trefflich vormuliert. Ihnes wilheminisch-neobarockes Bodemuseum hat wenig mit Schinkels Alten Museum oder dem "griechischen Tempel" der Nationalgalerie gemein. Wenn man sich das riesige Pergamonmuseum ansieht, sind die Unterschiede noch größer. Noch eine S-Bahn Trasse mittendurch - typisch Berlin. Jedes Gebäude der Museumsinsel bietet sich dem Besucher zu einer anderen Seite der Insel an, Stülers Neues Museum muss da sehen wo es selber bleibt (darum der Streit um Chippi´s Eingangsgebäude). Stüler ist dabei vieleicht eher Schinkels "Zurückhaltung" (Altes Museum) verpflichtet. Untereinander besteht also keine große Organisation der Gebäude zueinander. Es sind vielmehr fünf Solitäre die geographisch eng aneinander gebunden sind, inhaltlich und von der Farbgebung aufeinander abgestimmt sind. Aber schon ein Ensemble.;)


    Ich muss für Chipperfield aber auchmal eine Lanze brechen. Ich halte ihn für den fähigsten Architekten die uns "die Insel" bescheren konnte. Wenn ich mir das Neue Museum von seinen geadelten Landsleuten Foster und Rogers vorstellen müsste, wird mir ganz anders.
    Chipperfield hat oft genug bewiesen das seine Gebäude einen starken örtlichen Bezug haben und vor allem handwerklich gekonnt sind (jenseits der Glas-Beton Fetischisten). Wer sich seine Galerie am Kupfergraben ansieht aber auch seine Ergänzung beim Neuen Museum, merkt das er nicht in die Klischeekiste greift, sondern typisch regionale Materialien für seine Fassaden benutzt, geschlämmtes Ziegelmauerwerk (also eine Mischung zwischen Putz und sichtbares Ziegelmauerwerk). Darauf hat million schon zu recht hingewiesen. Wenn man seine neuen Fassaden für das Neue Museum an einer anderen Stelle in Berlin-Mitte hinstellen würde, würden viele seiner Kritiker, wegen des traditionellen Bezuges und der historisierenden Gliederung in die Hände klatschen.
    Seine Gebäude können in Würde altern, was man in Berlin ja nicht so oft über Neubauten sagen kann.


    Auf Chipperfields zentrales Eingangsgebäude bin ich aber sehr gespannt.
    Viele sagen es würde sich nicht in das Ensemble einfügen und das Neue Museum verdecken. Das tat Schinkels Packhof auch, den ja manche lieber haben wollten. Der Packhof als Neubau für ein Museum oder ein Eingangsgebäude? Alle Neubauten der Insel orientierten sich damals am Bestand, sprachen aber dennoch die klare Sprache ihrer eigenen Zeit.

    Ich finde Chipperfield orientiert sich auch stark an der Museumsinsel (siehe die Kollonaden). Auch der hohe Sockel und die Freitreppe wirken elegant und die Antike zitierend. So manches müsste aber noch überarbeitet werden.
    Die heutigen Gegebenheiten erfordern ein solches Eingangsbebäude. Es entspricht darin der Konzeption der Museumsinsel, die nicht nur schöne Gebäude verspricht sondern ein Museum von Weltrang. Als solches darf sich ein neues Eingangsgebäude nicht verstecken. So ein Neubau macht leider nur an diesem Standort Sinn. (Es gab einen Entwurf von Josef Paul Kleihues der ein unterirdisches Eingangsgebäude an dieser Stelle vorsah.)

    Die gleiche Diskursion erinnert mich etwas an der über Pei´s Pyramide für den Louvre.


