Friedrichstraße

  • Also zum Erinnern sind nun wirklich Museen, Feier- und Gedenktage und Paraden oder so da, aber Architektur entwickelt sich halt. Und wenn es momentan schick ist modern zu bauen aber auch zu rekonstruieren ist das doch in Ordnung. Und ich seh es genauso dass man nur des Gedenkens wegen hässliche Gebäude oder dgebilde wie den Todesstreifen nicht komplett stehen lassen muss.

  • semper
    Berlin hat das Recht zu gesunden, find ich doch auch. Und gesund ist, was preussisch ist, aber das darf man hier nicht so laut sagen. Ich hab nur versucht die Argumentationsweise der Modernisten bzw. Antirekonstruktionisten darzustellen. Und die bemängeln nicht ganz zu unrecht, das ein Pariser Platz in seiner heutigen Form nur eine Replik ist, frisch vorgetäuschte Vergangenheit. Schick aber letztlich unecht. Ich selber hab damit kein Problem. Von mir aus können auch noch die letzten Mauerreste an der EastSideGallery abgeräumt und durch falsche Palais ersetzt werden. Echte Berliner haben im Allgemeinen das geringste Verlangen danach, an diesen Teil ihrer Geschichte erinnert zu werden, schliesslich waren sie selber mit dabei. Zu solchen Klagen, für die Touris gäbe es kaum noch was zu sehen von der Mauer, sag ich immer: Hätten sie halt vor 1989 kommen oder gleich nach Jerusalem weiter fahren sollen.


    Ich ziehe ein Disneyland der Geschichte dem echten Baugeschehen nach dem Krieg in Ost- und Westberlin (ob aufgezwungen oder nicht) allemal vor. Nur liege ich da eben auch im Konflikt mit einer allgemein verbreiteten Ansicht in unserem wiedervereinigten Stunde-Null-Deutschland. Viele, vielleicht sogar eine Mehrheit der Deutschen glaubt, Zivilisation gibt es erst seit 1945, alles davor auch vor den Nazis war im wesentlichen Barbarei. Ich denke die gute Zeit war die vor 1933 und noch vor 1871, danach ging es schöpferisch und intellektuell im wesentlichen stetig bergab. Abhängig von der persönlichen Sicht auf die Geschichte, hat so jeder seine Vorstellungen davon, welches die "eigentliche Identität" eines Landes oder einer Stadt ist und was sie zum Vorschein bringen könnte.

  • Pariser Platz

    Der Pariser Platz ist ein Spiegel unserer Zeit. Simbol einer oft, aber nicht immer glorreichen Zeit aber auch Symbol für den Niedergang. Danach war er nur noch ein Artefakt. In dieser ungewissen Zeit, dominiert von der Globalisierung und der Allmacht der überkommunikativen, immer und überall erreichbaren Gesellschaft, sucht man Rückzugsmöglichkeiten. Viele müsse heute bereit sein, überall auf der Welt zu arbeiten und zu leben, da sehnt man sich natürlich nach einer Heimat im klassischen Sinne. Der Pariser Platz ist die steingewordene Suche nach einer Heimat, die lange verpönt war und ideologisch verseucht. Das die architektonische Frage der Identität dieses Platzes noch nicht eindeutig geklärt ist, sieht man deutlich. Wie ein letzte mahnende Geste, spiegelt die Fassade der Akademie der Künste, das neue, steingewordene Berlin. Aber der Pariser Platz erteilt eine deutliche Absage an die kühle Moderne, die Jahrzehnte lang Platzhalter gespielt hat, in den verlorenen Existenzen unserer Städte. In Berlin spürt man am deutlichsten, was die Menschen wollen. Sie kommen zurück aus den Vorstädten, rücken dichter zusammen, suchen den austausch die Stadt als Ort der Kultur und der Bildung, ein Zuhause mit Identität und wichtiger noch: Tradition. Sie wollen die neue Zeit spüren. In Berlin kann man das sehr gut. Projekte wie die Townhouses am Friedrichswerder, das Adlon, Die Falkoniergasse, die Stadtvillen am Köbisdreieck, die drei Leipziger oder aber die Prenzlauer Gärten alles Beispiele eines neuen, gebauten, Bürgertums. Manchmal kommt es mir vor, als wenn diese Nation jetzt erst zaghaft beginnt, sich von ihrer Geschichte zu erholen.

