Neues aus Berlin

  • Zitat von febbie

    Die moderne Architektur ist gescheitert. Menschen sehnen sich nach schönen Fassaden und stilvoller bzw. guter Architektur. aber das kann moderne Architektur nicht leisten(vl. noch nicht).


    Oho, so generell? Ist ja interessant - nur, wie kommst Du darauf?
    Ich weiß ja nicht, was Du alles als moderne Architektur bezeichnest, aber ich kann da genug "schöne Fassaden" und stilvolle und gute Architektur entdecken. Vielleicht kannst du auch Deine Idee eines neuen völlig neuen, alles vereinenden Architekturstils erklären, das wäre mal interessant. Merke: Längst nicht alles Vergangene und Alte, auch in der Architektur, ist gut. Vieles war einfach nur furchtbar (man denke nur an die Betonung der Fassaden unter Vernachlässigung der Wohnräume, die Repräsentationssucht der Herrscher und die kargen Behausungen der Bevölkerung - da sind ja Plattenbauten die reinste Wonne ;))

  • von welcher Zeit sprichst du denn jetzt ? also ich bin ja jetz wirklich kein experte aber so ab 1880 müsste das wohnen in der stadt doch recht ordentlich gewesen sein. abgesehn von den leuten die in kellerräumen, dachgeschossen oder betrieblich genutzten hinterhöfen gewohnt haben. ansonsten hat das wohnen für den bürger während der gründerjahre doch ein nie da gewesenes maß an komfort und stil gebracht, man denke nur an die vielen normalen wohnhäuser in denen es eine concierge gab. wo gibt es heute so was denn noch ausser bei absoluten luxus wohnungen ? und wenn ich mir anschau wie viele tausende berliner wohnhäuser auch in den innenräumen noch reiche stuckverzierungen oder schöne deckenmalereien haben kann ich mir einfach nicht vorstellen das das der reichen bevölkerungsschicht vorenthalten war

  • Zitat von stativision

    Odie Repräsentationssucht der Herrscher und die kargen Behausungen der Bevölkerung - da sind ja Plattenbauten die reinste Wonne ;))


    Das hat ja wohl rein gar nichts mit Ästhetik zu tun

  • Klar, im späten 19. Jh. fing's so langsam an. Aber auch da gab es noch genügend dunkle Berliner Hinterzimmer mit schlechtem Schnitt und vor allem in den Mietskasernengegenden war es einfach schlechte Wohnarchitektur ohne ausreichende Belüftung, wenig Licht und schlechter Bauqualität.
    In Charlottenburg zum Beispiel sah das Ganze natürlich anders aus und man muss auch scharf trennen zwischen Vorder- und Hinterhaus, von denen sich ersteres oft nur die Betuchteren leisten konnten.
    Aber selbst die repräsentativen Fassaden mit ihren Stuckelementen ergingen sich in billigeren Gegenden oft nur in Einheitsbrei und Langeweile (klar, das war in den 50er bis 70er Jahren noch schlimmer).
    Heute verziert man auch nicht mehr soviel, weil es relativ teuer wäre und ich für meinen Teil habe lieber ein Stück Wohnqualität mehr, als rekonstruierte Gründerzeit- oder Barockfassaden.


    Aber selbst davon abgesehen: Als ich eine Woche in Wien oder auch Gent und Brügge war und mir die ganze Zeit die renaissance- barocken und historistischen Gebäude angeschaut habe, war das zwar schön. Aber ich war auch heilfroh, als sich meine Augen in den modernen Bauvierteln Berlins wieder davon erholen konnten. Ich kann den Stilwechsel zur neuen Sachlichkeit schon ganz gut nachvollziehen und halte die Vielfalt der modernen Architektur (naturgemäß ist nicht alles gelungen) für eine Bereicherung einer jeden Stadt.


    @MartyMUC: Du hast etwas komisch zitiert, deswegen weiß ich nicht so genau, was Du meinst (wahrscheinlich die bessere Wohnqualität in Plattenbauten). Das hat nichts mit der Ästhetik des vorbeilaufenden zu tun, das stimmt natürlich.

  • also wenn man sich mal das Berlin von 1900 - 1940 anschaut, dann gab es natürlich Stadtviertel mit prächtigen Jugendstilhäuser und mit anderen wunderschönen Häusern aus anderen Epochen.


    Berlin war damals um die Jahrhundertwende die am dichten besiedelste Stadt der Welt. Wohnraum war knapp. So wurden vielerorts auch die allseits bekannten Mietskasernen gebaut die vor allem im Ostteil aber auch tlw. im Westeil der Stadt eine beträchtliche Fläche einnahmen.


