Altes Regierungsviertel - südliche Wilhelmstraße und Voßstraße

  • @Bato: lass mich etwas ausholen. Zunächst der PdR. Die Umbauung des Schlosses, besonders die Lustgartenbebauung und die Linden oder die Breite Straße nahmen bei der Errichtung allesamt Bezug auf das Schloss. Der PdR hat nur ca. die Hälfte des Schlossgrundstücks eingenommen, was sich sehr negativ auf die Blickachsen ausgewirkt hat. Von der Breiten Straße sah man nun direkt die Säulen des alten Museums, den Linden fehlte ihr Endpunkt. Wäre der PdR auf der MEF-Seite erbaut worden, hätte er wesentlich mehr Überlebenschance gehabt. Sein kompromissloser Standort aus obsolet gewordenen politischen Gründen ist ihm also zum Verhängnis geworden. Um mal mein Beispiel aus dem Siegessäulen-Thread zu bemühen: der japanische Gouverneurspalast in Seoul wurde auf der Grundfläche eines Großteils des vormaligen koreanischen Kaiserpalastes gebaut (in Rekonstruktion). Vielleicht wäre er an anderem weniger prominenten Standort nicht abgerissen worden.


    Bei der tschechischen Botschaft ist es ähnlich. Zwar steht es keinem Gebäude, was wiederkommen soll, im Wege. Aber die Platzanlage Wilhelmplatz ist nachhaltig ihrer Symetrie beraubt (wenn man bescheinigt, dass der nördliche Wohnblock abgerissen werden dürfte). Ich würde nicht sagen, dass der Eindruck einer Platzanlage durch den Verlust ihrer historischen Umbauung unbedingt komplett verloren ist. Immerhin sind der Pariser Platz und der gänzlich vorkriegsbaulose Leipziger Platz auch wieder als überlieferte Anlagen erfahrbar, da man ihnen ihren barocken Grundriss wiedergab. Wenn die Häuser auch neu sind, man erkennt immerhin die historische Herkunft.


    Translozierungen oder Nachbau an anderer Stelle (Themenparks wie Hessenpark oder Glentleiten in Bayern) sind eigentlich überhaupt nicht meins, da dafür vor allem ländliche Ortsbilder charakteristischer Bauten beraubt werden, statt sie an Ort und Stelle zu belassen und zu reparieren. Ob so ein Park wirklich rettet oder eher einem Abtragen Vorschub leistet ist die Frage. Im Fall der tschechischen Botschaft würde ich es zugunsten eines m.E. höherwertigen älteren Stadtraums akzeptieren, da nicht der Standort und ein ortsbildprägender Charakter das besondere an der Botschaft ist - im Gegensatz zu uralten Scheunen, die man aus Dörfern wegoperiert.

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  • Soweit ich weiß bestand eine Motivation der Teilüberbauung des Wilhelmplatzes auch darin, dessen unselige Geschichte zu tilgen (einfach mal nach Wilhelmplatz/Kaiserhof/Hitler googeln); der Wilhelmplatz war in der Spätphase der Weimarer Republik quasi das Wohnzimmer der Nationalsozialisten, und insofern hat seine Überbauung durch ausgerechnet die Botschaft der Tschechoslowakei durchaus auch den Charakter eines stadträumlichen Exorzismus.
    Wer den Wilhelmplatz unbedingt wiederhaben will sollte auch diese Dimension bedenken.
    Ich würde diese Art von Überschreibung mit dem von Virenschutzprogrammen praktizierten Verschieben von Malware in den Quarantänestatus vergleichen.
    Ich denke, falls die Tschechen die Botschaft wirklich aufgeben ist eine Unterschutzstellung als Denkmal dringend angezeigt, und ich hoffe daß auch die Tschechische Republik selbst Interesse an einer würdigen Nachnutzung ihres ehemaligen Botschaftsbaus hat.
    Wie ich in diesem Strang schon vorher einmal geschrieben habe, kann ich mir darin sehr gut eine Nachnutzung als Mischung aus Kunstsammlung, Galerienstandort, Kreativwirtschaft, Hotel, Gastronomie und Club vorstellen.
    Es müßte sich halt ein Liebhaber finden der etwas in diesem Sinne draus macht, und es müßte zu machen sein, der Bau ist doch inzwischen international eine Ikone coolen Designs.

