Potsdam: Wiederaufbau der Garnisonkirche (Bauthread)

  • Vielleicht führen die geschilderten neuen politischen Verhältnisse dazu, dass der eine oder andere Moment der Nachdenklichkeit kommt und sich die "Gegner" die Frage stellen, ob es das alles eigentlich wert ist und zu ihrem Alltag zurück kehren bzw. Weltrettungsidealismus dort einsetzen, wo die Welt wirklich gerettet werden müsste.


    Ein guter Freund aus Altbayern sagte einmal "Ihr habts recht und i hab meine Ruh", als die Tischrunde aus 3 Preußen + 1 Altbayer des Abends über irgend ein politisches Thema diskutierte. Er ging sich ein Bierchen holen, während die restliche Runde weiter stritt. Er hat sich dadurch in keiner Weise schlechter gestellt.


    Etwas mehr bayerische Gemütlichkeit rate ich bei diesem Thema an. Der Streit nimmt ja zwischenzeitlich fast schon hysterische Züge an.

  • So ist es!


    Und nachdem die "Linke" und andere Kräfte das Thema Garnisonkirche erst im Kommunal- und Landtagswahlkampf instrumentalisiert und dann beide Wahlen im Abstand weniger Monate deutlich verloren haben, ist klar, wo die politischen Mehrheiten in Potsdam stehen - auf der anderen Seite.


    Der große Verlierer bei der Landtagswahl in Pdm war die SPD. ;)
    Zudem haben dieses Thema bei der Landtagswahl auch keine "anderen Kräfte" bemüht. Die Andereals kommunale Wählergruppe bspw. tritt auf Landesebene nicht an und auch die Linke hat zum Landtagswahlkampf das Thema GK außen vor gelassen.
    Bei der Kommunalwahl hat sich bspw. Die Andere als größter Gegner der GK verbessert und einen Sitz mehr als bei der letzten Wahl ergattert.
    Von 'verlieren' kann hier also keine Rede sein.

  • ^ Schau' dir bitte einmal das Gesamtergebnis der beiden Wahlen an: GK-Gegner sind deutlich in der Minderheit und GK-Befürworter deutlich in der Mehrheit, bei fast 70 %. Und das bei beiden Wahlen in Land und Stadt. Daran ändern ja einzelne Verluste der SPD nichts.


    Das ist es, was in diesem Strang so nervt: einfach mal zwei Details rausgreifen und daraus, obschon man in der Minderheit ist, einen weltweiten Positivtrend konstruieren.

  • Ich möchte dann auch das nicht von mir aufgebrachte Thema um Wahlergebnisse mit einem Schlusssatz beenden.


    Den Meisten wird bei ihrer Stimmabgabe, vor allem bei der Landtagswahl und außerhalb Potsdams, die Haltung zur GK-Kopie sowas von egal gewesen sein. Andere haben vielleicht die 'pro-GK-Parteien' trotz ihrer Haltung zur GK gewählt - man muss und kann ja nicht mit allem übereinstimmen. Es ist halt eine Sache von Schnittmengen und Präferierungen. Andere werden die Parteien auch wegen genau dieser Haltung zum GK-Nachbau gewählt haben.
    Auf jeden Fall würde ich das Ergebnis der Landtagswahl nicht als Votum für die GK auslegen, sondern eher als Ergebnis einer generellen Präferierung einer politischen Richtung betrachten.


    Aber hier soll es ja um den GK-Nachbau und Architektur gehen.

  • *lautlach* Super "Schlusssatz": da es mir gerade nicht in mein Weltbild passt können die Wähler in Potsdam bei zwei Wahlen, bei denen kaum ein Thema so hochgespielt wurde wir die GK, genau das nicht gemeint haben. Ich versteh' schon - Demokratie ist, wenn ich die Mehrheit kriege.