  • @ New Urban


    Vielleicht hat diese Erholung wie du es nennst, eigentlich nicht mehr etwas von einer Gegenbewegung? Ich meine vielleicht will man auch mal wieder einfach nur Häuser sehen, die eben nicht versuchen mit diesen sogenannten alten Traditionen aus Kaissereich usw abzuschließen? Heute haben doch 99% der Bevölkerung garnicht in der Zeit gelebt als im Stile des Historismus gebaut wurde, aber dennoch gelten die übriggebliebenen Häuser aus dieser Zeit bzw. alle neuen die sich daran anlehnen unter den meisten Menschen als ästhetisch. Für mich ist es eigentlich eine Mischung aus dem was du gesagt hast und einer rein subjektiven Einschätzung. Nach dem Krieg konnten alle Modernisten das Argument, dass dieses bürgerliche Bauen, Historismus o.ä. "schlecht" ist leicht durchsetzen und dass nur die Moderne eine Antwort darstellt. Aber wen interessieren solche Dinge denn heute noch? Wenn mir ein altes Haus gefällt, dann tut es das eben und mich interessiert nicht ob das früher Arbeitersiedlungen waren oder dunkle Viertel. Ich weiß nicht ob das richtig ist, aber so wie nach dem Krieg gebaut wurde und so wie viele Architekten immer noch denken war einzigartig und neu, denn es ging nicht mehr darum sich am Stadtbild zu orientieren oder an Traditionen, sondern eher darum seine eigene Idee verwirklicht zu sehen. Die Bevölkerung und deren Meinung schien da unwichtig. Nürnberg z.B. hatte über Jahrhunderte eine Gestaltungssatzung! Neue Bauten mussten auch wenn sie anders wahren ins Stadtbild passen. Ich denke deswegen, dass die Menschen es einfach nur satt haben von vielen Architekten als dumm dargestellt zu werden nur weil sie deren "Kusntwerke" nicht immer mögen. Man darf nicht vergessen Berlin ist hier noch gut dabei, denn dort ist die moderne Bebauung ziemlich gut, aber schau doch mal in die anderen deutschen Städte, dort wo viele "Möchtegernbaukünstler" jeden lachhaften Entwurf durchkriegen, wie jüngts in Dresden beim Wilsdruffer Kubus. Ich bin vollkommen für neues und modernes, aber es muss auch wirklich mal was neues sein, so wie in Berlin. Vieles sieht aus wie bessere Nachkriegszweckbauten.

  • das war hier jetzt auf jeden fall eine spannende diskussion, der stein des anstoßes könnte allerdings schon wieder hinfällig sein. der tagesspiegel berichtete in der gestrigen ausgabe neben den problemen mit dem spreedreieck auch über die anderen 2 größeren bauprojekte auf diesem areal. so spricht der tagesspiegel widerrum davon, bei dem F100 investor handele es sich um die Hamburger Projektentwicklungsgesellschaft Ludger Inhalt (Lip) und deren pläne kämen vom Büro Tchoban/Voss (also dieser entwurf). hm, ja also was denn nun? :headscratch:

  • semper:


    Verstehe deine Ansichten nun wirklich nicht. Zum Einen pocht man schwer darauf, ältere, nicht minder grausame Geschichte in den Innenstädten wieder architektonisch sichtbar zu machen (Vgl. Stadtschlösser Berlin & Potsdam, Garnisonskirche, Frauenkirche, ...), zum Anderen verweigert man sich eine Reminiszenz an einschneide Erlebnisse, die Deutschland (hier: Berlin) nicht weniger geschadet haben?


    Vielleicht ist mir ja in dieser Hinsicht etwas entgangen, aber es würde mich schon interessieren, welche grausame Geschichte den hinter den Stadtschlössern, der Garnisionskirche und vor allem der Frauenkirche steht. Mit Sicherheit keine Geschichte, die mit Weltkrieg oder Teilung vergleichbar wäre. Und was willst du bitte mit dem letzten Absatz sagen? Erstens wird doch ausreichend an die Teilung erinnert und zum anderen verstehe ich nicht ganz, was die Teilung gutes gebracht haben sollte!


