Potsdam: Wiederaufbau der Garnisonkirche (Bauthread)

  • So ganz nebenbei möchte ich daran erinnern, dass - nach jahrelanger Diskussion - bei der Kommunalwahl in Potsdamen die Parteien, die den Wiederaufbau ausdrücklich befürworten, eine breite Mehrheit gefunden haben und die Sozialisten auf 25 % abgesackt sind. Daran ändert sich auch nichts, wenn man die leichten Gewinne der "Andere", deren Selbstverständnis eher im linksalternativ-anarchistischen Bereich liegt, saldiert.


    Deshalb handelte jede Rathauskooperation, die sich für einen GK-Aufbau einsetzt, mit voller Übereinstimmung der Mehrheit der Wähler, denn aus ihren Positionen pro oder anti GK hatten die teilnehmenden Wählergruppierungen und Parten vor der Kommunalwahl keinen Hehl gemacht.

  • @ jan85 Ich kann Ihnen in einigen Punkten Recht geben, andere muss ich doch kommentieren oder korrigieren.



    ... Das ist in meinen Augen also ein klarer Missbrauch des Instruments.

    Wenn dies ein Missbrauch wäre, so steht ihnen der Rechtsweg offen. Das Rechtsamt der Stadt Potsdam hingegen hat die Gültigkeit im Vor-wie Nachhinein bestätigt. Nur weil der Bürgerentscheid Ihnen persönlich nicht zusagt, kann man nicht gleich einen Missbrauch konstruieren.


    Für repräsentative Meinungsbilder gibt es Umfrageinstitute. Politische Abstimmungen hingegen sollen Entscheidungen herbeiführen. Direkte Demokratie kann - dort wo die Kommune zuständig ist - durchsetzen, dass die Kommune im Sinne der Bevölkerung handeln muss (vgl. Bürgerentscheid zu Tempelhof). In unserem konkreten Fall bedeutet das lediglich, dass Potsdam die Stiftung nicht weiter unterstützt und keine kommunalen Steuergelder in das Projekt fließen.

    Richtig! Aber in unserem konkreten Fall bedeutet korrekterweise, dass die Stadt Potsdam sich für die Auflösung der Stiftung einsetzen muss! Von ein "nicht weiter unterstützt" oder "keine kommunalen Steuergelder" lese/weiß ich nichts.

    Aber in diesem Zusammenhang von einer möglichen demokratischen Mehrheit gegen die Reko zu sprechen und dem Bauherren mit dem Entzug kommunaler Förderung zugleich die Pistole auf die Brust zu setzen/ dem Projekt die Legitimität abzusprechen ist unredlich.


    Ich habe nie behauptet, dass es tatsächlich ein Mehrheit gegen eine Rekonstruktion gibt. Ich fordere, dass die Stadt dies mittels einer Ja/Nein Frage demokratische herausfindet. Ein Indiz dafür, dass die Mehrheiten in der Stadt nicht so klar verteilt sind, wie hier im Forum, ist das Verhalten des Oberbürgermeisters mit der Annahmen des Bürgerbegehrens auf seinen eigenen(!) Antrag hin. Denn rein rechtlich wären für ihn die Konsequenzen aus der Annahme des Bürgerbegehrens oder einem erfolgreichen Bürgerentscheid, gleich gewesen. Alleinig die Festellung der wahren Mehrheit in der Stadt ist der Unterschied. Und dieses Risiko war ihm zu hoch und deshalb ist es NICHT unredlich den hypotetischen Fall zu betrachten, die Potsdamer wären gegen die Rekonstruktion der Garnisonkirche. Im übrigen haben die Initiatoren immer gesagt, dass bei einer Mehrheit pro Garnisonkirche sie Ergebnis respektieren würden.


    Wenn die Spenden zusammen kommen, braucht das Projekt auch bei einer hypothetischen geringen Zustimmung der Bevölkerung von 40% oder 20% keine zusätzliche Legitimität.

    Dies gilt für einem Königsreichssaal neben dem Sterncenter. Nicht für das Leuchtturmprojekt der ev. Kirche, der Höhendominate des Potsdamer Stadtbildes. Dieses Projekt wurde von Herrn Huber zu nationaler Bedeutung erhoben. Bei diesem Bedeutung hat der Souverän sehr wohl ein Wörtchen mitzureden!