  • Zunächst einmal stimme ich zu, dass die Kommunalwahl nicht mit einer Abstimmung über die GK gleich zu setzen ist. Naturgemäß beschäftigt viele Menschen vor und bei einer Wahl mehr als nur ein Thema. Trotzdem finde ich den "Schlusssatz" etwas platt. Man sollte mE nicht so völlig über die Wahl hinwegwischen. Denn zumindest wäre es für Gegner der GK aber auch andere politisch engagierte Menschen eine Gelegenheit gewesen, den Stadtverordneten einen Denkzettel zu erteilen, wenn man ihr Gebaren um das Bürgerbegehren denn so schrecklich gefunden hätte. Wenn ich persönlich meine demokratischen Rechte empfindlich beschnitten sehen bzw. die entsprechenden Politiker als miese Trickser betrachten würde, könnte ich mir jedenfalls durchaus vorstellen entsprechend abzustimmen. Bei so einer niedrigen Wahlbeteiligung von unter 50% hätte sich das durchaus im Ergebnis zeigen können. Stattdessen kann man sehen, dass die Ablehnung der GK scheinbar nicht so groß bzw. zumindest nicht so entscheidend war, dass sie gegenüber anderen politischen Belangen einen relevanten Ausschlag gegen die entsprechenden Parteien gab. Das räumt Plattenbau ja selbst ein. Für mich rückt das zumindest etwas die Verhältnisse zurecht: Die GK einerseits und das vermeintlich undemokratische Gebaren der Politiker andererseits bewegt und erzürnt die Menschen in Potsdam offenbar weitaus weniger als von manchen hier gerne suggeriert wird. Betrachtet man die Wahlergebnisse (s.u.) stimmt es nämlich weder wie zuvor behauptet, dass die SPD der größte Verlierer war. Noch hat es überhaupt einen nennenswerten Ausschlag gegen die Rathauskooperation gegeben. Unter den großen Parteien haben diejenigen dir für die Reko sind sogar mehr Stimmen, die Gegner der Reko weniger Stimmen erhalten...


    Linke 25,3% (31,1%, -5,8%)
    SPD 23,4% (27,1%, -3,7%)
    CDU 15,5% (11,8%, +3,7%)
    Grüne/ Bündnis 90 11,9% (8,3%, +3,6%)
    Andere 7,7% (5,0%, +2,7%)
    Bürger Bündnis 6,1% (3,3%, +2,8%)
    AfD 4,5% (-)
    FDP 2,5 % (4,6%)
    http://www.maz-online.de/Lokal…wahl-Potsdam-2014-aktuell

  • Auch in der Zeitung Die Kirche wird intensiv über die Garnisonkirche diskutiert. Am 7. September wurde ein Pro- und ein Contra-Beitrag zur Garnisonkirche veröffentlicht. (Die Kirche, Nr. 36/2014, S.5) Der Contra-Beitrag stammt von der Pfarrerin Ruth Misselwitz. Sie bringt vier Argumente gegen den Wiederaufbau vor:
    Erstens wäre die nötige Akzeptanz für das Projekt nicht gegeben.
    Zweitens wäre der Wiederaufbau einer "Militärkirche, in der Krieg als Gottes Willen gepredigt und in der schließlich am Tag von Potsdam 1933 das verheerende Bündnis zwischen konservativem Bürgertum, preußischem Militär und der Naziführung mit kirchlichem Zeremoniell" besiegelt wurde, ein falsches Zeichen.
    Drittens hält sie das Konzept für ein Versöhnungszentrum für unklar. Es wäre nicht klar, wer sich hier eigentlich mit wem versöhnen sollte. Nötig wäre an diesem Ort das "mutige Aufdecken von Schuld und Versagen", denkbar wäre eine ständige Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht. Diese Aspekte würden aber in dem aktuellen Konzept zu kurz kommen.
    Viertens wäre das Wiederaufbauprojekt zu teuer. Besser wäre es, das Geld für die unzähligen Gemeinden und Initiativen auszugeben, die Versöhnungs- und Friedensarbeit leisten. Denkbar wäre die Einsatz des Geldes "in der Flüchtlingsarbeit, in der Obdachlosenarbeit, in der Kinder- und Jugendarbeit, in dem engagement gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit, in der Diakonie und dergleichen mehr".

    Der Pro-Beitrag stammte von Manfred Stolpe. Er hält ein Internationales Friedenszentrum am Standort der Garnisonkirche für notwendig, und begründet dies mit der aktuellen politischen Situation. Die Politik wäre derzeit dabei, "die bisherige militärische Zurückhaltung zu verlieren", weiterhin bestünde die Gefahr, dass den Waffenlieferungen in Kampfgebiete der Soldateneinsatz folgt. Daher wäre eine Neuauflage der kirchlichen Friedensbewegung "Schwerter zu Pflugscharen" nötig. Die Heilig-Kreuz-Gemeinde wäre an dieser Friedensbewegung maßgeblich beteiligt gewesen.

    Stolpe plädiert für einen Wiederaufbau des Turms und eine offene Debatte über die Gestaltung des Kirchenschiffs. Dieses kann auch als multifunktionale Halle, die in einem "bewussten Gegensatz zum barocken Kirchturm" steht, ausgeführt werden. Warum er den Wiederaufbau des Turmes für wünschenswert hält, begründet er allerdings nicht weiter.