    Guderian


    Schön, deine wahren Ansichten zu hören. Es hätte mich auch sehr gewundert, wenn du, als Berliner, eine andere hättest. Deshalb versuch doch gar nicht die Argumentation der Modernisten anzubringen, denn wenn deren nicht deine Meinung ist, wird dir das nicht gelingen. Steh ruhig zu deinen Ansichten, auch ruhig zum preussischen. Denn unbestreitbar hat Preussen einen wesentlichen Beitrag zur deutschen Geschichte und Kultur geleistet und wurde ja nach dem zweiten Weltkrieg auch mehr zu Unrecht als zu Recht aufgelöst. Man bedenke, dass Preussen bis zum Preussenschlag 1932, dass letzte wirklich demokratische Land war, mit sozialdemokratischer Regierung, während in allen anderen Teilen Deutschlands schon die Radikalen die Oberhand hatten. Also, es ist doch völlig egal, was die allgemeine Ansicht ist, wenn es so etwas überhaupt gibt. Das einzige was man tun kann, ist zu lesen und sich selbst eine Meinung zu bilden.
    Zu Berlin noch ein letztes; meiner Meinung nach hat die Stadt in der Zeit von 1871 bis 1918 seine architektonische Glanzzeit gehabt. Danach haben politische Instabilität starkes Baugeschehen verhindert. Das sich ja dann erst in den 90er Jahren wieder eingestellt hat. Nichts für Ungut wenn ich vielleicht ein bisschen rupig war, aber diese Nachwirkungen der "Nie-mehr-Deutschland-Generation" kann ich einfach nicht mehr hören. Denn so wie die BRD nach 45 die Weimarer Republik restauriert hat, so restauriert sich jetzt Deutschland kulturell und auch national. Das übertriebener Nationalismus schlimme Folgen haben kann, wissen wir nur zu gut. Ein fehlender jedoch, wie er bei vielen immer noch anzutreffen ist, aber auch.


    Grüße


    semper


  • Und die bemängeln nicht ganz zu unrecht, das ein Pariser Platz in seiner heutigen Form nur eine Replik ist, frisch vorgetäuschte Vergangenheit. Schick aber letztlich unecht.


    Darf ich noch mal fragen, wie es den Kritiker denn lieber gewesen wäre? Alles krumm und schief aus dunklem Glas und Stahl und das Brandenburger Tor unter einer Glaskuppel?


    @bato
    War doch abzusehen, dass da noch nicht das letzte Wort gesprochen war...

  • P.S.: Sorry falls jemand die Diskussion hier etwas deneben findet. Mein nächste Posting wird wieder etwas mehr Ontopic sein als dieses, versprochen. Aber letztlich existiert Architektur nur in einem Kontext und auch über den muss mal gesprochen werden.

    Nichts für Ungut wenn ich vielleicht ein bisschen rupig war, aber diese Nachwirkungen der "Nie-mehr-Deutschland-Generation" kann ich einfach nicht mehr hören.

    Ein Leidensgenosse. :) Ganz schlimm find ich ja auch die Typen, die mit "Deutsche Täter sind keine Opfer" und "Keine Träne für Dresden!" Spruchbändern am Jahrestag der Bombenangriffe losmarschieren, um irgendwelche Gedenkfeiern zu stören. Aber solche Leute bzw. diese Generation ist nur die Spitze eines Eisberges. Ich denke, im Großen und Ganzen ist die BRD schon insgesamt ein "Nie-mehr-Deutschland-Land". Die Vorstellung, das Nationalität etwas ist, das überwunden werden müsste, ist sehr weit verbreitet. "Mein Land lieben? Nein, ich liebe meine Frau." Solche Sätze hört man auch von ganz normalen Mitbürgern jeden Alters.


    Schon diese Formulierung vom "übertriebenen Nationalismus, der schlimme Folgen haben kann" ist typisch deutsch. Das lässt garkeinen Platz für einen positiven Nationalbegriff, von dem man gefahrlos jede Menge haben dürfte. Nein, Nation muss immer etwas Schlechtes sein, von dem man auf keinen Fall zuviel haben darf, sonst wird's gefährlich. Überhaupt von "Deutschland" zu reden ist nur solange ok, wie man es in einem geläuterten, antinatonalen Nach-45-Kontext betrachtet. Sag niemals "Reichs-" sag immer "Bundes-", dann wird schon alles gut.


    Dazu kommt bei Vielen noch eine völlig kritikfreie Verherrlichung von Marktwirtschaft, Demokratie und Meinungsfreiheit, ohne je deren negative Folgen und Aspekte in Betrachtung zu ziehen. Diese Einstellung ist schon sehr nervig. Keine Ahnung wie sich solche Ansichten entwickeln konnten, das liegt wohl auch am Wirtschaftswunder. Obwohl der Nachkriegsboom wegen der vielen Kriegsschäden quasi garantiert war, hat er doch bei vielen BRDlern den Glauben genährt, das die neue Gesellschaftsordnung allem Vorhergehenden irgendwie überlegen sein muss. Schade, aber solche Einstellungen schlagen sich auch zwangfläufig bei der Bewertung vergangener Architekturstile nieder.