    Minderheitenschutz, so wie sie ihn einfordern gilt sich für jegliche religiöse Aktivitäten. Doch hier handelt es sich um ein Elitenprojekt unserer Gesellschaft. Hier kulminiert sich die protestantische Hautevolee, garniert mit Adel und Militär. Die Unterstützung durch den Staat hat sich Kirche im Kirchenstaatsvertrag festgeschrieben. Jetzt kommen noch 12 Millionen Sahne obendrauf. Wohlgemerkt, weil hier immer die Vorstellung aufkommt, man könnte das Gebäude auch anders nutzen, es ist eine kirchliche Stiftung unter kirchlicher Aufsicht mit dem Stiftungsziel eine Kirche zu bauen und zu betreiben. Soll im Turm etwas anderes stattfinden, wird man die Satzung der Stiftung ändern müssen.


    Zum Schluss möchte ich noch den Link zum aktuellen Zeit-Artikel "Der Turmbau zu Potsdam" nachreichen.

  • Doch hier handelt es sich um ein Elitenprojekt unserer Gesellschaft. Hier kulminiert sich die protestantische Hautevolee, garniert mit Adel und Militär.


    Genau die gleichen Sprüche gab es erst vor wenigen Seiten, geht das denn schon wieder von Vorne los?


    Von unseren Militäradel-Ghostbusters wahrscheinlich unbemerkt, wurde in Frankfurt/Oder (das ist doch auch Brandenburg?) die St. Marienkirche wiederhergestellt - begonnen übrigens noch 1974. So sei "ein weiterer hervorragender Anziehungspunkt für Touristen" entstanden - schöne Bilder unter dem Link. Einer Grafik nach stammte zuletzt das allermeiste Geld von der EU, vom Bund und Bundesstiftungen, vom Land Brandenburg und von der Stadt selbst. Private Spender steuerten demnach 500 Tsd. EUR von insgesamt 3 Mio. EUR bei.


    Ich würde vorschlagen, Potsdam veranstaltet eine Volksabstimmung, ob man auf unseres Bundes-Geld einfach tutti completti verzichten sollte (also alle Töpfe, nicht nur der Wiederaufbau der Kirche bzw. des Turms) - es ist ja kapitalistische Kohle, u.a. mit militaristischen Waffenexporten erwirtschaftete oder auch durch Medien, die so oft Adel-Promis zeigen. Dann kann man das Geld dorthin leiten, wo man dankbar wird statt wüst zu schimpfen. Irgendwann reicht's wirklich.


    BTW: Sollte die Kirche jemals tatsächlich irgendwelche Adlige anziehen, hätte man sich nur freuen können. Von dem Kaff Monaco etwa hätte nie jemand etwas gehört, hätte das kleine Land nicht in jeder Generation mindestens eine mediengerechte sexy Prinzessin gehabt. So kann ich nicht mal meine Fernsehzeitschrift kaufen, ohne im Vorbeigehen von den Illustrierten-Titelseiten etliche Details über Prinzessin Charlene und ihre Schwägerinnen zu erfahren. Da hat man in Deutschland einen medialen Wettbewerbsnachteil, würde ich sagen.

    Einmal editiert, zuletzt von Bau-Lcfr ()

  • Das Rechtsamt der Stadt Potsdam hingegen hat die Gültigkeit im Vor-wie Nachhinein bestätigt.


    Die Abstimmung ist ja auch gültig! Weil die Frage logischerweise entsprechend formuliert wurde. Lies doch einfach mal nach wie die Frage genau lautet ;) Daraus kann man natürlich auch eine generelle Mehrheit für oder gegen das Projekt ableiten, aber es geht eben bei der Abstimmung nicht darum diese festzustellen oder in einer anderen als der Abstimmungsfrage Druck auszuüben. Der Auftrag ist klar und lautet wie Du selbst erklärst:


    Aber in unserem konkreten Fall bedeutet korrekterweise, dass die Stadt Potsdam sich für die Auflösung der Stiftung einsetzen muss! Von ein "nicht weiter unterstützt" oder "keine kommunalen Steuergelder" lese/weiß ich nichts.


    Das ist formal korrekt. Aber wie es aussieht, wird die Stadt die Stiftung nicht auflösen, sondern sich allenfalls zurücknehmen können (selbst da ist mW nicht ganz klar inwiefern sie überhaupt wieder aus der Stiftung herauskommen kann). Von daher ergibt sich das eine aus dem anderen.