    (Hier nochmal die Webside über die Arbeiten am Museum, die glaube ich, schon allen bekannt ist.http://www.wiederaufbauneuesmu…e/rg_e0_4_ve_3_23_51.html)

  • Guderian, du triffst es was dieses Bauwerk angeht genau auf den Punkt!
    Dem letzen Absatz würde ich jedoch nur bedingt zustimmen. An sich sehe ich nämlich gar kein Problem vom Neben- und Miteinander von Altem und Neuem, gerne auch mal als An-, Um- oder Ausbau. Genau das ist für mich der Beweis für eine Lebendige Stadt, oder doch zumindest eines lebendigen Viertels. Die Tatsache, dass jemand investiert, beweist doch erstmal, dass er im Objekt einen Wert (gegebenenfall auch einen Mehrwert) erkennt. Ob die Architektur dann gut wird oder nicht ist eine andere Sache. Ich kann leider zu deinen Beispielen nicht konkret Stellung nehmen, dafür fehlt mir das Wissen über die Gebäude (wie sah der der Reichstag innen vor dem Regierungsumzug aus? Wie sollte der Westflügel für das Pergamon aussehen? Was ist mit dem RLM passiert?). Hier von einem Trend zu sprechen finde ich aber auch falsch. Das Schloss hat seine Kuppel durch einen Umbau bekommen, die Hedwig Kathedrale ihre Laterne und die Treppe, die einst den Hof des Zeughauses schmückte war auch nicht "orginal" (geschweige denn das Glasdach). Eher ist das also Berliner Tradition...
    Zurück zum Neuen Museum; dort geht meiner Meinung nach das gesamte Konzept nicht auf (eine erneute Aufzählung der Probleme spare ich mir, die wiedersprüche wurden hier schon zu Hauf diskutiert). Somit also nochmal Amen zu deinen ersten beiden Absätzen.


    Ein Wort noch zum Neubau: Hoffentlich kommt er und hoffentlich bietet er Raum für Veranstaltungen, die auch nach 18h noch stattfinden können (Lesungen etc.). Dann ist die Museumsinsel nämlich in der Regel leergefegt, was doch äußerst schade ist...

  • [quote='Guderian','http://www.deutsches-architekturforum.de/thread/?postID=205662#post205662'] Die Gegenüberstellung der Bilder vom alten und vom neuen Treppenhaus zeigt ganz deutlich, dass diese kein einziges Detail mehr miteinander gemein haben. Dies kann nicht das Ergebnis einer Rekonstruktion sein. Stattdessen fragt man sich bei Chipperfield unwillkürlich, wann denn die Bauarbeiten endlich beginnen und ob das alles wirklich so bleiben soll.


    1. Es gibt mehrere Arten einer Rekonstruktion. Wer beschwert sich denn über den Zustand des Pergamonaltars, der Akropolis oder des Kolosseums? Nur weil sie antik sind, gelten für sie nicht die gleichen Regeln wie für das nur 150 Jahre alte "neue Museum"?


    2. Das von dir erwähnte Bild beweist genau das Gegenteil nämlich, dass die neuen Treppen, bis auf Details, genau die selbe Raumwirkung erzielen. Chipperfield hat auch erwähnt, dass für spätere Generationen die Möglichkeit bestünde, die Treppe in den originalzustand zu versetzen, da sie eben genau die gleichen Abmessungen besäße, wie ihre Vorgängerin.

  • @ million
    danke für die aufklärung hinsichtlich der fassade. ich finde sie trotzdem nicht gelungen, sie nimmt zwar proportion und farbe aud, aber ihr fehlt die struktur, mir gefällts jedenfalls nicht.


    ansonsten folgendes: egal wie das museum wird, es ist definitiv ein interessanter beitrag, denn klar, man kann eine wand neu streichen. wenn man aber in einem ballsaal, wo an den wänden schon der bordeaux-farbene lack von der wand platzt, alles auf hochglanz trimmt, nimmt man dem raum seinen pittoresken charme, seine anmutung, das ist schade. insofern gefällt mir der ansatz.


    und im endeffekt kann berlin (und die berliner) froh sein, dass die stadt interessant genug ist, sich immer wieder neu zu erfinden und kontroversen zu bieten sowie den freiraum, das etwas neues entstehen kann.

  • ^ Stimme kaktus da voll zu.