    Diese Mietskasernen hatten zumeist eine Fassade so grau, wie viele Altbauten heute noch aussehen. Um diese Gebäude kümmerten sich die Vermieter meistens nicht. Es schimmelte in allen Ecken und die Farbe platze ab. Eine Flucht vor der Feuchtigkeit die sich überall im Mauerwerk breitmachte war nicht möglich.


    Jede Zeit hat seine Stärken und seine Schwächen. Und wie die Gebäude aus den Siebziger Jahren in 50 Jahre wirken, kein Mensch weiß es. Heute sind sie noch hässlich aber morgen werden sie vielleicht woanders kopiert weil man sie schön findet. Was heute noch in ist, ist morgen wieder out.


    Aber davon mal abgesehen gefällt mir persönlich der Jugendstil auch sehr gut.

  • Also, ich vergleiche Mal jetzt die 5 Plattenbauwohnungen (davon eine im Nicolai-Viertel) in denen ich drin war mit den im Hinterhof gelegenen 2-Zimmer-Gründerzeitwohnungen, die ich vermietet habe. Bis auf die Bäder (die aber auch in den Vorderhäusern nicht grad das Wahre waren, lag eben an der Zeit), konnte ich von der Qualität an sich keine großen Unterschiede Feststellen (OK, im Nico war die Wohnung natürlich um einiges größer). In Dunkelheit bzw. Helligkeit haben sie sich alle nicht groß unterschieden (hängt ja in beiden Fällen von der Tageszeit, der Ausrichtung und der Etage ab), aber in den Platten (wie in vielen Neubauten) habe ich immer das Gefühl, ich könnte mir den Kopf an der Lampe stoßen. Die Hinterhofwohnungen hatten, obwohl sie für das Proletariat waren, hohe teilw. mit Stuck versehene Decken, die den Raum größer machen und nicht die Atmosphäre eines Schuhkartons vermitteln.


    Und dass die Qualität der Häuser nicht die beste war, hat nichts mit der Fassadengestaltung zu tun, sondern mit der Sparsamkeit der Eigentümer, also absolut kein Argument gegen schlichte Erker, Säulen u.ä., wie bei den 2 der "3 Leipziger". Eigentümer in anderen Städten haben sich bestimmt nicht besser um ihre Häuser gekümmert, und dennoch stehen sie noch und sind bestimmt gefragter, als all diese unspektakulären (nicht prinzipiell alle) Neubauten...Und was hat das alles mit einer grauen Fassade zu tun? Die wäre in den 100 Jahren bestimmt Mal gestrichen worden, wie es ja z.Zt. überall der Fall ist.


    Es gibt eben üppige Monotonie, wenn man von Fassadenschmuck geradezu erschlage wird, und einfache Monotonie, wenn man beim Betrachten der Häuser beinah einschläft, weil sie alle die gleiche Glas- oder Sandsteinplattenfasse haben...Die erste ist mir dann doch lieber.

  • @b-a-t-o: In welchen Vierteln Berlins war denn der Jugendstil so verbreitet? Ich dachte bisher immer, der hätte es nicht wirklich (nur in einigen wenigen Beispielen) nach Berlin geschafft... Jugendstil gefällt mir, wenn gut gemacht, auch am Besten von allen Wohnhäuserarchitekturen.


    Ben: Will keine Wohnqualitätsdiskussion vom Zaun brechen, daher nur kurz: Viele Altbauwohnungen sind natürlich mittlerweile ansprechender gestaltet (durch Durchbrüche und Neueinbauten von Badezimmern, etc.), aber die hohen Decken sind immens schwer zu beheizen, die Kälte kriecht an allen Ecken (Türen und Fenster) hinein und in allen drei Altbauten, in denen ich bis jetzt gewohnt habe, gab es mindestens ein recht dunkles Zimmer und die Küchen sind immer recht klein. Und das waren schon "neuere" Altbauten von kurz nach der JH-Wende. Und es geht eben doch auch um Sparsamkeit, wenn auf Schmuck verzichtet wird, was ich auch gut verstehen kann.


    Ich finde Fassaden von Plattenbauten (würde ich auch nicht unbedingt als gutes Beispiel für moderne Architektur bezeichnen) übrigens niemals besser als monotone Gründerzeitfassaden - aber gute Beispiele von moderner Architektur sind imo alter Architektur in vielen Facetten überlegen. So zum Beispiel die, wenn wir schonmal bei Wohnhäusern sind, Sachen von H & I Baller in Berlin.