    Dieser Beitrag ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert. Zum einen ist der Bezug auf die Initiative "Schwerter zu Pflugscharen" erstaunlich, weil der Initiator der Bewegung "Schwerter zu Pflugscharen", der Pfarrer Friedrich Schorlemmer, zu den Erstunterzeichnern des Aufrufes "Christen brauchen keine Garnisonkirche" zählt.

    Noch erstaunlicher ist der Bezug auf die Arbeit der Heilig-Kreuz-Gemeinde. Hier ist es so, dass sich der Gemeindekirchenrat der Heilig-Kreuz-Gemeinde gegen den Wiederaufbau der Garnisonkirche ausgesprochen hat und dass der langjährige Pfarrer der Heilig-Kreuz-Gemeinde, Uwe Dittmer, den Aufruf "Christen brauchen keine Garnisonkirche" ebenfalls unterschrieben hat. Zudem hat sich die Heilig-Kreuz-Gemeinde nach 1990 um die Rückgabe des Grundstücks der Garnisonkirche bemüht - ohne Erfolg. Auch bei den aktuellen Wiederaufbaubemühungen wird die Meinung der Heilig-Kreuz-Gemeinde ignoriert. Diese Haltung ist umso unverständlicher, da die Wiederaufbaubefürworter ständig behaupten, dass die Enteignung der Heilig-Kreuz-Gemeinde 1968 Unrecht gewesen wäre. Die logische Konsequenz dieser Haltung wäre aber eine Rückgabe des Garnisonkirchengrundstücks an die Gemeinde, diese wird aber von der Stiftung Garnisonkirche verweigert.

    Den Beitrag Stolpes kann man nun auf zweierlei Weise deuten: Eine Variante wäre, dass Stolpe die Kritiker stärker in das Projekt einbinden will. Eine andere Variante wäre die, dass dieses Projekt auch in kirchlichen Kreisen so umstritten ist, dass er sich zu diesem etwas waghalsigen Bezug auf die Initiative "Schwerter zu Pflugscharen" und den Friedenskampf der Kirche gezwungen sieht. Zudem stellt sich die Frage, welches Gewicht Stolpe in der Stiftung Garnisonkirche eigentlich hat. Auf der Veranstaltung der Stiftung am 11. September jedenfalls war ganz klar von einem originalgetreuen Wiederaufbau des Kirchenschiffs die Rede, und die Fotomontagen der Pro-Kirche-Aktivisten zeigen ja auch das Schiff.

    Schließlich hat sich in der Ausgabe vom 14. September noch die Pfarrerin der Garnisonkirche, Cornelia Radeke-Engst, zu Wort gemeldet. (Die Kirche, Nr. 37/2014, S. 6) Sie bringt nun folgende Argumente:
    Erstens erklärt sie, dass die Nagelkreuzkapelle diverse Veranstaltungen zu den Verbrechen des Naziregimes und die Verstrickungen der Garnisonkirche anbieten würde und dass daher durchaus Versöhnungsarbeit leisten würde.
    Zweitens begründet sie die Forderung nach einem Wiederaufbau des Turmes mit dem Druck aus der Bevölkerung. Viele Potsdamer wünschten sich den "alten Dreikirchenblick" und den Kirchturm von Philipp Gerlach zurück. Moderne Entwürfe hätten die Potsdamer Bevölkerung nicht überzeugt. Daher plädiert sie für "einen neuen Kirchturm, der - anschlussfähig für den Wiederaufbau der Kirche im Inneren - völlig neu gestaltet wird". Diese Aussage hat mich etwas verwirrt, weil nicht klar wird, ob sie nun den alten Kirchturm oder einen völlig neu gestalteten Kirchturm errichten will.
    Drittens kritisiert sie, dass die Initiative "Christen brauchen keine Garnisonkirche" diese ohne Rücksprache mit der Stiftung Garnisonkirche gestartet hätten. Dies wäre "eine imperiale Geste".