  • @Bato: lass mich etwas ausholen.


    Auch das zieht bei mir nicht. Beim Schloss und beim Pariser Platz kann ich die Ronstruktionsbemühungen nachvollziehen. Schloss schon hundert mal diskutiert. Pariser Platz mit dem Brandenburger Tor als prägendes Bezugsbauwerk und der Platz selbst als krönender Abschluss DER Berliner Prachtstraße.


    Aber beim Wilhelmplatz ist einfach nichts mehr vorhanden. Die ehem. Ritterschaftsdirektion ist das einzige Gebäude das Krieg und Nachkriegszeit überlebt hat. Ansonsten steht da nichts mehr was an die einstige Pracht dieses Platzes erinnert (außer den Schaukästen). Die Gegend hat sich komplett verändert. Insofern kann ich mich nur wiederholen. Mir ist ein reales Gebäude wie die tschech. Botschaft lieber, als die Wiederanlage eines Platzes, dessen einstige Pracht nicht mehr zurückzugewinnen ist.


    Davon mal ab. Das Gebäude und das Grundstück selbst auf dem die Botschaft steht stellt einen materiellen/immateriellen Wert da. Grob über den Daumen gepeilt vermute ich eine Range zwischen 15 - 30 Mio Euro. Der Abriss des Gebäudes kostet vermutlich auch nochmal 500k - 1m€. Es bräuchte schon einen edlen Spender oder die öffentliche Hand um die Wiederanlage des Wilhelmplatzes zu finanzieren (gilt für das ggü. liegende Grundstück auf dem der Plattenbaublock steht analog).

  • ^das Problem ist doch nicht nur, dass dieser Solitär einer eventuellen Wiederherstellung des Wilhelmplatzes im Wege steht - er blockiert nachhaltig die Entwicklung des gesamtes Areals. Mit der Bebauung entlang Leipziger und Voßstraße gerät auch die Wilhelmstraße wieder verstärkt in den Fokus städtebaulicher Korrekturen und Verdichtung. In meinen Augen steht das gesamte Karree zur Disposition, einschließlich die grässliche nordkoreanische Botschaft, die man mutwillig mitten auf die Mauerstraße gesetzt hat. Hier gäbe es durchaus die Chance mit einer ansprechenden Bebauung der Blockränder entlang der ursprünglichen Straßenverläufe auch die alten Plätze wieder herauszuarbeiten.

  • ^
    Wie geschrieben, in Bezug auf die tschech. Botschaft sehe ich das nicht so dramatisch und kann auf eine Wiederherstellung des Wilhelmplatzes verzichten. Davon ab halte ich das aufgrund der angesprochenen Grundstückproblematik für kaum realisierbar.
    Das Gelände mit der nordkor. Botschaft benötigt dagegen sehr dringend eine Veränderung. Daran schließt sich dann noch die Plattenbebauung an der Leipziger Ecke Mauerstraße an. Hier befürworte ich einen Abriss zugunsten von Neubauten die die alte Straßenflucht wieder herstellen.

  • Das Prinz-Carl(?)-Palais fka Propagandaministerium nka Ministerium für Arbeit usw. gibts auch noch. Sicher nicht mehr ganz so glamourös, wie einst, aber immerhin ein weiteres hist. Gebäude. Nur mal so nebenbei...


    Eine Bebauung des gesamten nordkor. Geländes würde mit freier Sicht gen Westen sicher attraktiver für welchen Bauherrn auch immer. Dann kann er alle drei Seiten profitabel nutzen, und muss die Westseite nicht nur für fensterlose Abstellkammern. Ne andere Botschaft oder Ministerium mit Flagge und natürlich einer ansprechenden gestalteten Fassade würde dem Platz sicher nicht seine ehemalige Schönheit zurück bringen, aber immerhin eine gewissen Repräsentativität.


    Aber jut, bisher liegt das alles noch in weiter Ferne...