  • Zitat von b-a-t-o

    Die Berliner Zeitung beschäftigt sich in der heutigen Ausgabe


    Hab ein paar Bilder von den jetzigen Gebäuden, wobei man einschränken muss, das in der Zwischenzeit da zum S-Bahnviadukt hinlaufende Gebäude schon komplett weg ist.:



    Ich bin quasi die Geschwister Scholl str. zur Spree hingelaufen.


    snitch:


    Das steht hier sicher irgendwo. Aber die wurde abgerissen und wird nach alten Plänen wieder aufgebaut.

  • Zitat von Jo-King

    Hab ein paar Bilder von den jetzigen Gebäuden, wobei man einschränken muss, das in der Zwischenzeit da zum S-Bahnviadukt hinlaufende Gebäude schon komplett weg ist.:


    Was war das noch mal für eine Gebäude? War das ein Altbau? Warum musste der abgerissen werden?

  • Zitat von stativision

    Oho, so generell? Ist ja interessant - nur, wie kommst Du darauf?
    Ich weiß ja nicht, was Du alles als moderne Architektur bezeichnest, aber ich kann da genug "schöne Fassaden" und stilvolle und gute Architektur entdecken. Vielleicht kannst du auch Deine Idee eines neuen völlig neuen, alles vereinenden Architekturstils erklären, das wäre mal interessant. Merke: Längst nicht alles Vergangene und Alte, auch in der Architektur, ist gut. Vieles war einfach nur furchtbar (man denke nur an die Betonung der Fassaden unter Vernachlässigung der Wohnräume, die Repräsentationssucht der Herrscher und die kargen Behausungen der Bevölkerung - da sind ja Plattenbauten die reinste Wonne ;))


    achja? dann nenn mir doch mal konkrete Beispiele für stilvoll und gut gestalltete moderne Fassaden.

  • Zitat von b-a-t-o

    swissotel oder hotel concorde z.b., jetzt rein in berlin



    Ja aber irgendwie würd ich das nicht unter dem Stil Moderne Einordnen

  • Zitat von febbie

    achja? dann nenn mir doch mal konkrete Beispiele für stilvoll und gut gestalltete moderne Fassaden.



    Kein Problem, immer gerne wieder, in diesem Thread beschränke ich mich auf Berlin, kann aber gerne weiter ausdehnen:


    An erster Stelle was Fassade angeht steht natürlich das Bundespräsidialamt, vielleicht eine der schönsten Fassaden überhaupt. So schwarz schimmernd und glänzend... Hachja.


    Die Südfassade der BZ-Bank. Hinreißend wellig. Die britische Botschaft. Sicherlich streitbar, aber ich finde diesen Aufbruch und die darin enthaltene Pop-Art-Architektur toll. Das Familiengericht in Kreuzberg: Eine derart hochwertige Sandstein-Fassade mit diesem geometrischen Spiel aus Quadraten berührt mein Herz.
    Die zartblaue Außenhaut der nordischen Botschaften, die konvex gebogene Glasfassade des Bürohauses am Halensee, das Trias-Bürohaus und natürlich das farben- und formenfrohe Photonikzentrum II in Adlershof...

  • Zitat von snitch

    mal was anderes: weiss jemand was mit der Monbijou Fussgängerbrücke passiert ist ? die is nämlich weg.


    Dieses Provisorium wurde abgerissen und die alte Brücke rekonstruiert. Irgendwo muss es hier auch den Zeitungsartikel dazu geben. Musst du Mal suchen...;)



    So zum Beispiel die, wenn wir schonmal bei Wohnhäusern sind, Sachen von H & I Baller in Berlin.


    Ähhm...Das wären doch gleich...?


    Naja, das Bundespräsidialamt hat in seiner Bescheidenheit schon was edles und ist weiß Gott nicht hässlich. Aber es zeugt - bis auf die Form vielleicht - nicht grad von Kreativität und handwerklichem Könnnen, was ja Architektur, wie auch alle anderen Künste irgendwie ausstrahlen sollten...Dasselbe gilt für die beiden schwarzen Häuser aus der Friedrichstr., die in nitsches Link gezeigt sind, vom Mehring-/Belle-Alliance-Platz ganz zu schweigen...

  • @nitsche: Natürlich könnte man über alles streiten (auch über das Bundespräsidialamt, wer aber Geschmack beweist, wird das kaum tun ;) )


    Diese polemische und weitgehend hoffnungslos nostalgische Stadtbild-Berlin-Seite kenne ich, die Argumente und hohlen Phrasen, mit denen dort teilweise die moderne Architektur abgekanzelt werden, sind leider ziemlich daneben und vieles stimmt auch so nicht (zum Beispiel Adlon als einziger Antagonist gegen die Moderne). Natürlich haben sie mit einigem auch Recht, hinterfragen aber nie, warum das so gemacht wurde und wie es dazu kam.