    Hier frage ich mich, woraus Frau Radeke-Engst ableitet, dass eine Mehrheit der Potsdamer den Dreikirchenblick und den alten Kirchturm zurück haben will. Eine Bürgerbefragung hatte es zu dieser Frage ja nie gegeben. Auch meine ich nicht, dass man aus Wahlergebnissen auf Zustimmung zu einem konkreten Bauprojekt schließen kann. Ich erinnere nur an den Volksentscheid zum Tempelhofer Feld: Die Mehrheit im Abgeordnetenhaus war für die Bebauung, die Mehrheit der Bürger aber dagegen. Ähnlich war es beim Bürgerentscheid zur Ulrichkirche Magdebuerg: Die Mehrheit im Stadtrat war dafür, aber 76 Prozent der Bürger waren dagegen. Und den Bürgerentscheid zur Eichplatz-Bebauung in Jena haben auch die Gegner gewonnen - obwohl die Mehrheit im Stadtrat dafür war. Daher steht das einzige Argument, was bisher für einen Aufbau des Turmes angeführt wurde, auf sehr wackligen Beinen.

    2 Mal editiert, zuletzt von Klarenbach ()

  • Egal wie mensch zur Garnisonkirche stehen mag, eins finde ich aber wichtig zu bedenken, besonders wenn es sich um Städtebau handelt:
    Wahlergebnisse, insbesondere bei einer Wahlbeteiligung von weniger als 50 %, sind nicht übertragbar auf einzelne Sachentscheidungen! Was einzelne Stadtbauten angeht, können teilweise ungewöhnliche Koalitionen an Wähler*innenschichten auftreten. Und eins ist ja auch klar - nur die wenigsten wählen aus Protest, weil sie sich an einem Thema stören. Es geht immer noch um die Wahl zwischen ganzer Parteiprogramme. Dass ein Bürger*innenentscheid und eine Bürger*innenbefragung verhindert wurde, zeigt doch, dass sich die Befürworter*innen-Seite der Rathauskooperation gar nicht sicher über die Zustimmung seitens der Stadtbevölkerung ist. Eine Mehrheit so oder so sich herbei zu reden, führt zu nichts. Einzig eine Bürger*innenbefragung/Bürger*innenentscheid kann klare Ergebnisse liefern.

  • Wahlergebnisse, insbesondere bei einer Wahlbeteiligung von weniger als 50 %, sind nicht übertragbar auf einzelne Sachentscheidungen!


    Der Verweis auf die Wahlbeteiligung ist mE fragwürdig. Allgemein gilt umgekehrt: Je geringer die Wahlbeteiligung, desto größer der potentielle Einfluss von Protestwählern, Anhängern radikaler Parteien oder Meinungen etc. Ansonsten gilt natürlich, dass man das eine nicht 1:1 auf das andere übertragen kann. Aber es gibt durchaus oft einen gewissen Zusammenhang zwischen Einzelthemen und Wahlergebnissen. Leider wird so etwas in Deutschland nur eher selten nachgefragt und ausgewertet.


    Und eins ist ja auch klar - nur die wenigsten wählen aus Protest, weil sie sich an einem Thema stören. Es geht immer noch um die Wahl zwischen ganzer Parteiprogramme.


    Wieso ist das klar? Alleine die große Zahl an Nichtwählern und Wechselwählern sowie der relativ große Stimmanteil von Parteien wie Piraten oder AfD zeigt mE recht gut, dass es allgemein bei Wahlen ein großes Potential an Protestwählern gibt. Die Programme der Parteien wechseln jedenfalls nicht immer so stark, als dass sich so etwas allein daraus erklären ließe. Ich beschäftige mich seit Jahren mit Politik und habe nicht den Eindruck, dass sich die Menschen alle vorher sämtliche Parteiprogramme durchlesen und miteinander vergleichen. Als Wahlhelfer treffe ich immer wieder auf Leute die selbst bei einer simplen ja-nein-Abstimmung nicht genau kapiert haben worum es geht und sich erst spontan entscheiden. Dein Idealbild in allen Ehren, aber mE hängt viel von Sympathien und durchaus auch mal von polarisierenden Einzelthemen ab. In manchen Ländern wie den USA wo so was bei den Wahlen abgefragt wird, lässt sich das auch belegen. Ich persönlich überlege mitunter auch wegen Einzelthemen ob ich eine Partei wähle oder nicht. Und wenn sich Politiker in meinen Augen unmöglich benehmen, denke ich auch erst mal nach. Natürlich würde ich aber nicht die NPD wählen, selbst wenn sie bei einem einzelnen Thema die gleiche Meinung vertritt wie ich...


    Dass ein Bürger*innenentscheid und eine Bürger*innenbefragung verhindert wurde, zeigt doch, dass sich die Befürworter*innen-Seite der Rathauskooperation gar nicht sicher über die Zustimmung seitens der Stadtbevölkerung ist.


    Das so zu deuten ist ein Ansatz. Aber ich teile ihn nicht, da ich die offizielle Begründung mit juristischen Bedenken durchaus seriös und plausibel finde. In die Köpfe der Politiker kann aber natürlich keiner schauen. Daher zeigt dieser Umstand allein mE nichts.


