Kulturforum

  • die Tate Modern in London gilt zumindest gemeinhin als das weltgrößte Museum der Moderne,


    Der Vergleich mit der Tate Modern hinkt ein wenig. Dort wird ja auch das alte Industriegebäude mitgewürdigt. Außerdem schließt die Tate Modern das 21. Jahrhundert mit ein. In Berlin müsste man also den Hamburger Bahnhof mit dazu rechnen.


    Würde ich mir den Entwurf von Herzog & de Meuron als Erweiterungsfläche zu einem Kunstmuseum vorstellen, welches sich bereits in einem früheren Industriegebäude befindet, würde ich vermutlich auch sagen: Ja toll, harmoniert wunderbar mit dem Altbestand. Die Berliner Kunstmuseumslandschaft hat aber (bis auf den Hamburger Bahnhof) nicht den Charm alter Industrieanlagen, warum muss man diesen dann künstlich erschaffen?

  • Denk bitte daran, dass es sich hier um Postmoderne handelt. Diese entzieht sich diesen hergebrachten Kategorien schlicht, darum ist es mühsig, über eine solche Einordnung zu diskutieren.


    Weiterhin erwähnst du natürlich einen weiteren Aspekt, das Kulturforum ist keine Insel. Berlin hat mit der historischen Museumsinsel (bald noch mit Humboldtforum), dem ausgebauten Kulturforum sowie dem Hamburger Bahnhof eigentlich alles, was für eine mehrtätige Museums-Orgie notwendig ist. Man muss hoffen, dass dieses Potential erkannt wird und die Vernetzung zunimmt. In jedem Fall erwarte ich, wie gesagt, eine massive Zunahme des Besucherstroms in dieses Areal. Und die kommen dann, sorry, nicht, um auf einem unbebauten Kulturforum mit offenem Mund staunend vor den Bauten von Mies und Scharoun zu stehen, sondern um den Neubau auf dem Kulturforum zu besuchen, durch dessen Innenraum zu schlendern. Also, mission accomplished ist mein Fazit. Ich lasse mich nun überraschen, wie die Detailausarbeitung aussehen wird. Da hat HdM ja ausdrücklich noch viel offen gehalten.

  • Camondo, wir reden von zwei verschiedenen Dingen. Ich sprach von der Form und du von der Übertragung auf ein Museum. Allerdings finde ich auch das weder anspruchsvoll noch innovativ. So gesehen ist jeder Museumsbau innovativ, so lange er kein Double hat.
    Große Würfe haben es in der Tat- da gebe ich dir durchaus Recht - oft schwer, zu Beginn in der Öffentlichkeit zu bestehen. In vielen Fällen bleibt es jedoch auch dabei. Das ist die Gefahr, die ich sehe. Dass man ein bestehendes Ensemble einfach zerstört. Man kann Architektur eben nicht additiv denken.
    Überdies halte ich auch genauso wenig von dieser Bilbao-Reiterei, nur weil jemand statt einem Lineal im Kopf auch mal in konvexen und konkaven Formen denkt. Und ich wehre mich gegen diese Zwanghaftigkeit, ständig müsste alles irgendwie innovativ und so noch nicht dagewesen sein. Meist kommt großer Murks bei raus. Die Stadt ist voll davon.
    Herzog sagte ja, dass er gar nicht konkurrieren wollte (Baunetz). Das Ergebnis ist, dass der Entwurf ensembletechnisch völlig versagt. Ob die Innengestaltung (Licht, Raumaufteilung usw.) nun gut sind oder nicht, das Klumpenartige wird dem Ort überhaupt nicht gerecht.

  • Also diesen ständigen Rekurs auf steigende Touristenzahlen oder hoffentlich eintretende Touristenströme verstehe ich auch iwie nicht, aber dafür braucht man ja auch den Blick auf das Große und Ganze ;)


    Im Übrigen, daran sei hier mal erinnert, kann sich der Bauherr auch für einen anderen Entwurf entscheiden und für eine Abweichung von der Rangfolge des Preisgerichtes gibt es genug Beispiele.


    Nicht, dass ich mir das wünsche oder als wahrscheinlich ansehe, aber die Haltung "Roma locuta, causa finita" könnte auch verfrüht sein. Eine Diskussion über Stärken und Schwächen des Siegerentwurfes macht durchaus Sinn und soll ja niemandem in seiner Begeisterung für die HdM Planung beeinträchtigen ...