  • An den Kommentaren kann man gut beobachten, dass mit dem Bau des Leipziger Platz Quartiers die Tschechische Botschaft verstärkt ins Blickfeld gerät. Manche fordern den Abriss des Botschaftsgebäudes. Andere fordern den Erhalt. Wie wäre es mit einem Kompromiss? Das Botschaftsgebäude abtragen und an anderer Stelle wieder aufbauen.


    Danke Architektur-Fan, ich habe auch schon ein Versetzen des Brutalistischen Zeitgenossen für sehr interessant gehalten, es kann ja auch neue Materialien und ein Erdgeschoss erhalten. Eine gute Möglichkeit wäre es den Wilhelmplatz wieder in alter Größe zu erschaffen und diesem unter anderem mit der tschechischen Botschaft zu flankieren, auch ist die Tatsache, dass der Platz eine interessante Freifläche neben diesem doch stark dimensionierten Bau schaffen würde. Denn das HGHI wird die Gegend stark beleben und jedweden Zweifel kann ich nicht nachvollziehen.

  • Bzgl. Gebäudeverschiebung: In Zürich wurde 2012 das 6.200 Tonnen schwere MFO-Gebäude um 60 Meter verschoben (siehe Link). Kostenpunkt ca. 6 Mio Euro.


    Ob nun ein Bauwerk mit einer Stahlbeton-Rahmenkonstruktion mal so eben verschoben werden kann wäre eine Frage an einen Fachmann.

  • Danke für den Link Bato, natürlich kann ich nicht beurteilen ob dieses Unterfangen überhaupt möglich ist, geschweige was das neue Platzieren kosten würde.


    Interessant und Bestandteil einer regen Diskussion dürfte die Option aber allemal sein, da dieses Gebäude ein gewisses Alleinstellungsmerkmal besitzt. Soll langfristig auf die Wiederherstellung des Wilhelmplatzes verzichtet werden oder wie soll mit der tschechischen Botschaft verfahren werden?!

  • Sofern man nicht unbedingt den Wilhelmplatz wiederhergestellt haben möchte, stellt sich die Botschaft städtebaulich doch eher unproblematisch (und für mich architektonisch definitv erhaltenswert) dar. Da das Gebäude außerdem weitgehend von Plattenbau-Plunder umzingelt ist (ganz besonders schick ist die Nordseite mit dem Ullrich-Vorbau, der den Charme des Leipziger Paunsdorf-Centers verströmt), wäre vordringlich erst einmal eine Neuordnung/Neugestaltung der Nord-, Ost- und am Besten Nordwestseite angesagt. Dann könnte man immer noch entscheiden, ob sich eine Platzanlage überhaupt lohnen würde.

  • Vorsicht mit dem Begriff "Plattenbauplunder" - der Thälmannpark aus der gleichen Zeit ist gerade unter Denkmalschutz gestellt worden!

  • Naja, wenn man mal ehrlich ist, ist und bleibt es "Plattenbauplunder", obwohl es der fleißigen Arbeit entsprechender Interessenkreise zu verdanken ist, dass uns diese DDR-Hinterlassenschaften ein paar Jahre länger als nötig erhalten bleiben könnten.

  • Nun ja, wenn man sich dann schlussendlich doch dafür entscheidet die Platte abzureissen könnte ich mir eine weitere Version von: "verdrehen und verschieben" (ähnlich der Ideen von Berliner Bürgerinitiativen) vorstellen.
    Man könnte die alte Tschechische Botschaft stehen lassen, ist wirklich ein einzigartiger Beitrag seiner Zeit, und den Wilhelm-Platz mal um 45° drehen. Ich denke die Platte an der Voßstrasse wird über kurz oder lang, keiner so wirklich vermissen.

  • Das Thema Neuanlage des Wilhelmplatz kann ad acta gelegt werden. Eine Verschiebung der Botschaft wird es allein aus wirtschaftlichen Gründen nicht geben und so kulturhistorisch ist die Botschaft auch nicht. Bei einem Abriß hat der Eigentümer das Recht einen Baukörper gleichen Ausmaßes wieder dort hinzustellen. Das kann man ihm nicht versagen. Der Senat müsste also das Grundstück kaufen, die Abrißkosten tragen und es anschließend freilassen, gestalten und pflegen.