    Einzig eine Bürger*innenbefragung/Bürger*innenentscheid kann klare Ergebnisse liefern.


    Was für klare Ergebnisse kann man nur so liefern? Repräsentative Meinungsbilder sind billiger zu bekommen und dafür ist dies das verkehrte Instrument. Weiterhin steht es prinzipiell jedem offen eine entsprechende Umfrage in Auftrag zu geben. Allerdings frage ich mich wofür. Rechtlich hätte es so oder so das gleiche Ergebnis gegeben wie jetzt (und das war eigentlich bereits von Beginn an klar). Und auch politisch hätte die Stadt so oder so keine Handhabe gehabt.

  • Wenn man aber in der Konsequenz über jedes genehmigte oder rechtlich zulässige Bauvorhaben eine Volksabstimmung zuliesse wäre der Rechtsstaat schnell am Ende. Gibt es dann die nächste Bürgerbefragung gegen die Matrosenstation, diesmal mit Johannes B. Kerner und Lutz Boede als duo infernale? Das passt doch prima: Boede wettert gegen undemokratische Architektur (Kaiserzeit!), mutmasst der Entschluß den 1. Weltkrieg zu beginnen sei hier gefallen (da gibt's schon einen, der das nachweist). Kerner schimpft gegen die Billigtouristen, die an der Schwanenallee nur "Bier saufen" wollen und verteilt im Auftrage eines Spondors Würstchen. Wen interessiert da schon eine gültige Baugenehmigung...


    Da hat der SPD-Fraktionschef doch Recht: man machte den Bürgern vor sie könnten mitbestimmen, können dies aber nicht (mehr). Da hätten die Kommunisten früher gegen das Leitbautenkonzept stimmen müssen und die Linksalternativen weniger Parties feiern.


  • Hier frage ich mich, woraus Frau Radeke-Engst ableitet, dass eine Mehrheit der Potsdamer den Dreikirchenblick und den alten Kirchturm zurück haben will. Eine Bürgerbefragung hatte es zu dieser Frage ja nie gegeben.


    Hat die gute Frau deiner Darstellung zu Folge auch nicht behauptet. Sie sprach von "Viele". Das ist ein Unterschied. 49% der Potsdamer wären auch viele aber eben nicht die Mehrheit.
    Die Frage bei solchen Feststellungen ist eigentlich auch stets, wen das eigentlich etwas angeht. Wer in Kartzow oder Satzkorn wohnt, wird sich wahrscheinlich nicht so sehr für den "Dreikirchenblick" begeistern können, weil er ihn eh kaum sieht. Darf aber im Falle eines Bürgerentscheids dennoch abstimmen, da sein Haus durch recht bürokratische Verwaltungsakte mittlerweile auf Potsdamer Flur steht.



    Egal wie mensch zur Garnisonkirche stehen mag, eins finde ich aber wichtig zu bedenken, besonders wenn es sich um Städtebau handelt:
    Wahlergebnisse, insbesondere bei einer Wahlbeteiligung von weniger als 50 %, sind nicht übertragbar auf einzelne Sachentscheidungen! Was einzelne Stadtbauten angeht, können teilweise ungewöhnliche Koalitionen an Wähler*innenschichten auftreten..


    Also den Spaß muss ich mir jetzt gönnen.
    In der Sache hast du aber nicht Unrecht. Deshalb plädiere ich auch dafür, Bürgerentscheide nie zusammen mit anderen Wahlen (sei es für Land- oder Bundestag) in der Hoffnung auf eine höhere Wahlbeteiligung durchzuführen. Das Ergebnis wird zwangsläufig verfälscht, wenn Leute nur mal mit abstimmen, weil sie halt grad da sind, aber unter normalen Umstände sich für die Thematik nicht so sehr interessieren, dass sie ihre Poperze zur Wahlurne wuchten würden.

  • @ Plattenbau:


    Wie andere bereits vor mir bemerkt haben, sind die Parteien, die FÜR den Wiederaufbau der Garnisonkirche sind, gestärkt aus Kommunal- und Landtagswahl hervorgegangen, während die LINKE und andere Kräfte, die GEGEN den Wiederaufbau sind, insgesamt deutlich verloren haben.


    Der Anteil der die Rekonstruktion befürwortenden Parteien lag in Potsdam bei der Kommunalwahl (Mai 2014) bei ca. 60-65 %, und bei der Landtagswahl (September 2014) bei ca. 70 %.