  • Darf ich noch mal fragen, wie es den Kritikern denn lieber gewesen wäre?

    Auf jeden Fall keinen sandsteinartigen Farbzwang, der mit dem Brandenburger Tor harmoniert und keine Vorschriften betreffend Fenstergrößen, Bauhöhen und -formen etc. Diese ganzen Vorgaben von Hans Stimmann den Pariser Platz betreffend sind unter Architekten schon mehr als verhasst. Ich durfte das im Rahmen einer Architekturvorlesung an der TU erfahren. Zum Beispiel der Gehry-Bau der DG-Bank. Das erste Bild zeigt gleich die Fassade am Pariser Platz und die sieht wirklich nicht sehr toll aus. Der Architekt hatte wohl einfach keine große Lust sich mit dem Senatsbaudirektor rumzuärgern und hat zum Pariser Platz hin einfach eine glatte Wand mit den geforderten Maßen und dem entsprechenden Farbton hochgezogen. Seine Freude an expressiven Formen hat Frank Gehry dann im überdachten Innenhof ausglebt.


    Ginge es nach der Architekturlehre alla TU Berlin, hätten wir jetzt am Pariser Platz einen Gehry stehen, der nach Aussen so aussähe, wie die DG-Bank heute im Innern aussieht. Also mehr oder minder ein abgespacetes, chromglänzendes Raumschiff. Für sich genommen sähe das auch tatsächlich viel besser aus als die jetzige Fassade. Aber den Gesamteindruck des Platzes und des ganzen Ensambles "Unter den Linden" hätte dies völlig verändert und empfindlich gestört. Als Fan moderner Baukunst und das sind von berufswegen Alle die heute Architektur studieren, muss man natürlich Betrauern, das Berlin einen solch namhaften Architekten wie Frank O. Gehry anlockt und ihn dann "zwingt" sich im Innenhof zu verstecken.

  • Vielleicht ist mir ja in dieser Hinsicht etwas entgangen, aber es würde mich schon interessieren, welche grausame Geschichte den hinter den Stadtschlössern, der Garnisionskirche und vor allem der Frauenkirche steht. Mit Sicherheit keine Geschichte, die mit Weltkrieg oder Teilung vergleichbar wäre.


    Aber natürlich. Erster Weltkrieg, Tag von Potsdam, Bombardement von Dresden. Geschichtliche Ereignisse, die direkt mit diesen Bauwerken in Bezug stehen und sowohl für Deutschland als auch Europa verheerende Folgen hatten.


    Und was willst du bitte mit dem letzten Absatz sagen? Erstens wird doch ausreichend an die Teilung erinnert und zum anderen verstehe ich nicht ganz, was die Teilung gutes gebracht haben sollte!


    Mir ist nicht wirklich ersichtlich, wo ich der Teilung etwas Positives abgewonnen haben soll. Mir geht es eher um's Prinzip. Durch das Ausradieren der DDR - Geschichte aus den Stadtbildern und dem Ersetzen durch Bauten aus längst verganger Zeit, lügt man sich doch selbst etwas vor.
    Entweder man plant und baut etwas wirklich Neues oder man behält den Status Quo und passt ihn an die aktuellen Gegebenheiten an. Aber diese ganze Kaiserreich - Welle ist doch total sinnentleert.


    Demnächst marschieren Einige wieder mit dem Fehrbelliner Reitermarsch durch die Strassen und skandieren "Wir wollen unseren alten Kaiser Wilhelm wieder haben". :nono:
    Die Zeiten sind einfach mal vorbei und durch ständige Retroperspektiven, wie schön es doch einst war, erhält man sie definitv nicht zurück. Und darüber kann man als deutscher Durchschnittsbürger auch durchaus froh sein.


    Daher mein Credo: Neues wagen!