    All das ist viel zu teuer und IMHO auch überhaupt nicht notwendig. Ich sehe dort gar keinen entsprechenden Handlungsbedarf.

  • Es wäre zuminestens unfreiwillig komisch, wenn man die Mohrenstrasse nach einem, nun ja, Mohren benennt. Das der Begriff 'Mohr' rassistisch gemeint ist, glaubt auch nur jemand, dessen Bildungshorizont kurz hinter dem eigenen Nasenloch aufhört.

  • Da der "Neger" aus der Kolonialzeit stammt und der ältere "Mohr" jetzt auch nicht mehr gehen soll müsste man - wenn schon - die heute politisch korrekte Bezeichnung "Schwarzer" einsetzen. Eine "Schwarzer-Straße" wäre aber wahrscheinlich mißverständlich...


    Hier noch einmal die Erklärung zur Mohrenstraße und zur Etymologie des Mohren:


    Nach den hier einquartierten "Mohren", die Friedrich Wilhelm I. aus den Niederlanden als Geschenk bekommen hatte und zu Militärmusikern ausbilden ließ.


    Mohr, von "Maure", Bewohner Mauretaniens, mohammedanischer Einwohner Nordafrikas. Die Straße hat ihren Namen von den hier einquartierten "Mohren", die Friedrich Wilhelm I. aus den Niederlanden als Geschenk bekommen hatte und zu Militärmusikern für seine Regimenter ausbilden ließ.


    Die Straße entstand um 1700 bei der Anlage der Friedrichstadt. Sie wurde als Querstraße zur Friedrichstraße zwischen der Mauerstraße und dem ehemaligen Festungsgraben vor dem Hausvogteiplatz angelegt.


    (C) luise-berlin

  • Eigentlich tun diese Demonstranten nichts weiter, als dem üblichen Mainstream zu folgen, verübten Verbrechen zu gedenken und sich dabei moralisch besser zu fühlen. Rückwirkend wären alle Helden...


    Wenn man der Meinung ist, der Kolonialismus hätte in Deutschland kein würdiges Mahnmal (was wohl stimmt), dann sollte man aber auch sachlich bleiben und nicht (wie leider so häufig) gutmenschelnd vermengen!


    Deutschland hatte seine Kolonien ab 1884, die letzte (Deutsch-Ost > Lettow-Vorbeck) fiel 1918. Die Mohrenstraße hieß wie bereits geschrieben wurde schon zu Zeiten der Kurfürsten (vor 1701) so, hat also mit dem Imperialismus der Kaiserzeit nichts zu tun.


    Brandenburg hatte für wenige Jahre eine winzige Kolonie in Afrika, Groß Friedrichsburg. Dort wurde mit Sicherheit mit Sklaven gehandelt. Ob der Name der Straße mit dieser Kolonie in Verbindung zu bringen ist, wäre zu prüfen und der einzige vernünftige Grund, zu demonstrieren. Wenn man es ernst nähme.


    Das böse Kaiserreich samt Kaiser Wilhelm muss also draußen bleiben - und was hat bitte der gute Mandela eigentlich mit all dem zu tun?? Nur weil er schwarz ist? Rassisten! ;)


    "Mohr" ist nun wirklich in etwa so aktuell und mies rassistisch wie "Welscher", "Krimtartar" oder "Hunne"...:)

  • Einmal mehr erhebt der vermeintlich politische korrekte Geschichtsrevisionismus sein hässliches Haupt. Es war schon immer sehr beliebt, historisch unbequeme Namen lieber aus dem Gedächtnis zu tilgen und durch eigene politische Duftmarken zu ersetzen, als sich ernsthaft inhaltlich damit zu beschäftigen. In Berlin hat es geradezu Tradition. In jüngerer Zeit haben sich da besonders die Kreuzberger Grünen durch sinnfreien und wenig demokratischen Aktionismus hervorgetan - etwa am Gröbenufer, Kochstraße oder Gabelsberger Straße... ich sehe schwarz für die Mohrenstraße :D.