    Das sind stabile Mehrheiten.


    Natürlich ging es bei den Landtagswahlen nicht primär um die Garnisonkirche, aber das Kalkül der LINKEN (und anderer Kräfte), das Thema pünktlich zur Kommunalwahl im Mai groß aufzuziehen und bis zur Landtagswahl im September am Köcheln zu halten, um in Potsdam zu punkten, ist eindeutig gescheitert.


    Aber hier soll es ja um [...] Architektur gehen.


    Gut gebrüllt, Löwe. Allerdings warten wir alle noch auf Deinen ersten Beitrag, bei dem es nicht ausschließlich um Politik geht. :D

  • Ich denke die wirklich spanndenden Fragen zur Garnisionkirche werden nicht von PDS und Anderen beeinflusst, oder eben nur sehr indirekt:
    - schafft es die Stiftung innerhalb der noch verbleibenden 5 Jahre der Gültigkeit der Baugenehmigung für den Turm die fehlenden Millionen aufzutreiben?
    - Wann startet das Land Brandenburg die Ausschreibung für die Neuunterbringung des Rechenzentrums an anderer Stelle und macht das Baufeld frei?
    - Gibt es wirklich interessante Ideen zu einem "zeitgenössischen" Kirchenschiff und/oder zur Integration der Mosaike?

  • Zunächst einmal stimme ich zu, dass die Kommunalwahl nicht mit einer Abstimmung über die GK gleich zu setzen ist. Naturgemäß ... (Mod: Zitat gekürzt. Für den gesamten Text das blaue Quadrat anklicken.)


    Die Kommunalwahl fand noch vor dem Theater um die Abstimmung zum Bürgerentscheid statt. Von daher kann sich der Unmut darüber natürlich auch nicht in der Kommunalwahl ausdrücken. Bei der Landtagswahl hat die SPD (und diese wird in Pdm eben als DIE GK-Partei gesehen) in Potsdam über 7% eingebüßt und war dort damit der Verlierer. Woran es lag? Spekulation.
    Ansonsten habe ich die Sätze die ich ähnlich/genauso sehe, fett markiert.
    Auch in der SPD, den Grünen oder der FDP gibt es Leute, die gegen den Aufbau einer GK-Kopie sind. Von daher wäre ich vorsichtig mit diesen Zahlen und der Verabsolutierung.


  • [...] Deshalb plädiere ich auch dafür, Bürgerentscheide nie zusammen mit anderen Wahlen (sei es für Land- oder Bundestag) in der Hoffnung auf eine höhere Wahlbeteiligung durchzuführen. Das Ergebnis wird zwangsläufig verfälscht, wenn Leute nur mal mit abstimmen, weil sie halt grad da sind, aber unter normalen Umstände sich für die Thematik nicht so sehr interessieren, dass sie ihre Poperze zur Wahlurne wuchten würden.


    Das sehe ich ähnlich, und würde ich auch unter einer Bedingung so unterschreiben: ein benötigtes Quorum muss auf ein Mindestmaß gesenkt werden, um Bürgerbeteiligung zu ermöglichen oder ganz abgeschafft werden. Dazu, ähnlich der Schweiz, ein Abstimmungsbüchlein, in dem Pro & Contra ihre Argumente aufzeigen können, und das jedem Wahlberechtigten zugesandt wird.

  • Wenn man aber in der Konsequenz über jedes genehmigte oder rechtlich zulässige Bauvorhaben eine Volksabstimmung zuliesse wäre der Rechtsstaat schnell am Ende.


    Es geht hier aber nunmal nicht um irgendein Bauvorhaben, vergleichbar mit dutzenden anderen, sondern um das die Stadt seit Jahren polarisierende und spaltende. Um einen baulichen Solitär, der das höchste Gebäude der Stadt werden soll. Ich finde, dass man da durchaus auch mal Fingerspitzengefühl und Gespür für die Begehren der Bürger und die Situation als solches zeigen kann. Dies ist nicht verboten.


    München geht dort mit gutem Beispiel voran.
    http://www.sueddeutsche.de/mue…und-nicht-hoeher-1.872228

    München hat entschieden: In der Landeshauptstadt dürfen künftig keine über 100 Meter hohen Gebäude mehr gebaut werden. Im Streit um zwei aktuelle Hochhaus-Projekte gab es eine knappe Mehrheit für die Initiative von Alt-Oberbürgermeister Georg Kronawitter.