    Ein Indiz dafür, dass die Mehrheiten in der Stadt nicht so klar verteilt sind, wie hier im Forum, ist das Verhalten des Oberbürgermeisters mit der Annahmen des Bürgerbegehrens auf seinen eigenen(!) Antrag hin. Denn rein rechtlich wären für ihn die Konsequenzen aus der Annahme des Bürgerbegehrens oder einem erfolgreichen Bürgerentscheid, gleich gewesen. Alleinig die Festellung der wahren Mehrheit in der Stadt ist der Unterschied.


    Der Bürgermeister hat sein Abstimmungsverhalten mit seinen (mE plausiblen) rechtlichen Bedenken gegen den Inhalt der Abstimmungsfrage erklärt. Das kann man jetzt deuten wie man will, aber es war klar, dass die Gegner des Projektes das so deuten wie Du. Im Übrigen kann man eine Mehrheit wie gesagt billiger und angemessener feststellen als durch einen Bürgerentscheid. Wobei Du ja selbst zugibst, dass man das Instrument nur nutzen wollte, um mehr Druck aufzubauen (eine Legitimität des Projekts in Frage zu stellen). Das rechtliche Ergebnis wäre hingegen wie Du selbst sagst auch bei einer Mehrheit exakt das gleiche wie jetzt.


    Dieses Projekt wurde von Herrn Huber zu nationaler Bedeutung erhoben. Bei diesem Bedeutung hat der Souverän sehr wohl ein Wörtchen mitzureden! [...] [H]ier handelt es sich um ein Elitenprojekt unserer Gesellschaft. Hier kulminiert sich die protestantische Hautevolee, garniert mit Adel und Militär.


    Auch der wiederholte Pathos gemischt mit buzz-words wie "Volkeswille" und "Elitenprojekt" nebst aller sonstiger Unterstellungen ändert rein gar nichts daran, dass das Volk hier nichts (mehr) direkt entscheiden kann. Es kann natürlich seine Meinung zum Ausdruck bringen und dann auf ein Entgegenkommen hoffen, aber eben nichts erzwingen. Damit will ich aber nicht automatisch sagen, dass es mir völlig egal ist was das Volk will. Wenn es zu einer Bürgerbefragung kommt und sich Entsprechendes aus der Fragestellung ableiten lässt, sollte die Stiftung mE schon darauf achten wie groß die Ablehnung des Projektes wirklich ist. Eine relativ knappe Mehrheit gegen das Projekt fände ich persönlich dann aber nicht unbedingt ausschlaggebend - eben weil es hier in der Tat keine demokratische Wahl/ Entscheidung gibt, sondern ein Meinungsbild. Und da kann man hypothetische 53% Ablehnung auch als relativ hohe Zustimmung werten. Eine hypothetische Ablehnung von 95% wäre da schon etwas anderes. Aber letztlich müsste auch dann allein die Stiftung entscheiden wie es weiter geht. Wenn die Spenden zusammenkommen! Denn wenn es kein Geld gibt, erlischt das Baurecht.


    Was Deine Zweifel an der Nutzung des Projekts für ein Versöhnungszentrum angeht, kann ich nicht viel beitragen. Ich habe mich bisher darauf verlassen, dass dieses Zentrum nicht nur versprochen wurde, um dann doch alle Räumlichkeiten permanent und allein für religiöse Zwecke zu nutzen. So einen Täuschungsversuch hätten die Gegner des Projekts doch längst offen angegriffen...


    Edit: Off Topic@Libero (s.u.): Mich stört so etwas überhaupt nicht und ich mache es in einzelnen Fällen selbst so. Wobei die Negativkommentare hier ja nur seinen Stil und nicht den Inhalt betreffen und daher in der Tat uninteressant für die eigentliche Diskussion sind.

  • Potsdamer: findest Du es nicht ein wenig albern die Negativkommentare hier dauerhaft zu veröffentlichen? Solche Reaktionen müssen hier alle einstecken, die austeilen können. Im übrigen auch ich. Antwort gern auch als PN an mich.