  • Das ist schon richtig. Gerade in der Vergangenheit haben viele Architekten ziemlich losgelöst vom Umfeld gebaut.
    Wie eine Prophezeiung wurden die Lehren von Gropius und Mies van der Rohe und seine Fortführung des International Style (siehe zB. http://www.das-neue-dresden.de/sz-hochhaus.html) in die zerbombten deutschen Nachkriegsstädte eingesetzt. Muss aber nicht auch die Frage lauten, dass wir der Nachkriegsarchitektengeneration mit unserem Urteil Unrecht tun?
    Beschäftigt man sich mit der Literatur über Architektur aus der Zeit, wurden die Gebäude unter Zweckmäßigkeitskritierien gebaut. Henselmann bezeichnete mal die Kritiker des Plattenbaus als "Arschlöcher" und wies auf die zahlreichen Wohnungslosen hin. Andererseits ist grade der Umgang mit dem architektonischen Kontext ein Indiz für die Kunst des Architekten als Baukünstler. Sonst könnte man ja gleich sich nur einen Bauingenieur nehmen.
    Architektur ist eben mehr als nur eine technische Einrichtung, da es die Menschen unmittelbar betrifft.

  • Guderian


    Also, wie ichs mir gedacht habe. Wenn Gehr beleidigt war, hätte er doch dankend ablehnen sollen, bevor er sonen Mist verzapft. So beeindruckend das Innere ist, so lahm ist das Äußere...

  • Beware: Very Large Posting (Semi-Offtopic)

    Aber natürlich. Erster Weltkrieg, Tag von Potsdam, Bombardement von Dresden. Geschichtliche Ereignisse, die direkt mit diesen Bauwerken in Bezug stehen und sowohl für Deutschland als auch Europa verheerende Folgen hatten.

    Wenn man vom Teufel spricht, schaut er auch gleich vorbei. So klingt ein typischer Vertreter der "Nie-wieder-Deutschland" Fraktion, ein echtes "Stunde-Null-Gehirn". Vielleicht erklärst du uns mal, wie die Dresdner Frauenkirche mit den verheerenden Folgen des Bombenkrieg in Verbindung steht? Wenn schon dann müsste man sich gegen das Londoner Bronzedenkmal für Arthur Harris oder die Ausstellung der Enola Gay im Washingtoner Luftfahrtmuseum wehren. Aber keines der Gebäude, die du genannt hast, hat ursächlich irgendwas mit diesen Ereignissen zu tun. Alle wurden sie etliche Jahrzehnte früher aus völlig andren Anlässen erbaut.

    Mir geht es eher um's Prinzip. Durch das Ausradieren der DDR - Geschichte aus den Stadtbildern und dem Ersetzen durch Bauten aus längst verganger Zeit, lügt man sich doch selbst etwas vor.

    Falsch. Erstens, auch DDR-Bauten sind nicht perse schützenswert. Was am Palast der Republik vorallem erhaltenswert war, ist sein spezielles Interiör und seine Funktion als Veranstaltungsort. Der Lampenladen an sich und manch beeindruckendes Weihnachtsmärchen, das dort aufgeführt wurde, wären es wert gewesen, erhalten zu bleiben. Mit Einführung des Kapitalismus und der Asbestsanierung hatte sich beides erledigt. Kein Ahnung wieso, aber unter kapitalistischen Umständen bringen es nicht einmal die Tschechen fertig, weiter so gute Kindergeschichten zu erzählen. Was vom Palast zuletzt übrig bleib, war nur eine entkernte Hülle. Eine echte aber nicht erhaltenswerte Ruine.


    Zweitens, man lügt sich nicht perse etwas in die Tasche, wenn man an alte Baustile und historische Gebäude anknüpft. Damit ist auch immer ein Bezug zu einer möglicherweise idealisierten Form von Geschichte verbunden. Nicht ohne Grund und nicht nur architektonisch, haben die Preussen sich an Griechen und Römern orientiert. Mit der Bewunderung für ihre Baukunst ging auch eine Bewunderung griechischer Wissenschaft, Philosophie und Staatsführung einher. Da diese geistige Befruchtung durch jahrhunderte alte Gedankenwelten durchaus real war, kann auch die historisierende Architektur nicht verlogen sein. Die Rekonstruktionen in Dresden, Potsdam und Berlin sind allesamt Anknüpfungsversuche der heutigen Bevölkerung an Ideale von guten, alten Zeiten. Das ist alles hochaktuell und wird für unsere Gegenwart und Zukunft gebaut.

    Entweder man plant und baut etwas wirklich Neues oder man behält den Status Quo und passt ihn an die aktuellen Gegebenheiten an. Aber diese ganze Kaiserreich - Welle ist doch total sinnentleert.