    Ironischer Weise entspricht diese Collage widersprüchlicher Stile genau dem vorherrschenden Trend in der Stadt. Der auch die verschiedenen Fassaden des Stadtschlossentwurfs und die modernen An- und Umbauten an Zeughaus, Reichstag, Pergamonmuseum, Olympiastadion, Reichsluftfahrtministerium etc. hervorgebracht hat. Daher wird sich diese „Harmonie der Widersprüche“ (was in sich schon ein Widerspruch ist) perfekt in das ebenso unharmonische Stadtbild einpassen und den Ruf Berlins als „spannender Ort voller Gegensätze“ noch verstärken. Berlin ist und bleibt die „hübsch-hässlichste Stadt der Welt“.


    Die genannten Beispiele sind wohl eher Beispiele für Gebäude die nach einer Zerstörung nicht in ihren ehemaligen Zustand zurückversetzt werden bzw. nicht werden können oder die heutige Zeit andere Aufgaben/Nutzungen an das Gebäude stellt. Möchte jemand gern in einem "original" Krankenhaus der Zwanziger Jahre behandelt werden incl. der fehlenden Elektrik, OP-Technik, Fahrstuhl etc.? Das dies nicht immer ohne "Bruch" mit dem Bestand kompartibel ist, scheint eher logisch. Oder man müsste einen Fahrstuhlschacht als neoirgendwas Glockenturm daneben stellen. Was daran jetzt Berliner Tradition sein soll weiß ich nicht. So etwas gibt es in jeder deutschen Stadt. Ich kann mir nicht vorstellen im Olympiastadion Anno 1936 unter freiem Himmel zu sitzen und mich bei jeder zweiten Veranstaltung nassregnen zu lassen. Da verlange ich im 21. Jahrhundert etwas mehr, in der Dritten Welt scheinen solche Zustände auch heute noch normal zu sein.


    Das manche Architekten da mal gern mit Kontrasten umsich werfen und maßlos übertreiben um ihr eigenes Ego zu befriedigen ist dennoch sehr traurig.
    Bei Chipperfield sehe ich das zumindest nicht beabsichtigt, aus dem Nichts heraus agierent. Er folgt eher wissenschaftlichen/konservatorischen Gesichtspunkten. Ob das jetzt gerade gut ist sei dahin gestellt.


    Für mich kommt es darauf an wie man den historischen Wert des (Rest)gebäudes wieder verdeutlichen kann und wie dies mit einem Museum des 21. Jahrhunderts zu vereinbaren ist. Oder in diesem Fall ist Stülers oder Chipperfields Konzept (auch heute noch) besser und bleibt das Neues Museum das was es eigentlich verdeutlichen sollte, das wofür man es heute so sehr schätzt.
    Rekonstruktion ist da die eine Antwort. Radikaler Umbau eine andere. Konservierung und "behutsamer" Umbau wiederum eine andere, genauso wie eine Abstraktion aller Baudetails zu einem historischen-postmodernen-historistischen Durcheinander auch.



    Einen Wert daran zu messen wieviel rekonstruiert wurde und ob die ein oder andere Neuzutat als Bruch oder nicht erscheint, ist zwar wichtig aber nicht Handlungsorientiert. Auf das Gesamte kommt es an und was davon noch übrig bleibt.
    Man sollte erst das Ziel festlegen und dann über bestimmte Maßnahmen die sich damit ergeben diskutieren.


    Selbst wenn man sich dazu entschliesst, bei einer Restauration weitgehend auf Rekonstruktionen zu verzichten. Weil diese erstens gegenüber den wenigen erhaltenen Originalteilen dominieren würden und sie zweitens bei allem Bemühen um Authentizität immer die Gefahr bergen, die künstlerische Aussage des Originals zu verfälschen. Dann müssten sich die nicht rekonstruierten Ergänzungen im Gesamteindruck dennoch unsichtbar machen. Das kann zum Beispiel geschehen, in dem man ursprünglich vorhandene Formen und Bilder nicht bis ins Detail ausführt. Sondern sie nur in groben Umrissen andeutet, ohne sie vollständig "auszumalen". So dass einerseits die Raumwirkung wiederhergestellt wird, aber andererseits der Blick nicht von den erhaltenen original Fragmenten abgelenkt wird.