    Edit: jan85 (^^ siehe Edit oben): Stören tuts mich auch nicht, einzelne Bemerkungen mach ich ja auch, aber wenn das Schule macht hier auf dem Board, dann kriegen wir Spaß - vor allem, wenn dann hier noch angefangen wird, drüber zu diskutieren. Allein Klarenbachs und meine Negativ-Renomeekommentare mit anschließender Ausdiskutiererei würden hier ja Seiten füllen..... ;)

    3 Mal editiert, zuletzt von libero ()

  • libero: Ich finde die Kommentare und der Tonfall sprechen für sich selbst und deren Veröffentlichung könnte zu einem angenehmeren, respektvolleren Umgang miteinander führen. Persönlich lege ich keinen übermäßigen Wert auf ein hohes Rating. Sie (Mehrzahl) müssen mich aber auch nicht gleich unter -150 stucken ;)

  • Ich will nur daran erinnern, dass auf dem Standort der ehemaligen Garnisonkirche keine Kirche, sondern ein Zentrum für Frieden und Versöhnung errichtet werden soll. Und das ist jetzt nicht meine Meinung, sondern das Ziel der Stiftung Garnisonkirche, wie es etwa von Manfred Stolpe vertreten wird. Für die Religionsausübung wird dieses Gebäude gerade nicht benötigt, dafür gibt es schon genug andere Gebäude, wie etwa die Nikolaikirche. Auch dies ist die Aussage der Stiftung Garnisonkirche. Daher greifen die Argumente der Gewährung der Religionsfreiheit und des Minderheitenschutzes hier nicht.


    Hier geht es um etwas völlig anderes - um einen Gedenkort an die Opfer der Nazibarbarei und ein Zentrum, an dem die Versöhnung mit diesen gefördert werden soll. Auch in dieser Frage gibt es einen Konsens. Einen Dissens gibt es eigentlich nur bei der konkreten baulichen Form. Und über die Gestaltung dieses Zentrums ist eine breite öffentliche Debatte und eine Bürgerbefragung absolut legitim und notwendig.

  • Klarenbach: Danke für die Klarstellung! So hatte ich es zunächst auch verstanden, aber es hat mich verwirrt dass immer wieder Argumente gegen eine neue Kirche auf Kosten der Steuerzahler gab. Auch die FAZ zitiert ja Menschen in dieser Richtung. Ich hatte daher angenommen, dass der Bau für beides genutzt werden soll. So hingegen entfällt nicht nur das Argument mit dem Minderheitenschutz, sondern der ganze Aspekt der Religion (der mich erst zu diesem Argument veranlasst hatte). Wenn Konsens über den Inhalt besteht und es nur um die Form geht, ist das mE ähnlich gelagert wie beim Humboldt-Forum wo ja auch viele weiter schreiben es sei die Wiedergeburt des Stadtschlosses weil sie Hülle und Inhalt gleich setzen. Zumal in beiden Fällen eine positive und fortschrittliche Botschaft mit einer alten Hülle verbunden wird. Ich persönlich empfinde diese Dialektik als besonders gelungen und Mehrwert für das zu erreichende Ziel, auch wenn sich so die Funktion der Form unterordnen muss. Auf jeden Fall ist damit der Vorwurf entkräftet, man wolle mit der alten Architektur auch das alte Denken zurückholen.

  • Dieses Projekt wurde von Herrn Huber zu nationaler Bedeutung erhoben. Bei diesem Bedeutung hat der Souverän sehr wohl ein Wörtchen mitzureden!


    Nein, das hat er nicht (mehr).


    Denn die Gelegenheit dazu ist - wie bereits dargelegt - spätestens mit dem Erlass des gültigen Baubescheides verstrichen.


    Die Grundsatzentscheidung für die Wiederherstellung des historischen Stadtbildes von Potsdam wurde doch durch die Stadtverordnetenversammlung vor einigen Jahren getroffen und wurde danach in die entsprechenden Rechtsformen "gegossen" (Bau- und Gestaltungssatzungen, auf deren Grundlage dann die Baugenehmigungen für die betroffenen Grundstücke erteilt wurden).


    Dass diese Grundsatzentscheidung nahezu zwingend bedeutet, dass zwar nicht jedes Einzelgebäude, aber zumindest die historischen Leitbauten wie eben die Garnisonkirche rekonstruiert werden, ist doch auch klar.


    Wenn aber jedes dieser Einzelprojekte nachträglich wieder durch einen Bürgerentscheid gestoppt werden könnte, würde die Grundsatzentscheidung der Stadtverordnetenversammlung ad absurdum geführt.