    Auch wenn du es vielleicht nicht nachvollziehen kannst, die Initatoren des Stadtschloss Wiederaufbaus suchen eben nicht nur eine schicke Fassade sondern ganz bewusst den geistigen Bezug zu einer Ära die Berlin und Deutschland geprägt hat und aus der sich massenweise Vorbilder und Sinnbilder ziehen lassen. Das Preussentum und auch das Kaiserreich geben reichlich Anregungen zum politischen Umgang mit wirtschaftlichen und sozialen Problemen der heutigen Zeit. Kleinstaaterei und Zunftwesen mussten schon einmal überwunden werden, Föderalismus und Überregulierung sind nur neue Namen für alte Phänomene. Wer irgendwas erreichen will, der kann nur aus der Geschichte lernen. Auch mit übertriebener Abgrenzung von der Vergangenheit bezieht sich die Gesellschaft nur auf das, was früher einmal war.

    Demnächst marschieren Einige wieder mit dem Fehrbelliner Reitermarsch durch die Strassen und skandieren "Wir wollen unseren alten Kaiser Wilhelm wieder haben".

    Im Austausch gegen die FDJ-Sekretärin Angela Merkel? Aber jeder Zeit! Deiner Vorstellungswelt vom Vorzug der Jetztzeit liegt die falsche Prämisse von der Überlegenheit der Demokratie als Mittel zur Entscheidungsfindung zu Grunde. Nichts und Niemand garantiert dafür, das eine Kanzlerin bessere Entscheidungen trifft als ein Kaiser. Ein ehrlicher Vergleich, der unterschiedliche Situationen und Handlungsalternativen beachtet, müsste meiner Ansicht nach zu dem Ergebniss kommen, das das Land zur Kaiserszeit weit besser regiert wurde als heute.

    Die Zeiten sind einfach mal vorbei und durch ständige Retroperspektiven, wie schön es doch einst war, erhält man sie definitiv nicht zurück. Und darüber kann man als deutscher Durchschnittsbürger auch durchaus froh sein.

    Nichts ist vorbei, es sei denn man erklärt es für vorüber. Um uns herum existieren dutzendweise Königreiche, in denen die Monarchie längst kein Ding der Vergangenheit ist. Welche Denkschulen man für aktuell und zukunftsfähig hält, ist Jedermanns eigene Entscheidung. Ich persönlich und da bin ich nicht der einzige Berliner, halte Katholizismus und Religion an sich für ein Ding des Mittelalters. Trotzdem haben wir aktuell einen deutschen Papst, eine christlich-demokratische Kanzlerin, eine Verfassungsklage der Kirchen gegen den Ethikunterricht und die Hälfte der Deutschen vom Gefreiten bis zum Minister beendet Schwüre und Gelöbnisse mit der Formel "so wahr mir Gott helfe". Von mir aus könnten diese Retrospektiven in die Frühgeschichte unserer präaufklärerischen Vergangenheit sofort aufhörn. Aber die Welt interessiert sich nicht für irgendjemandens Vorstellungen von richtig oder falsch und zukünftig oder vergangen.

    Daher mein Credo: Neues wagen!

    Mein Credo: Meinungsfreiheit ist keine Redepflicht!


  • Im Austausch gegen die FDJ-Sekretärin Angela Merkel? Aber jeder Zeit! Deiner Vorstellungswelt vom Vorzug der Jetztzeit liegt die falsche Prämisse von der Überlegenheit der Demokratie als Mittel zur Entscheidungsfindung zu Grunde. Nichts und Niemand garantiert dafür, das eine Kanzlerin bessere Entscheidungen trifft als ein Kaiser. Ein ehrlicher Vergleich, der unterschiedliche Situationen und Handlungsalternativen beachtet, müsste meiner Ansicht nach zu dem Ergebniss kommen, das das Land zur Kaiserszeit weit besser regiert wurde als heute.


    :spammm:


    Entschuldige, aber bei aller Meinungsfreiheit sind solche Aussagen nicht nur überflüssig und off-topic, sie sind dumm und gefährlich, und sollten hier nichts zu suchen haben.

  • Ich hoffe mal nicht, dass mit dem Schlossbau preussische Traditionen zitiert werden sollen. Berlin ist nicht mehr Preussen, sondern muss jetzt für Deutschland stehen. Und damit z.B. auch für einen Bayern wie mich.


    Den Wiederaufbau sehe ich weitaus unkomplizierter und konstruktiver:
    Es setzt den Stadtkern Berlins wieder intakt. Rein städtebaulich.