    Um dieses "Maß" von Rekonstruktion, Authentizität und Aussage des Originals kommt es an. Chipperfield meinte es wäre mit wenigen Rekonstruktionen nur authentisch und würde so das Original nicht verfälschen.
    Das Ergänzungen das Original nicht dominieren dürfen bin ich auch deiner Meinung. Wenn man die Details abstrahiert, nicht bis ins Detail ausführt, bedeutet das für die "wirklichen Details" im Falle des Treppenhauses, die Treppengeländer beständen aus kuriosen Kreuzen und Kreisen, die Bogensehnenträger im sichtbaren Dachtragwerk hätten seltsame Ornamente und die Karyatiden am oberen Treppenlauf (Kopie Erechtheions-Korenhalle) wären grob behauene Säulen. Ein postmodernes-historistisches Durcheinander würde entstehen, welches das "Original" nicht viel deutlicher als dieses zur Erkennung verhelfen vermag.


    Chipperfields modernen Ergänzungen haben fast immer die selben Proportionen und eine annähernd gleiche Gliederung wie die Bauteile die sie ersetzen sollen.

    Es entsteht vielmehr ein völlig neues Gebäude als Stilmix aus Moderne, Ruine und ein bisschen Original. Die vielen Brüche und Kontraste entsprechen dabei weder dem Charakter des Originals noch dem der originalen Ruine.


    Das bedeutet aber nicht das ich eure Kritik nicht teile.
    Es sieht schon noch nach konservierter Ruine, auch nach traditionsorientierter Moderne und auch noch ein wenig nach dem Original, aus. Jedes Stadium des Gebäudes bleibt sichtbar, mit der Dominante der Ruine. Diesen Spagat wird man aber auch nicht "Stilrein" hinbekommen können, lediglich in veränderten Verhältnissen zueinander.

  • Es gab vor knapp zwei Jahren schon einmal einen Artikel im Tagesspiegel, der meine Empfindungen gegenüber der Bauleistung Chipperfields trefflich zusammenfasst:


    http://www.tagesspiegel.de/zeitung/Titelseite;art692,2383986


    Natürlich ist das auch nur eine Meinung unter vielen. Ich frage mich nur, warum gerade die "geschichtsbewusste Fraktion" solche Probleme damit hat, auch andere Einstellungen - ästhetisch und intellektuell - zu akzeptieren? Dort ist immer gleich von Schandfleck, Steinigung von Architekten und sofortigem Wiederabriss die Rede. Etwas mehr Contenance sei allen geraten.


    Jan


    Könntest du, auch wenn der Artikel schon etwas älter ist, trotzdem mit eigenen Worten noch einmal kurz den Inhalt zusammenfassen oder zu einem DAF-Beitrag verlinken, welcher den Text bereits zusammengefasst hat? Bitte 1. Gebot beachten; Internet-Artikel bleiben nicht ewig online. Vielen Dank

  • Schaut euch mal dieses Bild an. Vergesst einfach die Wasserflecken, die können meinetwegen als Patina und Zeichen der Alterung gelten. Schaut euch nur den linken Flügel an. Was ist daran die Restauration? Weder wird hier die Ruine konserviert noch das Original wiederhergestellt. Weder sieht man schöne rote Backsteine und bröckelnden alten Putz, noch neuen Putz, der irgendwie versucht, den Originalzustand nachzubilden. Es ist einfach ein Stück fremde Architektur, die gewaltsam in das alte Neue Museum hinein geschossen wurde.


    @ million
    [url=http://www.tagesspiegel.de/medien/hermes/cme1,249813.html]Hier sieht man[/url] rechts, das Ziegelmauerwerk mit, wie du sagst: „so ziemlich dem schönsten Farbton den man irgendwo für Mauerwerk bekommen kann“ und links, dasselbe Ziegelmauerwerk verkleistert mit einem hässlichen Beige. Ich finde die Gesellschaft Historisches Berlin kritisiert völlig zu recht: „Willkürlich wurden große Mauerflächen am Altputz doch neu verputzt, während daneben andere große Mauerflächen nicht verputzt werden dürfen, sondern mit einem Farbanstrich überstrichen wurden, der Putz vortäuschen soll.