  • Hier geht es um etwas völlig anderes - um einen Gedenkort an die Opfer der Nazibarbarei und ein Zentrum, an dem die Versöhnung mit diesen gefördert werden soll. Auch in dieser Frage gibt es einen Konsens. Einen Dissens gibt es eigentlich nur bei der konkreten baulichen Form. Und über die Gestaltung dieses Zentrums ist eine breite öffentliche Debatte und eine Bürgerbefragung absolut legitim und notwendig.


    Das wäre nur dann der richtig, wenn es sich erstens um ein öffentliches Grundstück handelte und zweitens primär um die Errichtung eines Gedenkortes darauf ginge.


    Das ist aber beides nicht der Fall:


    1. Das Grundstück befindet sich meines Wissens nicht im öffentlichen Eigentum, das heißt, ob und wenn ja, was dort gebaut wird, entscheidet im Rahmen des Baurechts grundsätzlich der private Eigentümer, nicht Stadt/Land/Bund und schon gar nicht "die Öffentlichkeit", und ...


    2. Baurecht besteht für die Wiederherstellung der Garnisonkirche in ihrer ursprünglichen Gestalt.


    Zur Frage der Nutzung hat die Stiftung erklärt, die Kirche nicht nur für religiöse Zwecke, sondern auch als Gedenkort zu nutzen. Das ist m. E. löblich, hat aber mit der Frage, wie sie von ihrem Baurecht Gebrauch macht (d. h., ob sie die Garnisonkirche voll- oder teilrekonstruiert) nichts zu tun.

    Einmal editiert, zuletzt von Carlo ()

  • @ Jan85:


    Soviel ich weiß, haben die Stiftung und die Kirche (als spätere Hauptnutzerin) erklärt, dass die wiederhergestellte Garnisonkirche sowohl für religiöse Feiern als auch als Gedenkort genutzt werden soll.


    Meiner Meinung nach ist das die richtige Mischung.

  • @ Klarenbach


    In dem Punkt, dass eine breite öffentliche Debatte über die Gestaltung dieses Zentrums legitim ist, bin ich bei Dir. Und auch, dass es sich im Wesentlichen um ein Zentrum für Versöhnung und Toleranz handelt und dieser Anspruch inherent in sich selber ein öffentlicher ist. Das wird auch dadurch dokumentiert, dass der Bund sich finanziell engagiert. Wie sollte er das begründen, wenn nicht dadurch, dass öffentliche Belange hier vorliegen.


    Um eine Debatte über die Gestaltung und vielleicht auch die inhaltliche Form zu führen ist es notwenig, eine gewisse Haltung einzunehmen, denke ich. Eine Haltung, die sehr von Schwarz/Weiß geprägt ist in ihrer Denkweise, in der es Gegner und und Lager gibt, ist hier weniger hilfreich. Wäre da nicht ein Dialog in gegenseitigem Respekt und in einer wohlwollenden Grundhaltung nicht viel angemessener? Gerade bei einem Zentrum, welches inhaltlich solche Werte wie Toleranz und Versöhnung verkörpern soll?


    Ein Dialog und weniger eine Diskussion, in dem Sinne des Wortes, dass lat. "discutio" auf deutsch "zerschlagen" bedeutet. So kommt es mir nämlich manchmal hier und auch in Potsdam bei diesem (und anderen Themen) vor.


    Ein Alternativvorschlag wäre zum Beispiel in meinen Augen ganz hilfreich und konstruktiver, als sich darauf zu beschränken, gegen die Wiedererrichtung des Turms zu sein, oder nicht?


    Dann könnte man gleich sehen, was so möglich ist, und so ganz persönlich, ich glaube es ist nicht so einfach ein besseres Gestaltungskonzept zu präsentieren als die Wiedererrichtung der barocken Form. Doch lasse ich mich gerne überraschen.


    Eine Bürgerbefragung, wie auch das Begehren, sind inhaltlich doch eher arm und sehr im Schwarz/Weiß gefangen, wenn sie nur ein Für oder Wider (oder dies sogar nur indirekt) bezüglich eines Wiederaufbaus Kirche zur Wahl stellen.


    Und auch einen Dialog über das inhaltliche Konzept zum Zentrum kann ich mir gut als bereichernd vorstellen. Die Stiftung kann davon nur profitieren, oder nicht?