    Damit sind zwei vom Stadtrat bereits genehmigte Projekte wohl hinfällig. Dabei ging es um zwei geplante 148 Meter hohe Bürotürme auf dem Siemens-Gelände im Süden der Stadt und ein 146 Meter hohes Gebäude des Süddeutschen Verlags im Osten.

  • Ich denke die wirklich spanndenden Fragen zur Garnisionkirche werden nicht von PDS und Anderen beeinflusst, oder ... (Mod: Zitat gekürzt. Für den gesamten Text das blaue Quadrat anklicken.)



    Hallo Konstantin,


    von diesen Fragen bleibt eigentlich nur die Erste übrig: "schafft es die Stiftung (sprich die Fördergesellschaft) das Geld für den Turm in den verbleibenden fünf Jahren einzuwerben?". Denn der Abriss des Rechenzentrums macht zwar das Baufeld für das Kirchenschiff frei, doch für die momentane Baugenehmigung ist das Rechenzentrum irrelevant. Es bleiben zwar nur ein Meter zwischen Rechenzentrum und Seitenflügel des Turmes, aber bei genauem Bauen sollte das reichen... Dafür spenden kann man einfach, zeitgeistmäßig Abstimmen auch.
    Und Punkt drei wird sich erübrigen, wenn erst der Turm steht. Denn der Turm allein ist unvollkommen. Und die Garnisonkirche so besonders, nicht nur weil sie außen so großartige Proportionen und Kompositionen im Turm aufweist, sondern weil sie insbesondere ein herausragendes Kirchenschiff hatte, welches Außen wiederum unscheinbar erschien, jedoch im Inneren eine ganz wunderbare Raumwirkung entfaltete.


    Zum zurückliegenden Thema, der Lagerzugehörigkeit der Pro- und Kontra-Garnisonkirchenaktivisten. Der Herr "Platt N. Bau" solle doch bitte auch die Entgegnung unserer Standbetreuerin erwähnen: diese hatte nämlich bei der Kontra-Unterschriftensammlung beobachten können, wie sich ein ehemaliger Stasi-Oberst für die Gegner an deren Stand engagierte und seine Vergangenheit überaus lauthals auch postulierte.


    Im Übrigen machen Mitteschön und das Bündnis Potsdamer Mitte (zu dem auch die Fördergesellschaft der Garnisonkirche gehört) mit ihren Plakaten am Stand deutlich, Zitat: "Mitteschön und das Bündnis Potsdamer Mitte sind gegen Rassismus und Intoleranz!"



    Dieses Bild ist urheberrechtlich Geschützt. Da bereits Bilder mit dem Alleinstellungsmerkmal "So oder so?" kopiert und textlich verändert in Facebook wieder hochgeladen wurden, weise ich hiermit ausdrücklich darauf hin, dass dieses Bild Urheberrechtsmerkmale aufweist. Jegliche Kopie, Veränderung, Veröffentlichung etc. bedarf der Genehmigung des Bündnisses Potsdamer Mitte.


    Offensichtlich muss man dann irgendwie anders die Nähe zu rechts außen konstruieren, wenn man es den Pro-Aktivisten nicht direkt unterjubeln kann...


    Grüße
    Luftpost

  • Äpfel und Birnen

    Es geht hier aber nunmal nicht um irgendein Bauvorhaben, vergleichbar mit dutzenden anderen, sondern um [...] einen baulichen Solitär, der das höchste Gebäude der Stadt werden soll. Ich finde, dass man da durchaus auch mal Fingerspitzengefühl und Gespür für die Begehren der Bürger [...] zeigen kann. [...] München geht dort mit gutem Beispiel voran.


    Nicht-Juristen sind gut beraten, sich nicht ständig zu juristischen Sachverhalten zu äußern, die sie nicht verstehen.


    In München wurde die Bausatzung durch o.g. Bürgerentscheid geändert. Die neue Regelung ("Keine neuen Gebäude über 100 Meter") gilt aber für ALLE Münchner Gebäude, auch wenn davon zunächst nur zwei abgeschlossene Planungen betroffen sind. (Die Grundstückseigentümer sind dann ggf. zu entschädigen.)


    Das ist aber etwas völlig anderes, als Du forderst.


    Auch in Potsdam wäre es möglich, eine solche allgemeine (sog. "abstrakt-generelle") Bestimmung per Bürgerentscheid zu ändern. Nicht möglich ist es aber, die Bürger über ein einzelnes privates Bauvorhaben abstimmen zu lassen, das bereits genehmigt wurde. Eine zulässige Frage wäre daher: "Sollen alle Rekonstruktionen im Altstadtbereich unterbleiben?" Nicht zulässig wäre dagegen: "Soll die Rekonstruktion der Garnisonkirche unterbleiben?"