    Ist das Schloss erstmal erbaut - ist die Insel zweimal so schön wie zuvor. Und Nutzung dafür gibt's genug.
    So einfach ist das.

  • Visa Card - Die Freiheit nehm ich mir.

    Entschuldige, aber bei aller Meinungsfreiheit sind solche Aussagen nicht nur überflüssig und off-topic, sie sind dumm und gefährlich, und sollten hier nichts zu suchen haben.

    Meinungsfreiheit besteht gerade darin, das man eben auch die Aussagen zulässt, die nicht der eigenen Meinung entsprechen. Sie wissen schon Rosa Luxemburg: "Freiheit ist die Freiheit der Andersdenkenden." Man kann auch nicht wirklich Erkenntnis erringen, wenn man sich nur mit Leuten unterhält, die sowieso die gleiche Meinung vertreten wie man selbst. Redefreiheit duldet kein Diktat der "Anständigen", entweder darf man alles sagen oder nicht.


    Insofern kann ich das Kompliment nur zurückgeben, ihre obige Aussage ist dumm und gefährlich. Sie führt nur dazu, das dringend notwendige Debatten unterbleiben. Zum Beispiel über den Stellenwert der Familie, weil Eva Herrman einmal zu oft Autobahn gesagt hat. Sie führt dazu, das die Entwicklung von Parallelgesellschaften jahrelang ignoriert wurde, weil jeder der sich nicht euphorisch über Ausländer äußerte ein verdammter Neonazi sein musste. Das ging solange gut bis die Ghettokidz selber angefangen haben über ihr Leben zu rappen, dann hat man versucht den Migranten den Mund zu verbieten.


    Irgendwelche Grenzen der Meinungsfreiheit zu definieren, führt letztlich dazu, das die Gesellschaft allmählich verblödet und sich falsche Vorstellungen über die eigene Geschichte breit machen. Aber bitte lassen sie sich deswegen nicht aufhalten (bei der Zerstörung unserer Gesellschaft), sie haben das Recht jeden Mist zu vertreten, der ihnen gerade einfällt und den sie warum auch immer für richtig halten. Gerade das Recht Dummzuschwätzen ist der Kern und die Krux der Meinungsfreiheit.


    P.S.: Da in diesem Forum Leute rumlaufen, die noch immer ernsthaft glauben, irgendwelche alten Schlösser und Kirchen hätten das Verderben zweier Weltkriege über Europa gebracht und dürften deshalb nicht wieder aufgebaut werden, kann ich den kleinen Geschichtsdiskurs nicht wirklich als offtopic betrachten. Höchstens halbofftopic, weil die Frauenkirche nun nicht direkt an der Friedrichstraße liegt. :cool:

  • Warum wird denn der Aufbau des Schlosses überhaupt so in diese politische Richtung gedrängt wenn ich fragen darf? Für mich ist wenn schon eher ein aktuell politisches Vorzeigeobjekt. Einfach aus dem Grund weil man hier wirklich einmal der großen Masse der Bürger den Wunsch erfüllt bzw ihre Meinung respektiert und ein weitesgehend traditionelles Stadtelement wieder einfügt. Das finde ich sehr fortschrittlich und würde mir wünschen, dass dies öfter geschehen würde.


    p.s. Entschuldigung, ich weiß es ist nicht der Schloss Thread

  • Ich hoffe mal nicht, dass mit dem Schlossbau preussische Traditionen zitiert werden sollen. Berlin ist nicht mehr Preussen, sondern muss jetzt für Deutschland stehen. Und damit z.B. auch für einen Bayern wie mich.

    Und worüber machst du dir jetzt Sorgen? Das Stadtschloss war auch schon Stadtschloss als das Deutsche Reiche gegründet wurde. Damals hat sich keiner einen Kopf darüber gemacht, das so ein preussisches Schloss nicht deutsch genug sein könnte. Deutsche Tugenden - Preussische Tugenden, Hauptstadt Preussens - Hauptstadt des Deutschen Reiches. Das war und ist immer dasselbe gewesen.


    Die sechzehn Bundesländer betreiben heute ganz selbstverständlich gemeinsam eine Stiftung die Preussischer Kulturbesitz heisst. Alle Umbenennungsversuche haben sich verlaufen, weil es nunmal tatsächlich Preussische Kultur ist. Das Brandenburger Tor steht schon viel zu lange um es ernsthaft Entpreußifizieren zu wollen oder zu können. Trotzdem dient es auf Euromünzen genauso als Symbol Deutschlands. Die Fußballnationalmannschaft spielt nach wie vor in schwarz und weiß und neuerdings auch in rot. Wo sich überall preußische Kreuze finden, muss ich einem Wehrdienstleistenden nicht erzählen.


