Kulturforum

  • Die Mopo hat einen Artikel, eine Gegenüberstellung zweier Sichtweisen auf den Entwurf von HdeM zum Neubau der Nationalgalerie für die Kunst des 20. Jahrhunderts. Regula Lüscher und Stefan Braunfels geben ihren Senf ab. Link


    Sie sind beide sehr von sich überzeugt. Ich hätte mir eher ein "sowohl als auch"-reflektieren gewünscht, ein Abwägen. Aber nicht mit diesen beiden, besonders mit Hr. Braunfels nicht.


    Hr. Braunfels haut rhetorisch auf den Tisch, spricht von "Low-Cost"-Gartenschau-Messehalle und Super-Gau, während Fr. Lüscher umschreibt und indirekt ihre Sichtweise darlegt. Sie ist insgesamt sehr angetan von HdeMs Entwurf.


    Aber doch auch kleine inhaltlich kritische Aussage ist bei ihr zu finden, die ich bemerkenswert finde, da sich hier die Richtung der Überarbeitung des Entwurfes andeutet: Fr. Lüscher ist der Meinung, das Gebäude der Herren HdeM müsse etwas von der Kirche abrücken. Und hofft auf eine Aktivierung der Piazetta vor der Gemäldegalerie.


    Braunfels denkt an Shopping Malls und hält Berliner Stadtpolitiker für unbedarft und von allen guten Geistern verlassen. Und er bleibt bei seinen Vorstellungen, die die Potsdamer Straße als Ursache des Übels identifiziert. Dass dies nicht zur Diskussion stand macht für ihn das Wettbewerbsverfahren merkwürdig.
    Die Kunst-Scheune ist für ihn die schlechteste aller Lösungen, in seiner Argumentation ist er wirklich nicht kleinlich mit dem Absoluten. Die Jury habe es auch geschafft die 10 schlechtesten Entwürfe zu prämieren.
    (Ich persönlich erinnere mich an seinen Stapelentwurf, der früh und meiner Meinung nach zurecht im Wettbewerb gescheitert ist.)

  • ^ Danke für den Hinweis, das ist doch mal eine interssante und amüsante Sonntagslektüre :)


    Das Ganze erinnert mich ein bisschen an Schulzeiten:


    Da haben wir Herrn Braunfels, den Revoluzzer, der sich an den Autoritäten abarbeit, aber im Kern dann eben doch nicht ganz Unrecht hat, nur mit der Tonlage etwas schrill daherkommt. Aber hey, er ist kein Politiker, wieso sollte er also so schreiben wie einer? Er polarisiert, polemisiert und übertreibt dabei, na und? Wir wollen doch alle immer den Dialog und wenn der dann kontrovers ist und das auch argumenatativ sichtbar wir, umso besser. Ich denke, man sollte sich mit seinen Argumenten auseinandersetzen und nicht mit der Art des Vortrages. Denn er legt den Finger in die richtige Wunde und thematisiert den fehlenden städtebaulichen Wettbewerb, die Nichtbeachtung der Potsdamer Straße und auch die Performance der Preisgerichtes. Ich denke auch, dass es sich darüber zu disktutieren lohnt.