  • @ Guderian:


    Der linke (moderne) Flügel auf dem ersten von dir verlinkten Foto ist komplett neu, da dieser im Krieg gänzlich zerstörte Nordwestflügel zum Kupfergraben hin zuvor fehlte. Der hintere Teil zur Nationalgalerie hin (Nordostflügel) blieb als Ruine erhalten.


    Z. B. auf diesem Luftbild ist das gut erkennbar: BILD


    Insofern konnte hier keine Ruine konserviert werden - es gab keine (mehr).

  • Ich danke euch für die ausagekräftigen Links!


    Wenn ich mir so den linken Flügel anschaue, kann ich nicht verstehen was daran konserviert werden sollte oder konnte. Vom linken Flügel war zu Beginn der Bauarbeiten fast nichts mehr übrig. Also hätte man ihn rekonstruieren müssen und nicht konservieren. Auch eine Konservierung der Ruine in ihrem Bestand am Anfang der Neunzigerjahre, hätte eine Nutzung des Gebäudes sehr stark eingeschränkt. Also musste dieser Flügel wieder her. Eine hochglanz Rekonstruktion des linken Flügels hätte die Konservierung der anderen Gebäudeteile in Frage gestellt.


    Wenn man immer wieder zu große Kontraste bemängelt, dann will man eine Rekonstruktion und sollte das dann auch so sagen. Wo ist denn in Chipperfields Ergänzungen der Große Kontrast zu finden? Eine Glasfuge zwischen Alt und Neu, wie es anderorts oft zu sehen ist? Seine Ergänzungen sind vierlmehr eine Rekonstruktion des Stülerbaus als Rohbau. Vieleicht mit zu großen undifferenzierten Wandflächen, farblichen Unterschieden, aber kein architektonischer Bruch mit dem Bestand. Wenn man das Bild noch weiter betrachtet fällt sogar auf, das er alle Gesimse in den farblich differenzierten Streifen seines Ziegelmauerwerks weiterführt hat und damit sogar eine Sockelzone andeutet wird. Wenn das als moderne Ergänzung noch zu modern ist, kann man sich ja noch das große Kranzgesims aus Sandstein, als verbindendes Element dazudenken. Viel weiter kann man mit einem Neubau, der als solcher zu erkennen sein sollte, wirklich nicht gehen. Es geht also nur wieder darum ein Gebäude zu rekonstruieren oder neu zu interpretieren und zu zitieren, beides mit allen Vor- und Nachteilen die dies mit sich bringen würde. Alles andere wären nur wieder halbe Sachen.
    In Fällen indem es nicht anders geht und nur im Originalbestand rekonstruiert Chipperfield auch hin und wieder etwas.
    OriginalScore ist da nicht ganz allein mit seiner Meinung!;)


    Wenn ich mir das zweite Bild betrachte kann ich das Problem mit dem Putz und der Farbe gut verstehen, aber es zeigt für mich ein Detail das unglaublich antik wirkt. In Italien geht die dortige Denkmalpflege genau so vor. Da sieht jedes Denkmal aus unseren Augen sanierungsbedürftig aus, ein "glänzender" neuer Farbanstrich ist dort verpönt.

  • Danke Backstein, hab ich ja ähnlich formuliert. Du warst beim Antworten etwas schneller!


    Ich kann alle Sichtweisen irgendwie verstehen, es geht ja darum den Wert des Gebäudes zu "rekonstruieren/konservieren". Ich kann aber nicht Verstehen warum Chipperfield an allem Schuld sein sollte. Er hat seine Aufgaben die ihm anvertraut wurden nur umgesetzt und das, so finde ich, sehr überzeugend für eben jene Sichtweise der Dinge. Wenn die Stiftung Preußischer Kulturbesitz oder der Bund gesagt hätte wir knüpfen an den ehem. Planungen der DDR an und rekonstruieren das Museum, was hätte Chipperfield daran ändern können?