  • Es wird die Zeit zeigen, wenn der Bau in ein paar Jahren fertiggestellt ist und Zeit hatte seine Wirkung zu entfalten, wie erfolgreich die Architekten den Stadtraum gestalten konnten. Ich bin da ganz optimistisch, aber das hängt auch damit zusammen, dass die Sammlungen meiner Überzeugung überaus qualitätsvoll sind und Menschen anziehen werden. Es wird das bedeutenste Museum der Kunst des 20. Jahrhunderts in Deutschland und auf Augenhöhe mit der Tate in London und nicht weit von den Sammlungen des Centre Georges-Pompidou.


    So wird der Platz vor der Kirche St. Matthäus lebendig werden, architekturunabhängig, allein durch die Besuchermengen, so denke ich. Und es bietet sich die Gelegenheit die Museen der zweiten Reihe über diesen neuen Stadtplatz anzubinden, das Kunstgewerbemuseum, Kupferstichkabinett, die Gemäldegalerie.


    Dafür ist die "Frechheit" das ganze Kulturforum zu überbauen ein mutiges Unterfangen, das mir gefällt, weil ich denke, dass dadurch der öffentliche Raum auf den Platz vor der Kirche verlagert wird, mit dem westlichen Eingang des Museums. Man müsste den öffentlichen Raum dann noch entsprechend gestalten und dies hoch bis zum Eingang der Gemäldegalerie, fern des Verkehrslärms der Potsdamer Straße. Warum nicht?


    Die geschützte Plantane auf dieser Seite zu erhalten und in das Gebäude zu holen? Ich bin voller Vorfreude.


    Die Neue Nationalgalerie, so habe ich vor einiger Zeit gelesen wird dann in Zukunft noch mehr als in der Vergangenheit ein Ort für Wechselausstellungen wie z. B. damals mit dem Besuch des MOMA oder die mir unvergessliche Ausstellung zum Werk von George Grosz.


    Die Neue Nationalgalerie und der Neubau werden wahrscheinlich durch einen Tunnel unter Sigismundstraße miteinander verbunden (da müssen noch Stromleitungen verlegt werden) und so sind die beiden zusammen ein Museum, in dem zur Eröffnungsaustellung, wie ich hoffe, dann die Nationalgalerie mal zeigen kann was meist im Depot fristet. Mit so richtig viel Platz! Ein Fest für die Augen!


    Vielleicht wird für diese Sammlung das neue Gebäude dann ein Symbol, "die Scheune" bekannt bei Hinz und Kunz, wie Bilbaos Guggenheim, die Tate oder der Centre Pompidou.


    Und innerlich lächele ich schon, wenn ich mir vorstelle in die Backsteinscheune einzutreten und dann lächelt mich der große Mao (Andy Warhol, 1973) an. Ihm gefällt es wahrscheinlich ganz gut in einer Scheune :lach:.


    Ein Bildchen mit Übersicht (Status quo): Klick

  • export, die Reduzierung auf Touristenzahlen ist deine Assoziation, ich habe von Besuchern aus aller Welt, also von nah und fern, geschrieben und beziehe mich da mit ein (Tourist bin ich gewiss in Berlin keiner). Ich besuche natürlich auch ein möglichst großes und abwechslungsreiches Kulturareal auch selbst im Alltag gerne häufiger und denke nicht, dass ich da eine Ausnahme bin. Die Ausstellungsfläche des neuen Museumskomplexes wird ja mit dem Neubau mehr als verdoppelt. Das ist natürlich auch für Berlin/Brandenburg lokal eine enorme Bereicherung. Aber ansonsten ja, Geld stinkt nicht. Berlins einzig florierende Industrie, mit Normalojobs auch für Atze aus Marzahn, ist der Tourismus, das ist natürlich auch nicht zu ignorieren. So satt, dass wir die Nase über Touristen rümpfen könnten, ist Berlin nicht. Zumal ich es durchaus als Verbesserung empfinde, wenn die Zahl britischer und skandinavischer Sauftouristen zurückgeht und die der Kulturreisenden zunimmt. Wir haben nicht zuviel Tourismus, aber zuviel "Ballermann"-Tourismus in Berlin. Das nur am Rande.