    Somit wäre es doch ganz schlüssig, bei der Bürgerbefragung die verschiedenen Alternativen ebenso zur Wahl zu stellen. So könnte man sich dort auch eine Turnhalle wünschen, oder einen Gegenentwurf mit einem modernen Gebäude entgegensetzen.


    Das wäre eine viel validere Befragung, da dagegen sein, einfach ist, aber Abwägen zwischen verschiedenen Möglichkeiten dann doch mehr Reflektion erfordert.


    Die Stiftung hingegen hätte die Möglichkeit zu zeigen, dass sie von der Kraft ihrer Vorstellungen überzeugt ist, im Vergleich zu dem, was bei den Befürwortern eines Potsdam ohne Garnisionkirche an gestalterischem Potential liegt.

    Einmal editiert, zuletzt von Dunning-Kruger () aus folgendem Grund: Orthographie

  • Klarstellung

    Die Behauptung, die Garnisonkirche solle nach ihrem Wiederaufbau "nur" als internationales Friedens- und Versöhnungszentrum genutzt werden, ist so nicht richtig. In der Stiftungssatzung heißt es unter § 2 ausdrücklich, dass daneben auch eine Nutzung als evangelische Kirche vorgesehen ist. Somit sind die in Bezug auf eine mögliche Verletzung der Religionsfreiheit und des Minderheitenschutzes erhobenen Vorwürfe berechtigt.


    Quelle: http://garnisonkirche-potsdam.…atzung-akt.-genehmigt.pdf

  • Das Rechtsamt der Stadt Potsdam hingegen hat die Gültigkeit im Vor-wie Nachhinein bestätigt. Nur weil der Bürgerentscheid Ihnen persönlich nicht zusagt, kann man nicht gleich einen Missbrauch konstruieren.


    Die rechtliche Prüfung obliegt immer noch der Verwaltungsgerichtsbarkeit und keinem "Rechtsamt", davon abgesehen reden wir hier natürlich nicht von rechtsmißbräuchlicher Verwendung im juristischen Sinne. In Kombination mit den Leitplanken des Grundgesetzes, die stets also auch bei kommunalen Angelegenheiten wertungsmäßig mit einzubeziehen sind, ist der Sinn und Zweck eines Plebiszites natürlich nicht "Volkes Furor" zu erfassen und gegen einzelne Bürger oder Organisationen zu richten. Sondern in relevanten Einzelfällen dem Souverän zu ermöglichen Fragen allgemeinen Belanges zu regeln. Schließung eines Freibades im Kleinen bis hin zur Einführung eines öffentlichen Rauchverbotes (Bayern) durch Landesrecht.


    Wie auch Entscheidungen repräsentativer Parlamente, an deren Stelle der Bürger im Einzelfall tritt, ist es nicht Sinn und Zweck eines Plebiszites in Privatautonomie, gar Religionsausübing, einzugreifen noch an die Stelle des Rechtsweges zu treten. Denn im Rechtsstaat sind einmal korrekt von staatlichen Organen getroffene Entscheidungen für ihn natürlich verbindlich, wo kämen wir sonst hin. Nur die Verwaltungsgerichtsbarkeit kann, sollte die Korrektheit in Frage stehen, dann noch etwas ändern. Sich an diesen Modus Vivendi zu halten, auch wenn die Buchstaben des Gesetzes einem mehr Handhabe geben mögen, heißt für mich verantwortlicher Umgang mit Plebisziten (auch Parlamente unterliegen kaum expliziten Einschränkungen und gehen mit dieser Vollmacht, von Ausnahmen die vor höchsten Gerichten landen einmal abgesehen, in der Regel entsprechend verantwortlich um).


    Das hätten sich die Gegner halt früher überlegen müssen (bevor die entsprechenden Entscheidungen gefallen sind), wer Fristen verpasst hat im Rechtsverkehr halt Pech gehabt und wenn man noch so jammert, das wusste schon Gorbatschow zu bemerken. Das ist im Interesse jeden Bürgers, denn jeder hat ein Interesse an Rechtssicherheit, jeder, der gerade noch in der Rolle des "Angreifers" ist, kann in der nächsten Frage in der umgekehrten Rolle sein. Schon aus diesem egoistischen Kalkül ist jeder angehalten einmal korrekt getroffene Entscheidungen nicht immer wieder aufzuschnüren, zumal es hier nicht um den Weltfrieden geht sondern ein lokales Bauprojekt. Das respektiert auch jede neue Regierung, die üblicherweise keine Revision vorheriger Politik betreibt.