    Bei Wikipedia wird auch der Entscheidungsprozess erläutert:


    Zusammen mit der Sicherungen des Baues 1986 begannen die Planungen zum Wiederaufbau des Neuen Museums. Die zahlreich entnommenen Bauteile – Säulen, Kapitelle, Gesimse, Böden, Wandbilder – sollten als Kopiervorlagen bei der geplanten weitgehenden Rekonstruktion des Gebäudes dienen. Auch die große Treppenhalle mit Kaulbachs Zyklus zur Geschichte der Menschheit sollte anhand der in der Nationalgalerie verwahrten Originalkartons originalgetreu wiederhergestellt werden. Die Wende 1989/1990 machte die Planungen aus DDR-Zeiten hinfällig. Der Wiederaufbau im Rahmen des Masterplan Museumsinsel folgt seither dem Konzept der ergänzenden Wiederherstellung. Dies beinhaltet die Schließung der Hof- und Außenfassaden des Baus über dem historischen Grundriss. Gliedernde Elemente der erhaltenen Fassaden sollen in den ergänzten Fassaden aufgenommen, Originalbefunde am Bau erhalten und die zahlreich entnommenen Bauteile wieder integriert werden. Die Ergänzungen müssen offen gezeigt und ablesbar sein.


    Dieses Konzept war bindend für den 1993 international ausgeschriebenen Architekturwettbewerb für den Wiederaufbau des Neuen Museums, der keine befriedigenden Resultate brachte. 1997 beauftragte die Stiftung Preußischer Kulturbesitz den Architekten David Chipperfield mit dem Wiederaufbau des Neuen Museums.


    Man sieht Chipperfield war bei dieser Herangehensweise noch die beste Alternative.


    Und Chipperfields Statement:

    Chipperfield sichert, repariert und vervollständigt die Ruine des Neuen Museums, das in seinen Worten einer enthistorisierenden Rekonstruktion ebenso entgehen [soll] wie einer romantisierenden Alt-Neu-Rhetorik oder der Monumentalisierung seiner Zerstörung.

  • Wenn man immer wieder zu große Kontraste bemängelt, dann will man eine Rekonstruktion und sollte das dann auch so sagen. Wo ist denn in Chipperfields Ergänzungen der Große Kontrast zu finden? Eine Glasfuge zwischen Alt und Neu, wie es anderorts oft zu sehen ist? Seine Ergänzungen sind vierlmehr eine Rekonstruktion des Stülerbaus als Rohbau. Vieleicht mit zu großen undifferenzierten Wandflächen, farblichen Unterschieden, aber kein architektonischer Bruch mit dem Bestand. Wenn man das Bild noch weiter betrachtet fällt sogar auf, das er alle Gesimse in den farblich differenzierten Streifen seines Ziegelmauerwerks weiterführt hat und damit sogar eine Sockelzone andeutet wird. Wenn das als moderne Ergänzung noch zu modern ist, kann man sich ja noch das große Kranzgesims aus Sandstein, als verbindendes Element dazudenken. Viel weiter kann man mit einem Neubau, der als solcher zu erkennen sein sollte, wirklich nicht gehen. Es geht also nur wieder darum ein Gebäude zu rekonstruieren oder neu zu interpretieren und zu zitieren, beides mit allen Vor- und Nachteilen die dies mit sich bringen würde. Alles andere wären nur wieder halbe Sachen.
    In Fällen indem es nicht anders geht und nur im Originalbestand rekonstruiert Chipperfield auch hin und wieder etwas.
    OriginalScore ist da nicht ganz allein mit seiner Meinung!;)


    Wenn ich mir das zweite Bild betrachte kann ich das Problem mit dem Putz und der Farbe gut verstehen, aber es zeigt für mich ein Detail das unglaublich antik wirkt. In Italien geht die dortige Denkmalpflege genau so vor. Da sieht jedes Denkmal aus unseren Augen sanierungsbedürftig aus, ein "glänzender" neuer Farbanstrich ist dort verpönt.