    Ganz anders die liebe Frau Lüscher, die Einser-Schülerin, bzw Streberin, die ganz genau weiß, wie es läuft, die Autoritäten durchschaut hat und sie bedient. Ihr Text ist ein schöner Schulaufsatz, der strukturiert und argumentativ beginnt, völlig klar und nachvollziehbar, sachlich und fachsprachlich. Leider blendet sie bei ihrer Bestandsanalyse völlig die Potsdamer Straße und auch die unbefriedigenden Lage an der Piazetta aus. Nicht dass sie das nicht im Auge hätte, aber die fleißige Schülerin hat aufgepasst und weiß, in Erörterungen sollten man potentiellen Gegenargumenten kein Gewicht beimessen bzw. in anderen Zusammenhängen neutralisieren (macht sie dann ja auch wunderbar). Wer jetzt erwartet, dass der HdM Entwurf sachlich und argumentativ in diesen, wenn auch verengten, Rahmen eingeordnet wird, der wird enttäuscht. Frau Lüscher hebt jetzt nämlich ab in die Sphären der Architekten-Lyrik und liefert eine weitere ihrer Berliner Elegien und präsentiert ein M20 mit wahrhaft wundervollsten Eigenschaften, Argumente werden jetzt nicht mehr gebraucht, das würde die Begeisterung nur stören, Visionen sind jetzt gefragt, Deutungen, Interpretationen, Erwartungen, nein, das wäre zuwenig, Heilserwartungen und so bekommt der Entwurf geradezu übersinnliche, esoterische Qualitäten, die uns Frau Lüscher, die Einser-Schülerin, am Höhepunkt des Hymnus dann in einem Parallelismus mit anthitetischen Paradoxien (3 rhetorische Stilmittel in einem, 15 Punkte) "Laut und leise, zugleich bescheiden und selbstbewusst" anpreist. Achja, fast hätte ich vergessen, dass wir erfahren, dass dieses Haus natürlich auch "demokratisch" ist und "sich jedem und jeder erklären will", damit ist dann auch der Politiklehrer begeistert ....

  • ^^ Frau Lüscher meint, man brauche an dieser Stelle einen "Solitär mit klar identifizierbarer Nutzung", welcher dadurch einen "starken Charakter" hätte, doch beide Eigenschaften kann man dem HdM-Entwurf nicht abnehmen. Es ist wie Braunfels sagt - eine überdimensionierte Scheune, bei der man zuerst an eine besonders billige Messehalle denkt.
    Jemand versuchte hier kürzlich zu behaupten, der Entwurf sei den Kritikern nicht konservativ genung, doch tatsächlich fehlt ihm am Charakter, am Wiedererkennbaren - er ist zu 08/15-gewöhnlich.


    Dass das Leben besser im Außenbereich stattfinden soll, kann man Braunfels zustimmen. Das ist etwa bei der Londoner Tate-Modern-Erweiterung (ebenfalls HdM) besser gelungen - während vor dem Altbau, an der Themse, seit Jahren Leben tobt, neben dem Neubau gibt es einen Platz mit Sitzbänken und Gastro-Außentischen (s. #206) - man beschränkt den Betrieb nicht bloß auf Innenräume wie in Berlin. Leben tobt auch auf dem Vorplatz des Pariser Centre Georges-Pompidou. Das Madrider Museo Reina Sofía - der Altbau wurde um innovativen, interessanten Flügel ergänzt - auf dem Vorplatz tobt das Leben genauso wie im halböffentlichen Innenhof des Neubaus.


    Die Zeitung verlinkt ein Foto mit manchen der (undeutlich sichtbaren) 460 Wettbewerb-Modelle - einige gehen durchaus in die Vertikale.

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  • Leben tobt auch auf der sechsspurigen Bundesstraße davor. Äpfel und Birnen, weisste selbst.


    Es gibt dort bereits jetzt gleich diverse hochkarätige Kulturstätten die prinzipiell viel Publikum anziehen und reichlichst freien, unbebauten Platz. Aber dieser ist "tot". Mehr Freifläche hätte vielleicht in der Visu gut ausgesehen, geht aber ebenso an der Realität des Ortes vorbei wie dessen geschlossene Fassade zur Bundesstraße zu kritisieren. Es gibt vom Bürger keine "Nachfrage" nach Freiluft neben der Bundesstraße. Diese wird schnellstmöglich auf dem Weg in die Gebäude gequert, auch nach zig Umgestaltungen.


    Auf der Museumsinsel wäre diese Kritik angebracht, nicht an diesem Standort. Braunfels hat sich zudem wie schon Scharoun und Mies nicht weiter um die Kirche gekümmert, da ist selbst Lüscher mit ihrer Aufmerksamkeit für die Kirche mal ausnahmsweise offener für Kontext mit historischer Bebauung. Das Fehlen von wahrhaft 0815 Museumsarchitektur (Glasfassade, Flachdach, Sichtbetonelemente,...das übliche) zu kritisieren und HdM die Form zum Vorwurf zu machen geht überhaupt nur, wenn man die Kirche komplett ignoriert und ihr einen Fremkörper an die Seite stellen will. Für Kritiker, für die das Kulturforum nur aus Mies und Scharoun besteht ist natürlich auch nicht klar, was sich sonst aufdrängt, dass man Mittler zwischen Nachkriegsmoderne und Kirche sein will. HdM haben sogar explizit darauf hingewiesen, dass Material und Farbe der Kirche aufgenommen werden.

  • Pumpernickel, vermutlich findest du den Anblick von schlankem, zierlichem Kirchturm und breitem, schwer wirkendem Satteldach von der Potsdamer Straße aus nicht mal widersprüchlich. Ich finde, es beißt sich ganz extrem; die Verwendung von Backstein macht es jetzt nicht wirklich besser.


    Ich bleibe dabei. Man hätte höher bauen sollen. Die Ikonen Nationalgalerie, Philharmonie und Kammermusiksaal sowie Staatsbibliothek bleiben von der Potsdamer aus weiterhin sichtbar.

  • Wir sind von einer Realisierung dieses Entwurfes noch weit entfernt - da können Jurys soviel Preisgerichtssitzungsprotokolle zutexten wie sie wollen - das interessiert ex post niemanden mehr (siehe Reichstag).


    Ich glaube, dass kein Bundestagsabgeordneter, der nicht medikamentenabhängig ist (um einen bekannten Sprecherkollegen zu zitieren) bei einem Etat von 200 Millionen Euro HdM beauftragen wird. Dazu sind die Erfahrungen mit diesem Büro viel zu eindeutig. Im Gegensatz zur Jury besteht der Haushaltsausschuß des Bundestages auch nicht aus sovielen Schweizern.

  • Leben tobt auch auf der sechsspurigen Bundesstraße davor.


    Blechlavinen als urbanes 'Leben' zu bezeichnen ist wirklich absurd. Etwas Freifläche (gerne mit Außengastronomie wie im Londoner Beispiel - dort ist übrigens keine breite Straße in der Nähe, dafür eine Bahnlinie wenige Straßenblocks entfernt - auf dem ersten Foto unter #4 sieht man in der Bildmitte einen Bahnhof auf einer Themse-Brücke) hätte man auf der von der mehrspurigen Straße abgeschirmten Seite planen können, also neben der Kirche eben. Das Madrider Museo Reina Sofía steht an einer noch stärker befahrenen Straße gegenüber des Bahnhofs Atocha - der Innenhof des Neubaus ist von dieser nur durch einen Museumstrakt abgeschirmt, der belebte Platz - durch einen schmalen Straßenblock.
    Man müsste nur dafür sorgen, dass trotz des Freiraums die Ostseite des Matthäikirchplatzes diesen Platz klar begrenzt und definiert - Möglichkeiten dafür gäbe es viele. Das Ergebnis wäre von Außen betrachtet bestimmt komplexer und interessanter als diese Mega-Scheune.


    Wie schon mal geschrieben - der Geltung der Kirche käme auch zugute, würde man neben ihr niedriger, weiter von ihr (an der Straßenecke) etwas höher bauen. Wie rallekoffskaja etwas später schrieb - Fassadenmaterial ist noch nicht alles.

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  • Danke, Carlo, für den Link auf den FAZ-Artikel. Der Schnitt zeigt, wie nah HdM ihren Bau an die Matthäuskirche heranrücken. Selbst, wenn das optisch gutgeht, und die Argumente von Pumpernickel will ich nicht von der Hand weisen, besteht an der Ostseite der Kirche nach meinem Eindruck mit der schmalen Gasse die Gefahr einer Hinterhofsituation. Sollte jemals die verkorkste Westseite an der Gemäldegalerie baulich neu gefasst werden, müsste man eigentlich, um die in diesem Fall gebotene Symetrie zu wahren, dort genauso nah an die Kirche heranrücken, womit sie dann völlig eingezwängt wäre. Natürlich ist der jetzige Zustand der Freistellung alles andere als optimal, aber mit der Entscheidung für HdM sehe ich keine Chance mehr, die Matthäuskirche in einen wie immer auch gestalteten "Block" bzw. Platz mit klar gefassten Kanten einzubinden - jetzt wird ihre Stellung als beziehungsloser Solitär dauerhaft festgeschrieben. Damit bleibt das Kulturforum an dieser Stelle eine Ansammlung von isolierten Baukörpern - das Gegenteil eines Stadtraums und im Grunde genommen die Fortschreibung des (gescheiterten) Scharounschen Konzepts.