    Ansonsten möchte ich Dunning-Krugers Ausführungen sekundieren (auch das kommt selten genug vor). Und ich seh das auch durchaus mit einem lokalpatriotischen Auge (sei auch mal erlaubt, oder?). Wenn man am Bahnhof Potsdamer Platz aussteigt und dann an der Oberfläche die kleine Skyline um einen herum sieht, die da die letzten 25 Jahre entstanden ist, dann ein Stückchen daran vorbei zum Kulturforum läuft und ich dann gedanklich dessen Abrundung durch diesen Neubau vor meinem geistigen Auge habe und darauf zulaufe, dann freue ich mich einfach darüber, was aus dieser einst so geschundenen Stadt geworden ist. In der meine Großeltern als Kinder ausgebombt und zu Waisen wurden, hungerten, meine Verwandten später durch eine Mauer auseinandergerißen wurden. Eine Stadt, die nur noch aus Brachen und Narben und traurigen Geschichten zu bestehen schien, als 89 das Wunder geschah. Ich kenne die ganze Narben auch noch aus meiner Kindheit, die verschwanden ja nicht mit Unterzeichnung des 2+4 Vertrags über Nacht. Und Freude darüber, zu meinen Lebzeiten dabei sein zu dürfen, dass diese wieder verschwinden. Ja, wir verlieren manches Liebgewonnene, das im Vakuum und aus Improvisation heraus entstand, aber wir gewinnen unter dem Strich soviel mehr Neues dazu.


    Und ich denke, dass solch eine Aufwärtsdynamik der Stadt einfach gut tut. Sie hat es sich, nachdem sie die letzten Jahrzehnte so geschunden und wiederholt umgegraben wurde, verdient, auch mal etwas bequem und eitel zu werden und nicht nur immer "werden" zu wollen, sondern auch mal "sein" zu können. Ich zumindest möchte nicht ewig in zukünftiger Erwartung leben, sondern im Hier und Jetzt. Daher ist mir ein hier und jetzt in aller Eile neu bebautes Kulturforum lieber, als nochmal 20 weitere Jahre darüber zu diskutieren und am Ende auch nicht schlauer zu sein als zuvor.


    Es wurde reichlich und genug über das Areal diskutiert. Jetzt wird bebaut. Und dann genossen.

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  • ^ wieso Reduzierung? Mir ist nur aufgefallen, dass viele "Pro-HdM" Posts das Argument steigender Touris... äh, sorry, Besucherzahlen ins Feld führen. Und ich würde halt den Standpunkt vertreten, dass diese Besucher sicher nicht wegen dem HdM-Bau kommen, sondern wegen der darin gezeigten Sammlung. Und die würde bei einem anderen oder geändertern Entwurf ganz sicher dieselbe sein.


    Und Du hattest ja vom "Herumreiten auf dem Satteldach" geschreiben. Wo liest Du das bitte? Wer hat das kritisiert bzw. ständig kritisiert? Geht es Dir um den Aldi Vergleich? Die diesbezügliche Kritik geht in Richtung der Proportionen, nicht in Richtung des Satteldaches. Die meisten, und dazu gehöre ich auch, begrüßen doch, dass es nicht wieder ein konventionelles Flachdach ist ...


    ^ Natürlich darf man Lokalpatriot sein, ohne diesen gäbe es so viele wunderbare Beispiele herausragender Architektur gar nicht, weltweit nicht. Und Deine emotionale Verbundenheiten mit diesen Orten verstehe ich sehr gut, die ist bei mir ganz ähnlich angelegt. Auch ein Teil meiner Familie stammt aus Berlin, hat den Krieg miterlebt und die Erzählungen aus dieser Zeit bewegen mich heute noch ...


    Trotzdem gibt es an dem HdM-Bau halt ein paar Sachen, die mich stören ...

  • Ist ja legitim. Ich weiss halt, dass seit vielen Jahren über das Kulturforum diskutiert wurde. Mit unzähligen Vorschlägen. Viele davon auch sehr konkret, zB 2005 von Braunfels. Und jetzt gab es endlich durch massiven Druck der Mäzene das Geld für einen Neubau und einen zweistufigen Wettbewerb.. und jetzt muss die Diskussion halt mal ein Ende haben und gebaut werden. Wenn ich König von Berlin spielen dürfte hätte ich mir vielleicht selbst auch was anderes ausgedacht. Aber ich kann mehr als nur gut mit der nun gewählten Lösung leben und habe lieber den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach. ;)

  • ... und glaubt nicht, dass es ein Zuckerschlecken war, in den 70ern in Paris das Centre Pompidou oder in den 80ern die Pyramide des Louvre durchzusetzen. Auch hier gab es Bedenkenträger und mussten törichte Widerstände überwunden werden. Und ich kenne nicht einen der heute noch zugeben würde, dass er das eine oder andere Projekt einmal abgelehnt hatte. Ganz im Gegenteil.
    Ich bin auch so begeistert das Museum betreffend, weil es Schluss macht mit all den exaltierten Architekturen der letzten Jahre im Museumsbau, gerade weil immer wieder Bezug genommen wird auf die Bauten von Gehry in Bilbao oder auch in Paris mit der Fondation Louis Vuitton. Diese Gebäude empfinde ich als zutiefst inhuman. Ohne die Rechenleistung der modernsten Computer heute wären diese waghalsigen Statiken garnicht zu berechnen. Wie wohltuend also ein Gebäude, das völlig auf das Wesentliche runtergebrochen, nämlich ein Haus mit Dach seine Funktion bestens erfüllen wird. Das war jetzt meine dritte Lobrede, das muss jetzt reichen ;)