    Das Hin und Her beim Atomausstieg als plakative Ausnahme, wo die Relevanz, die diesen Ausnahmecharakter rechtfertigt, ja evident ist - das ist und bleibt aber die wohlbegründete Ausnahme, für die ich hier keine Grundlage sehe, denn es ist und bleibt im Kern eine banale architektonische Geschmacksfrage (nicht an Projekt oder Baumasse entzündet sich Streit sondern an der bloßen Rekonstruktion); historisierende Architektur hat es bei der politisch dominanten Altersgruppe der alt68er enorm schwer. Weil sich über Geschmack aber letztlich nicht streiten lässt wurde das von den Gegnern auf einem großen Popanz aufgegangen, der komplett abwegig ist, Militär usw. Tja, dann muss man sich umgekehrt halt gefallen lassen, wenn andere - in meinen Augen weitaus greifbareren - Popanz mit Religionsfreiheit usw aufbauen. Selbst Popanz aber von Andersdenkenden Augenmaß und Pragmatismus einfordern passt halt nicht zusammen. Entweder konsequent am großen Rad drehen.. Oder eingestehen, dass man sich da etwas verstiegen hat und hinnehmen, dass es nicht immer nach dem eigenen Kopf geht. Das wäre, fernab allen Pathos, in meinen Augen schlicht eine reife Haltung.

  • Hallo in die Runde, ich lese hier mitunter mit und habe mich nun doch entschlossen, mich anzumelden. Vor allem, weil ich mitunter einige Dinge geraderücken möchte. Ich hoffe, wir vertragen uns und können verschiedene Meinungen aushalten.


    Dunning-Kruger


    Eine Bürgerbefragung ist kein Workshop und keine Zukunftswerkstatt. In der Hauptsatzung der Stadt Potsdam ist festgelegt, dass Fragen so gestellt werden müssen, dass sie mit JA oder NEIN beantwortet werden können.

  • Und darin liegt doch kein Hindernis, mehrere Alternativen zur Auswahl zu stellen? An Stelle eines einfachen Pro oder Contra der Wiedererrichtung der Garnisionkirche? Oder irre ich mich?

  • Die Bürgerbefragung zum Stadtschloss wurde ja für grobe methodische Fehler kritisiert. Erst danach wurde eine Regelung in die Hauptsatzung aufgenommen. Diese soll gerade verhindern, dass Stimmen auf verschiedene Varianten aufgesplittet werden. Gegen eine Bürgerbefragung ist nichts einzuwenden. Aber die Frage kann dann nur lauten: Sind Sie für eine originalgetreue Kopie der Garnisonkirche nach historischem Vorbild?

  • Übrigens wäre solch eine Abstimmung in den Mutterländern direkter Demokratie mit langer Tradition, Schweiz und USA, genauso wenig möglich. Das liegt nicht am pösen Deutschland sondern a) an föderaler Zuständigkeit und b) daran, dass Grundrechte in einer Demokratie kein frei disponierbarer Gegenstand von Mehrheitsentscheudungeb sind (eben KEINE "Volksherrschaft"/"Diktatur der Mehrheit").


    Glaubensgemeinschaften sind nicht von Außenstehenden in Fragen der Religiobsausübung zu bevormunden, die sich im Rahmen der FDGO bewegen. Sei es die schiere Gestaltung einer Glaubensstätte, egal zu welchem Prozentsatz sie als solche bzw auch anderweitig offen steht (ich finde es schon ein starkes Stück der Kirche ihre Bereitschaft an diesem historisch vorbelasteten Ort auch eine öffentliche Begegnungsstätte einzurichten dann dazu heranzuziehen dem Gebäude den sakralen Charakter abzusprechen, Liberalität als Angriffspunkt, wenn das Schule macht werden sich Religionsgemeinschaften wieder für die Öffentlichkeit verschließen).


    Mich bedrückt wie larifari mit diesen sehr grundsätzlichen Problemen in der Causa Garnisonskirche umgegangen wird.

    Einmal editiert, zuletzt von Eisber ()

  • Wilkommen im Forum, Lutz.


    Welche "schweren methodischen Fehler" soll denn die Bürgerbefragung zum Standort des Landtages gehabt haben, die so gar nicht in deinem Sinne ausgegangen ist?