    Danke dafür. Ich war nur zu faul es genau so aufzuschreiben :) Ich denke auch, dass die neuen Teile des Gebäudes sich zum noch vorhandenen Altbestand unglaublich harmonisch verhalten. Ich kann mir auch kaum vorstellen, wie man den Nordflügel noch angepasster, hochwertiger und zurückhaltender hätte gestalten können. Alle Fensteröffnungen, Simslinien und sogar die Materialwahl hält sich an das symmetrische Pendant. Da wurde doch kein Fremdkörper reingeschossen, ich kann partout nicht verstehen wie man zu diesem Schluss kommen kann. Dann wäre ja die Pei-Pyramide vor dem Louvre noch viel mehr als ein Fremdkörper, schon eine extraterrestrische Anomalie jenseits aller Vorstellungskraft, wenn man diese Maßstäbe anlegt. Chipperfield hat sich mit seinen Kreationen so würdevoll und respektvoll Stüler gegenüber verhalten, wie es (mit der Maßgabe der Restauration und nicht Rekonstruktion) möglich war.


    Dass deutsche Denkmalpflege sich so gravierend von der italienischen unterscheidet, liegt meines Erachtens im Kern dara, dass es hierzulande eine starke Fraktion jener romantisierenden Menschen gibt, die "Das Historische" nicht als Prozess, sondern als Zustand begreifen. Sie definieren für ein Gebäude einen Zeitpunkt, an dem es original war und alles andere ist dann nicht zulässig. Schon beim Schloss türmen sich da solche Wiederspüche auf (ist denn Stülers historistische Kuppel original? oder überhaupt der barocke Teil?), nicht zu schweigen vom Berliner Dom (der aktuelle wurde an die Stelle eines (originalen?) Vorgängerbaus gesetzt). Es ist allso immer eine gewisse Willkür, was man denn als die historische oder die originale Situation ansieht. Kein Mensch käme auf die Idee, den Berliner Dom abzureißen und den Vorgänger zu rekonstruieren, obwohl das ja prinzipiell dasselbe wie mit Palast und Schloss wäre.
    In jedem Fall führt diese Sichtweise aber dazu, dass das historische als Prozess kaum Beachtung findet. Nur bei den antiken Bauwerken scheint es common sense zu sein, dass man die Akropolis (welch Schande, wie heruntergekommen sie aussieht) nicht schnieke aufmöbelt - ihr darf man die Jahre ansehen und den langen Prozess ihrer Geschichte erleben. Dass man dies offenbar bei allen Bauwerken jünger als tausend Jahre nicht darf, ist im Grunde absurd. Niemand verlangt, dass man nichts mehr rekonstruiert, doch wenn sich an einer einzelnen Stelle, an der es probiert wird, so ein entrüsteter Widerspruch entlädt, muss man eigentlich folgendes konstatieren: Entweder die "Historische Fraktion" gibt zu, dass es ihr nur um Ästhetik und nicht um Würdigung der geschichtlichen Bedeutung geht. Oder sie muss zugeben, dass ihr Bild von Geschichte extrem selektiv und zustandsorientiert ist. Beides ist (in diesem Extremfall) eigentlich keine gute Eigenwerbung, wobei mir ersteres noch deutlich sympathischer ist und für viele wohl der insgeheime Hauptgrund ist. Zweiteres finde ich bedenklich, gerade wenn man für sich reklamiert, beispielsweise die "Gesellschaft Historisches Berlin" zu sein und gleichzeitig aus der langen Geschichte des Bauwerkes nur den Urzustand akzeptabel zu finden.


    Long story short: Bravo Chipperfield :)


    Beste Grüße, Jan

  • Dass der PdR auch zur Historie gehört bestreitet doch niemand (Thema?), aber den will halt keiner (oder besser: fast keiner). Im Gegensatz zum Schloss. Das wollen viele. Die individuellen Gründe seien dabei dahingestellt.


    Die Umsetzung des Neuen Museums gefällt auch einem Großteil nicht.


    So banal kann der Sachverhalt sein.


    Findet sich eine Mehrheit für das Schloss; Gefällt einem Großteil das Resultat des Neuen Museums nicht:
    Führen die Kritiker ausscheifende ellenlange Erklärungen wie einfältig doch die "historische Fraktion" sei. Daraufhin muss sich diese mit ebenso ausschweifenden Debatten verteidigen. Warum eigentlich?


    Die Debatte geht aber immer wieder schön im Kreis herum..... Ich glaub das dauert auch noch bis sich das legt - wenn sich's legt...