    Warum das so ist, erkläre ich bei Bedarf gerne.

    4 Mal editiert, zuletzt von Carlo ()

  • Pfarrer der Heilig-Kreuz-Gemeinde für Rekonstruktion des Turmes

    Im Streit um den Wiederaufbau hat sich nun Martin Kwaschik, der langjährige Pfarrer der Heilig-Kreuz-Gemeinde, die Rechtsnachfolgerin der früheren Garnisonkirchengemeinde, zu Wort gemeldet. Den Potsdamer Neuesten Nachrichten sagte der Geistliche, dass man wie beschlossen nur den Turm der 1968 auf Geheiß des DDR-Regimes gesprengten Kirche originalgetreu wiederaufbauen soll. Für das Schiff des Gotteshauses solle man aber zum Beispiel eine Glas-Stahl-Konstruktion entwerfen, so der 62-Jährige. Er betonte, dass er damit für Pläne zum Wiederaufbau plädiere, die schon vor dem "Ruf aus Potsdam" bestanden, mit dem vor zehn Jahren mehr als 100 hochrangige Persönlichkeiten aus Brandenburg und Berlin zum vollständigen Wiederaufbau der Garnisonkirche aufriefen. Gerade für das Schiff sei eine kreative Lösung nötig, etwa für öffentliche Veranstaltungen des geplanten Versöhnungszentrums, und mit einer Glaskonstruktion könne man symbolisch Transparenz zeigen, so Kwaschik. Zugleich kritisierte er die neugegründete Initiative um den Theologen Friedrich Schorlemmer, deren veröffentlichte Erklärung einen militanten Ton habe. Der Pfarrer im Ruhestand stellte noch einmal klar, dass man ein Gebäude für seine Geschichte nicht haftbar machen kann. Generell seien in der NS-Zeit zwar viele Kirchen mit Hitlerbildern geschmückt gewesen, in der Garnisonkirche habe es das seines Wissens jedoch nicht gegeben. Außerdem wies Kwaschik darauf hin, dass mehrere Verschwörer des Attentats vom 20. Juli 1944 in der Garnisonkirchengemeinde aktiv waren. Er erinnerte auch daran, dass die Gemeinde nach der ideologisch motivierten Sprengung des Gotteshauses enteignet wurde und nur eine geringe Entschädigung erhielt. Für ihn sei dies ein Grund, sich heute für den Wiederaufbau des Turmes einzusetzen.


    http://www.pnn.de/potsdam/894539/

  • Zum zurückliegenden Thema, der Lagerzugehörigkeit der Pro- und Kontra-Garnisonkirchenaktivisten. Der Herr "Platt N. Bau" solle doch bitte auch die Entgegnung unserer Standbetreuerin erwähnen: diese hatte nämlich bei der Kontra-Unterschriftensammlung beobachten können, wie sich ein ehemaliger Stasi-Oberst für die Gegner an deren Stand engagierte und seine Vergangenheit überaus lauthals auch postulierte.


    Ja, möglich. Das muss ich weder gutfinden noch unterstützen.


    Im Übrigen machen Mitteschön und das Bündnis Potsdamer Mitte (zu dem auch die Fördergesellschaft der Garnisonkirche gehört) mit ihren Plakaten am Stand deutlich, Zitat: "Mitteschön und das Bündnis Potsdamer Mitte sind gegen Rassismus und Intoleranz!"


    Und trotzdem kommen Leute und unterschreiben dort mit einem "Ich wünsche mir den Hitler zurück". Naja, man kann sich seine Unterstützer halt nicht aussuchen.


    Dieses Bild ist urheberrechtlich Geschützt. Da bereits Bilder mit dem Alleinstellungsmerkmal "So oder so?" kopiert und textlich verändert in Facebook wieder hochgeladen wurden, weise ich hiermit ausdrücklich darauf hin, dass dieses Bild Urheberrechtsmerkmale aufweist. Jegliche Kopie, Veränderung, Veröffentlichung etc. bedarf der Genehmigung des Bündnisses Potsdamer Mitte.


    Na, ob das Alleinstellungsmerkmal "So oder so?" ausreichend ist, um die zu erklimmende Schöpfungshöhe zu erreichen, lassen wir mal lieber dahingestellt. :D


    Offensichtlich muss man dann irgendwie anders die Nähe zu rechts außen konstruieren, wenn man es den Pro-Aktivisten nicht direkt unterjubeln kann...


    Ich gebe nur wieder, was ich erlebe. That's life.