Kulturforum

  • Einen echten Nutzen als Verbindungsachsen werden die Durchwegungen bei diesem Gebäude wohl weniger haben. Sie vermitteln eher gedanklich als real.


    Veranstaltungen die Philharmonie und Neue Nationalgalerie einbeziehen und dafür eine schnelle Wegeverbindung benötigen, wird's wohl nur sehr wenige geben. Vermutlich ist die Planung aber nicht um diese Achsverbindung drum herum entstanden, sondern man wollte für die "archaische Hütte" halt kein kompliziertes, minotaurisches Labyrinth und hat sich für die einfachste und geradlinigste Erschließung entschieden. Alles andere halte ich eher für den zwanghaften Versuch mit irgendwelchen elegischen Erklärungen banale Gründe aufzuwerten.


    Immerhin werden dadurch aber die Fluchtwege nicht unnötig kompliziert und es bleibt halbwegs einfach das raumgreifende Gebäude zu überwachen.

  • Ich bin eigentlich ein großer Bewunderer von Herzog & de Meuron. Doch der Entwurf ist für diesen Ort eine Katastrophe.


    Beide Aussagen kann ich zu 100 % unterschreiben.


    Meines Wissens ist ein Forum im städtebaulichen Kontext ein freier Platz. Die Platzfläche würde aber fast vollständig zugestellt mit einem Bau der absolut nicht urban wirkt.


    In der Tat. Es dürfte kein Zufall sein, dass dieses Gebäude als Mall konzipiert wurde - mit dem Unterschied, dass eine Mall auch Passanten und nicht nur zahlenden Kunden offensteht, während man aber in diesen Bau nur gegen Eintritt hineinkommen wird. Ein Forum ist ein allgemein zugänglicher öffentlicher Raum. Herzog/de Meurons Kunst-Mall, die das Forum überbauen soll, verlegt den Ort der Begegnung und des Austauschs hinter einen Paywall. Aber das passt ja in die Zeit.

  • ^Ein Kommentar aus dem Tagesspiegel stellt nochmal klar, dass es sich um öffentliche Durchwegungen handeln wird:


    http://www.tagesspiegel.de/kul…kulturforum/14757318.html


    es wird im Zeitalter von NFC Chips in Eintrittskarten im Centbereich kein Problem sein, zumal wenn man ein Gebäude eh ganz neu baut und modern ausstatten muss, die kostenpflichtigen Eintrittsbereiche jeweils durch unaufdringliche Zugangsschranken von den öffentlichen Passagen abzutrennen. Schon wegen den ausgestellten Werten muss es ja an jeder Ecke aufmerksames Aufsichtspersonal geben, das "Reinschmuggeln" ohne bezahlte Karte auch ohne große Sperrbauwerke wirksam unterbinden kann. Und nebenbei können Passanten auch den ein oder anderen kostenfreien Blick auf dabei sichtbare Werke erhaschen.


    Das wird kein privatisierter Innenraum.


    Dieses Luftbild verdeutlicht auch schön


    http://www.berliner-kurier.de/…20-mitten-in-berlin-3.jpg (hier ein Teilausschnitt nochmal etwas vergrößert: http://www.designboom.com/wp-c…-berlin-designboom-03.jpg)


    wie hier Wegverbindungen erhalten bzw. durch gezielte Lenkung erst neu erschaffen werden. Auch über die mehrspurige Straße hinweg. Und wie der Freiraum zwischen Philharmonie, Kammermusiksaal, Mathäuskirche und M20 aus einem Guss entstehen soll, als eine zusammenhängende Fläche. Die Mathäikirchstr. scheint in einen verkehrsberuhigten Bereich rückgebaut zu werden, der wohl die Sigismundstr. mit der Herbert-von-Karajan-Straße verbindet, sicherlich schon als Anfahrtsweg für Rettungskräfte unerlässlich, aber eben definitiv nicht als Durchfahrtsstraße eingezeichnet ist. Sodass der Neubau gen Kunstbib/Gemäldegalerie sowie Kammermusiksaal/Philharmonie von einem geschlossenen Platz, der (maßgeblich) Fußgängern vorbehalten ist, umgeben wird und dabei selbst teilweise ein öffentliches Forum, unter einem Dach, sein wird. Also eine städtebauliche Idee bringt HdM sehr wohl mit. Die Potsdamer Straße kann HdM aber auch nicht fortzaubern. Die Bauarbeiten werden nicht an der Gebäudekante vom M20 enden. Die bisher trennende Scharounstraße dürfte stillgelegt werden, wenn der Entwurf an dieser Stelle keine absolute science fiction ist. Siehe auch der Grundriß von Erdgeschoss und Umgebung:


    https://model2.de/light/null.P…sierungswettbwei6b8p.jpeg


    im Vergleich mit dem Ist-Zustand, da ist die Einmündung der Scharounstraße verschwunden und auch der Mathäikirchplatz von "ruhendem Verkehr" sowie der Asphaltschleife befreit, mit zusätzlichen Bäumen an deren Stelle (zwei quadratische Baumgruppen, prädestiniert für Ruhebänke).


    Das mag noch nicht alles en detail final ausgearbeitet sein, aber es wird doch deutlich, dass der von HdM beabsichtigte Umgriff wie gesagt nicht an der Gebäudekante enden soll.


    HdM haben (siehe Erdgeschossriß) sogar einen Scharounplatz vorgesehen, an Stelle der jetzigen Scharounstraße.

    3 Mal editiert, zuletzt von Pumpernickel ()

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    Was nützt diese öffentliche Durchwegung wenn die räumliche Wirkung dadurch ausbleibt weil sich alles innerhalb einer überdimensionierten Scheune abspielt? Diesen massiven städtebaulichen Fehlgriff lässt der Autor mal schön außen vor.
    Und bei dessen Kernthese "hauptsächlich ein großer Name" muss man fast schon von einem skandalösen Wettbewerb sprechen. Ich bin immer noch ziemlich angefressen wegen des Urteils.

  • ^Statistisch ist jeder zweite Tag in Berlin einer mit Niederschlag. Die mittlere Tageshöchsttemperatur klettert zwischen Oktober und April, also die Hälfte des Jahres, nicht über 15° C. Die Idee, ein 24/7 nutzbares, da überdachtes, Forum, eine Wandelhalle, zu errichten liegt da durchaus nahe. Es ist ja eben kein EKZ, sondern ein staatliches, öffentliches Gebäude, öffentlich zugänglich. Und je detailierter man sich die Riße ansieht, desto mehr muss man eingestehen, dass es sich eben doch nicht einfach um einen Kasten handelt. Die Außenabmessungen sind nicht quadratisch, sondern teils gebogen, um den großen Baum wird herumgebaut, es gibt die offenen Passagen, die Wände und das Dach werden semitransparent durch die Glassteine. Das ist alles so luftig wie es nur irgendwie geht, abgesehen davon, daraus gleich Freiflächen zu machen, Konsequenz siehe oben. Sogar das Dilemma mit der Sigismundstraße wird gekonnt aufgelöst, indem die untere Passage einfach unter der Sigismundstraße hindurch geführt und als Straßenunterführung weitergeführt wird, sodass die Sigismundstraße gar nicht mehr stört.

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    Ah ja, das bezweifle ich aber mal ganz stark. Ich würde mal eher davon ausgehen, dass es nach der Überarbeitung weit weniger luftig und sonnig aussehen wird wie es die Visu suggeriert. Und unabhängig von der Durchlässigkeit der Fassade ändert das nichts an der Wahrnehmung der Kubatur im Stadtraum.

  • Vielleicht habe ich es überlesen, aber bislang vermisse ich den Hinweis darauf, dass in Scharouns Planung für diesen Ort niemals eine Freifläche vorgesehen war, sondern ein terrassiertes, ähnlich flaches und flächiges Gebäude, das als Gästewohnhaus dienen sollte. Städtebaulich ist H&deM zumindest von den Freunden des Kulturforums scharounscher Prägung nur schwer ein Strick zu drehen.

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    Das Gästehaus wurde in diesem Thread schon öfters erwähnt, wenn auch nicht im Rahmen des Wettbewerbsergebnis in den letzten Tagen. Auch wenn die Idee eines terrassierten Gebäudes eine gute Idee war, so waren Lage und Größe für mich nicht ideal.
    Diese Idee hatte ja damals auch Braunfels in seine Planung - für's Forum verträglicher - aufgegriffen.

  • Das Kommentar in der FAZ war bereits verhalten positiv, das im Tagesspiegel dann rundum wohlwollend. Die Fundamentalkritik an der Kunsthalle finde ich auch daher etwas merkwürdig.


    Noch merkwürdiger finde ich sie, weil mir die dahinter stehenden Erwartungen ziemlich unklar bleiben. Es war klar, dass der Bau flach wird und sich eingräbt. Alle anderen Beiträge finde ich nicht überzeugend. Gut wer sich Terassen oder einen Flickenteppich gewünscht hat, der ist enttäuscht. Gerade diese Entwürfe finde ich grausig. Das wäre ein modisch-unruhiges Ding ohne Bestandsfähigkeit geworden. Die anderen Entwürfe waren alle flache Kisten aus Sichtbeton.


    Vorschläge die drumherum diverse Flächen frei gelassen haben, waren ebenfalls nicht überzeugend, da es einfach genug Freiflächen gibt. Es ist richtig die Fläche komplett zu überbauen. Es gibt den Platz an der Kirche, die Piazetta, die Fläche um die Neue Nationalgalerie und zur Philharmonie usw. Durch die Bebauung wertet man die Freiflächen erst auf.


    Die Scheunenform finden manche offensichtlich so irritierend und anstößig. Da kann ich nur sagen: dann ist die Provokation eben gelungen. Ich schließe mich der Jury hier an. Dies ist eine positive Grundform des Bauens, die etwas archaisches hat. Man findet sie bei Profanbauten, wie auch bei Palästen und Tempeln. Sie hier zu nutzen ist ein extrem gelungene Lösung für ein seh anspruchsvolles Problem.

  • Das dieser Entwurf von der Form recht banal wirkt, damit kann ich eigentlich gut leben. Wirklich schlechter oder schlimmer als die üblichen rein kubischen Kisten ist er nun auch nicht.


    Woran ich mich eher störe ist, dass man erst mit großem Bohei ein offenes Auswahlverfahren startet, gerne die eierlegende Wollmilchsau hätte, auch unbekannten Architekten eine Chance geben möchte. Und dann landet man am Ende doch wieder bei einem bekannten Namen mit einem eher banalen Entwurf. Dieser wird von der Auswahljury aber hochgelobt und noch mehr betont man, wie gut es doch ist, dass man so ein renommiertes Büro genommen hat. Ich finde da sollte man lieber schweigen als des Kaisers neue Kleider so zu bejubeln.


    Ich werd da das Gefühl nicht los, dass man einen recht hohen Teil der Baukosten einzig und allein dafür aufwenden wird, dass man ein Museum von einem wohlklingendem Namen hat: Gucci & Prada Architektur?

  • Es ist richtig die Fläche komplett zu überbauen. Es gibt den Platz an der Kirche, die Piazetta, die Fläche um die Neue Nationalgalerie und zur Philharmonie usw. Durch die Bebauung wertet man die Freiflächen erst auf.


    Nö, es ist falsch die Fläche komplett zu überbauen. Wie der Siegerentwurf zeigt wird die Kirche regelrecht abgedrängt und erhält lediglich einen kleinen Alibiplatz.
    Der Trum steht da auf der Fläche für sich allein und pfeift auf seine Umgebung. Eine städtebauliche Anbindung der Grundform an seine Umgebung kann ich nicht erkennen.

    Man findet sie bei Profanbauten, wie auch bei Palästen und Tempeln.


    Dazu hat Jan ein prima Statement geschrieben.

  • Ein wie ich finde recht verzerrtes Statement, aber so ist die Psyche wohl strukturiert, wie Jung mal ausgedrückt hat, die Brille mit der man die Dinge betrachtet ist das Ergebnis der physischen Erfahrungen und deren emotionaler Verankerung.


    Die Form des Baus bringt deutlich zu Tage wie sehr die Architektur von Lidls und Aldis Läden (bei vielen hier? und anderswo?!) verinnerlicht ist, in Assoziationsketten auftaucht. Aber trotzdem ändert das nichts daran, dass die Menschheit viel länger schon Häuser nutzt und auf diese viel ältere Nutzung der archetypische Charakter dieser Gebäudeform fusst.


    So war ich gerade in einem Haus dieser Form für ein paar Tage am Fuße der Rocky Mountains nahe Denver in Colorado (mit einer heißen Quelle ganz exklusiv, aber das nur am Rande) mit einer Gruppe von Freunden und das Satteldach mit dem Giebel in dem Holzhaus hat dann doch tatsächlich archetypische Gefühle bei uns ausgelöst. Und ein tolles Raumgefühl natürlich auch. Es war spürbar wie seit tausenden von Jahren Menschen in derartigen Häusern gelebt haben.


    Aber gut, jedem das Seine, Jans Verzerrung ist aber offensichtlich. Lidl Architektur ist eine Reduktion dieser Urform eines Hauses so wie ein Strichmännchen entfernt von einem Gemälde von Ernst Luwig Kirchner wäre. Lidl als Vorbild für das neue Museum zu nehmen ist ein Witz. Manchmal hilft ein Witz ja, aber zu ernst darf ihn dann auch nicht nehmen, oder?
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    @ Bato - Die Fläche zu überbauen finde ich gerade den Schlüssel, warum mir der Entwurf gefällt und die Kirche, so möchte ich persönlich unterstreichen, bekommt einen super Vorplatz, in genau der richtigen Größe, dann später wahrscheinlich sehr belebt, abgeschirmt vom Straßenlärm.

  • Manchmal hilft ein Witz ja, aber zu ersnt darf ihn dann auch nicht nehmen, oder?


    Wenn er über 200 Millionen Euro kosten soll und eine städtebaulich unbefriedigende Situation nur noch weiter verschärft kann ich da nicht drüber lachen.


    Was das Beispiel mit der Blockhütte in den Rocky Mountains betrifft. Du glaubst doch wohl selbst nicht, dass sich das auf das funktional völlig unterschiedliche M20 übertragen lässt?

  • [...] es wird im Zeitalter von NFC Chips in Eintrittskarten im Centbereich kein Problem sein, [...] die kostenpflichtigen Eintrittsbereiche jeweils durch unaufdringliche Zugangsschranken von den öffentlichen Passagen abzutrennen.


    Das glaube, wer wolle. Angesicht von (konservativ geschätzt) mehreren hundert Millionen € Kunstgütern werden die Sicherheitsschranken zum nicht-öffentlichen Bereich massiv sein, dafür werden schon die Versicherungen sorgen. Da wird niemand einfach mal so durchlaufen.

  • ^^ Denn Witz hat Jan gemacht, meiner Meinung nach, und nicht HdeM!!!


    Was die städtebauliche Situation angeht, sehe ich das genau gegenteilig von Dir! Ich habe es sogar versucht zu begründen. Aber mit Zynismus ist der Forumsdialog schwierig. Schade!


    Die Blockhütte noch eher als Lidls Bunker! Sie ist auch älter als Lidl oder Aldi. Und in diesem Zusammenhang von mir erwähnt im Kontext zum kollektiven Unbewußten und den Prägungen, die dann zu Assoziationen führen wenn man eine scheunenähnliche Form erblickt. Funktionell ist nicht mein Fokus hier.


    Funktionell museumstechnisch ist der Entwurf von HdeM ja ohnedies top.

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    Ich habe meine Ansichten ebenfalls begründet. Weder nimmst du meine an noch ich deine. Klassicher Fall von Dissenz würde ich sagen.

  • Ja, und ich kann Deine Anschaung gut stehen lassen. Im Grunde gefällt mir auch an dem Entwurf, dass er polarisiert. Und der erste Moment bei mir war auch ein ungläubiges nach Luft schnappen. Dann musste ich lachen, und dann habe ich mich daran gemacht und versucht tiefer zu blicken und genauer hinzusehen, was das für ein Entwurf ist. So berührt hat mich bisher selten ein Neubaurendering, muss ich gestehen.

  • Zuerst: dass der vorgeschlagene Bau eine Kunstscheune (in Funktion und Form) ist ist nicht zu übersehen. Eine ortsfremde Typologie die vorzuschlagen Architekten und Jury sicher große Freunde gemacht hat, da er Stadt negiert und sich allen Versuchen aus diesem Gedenkort des Scheiterns der Moderne wieder einen städtischen Raum zu entwickeln, widersetzt. Hierbei okkupiert er die Kirche durch das angepasste Material und die Nähe gleich als Schornstein und die Nationalgalerie durch seine völlig unproportionierte Größe zum Eingangspavillion.


    Wenn jetzt noch - als Mittelwert für einen Bundesbau und ein Projekt der Siegerarchitekten mit der öff. Hand - die Baukosten nur um 200 Prozent steigen (hat da nicht ein gewissen Speer noch ein paar Fundamente versenkt? Beim Pergamonmuseum muss gerade ein Fundament eines Grundwasserpumpwerks für Mehrkosten von über 150 Mio. Euro geradestehen.) kann man jetzt schon den Bund der Steuerzahlen informieren und einen Untersuchungsausschuß im Bundestag einrichten. Dann fällt es später nicht mit der Aktensuche so schwer.

  • Das "existierende" Kulturforum ist geprägt durch die herausragenden Solitäre Neue Nationalgalerie sowie Philharmonie und Kammermusiksaal. Der Osten wird durch die Staatsbibliothek, der Westen durch Gemäldegalerie + X abgeschlossen. Ein weiterer Solitär ist die St.-Matthäuskirche. Im Zentrum liegt die nun zu bebauende Freifläche. Die Potsdamer Straße trennt die Staatsbibliothek von den anderen Gebäuden deutlich ab.


    Allen dortigen modernen Bauten ist eigen, dass sie sehr facettenreich sind, sich von verschiedenen Blickrichtungen und Entfernungen komplett unterschiedliche Ansichten ergeben. Es sozusagen immer neues aus verschiedenen Perspektiven zu entdecken gibt. Eben dies zeichnet diese Solitäre aus. Die umgebende Freifläche ist lebensnotwendig, damit die Gebäude selbst wirken können. Nimmt man diese Freifläche, beschädigt man die Wirkung, und somit die Gebäude selbst.


    HdM bebauen die komplette Freifläche durch einen Klotz. Das Hauptproblem ist nicht das Satteldach, sondern die in dieser Umgebung gigantischen Abmaße, aufs Maximale an die Grenzen der Baufläche ausgedehnt. Das Satteldach dazu verstärkt die Wirkung zusätzlich. Beim Flachdach wäre die Dachfläche nicht sichtbar. Beim Satteldach ist diese sichtbar und zeigt sofort neben der Breite auch noch die Tiefe des Gebäudes an, welche bei Flachdächern verborgen bleibt. Durch die Zentrumslage und die schiere Größe dominiert dieser Bau das komplette Kulturforum. Die riesigen Flächen des Klotzes stellen die verspielteren Formen der Bestandsbebauung in den Schatten. In der Wirkung ist dies nicht zu unterschätzen. Das Kulturforum der heutigen Form wird zerstört. Der große neue Klotz drückt die Kirche förmlich beiseite, rückt der Neuen Nationalgalerie dermaßen auf die Pelle, das die Nordansicht, also vom Kulturforum aus, für immer zerstört sein wird. Die Sigismundstraße ist viel zu schmal, als das die NN ihre horizontale Wirkung entfalten könnte. Neben der riesigen Baumasse wird die NN nur noch wie ein Gartenpavillion wirken. Die Weite der Terrasse geht verloren, der neue Blockrand ist zu dicht und drückend.


    In ein Gebiet mit Blockrandbebauung würde der HdM-Entwurf hervorragend passen, das Konzept der inneren Wege ebenso. Wenn draußen kein Raum ist, ist so etwas angebracht. Hier im Kulturforum jedoch besteht keinerlei Notwendigkeit, die Wege nach innen zu verlagern. Genügend Raum ist draußen vorhanden. Durch diese nach-innen-Verlagerung der Wege wird dem Passanten der Blick auf die bestehenden Solitäre entzogen, der neue Bau spielt sich in den Vordergrund, die bestehende Architektur wird an den Rand gedrängt. Totale Dominanz nicht nur durch die Größe, sondern auch durch das neue Wegekonzept. Um den Klotz kommt man kaum herum, ist er auch bis aufs Äußerste an die umliegenden Straßen und Gebäude ausgedehnt. Welch Anmaßung.


    Eine "zurückhaltende Position", wie sie der Jury-Vorsitzende Arno Lederer lobt, kann ich in keinster Weise erkennen. Dass "dem Basler Büro die Einbindung ihres Entwurfs in ein städtebauliches Ganzes am Kulturforum ganz wichtig" sei, ist blanker Hohn. Ein vollkommene Neuordnung des Kulturforums wird betrieben, mit dem HdM-Bau als neues Zentrum. Die unvollendete Architekturlandschaft der Nachkriegsmoderne wird unwiederbringlich zerstört.


    In meinen Augen skandalös, dass die Jury solch Kulturbarberei übersieht, oder aus welchen Gründen auch immer, wissentlich betreibt.

  • Dunning-Kruger: Da scheiden sich wohl wirklich die Geister. Mit der Architektur griechischer Tempel habe ich mich früher einmal eingehend beschäftigt. Die sind typischerweise lang, hoch und relativ schmal. Gerade wenn man frontal davor steht, merkt man wie stark die vertikale Ausrichtung ist und wie genau die Proportionen aufeinander abgestimmt sind. Der Giebel allein ist nur ein Element dabei. Löst man ihn heraus, erhält man eine recht simple geometrische Dreiecksform. Diese wird und wurde in der Architektur seither unendlich oft verwandt (wenn auch nicht immer in diesem identischen Gefälle wie HdM es aufgreifen). Setzt man diese Form auf eine flache breite Halle, so erhält man mE gerade nicht allein durch das Zitat einer simplen überall wiederkehrenden Dreiecksform die Assoziation eines archetypischen Tempels. Man kann diese intellektuell herbei phantasieren. Aber wer etwas Sinn für Proportionen hat, wird dieses Gerede mE als sehr weit hergeholt und theoretisch empfinden. In der Tat würde dann auch jede Aldi-Filiale an griechische Tempel erinnern. Es ist nun einmal die exakt selbe Proportionierung wie bei HdM. Was ist daran verzerrt, diese augenfällige Tatsache zu erwähnen? Nur weil man ein anderes Etikett draufklebt und es mit etwas Rhetorik zu sonst etwas hochstilisiert, bleibt es das gleiche Bild, sodass die primäre Assoziation auf der Hand liegt. Und die hierfür angebrachte Unterstellung einer fehlgeprägten Assoziationskette finde ich ausgerechnet in einem Architekturforum sehr deplatziert. Du kannst ja darin sehen, was Du magst und gerne tiefe Empfindungen dabei durchleben. Das ist durchaus beneidenswert, wenn Du Dich so darüber freuen kannst. Für mich bleibt es dennoch ein aufgeblasener Aldi, der gerade im Vergleich zum Philharmoniekomplex unglaublich plump und deplatziert wirkt. Übrigens finde ich nicht, dass polarisieren immer automatisch Qualität bedeutet. Ebenso wenig habe ich bei diesem Entwurf überhaupt starke Emotionen erlebt wie Du sie beschreibst. Eine derartige tiefgreifende Auseinandersetzung habe ich wohl zuletzt beim Holocaustmahnmal erlebt aber ganz sicher nicht bei dieser Visualisierung. Vielleicht kommt durch die reale Oberflächenwirkung ja noch etwas nach. Bisher erkennt man im Grunde nur die reine Kubatur.