  • Und jetzt gab es endlich durch massiven Druck der Mäzene das Geld für einen Neubau und einen zweistufigen Wettbewerb.. und jetzt muss die Diskussion halt mal ein Ende haben und gebaut werden.


    So nach dem Motto friss oder stirb.


    Nunja, ich habe meine Argumente vorgebracht und bin jetzt einfach mal gespannt was passiert. Vielleicht entscheidet sich der Bauherr ja noch um oder das was HdMs Entwurf auszeichnet wird noch extrem reduziert und lässt dessen Zauber verfliegen. In dieser Stadt weiß man nie...

  • Jens Bisky kommentiert in der SZ. Er schreibt, dass HdeM nicht von der Bildwirkung, sondern von der Funktion her diesen Entwurf entwickelt hätten und dabei mit Berliner Selbstverständlichkeiten gebrochen haben. Und der "Nicht-Ort" der dadurch entstehe wird von ihm verglichen mit all den Nicht-Orten aus denen sich nach der Wende so viel in Berlin entwickelt hat, Berlin neu erfunden habe. Eine Rückeroberung des Urbanen sei dadurch möglich an dieser Stelle. Klick mich!


    Hoffen wir es!

  • ... und glaubt nicht, dass es ein Zuckerschlecken war, in den 70ern in Paris das Centre Pompidou oder in den 80ern die Pyramide des Louvre durchzusetzen. Auch hier gab es Bedenkenträger und mussten törichte Widerstände überwunden werden. Und ich kenne nicht einen der heute noch zugeben würde, dass er das eine oder andere Projekt einmal abgelehnt hatte. Ganz im Gegenteil.


    Na, diese Einlassung beschreibt dann wohl eher die Genese und die Rezeption eines anderen Berliner Bauprojektes ...


    Für den HdM-Bau trifft doch eher das Gegenteil zu, bis jetzt überwiegend Lobreden, neue Ikone, Geniestreich und was nicht alles ...

  • Ah ja, jetzt ist man also schon dumm wenn man den Entwurf schlecht findet.


    Quatsch! Ich meine törichte Einwürfe wie: „Eine Pyramide, was soll das hier in Paris, wir sind schliesslich nicht in Ägypten“!


    das kannst Du mit den ganzen Aldi, Oktoberfestzelt, Scheune-Vergleichen in einen Sack packen und einfach vergessen!

  • ^
    Damit bestätigst du dann nochmal deine Aussage, dass mehr als 90% der Kritiker (gefühlt sind es gar 99) dumm sind. Jaja, diese Spontanassoziationen immer :rolleyes:


    Lies erstmal die vernichtenden Kommentare der baunetz-Kommentatoren, dagegen ist das hier Kindergeburtstag.

  • Ich habe bisher noch keine wirklich fundierte Meinung zu dem Entwurf entwickelt. Die Innenräume scheinen zumindest schon mal äußerst gelungen. Große Klasse und eines solchen Prestigeobjekts würdig. Die Hülle kommt mE auf den Bildern kaum realistisch rüber. Die reine Massigkeit wirkt leider in der Tat plump und etwas erdrückend. Was das angeht, hätte mir zumindest spontan wirklich mehr ein weiterer skulpturaler Solitär zugesagt. Aber dennoch will ich es gerne etwas abwarten und länger auf mich wirken lassen.


    Was mich abgesehen davon nervt, sind die herablassend verfassten Beiträge von Larry und Camondo. Man muss nicht dumm/ töricht sein, um einen anderen Geschmack zu haben. Ebenso finde ich Verweise zu vermeintlichen Spinnenweben im Hinterstübchen wenig charmant und so eine polemische Aussage fällt für mich immer sehr negativ auf den Absender zurück, mit dem ich persönlich dann unabhängig von den Argumenten gar nicht weiter diskutieren mag. Auf Englisch würde ich sagen: He's too full of himself. Dazu passt auch das reichlich entbehrliche Etikett HurRek. Kommt doch einfach mal wieder etwas runter. Prinzipiell ist es doch schön, dass man mal wieder so kontrovers diskutieren kann. Nur verliert sich so wieder der ganze Reiz...