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  • Gut, wenn man am liebsten den Vor-"Vorkriegszustand" als bebautetes Blockrandquartier wieder haben möchte ist der HdM-Entwurf natürlich der naheliegendste der Finalisten.


    Anlässlich der nationalsozialistischen Germaniaplanungen wurde in diesem Bereich eh schon stark abgerissen und eingeebnet. Etwas östlich wurde bereits das Haus des Fremdenverkehrs am neuen Runden Platz errichtet. Zusätzlich durch Bombardements war von dem ursprünglichen Quartier kaum etwas übrig. Grade als Gegensatz zu den gigantischen, protzhaften Germaniaplänen für diesen Bereich wurde in der Nachkriegszeit der Raum dort dünn bebaut, eben durch einzelne Solitäre mit viel Freiraum dazwischen.


    Dort wo die geplante Soldatenhalle stehen sollte, zu Bauen als "Weihestätte der Helden", darunten eine "geheiligte Krypta", steht nun die Philharmonie. Die Staatsbibliothek steht im Grunde auf dem runden Platz. Sämtlichen anderen Gebäude des Kulturforums dort, wo das neue OKH (Oberkomando des Heeres) hätte entstehen sollen. Die Mätthäikirche hätte nach Spandau versetzt werden sollen.


    Gewisserweise war der heutige Bereich des Kulturforums also geplant als ein Zentrum des Krieges, des Opfertodes, als Ort der rassischen Überlegenheit, der Vorbereitung der Jugend auf den Heldentod, um nicht zu sagen, als eine Zentrale der Barbarei. Stattdessen ist nun dort ein Ort der Kultur entstanden.
    Eine mehrfache Rolle rückwärts in die Vorvorkriegsbebauung ist mehr als unangebracht an diesem Ort, ja geradezu geschichtsvergessen.



    Und gern auch zum wiederholten Male, der Bau schirmt die sechsspurige Bundesstraße ab, indem er ihr eine Flanke zeigt und eine Raumkante erzeugt.


    Das Problem diesbezüglich ist doch nicht eine fehlende Raumkante, sondern diese überbreite Bundesstraße. In den ursprünglichen Kulturforumsplanungen wäre die Straße als Westtangente hinter der Staatsbibliothek verlaufen, deswegen auch deren "kalte Schulter" gen Osten. Durch den HdM Entwurf wird die durch die B1 erzeugte Unterteilung des Kulturforums zementiert, die Staatsbibliothek dauerhaft abgetrennt. Sinnvoller wäre es doch, die Bundesstraße zu verschmälern (diesen 12m-Mittelstreifen braucht kein Mensch) und die Staatsbibliothek besser an den Rest des Kulturforums heranzuführen.


    In 20 Jahren, meinetwegen auch erst in 30, wird es kaum noch Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren geben, der Straßenlärm wird erheblich zurückgehen. Eine auf je 2 Spuren verjüngte B1 wird kaum noch die trennende Wirkung wie heutzutage haben. Überspannt man diese mit eine Fußgänger-Radfahrererbrücke, so könnte man aus dem kompletten Areal eine Parklandschaft mit kleineren Plätzen gestallten. Da es sich ja um das Kulturforum handelt, hervorragend geeignet als ein großer Skulpturenpark.



    PS: hier mal eine Übersicht der Germaniaplanung für diesen Bereich http://stadtentwicklung.berlin…936_mit_speer_650x426.jpg

  • Es wird immer wieder darauf verwiesen, dass der M20-Entwurf von HdM zwischen den Bauten am Kulturforum mittele, aber ich habe irgendwie nicht den Eindruck, dass das zutrifft. Mag sein, dass die Fassade aus Backstein und Glaselementen formal einen Bezug zwischen den Fassaden der Nationalgalerie und der Matthäikriche herstellt, doch rein subjektiv habe ich eher den Eindruck, dass das Gebäude wie ein gigantischer Fremdkörper in der Gegend steht. Dazu trägt nicht zuletzt bei, dass der Bau direkt an die Potsdamer Straße heranrückt (die Wirkung hiervon wird meiner Meinung nach erheblich unterschätzt)... das erzeugt eine weitere Dissonanz zu den Gebäuden der Philharmonie und der Nationalgalerie, welche im Gegensatz dazu von der Potsdamer Straße weiter zurückgezogen sind und jeweils eine "Zugangssituation" schaffen. Es mag sinnvoll sein, die Nutzfläche so zu maximieren, städtebaulich ist das aber wenig gelungen, weil dadurch der Kontrast des Gebäudes zur Umgebung noch verstärkt wird.


    Ich denke nicht, dass dieser Entwurf das Problem der mangelnden Aufenthaltsqualität am Kulturforum "löst"... wenn überhaupt, dann verringert es das, und zwar auf die brachialste Weise überhaupt: In dem es die offene Fläche, in der man sich aufhalten kann, auf ein Minimum reduziert. Bitte nicht falsch verstehen: Ich halte es für vollkommen richtig, das Kulturforum zu bebauen, um diesem Problem beizukommen, aber ich denke, dieser Entwurf ist hierfür nicht angemessen. Es schafft kein harmonierendes Ensemble von Gebäuden, zwischen denen man sich gerne aufhalten möchte und ist schon von seiner autistischen Konzeption so angelegt, lebenswerten Stadtraum im Inneren zu schaffen, aber nicht im Äußeren... wo das doch gerade an dieser Stelle so wichtig ist. Dabei ist der Entwurf isoliert betrachtet keinswegs schlecht; er hat durchaus ästhetische Qualitäten (obwohl er zugegenermaßen weniger meinen Geschmack trifft) und ist von der Konzeption interessant. Aber es ist eben kein passender Entwurf für das Kulturforum.

  • HdM haben sich nicht alleine ausgedacht, dass man diesen Bereich und insb. die Kirche fassen muss, indem man möglichst viel Wüstung bebaut.


    "Indem man möglichst viel Wüstung bebaut" ist zum Glück noch von niemandem als Mittel zur Realisierung der Planungsziele genannt worden. Ich gebe Dir aber zu, dass man es beim Blick auf den HdM-Entwurf könnte fast meinen könnte ... . ;)


    Die Kirche war auch nicht als Solitär entworfen, sondern als Teil eines städtischen Blockrandquartiers, also gerade darauf angelegt, von Blockbebauung umgeben zu sein, die keinesfalls niedriger war, als es M20 werden wird.


    Der (nicht mehr wiederherstellbare) Vorkriegszustand des Tiergartenviertels ist mir bekannt. Wie Du daraus ein Argument für das völlig andersartige HdM-Gebäude herleitest, bleibt Dein Geheimnis.

  • Wieso sollte denn der Vorkriegszustand des Tiergartenviertels nicht in weiten Teilen zumindest wiederherstellbar sein, vor allem rund um die Kirche?

  • ^ Äh, weil man dafür die Neue Nationalgalerie, die Philharmonie, das Kunstgewerbemuseum, das Kupferstichkabinett, die Gemäldegalerie und die Staatsbibliothek abreißen müsste? Aber bitte, tu' Dir keinen Zwang an.

  • gut was an der stabi so toll sein soll ist mir eh rätselhaft... das einzige argument ist die ensemblewirkung... ansonsten kann das ding wie auch das ibero amerikanische institut weg, dann könnte man die ganze gegend endlich mal zumindest von süden aus betrachtet rechtsseitig neu planen...

  • ^ Es steht Dir frei, die Stabi nicht zu mögen, aber diese Mag-ich-nicht-kann-weg-Haltung selbst stilprägenden Gebäuden von internationaler Ausstrahlung gegenüber, finde ich fatal. Das zeugt von einem ziemlich egozentrischen Architekturverständnis.

  • gut was an der stabi so toll sein soll ist mir eh rätselhaft... das einzige argument ist die ensemblewirkung... ansonsten kann das ding wie auch das ibero amerikanische institut weg, dann könnte man die ganze gegend endlich mal zumindest von süden aus betrachtet rechtsseitig neu planen...


    In die Stabi muss man hineingehen und den Innenraum erleben, um sie schätzen zu können.

  • hmm... erstens finde ich die stabi nicht sonderlich funktional, außer sie wurde seit meinen studentenzeiten umgebaut, was ich nicht weiß...
    dass du dieses gebäude der späten 70er mit seinem eingang/vorbau der mich immer nur an ein baumarkt depot erinnert, und dieses wuchtige unförmige etwas was sich darüber in gelber farbe in unelegantester weise in die breite streckt derart hochlobst kann ich halt wieder nicht nachvollziehen.
    ich bleibe dabei, würde es dank der äußeren gestaltung nicht eine art ensemble bilden und nicht von dem verirrten stadtplaner scharoun stammen würde kein hahn danach krähen...

  • Scharoun war ein fürchterlicher Stadtplaner, aber ein großartiger Architekt.


    Die Architektur der Stabi basierte auf der weiteren Stadtplanung, wonach hinter der Stabi eine Stadtautobahn verlaufen sollte (aus Schöneberg kommend Richtung Tiergartentunnel, der auch damals schon geplant war). Der Bau sollte als Lärmwand fungieren. Die Autobahn ist (Gott sei Dank!) nie realisiert worden. Das kann man aber nicht Scharoun vorwerfen.


    Die Räume in der Stabi sind großartig. Was stört Dich da an der Funktionalität? Oder meinst Du das Personal, das zumindest zu meiner Zeit oft nicht so "funktional" war (keine Ahnung, wie es jetzt ist)? Diskussionswürdig ist nur, daß der älteste und schutzbedürftigste Teil der Bestände aus der Scharoun-Stabi zur UdL-Stabi abgezogen wurde, obwohl die Scharoun-Stabi genau in Hinblick auf diese Bestände mit allen technischen Finessen gebaut wurde. Aber das ist OT...

  • Jeder Planer muss die Gegebenheiten nehmen wie sie sind. Zu den Gegebenheiten gehört halt nicht nur die Sammlung der Nachkriegssolitäre sondern auch der Solitär der Kirche. Man muss sich dazu irgendwie "verhalten". Die Taktik der letzten Jahrzehnte, die Kirche schlicht zu ignorieren, hat evident einen der verkorkstesten Freiräume ganz Berlins geschaffen. Wenn eine Anlehnung an Vorkriegsbebauung heißt, der Kirche eine Fassung und "Enge" zurückgeben zu müssen, zumindest teilweise, dann ist das in der Tat ein bischen Wiederherstellung des Vorkriegszustands. Es gibt ja nicht nur die zwei Extreme einer historisierenden Rekonstruktion Vs. Scharoun.


    HdM versuchen da eine Annäherung und wie das in situ und im Alltag wirkt ist sicherlich noch nicht ausgemacht. Ich bin da optimistisch, andere pessimistisch. Man wird sehen.


    Mir ist ehrlich gesagt inzwischen wichtiger, dass wir realisieren, was hier in Berlin in Zukunft für ein Zentrum der Moderne des 20. Jahrhunderts entstehen wird. Diese (aus kuratorischer Sicht) Erweiterung der Neuen Nationalgalerie wird ganz neue Besucherströme in das Quartier bringen und, da bin ich mir relativ sicher, langfristig auch dazu zwingen die Bundesstraße mittendurch nochmal zu überdenken. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man dauerhaft eine mehrspurige Bundesstraße an der Gebäudekante der deutschen Tate Modern akzeptieren wird. Selbst eine "Kompromisslösung", wie zB ein "Deckel", der die Bundesstraße für 500 m unter die Erde verlegt und an der Oberfläche eine durchgehende Gestaltung und Nutzung des Kulturforums ermöglicht, wäre ein Quantensprung im Vergleich zum Ist-Zustand. Und dann wird der Bau von HdM in der dann möglichen Weite - auf dem Bundesstraßendeckel, auf dem Scharounplatz sowie die bisherigen Freiflächen vor Mies und Scharouns Bauten - fast schon wieder untergehen.


    Zwischen der Stabi und dem 20M wird eine Luftlinie von ca. 100 liegen. Beide liegen sich dann gegenüber und müssen korrespondieren. Wer das 20M schon als massiv und breit bezeichnet, was ist dann bitteschön die Stabi? Das muss ja auch in irgend einem Verhältnis zueinander stehen. Und dann wird die von mir skizzierte Mittlerfunktion durch das 20M sogar noch erweitert, zwischen der dann fast schon filigran-zerbrechlichen Kirche, deren Materialität und Formen das 20M teilweise aufnimmt, einerseits sowie der monolithischen Stabi andererseits. Wenn die Größenverhältnisse in einem zu großen Mißverhältnis stehen und auch keine stufenhaften Übergänge/Mittler vorhanden wären, dann wäre das Kulturforum dauerhaft verkorkst, selbst wenn man die Bundesstraße irgendwann mal wegbekommt. Oder will man das 20M dann etwa wieder abreißen...


    Autistische Spezialisten hat das Kulturforum wahrlich reichlich. Das 20M wird der eine Mittler zwischen ihnen sein. Wenn man das Kulturforum als "Rondell" betrachtet, bestehend aus Kirche, Gemäldegalerie, Philharmonie, Stabi und Neue Nationalgalerie, dann wird das 20M grob in der Mitte stehen. Mitte, Mittler, ... es drängt sich auf. Das 20M von HdM ist eine "eierlegende Wollmilchsau" und naturgemäß wird es damit von allen Seiten kritisiert, da es kein "Spezialbau" ist, der in einem Teilaspekt besonders hervorsticht. Und genau das brauchte der Ort halt einfach. Einen Mittler, keinen weiteren Solitär.


  • Wer das 20M schon als massiv und breit bezeichnet, was ist dann bitteschön die Stabi?


    In den Tat ist die Baumasse der Stabi erheblich größer als die des M20. Die reine Baumasse ist aber nicht alleine entscheindend für die Wirkung.
    Denn die Gestalltung der Stabi ist sehr vielfälltig, diverse Formen und Körper sind miteinander verbunden. M20 ist hingegen ein Klotz.
    Im Gegensatz zum M20 steht die Stabi auch nicht an der Boardsteinkante, sondern 40-50m nach hinten versetzt. Dadurch wird ihre Dominanz deutlich reduziert.
    Zudem die Lage: Die Stabi am Rande des Kulturforums, M20 in der Mitte, einer an sich schon dominierenderen Stelle.



    [..] Solitär der Kirche. Man muss sich dazu irgendwie "verhalten". Die Taktik der letzten Jahrzehnte, die Kirche schlicht zu ignorieren, hat evident einen der verkorkstesten Freiräume ganz Berlins geschaffen. Wenn eine Anlehnung an Vorkriegsbebauung heißt, der Kirche eine Fassung und "Enge" zurückgeben zu müssen, zumindest teilweise, dann ist das in der Tat ein bischen Wiederherstellung des Vorkriegszustands.


    Raten Sie mal, warum bisher keine Ansicht vom M20 neben der Kirche veröffentlicht wurde? Wenn die Aussicht so rosig wäre, wäre das längst geschehen.


    Historisch stand die Kirche auf einem Platz eingebettet in ein Quartier, symmetrisch umrundet von Straßen. Das ist gerade entscheidend, die Kirche selbst ist auch streng symmetrisch. HdM bauen mit dem M20 aber nur an eine Seite der Kirche heran, zudem viel näher, als der ursprüngliche Abstand der historischen Bebauung. Keinerlei Respektsabstand. Die Feingliedrigkeit der Kriche wird durch reine Masse der "Scheune" förmlich erdrückt. Und das nur von einer Seite, vollkommen unpassend für die symmetrische Kirche. In der Wirkung wie eine Schlammlawine, die kurz davor ist, die Kirche zu überrollen, zu verschlucken.


    Dann lieber die Kirche, nach ihren Worten, "links liegenlassen", als ihr dermaßen auf den Pelz zu rücken.