    Du musst als Bayer einfach mal damit klarkommen, das deine Bundeshauptstadt eine sau-preussische Stadt ist. Irgendwie habt ihr Bayern es ja auch geschafft, eure Landeshauptstadt München, immerhin die "Hauptstadt der (national-sozialistischen) Bewegung" ins Herz zu schliessen, ohne dabei die Geschichte eures Königs Ludwig zu verleugnen. Also werdet ihr das mit Berlin auch irgendwie gebacken kriegen.

    Den Wiederaufbau sehe ich weitaus unkomplizierter und konstruktiver: Es setzt den Stadtkern Berlins wieder intakt. Rein städtebaulich.

    Je eben, der intakte Stadtkern einer typisch preussischen Residenzstadt. Das Erbe lässt sich nicht verleugnen, egal wie sehr man es versucht. Der Franke ist ja auch noch kein Bayer, nur weil es heute kein Bundesland mehr gibt, das den Namen "Franken" trägt. :cool:

  • Bitte wieder zum Thema zurückfinden und dieses :offtopic: -Gequatsche einstellen. Könnt Ihr gerne in der Lounge machen, aber hier jetzt bitte Schluss damit.


    Wäre schön, wenn Ihr das Niveau des DAFs weiterhin hoch halten würdet.


    Danke!

  • Nun wieder einen kleinen Satz zur Friedrichstraße.


    Was ist eigentlich mit diesem Bauherren Müller-Spreer los? Erst will er es partout nicht einsehen, das er den denkmalgeschützten Tränenpalast nicht abreissen darf. Nun will er sich auch noch für die Verzögerungen und Planungskosten, die ihm sein rechtswidriges Ansinnen verursacht haben, von der Stadt [url=http://www.tagesspiegel.de/berlin/;art270,2426530]entschädigen lassen[/url]? Tickt der Typ jetzt völlig aus? Die Dreistigkeit von diesem Kerl empört mich jedesmal mehr. Und keiner vom Senat sagt ihm klartext, wo er sich seine aussichtslose Klage hinstecken kann. Eigentlich müsste die Stadt den Verkauf des Grundstücks sofort rückabwickeln. Seinen Kaufpreis kann der "Investor" wiederhaben, abzüglich der Kosten zur Wiederherrstellung des Tränenpalasts als Bühne und einer saftigen Entschädigung für die Jahre des Leerstands. "Kontakte sind gut, aber wichtiger ist, dass Sie die Stadt verstehen und was sich in ihr entwickelt", erklärt Müller-Spreer seinen Erfolg. Tja, Herr Müller-Spreer da haben sie leider garnichts verstanden. Im Endeffekt interessiert sich niemand in Berlin dafür, ob ihr Häuschen 10 oder 12 Stockwerke hoch wird oder ob es überhaupt gebaut wird. Berlin ist groß, Ernst & Young wird schon etwas anderes zum Mieten finden, bei zigtausend Quadratmetern Büroleerstand sicher kein Problem.


    Und wenn doch auch egal, falls es einen kaufkräftigen Markt für Unternehmensberatung in Berlin gibt, wird halt jemand anderes in die Lücke stoßen. "Die Jobs folgen dem Investment", sagt der Unternehmer. Und die Investments folgen dem Markt und nicht der Bautätigkeit großkotziger Investoren, sagt der Berliner. Warum glaubt eigentlich jeder Immobilienfritze, er könne die Senatsbaudirektion mit irgendwelchen erfundenen Jobs beeindrucken, die er ob seiner Bautätigkeit angeblich schaffen würde? Auf ein weiteres Bürohaus kann Berlin auch gut und gerne verzichten, auf einen würdigen Umgang mit dem Tränenpalast aber nicht. Den Senat interessiert nur, was aus dem Tränenpalast wird, solange dazu nichts Zufriedenstellendes zu hören ist, wird der Herr Investor in Berlin keinen roten Teppich zu Gesicht bekommen. Das der Mann diesen Umstand binnen sechs Jahren noch nicht verstanden hat, ist einfach die Härte. Superschlauer Hamburger Unternehmer versteht die Welt nicht mehr sobald er mal anderthalb ICE-Stunden von seiner Hansestadt entfernt ist. Nee nee nee. :nono: