Historisches Museum - Sanierung und Neubau (realisiert)

  • @Xanilai


    Man kann ja bzgl. moderner oder historisierender Architektur unterschiedlicher Meinung sein. Aber Du musst zugeben, dass der nun geplante Bau weder Fisch noch Fleisch ist. Der jetztige Entwurf ist zu mächtig, zu geschlossen, geht zu wenig auf die Umgebung ein etc. Von mir aus kann es ja auch modern werden, dann aber richtig.


    Ich persönlich würde eine Mischung aus Reko und modernen Glasbauten bevorzugen.


    In der ZDF-Mediathek kann man übrigens unter der Rubrik "Bürger rettet Eure Städte" eine m.E. gelungene Variante der Stadtreparatur sehen, die bewusst moderne bzw. historische Bauten vereint ( in Ulm). Ich finde den viel gescholtenen Dresdner Neumarkt allerdings auch ein gelungenes Beispiel, das noch seiner Vollendung harrt.

  • Also Ulm würd ich eher als Negativbeispiel sehen. Bis auf diese Glaspyramide ist das ziemlich mies, vor allem die Braunfels-Gebäude.


    mik: was hat man denn davon wenn die Gebäude ihren Errichtungszweck und ihr Baujahr dokumentieren, aber das Stadtbild nachhaltig schädigen? Letzteres ist doch das wirklich Wichtige und nicht irgendwelche dokumentatorischen Überlegungen

  • LRO in der Presse zu ihrem Entwurf des HISTORISCHEN MUSEUMS

    Xalinai #240:
    Ich halte die Ausführungen in der Presse von LRO, für ein Architektenbüro, das gerade hier einen Wettbewerb gewonnen hat, doch für eher beschämend und wollte ursprünglich, wie andere auch, erst gar nicht darauf eingehen. Doch man kann das als Bürger nicht einfach so im Raum stehen lassen. Es ist ein Versäumnis des Magistrats oder der Politik, diesen Entwurf für das Museum, den Frankfurter Bürgern nicht überzeugend vermittelt zu haben. Offenbar werden die Geschicke und Geschehnisse in der Stadt nur moderiert und nicht gestaltet

    Bin für sachliche Kritik immer sehr dankbar, davon profitiere ich und das belebt. Aber in Teilen ist Deine Antwort doch sehr pauschal gehalten, zumal Deine eigene Positionierung nicht richtig deutlich wird. Auch wird teilweise in meinen Beitrag hineininterpretiert, was ich so nicht gesagt habe. Mit dieser Art Kritik von Mitgliedern beschäftige ich mich nicht gerne, eher mit dem Thema selbst. Doch ganz so stehen lassen kann ich das auch nicht, damit wir vielleicht in Zukunft bei dem bleiben können, was wirklich gesagt wurde!

    ● Meine "Äußerungen beziehen sich" schon auch "auf den Entwurf des Gebäudes". Lies halt noch mal durch.

    ● Du kennst eben nicht die richtigen Heimatmuseen. Gerade dort wird in liebevoller Kleinarbeit der Werdegang der Orte von früher auf heute, inkl. Krieg und Vertreibung, dargestellt und beschrieben, auch in Vorträgen. Aber eben in entsprechend örtlichem Umfeld, wobei da auch manchmal größere Zusammenhänge sichtbar werde.
    Mit welchem Recht und auf Grund welcher Aussagen unterstellst Du einfach nur mal so "einen die Vergangenheit verklärenden Blick"?

    ● Wo habe ich gesagt, "dass ich die Darstellung und Bedeutung des historischen Frankfurts ausschließlich in der Herstellung einer Fachwerkkulisse im Bereich der ehemaligen Altstadt abbilden will?"
    Hier im Strang geht es "nur" um das Gelände des bisherigen Historische Museums in der Altstadt und zwar nur für den Fall, das genau dort wieder ein neues Historisches Museum gebaut werden muss (soll).
    Mir währe es hundertmal lieber, in der Altstadt würde überhaupt kein so großes Museum mehr gebaut, zumindest nicht in so großer oberirdischer Dimension. Rekonstruierte Altstadthäuser mit Wohnungen und Geschäften im EG, für das richtige Leben quasi, fände ich sehr viel besser an diesem Standort.
    Und, mir geht es um den Vorkriegszustand in diesem Bereich und nicht weil ich eine "Epoche besonders bewundere". Wo habe ich das denn gesagt?
    Es geht doch darum (wie schon zigmal im Forum von verschiedener Seite erwähnt), hier in Frankfurt diesen einmaligen historischen Altstadtkern wiederherzustellen, aus vielfach genannten Gründen und nicht um eine "Fachwerkkulisse", sondern um eine mit Wohnungen und Geschäften belebte, lebendige Altstadt, so wie sie ohne die Zerstörung heute aussehen würde, jetzt nur etwas besser.
    Die "älteren Originalfunde" (Archäologischer Garten) kann man ja mit heutigen technischen Möglichkeiten unter den Reko´s in Teilen für Interessierte sichtbar machen. Außer der Tatsache, dass es sie gibt, haben die eh keinen attraktiven Wert. Von "zuschütten" ist überhaupt nicht die Rede. Die jetzigen "Mauerfunde im Anlagenring", sind nach erfolgter Dokumentation uninteressant und auch unattraktiv. Wenn wirkliches Interesse an einer dauerhaften Sichtbarmachung bestehen sollte, kann man diese im Anlagenring immer noch kilometerweit ausgraben. Ist ja weitgehend nicht überbaut.

    ● "Besser als das jetzige Museumsgebäude sind sie allemal" (Die Bequemlichkeit lehnt sich zurück). Das ist mir einfach zu wenig. Es muss das, nach heutigem Wissen Bestmögliche, gebaut werden.

    ● Ich "freue" mich nicht "über die Verlagerung des U-Bahn-Zugangs"?! Ich denke einfach, dass in diesem Fall die notwendigen bzw. beschlossenen Baumaßnahmen in Angriff genommen werden müssen. :) Oder doch?

  • Historisches Museum als "Lagerraum hinter Pappfassaden"

    mik #241:
    ""Lagerraum" hinter Pappfassaden" ist schon mehr als stark provozierend!.. :621:

    Zum letzten Teil:
    "Zum anderen spricht aber...... .....Shopping-Mall von 2030."
    Zum einen muss das "würdevolle Museum" ja überhaupt nicht an diesem Ort stehen, zum anderen würde in dieser Umgebung eine Rekonstruktion mindestens genauso "würdevoll" wirken. Oder ist etwa der Saalhof oder der Rententurm nicht würdevoll genug?
    Für Experimente der von Dir beschriebenen Art, halte ich die Frankfurter Altstadt nicht geeignet. Eine ehrliche, durchdachte Rekonstruktion der Altstadt würde kein Experiment sein, sondern mit großer Sicherheit erfolgreich, gerade auch für die Zukunft. Die bisherigen Experimente mit "Selbsbewußten" Nachkriegsbauten in der Altstadt sind ja bekanntlich mehrfach misslungen. Die ortsansässigen Frankfurter Bürger mögen das nicht, außer einigen, in theoretische Betrachtungen verstrickte Liebhaber wilder Bauformen, an dafür eigentlich unmöglichen Orten.
    :D

  • Xalinai: Dass wir gerade die Fachwerk-Altstadt und nicht noch ältere Gebäude wieder aufbauen wollen, ist absolut stringent, da die völlige Zerstörung der Alstadt nicht Ergebnis einer historischen Entwicklung, sondern eines beispiellosen geschichtlichen Ausnahmefalls war.


    Hierzu passt ein Zitat von Kaspar Kraemer, dem ehem. Präsidenten des BDA: "Klassische Schönheitsbegriffe besitzen nach wie vor Gültigkeit und unsere Gesellschaft leidet darunter, dass ihre vermeintliche intellektuelle Elite ihr das nicht mehr zugestehen will. Eine schöne Umwelt ist frei von Wunden, von Defiziten, von Brüchen, von Dekonstruktivismen."


    Ulm ist ein gutes Beispiel für das Scheitern "normaler" moderner Architektur im historischen Kontext: Die neuen Gebäude wirken neben den Altstadthäusern und dem Münster nicht nur fremd und unpassend, sondern auch qualitativ minderwertig. In natura ist dieser Eindruck noch deutlich stärker als auf den Bildern.

  • Da kann ich Euch nicht zustimmen. Ich finde diesen Kontrast von Alt und Neu in Ulm sehr gelungen und spannend (kenne es aber nur aus dem genannten ZDF-Beitrag). Eine vollständige Rekonstruktion der Altstadt finde ich daher auch nicht wünschenswert. Durch diesen genannten Kontrast könnte man nämlich sehrwohl auch von außen deutlich machen, dass die Altstadt im Krieg stark gelitten hat. Zudem ließen sich so die Anforderungen des Museums vermutlich deutlich besser erfüllen.

  • Werden wir je eine vollständige Rekonstruktion der Altstadt haben? Ich glaube nicht... Brüche, Zerstörung, Vernichtung, sei es bedingt durch Kriegshandlungen oder die Radikalität seit 1945, kann man immer im Frankfurter Stadtbild ablesen, ob man nun ein winziges Areal im Stadtkern rekonstruiert oder nicht. Die Paranoia vor Geschichtsverklärung oder gar -fälschung kann ich deshalb nicht nachvollziehen.


    Was die Kontraste betrifft... Ich empfinde sie in der Regel als unharmonisch, vor allem wenn sie sich optisch extrem hervor tun. Solche Sachen sind schlicht kindische Effekthascherei ohne tiefere Bedeutung, nur auf den Kontrast an sich ausgerichtet. Wer Kontraste will, sollte schon eine tiefere Bedeutung in die Sache hineinlegen, die sich nicht nur als Äußerlichkeit abbildet. Eine zeitgenössische Nutzung in historischen Gebäuden ist meiner Meinung nach schon als Kontrast ausreichend, zumal dies den Geist der Rekonstruktion als bewusste Hinwendung an das Vergangene besser kommunizieren würde als irgendwelche geometrischen Glaskästen die sich an historische Gebäude heften und dabei verzweifelt schreien, dass es 2025 ist und nicht 1925...

  • Fachwerkhaus: Schläfst du nie? :D


    garcia: Das Wunden-Argument hört man ja nun recht häufig. Aber warum genau soll man deutlich machen, dass die Altstadt stark gelitten hat? Soll das Geschehen zweier Nächte wirklich ein berechtigtes Interesse daran begründen, die viele Jahrhunderte alte Identität der Stadt dauerhaft aufzugeben? Aus städtebaulicher Sicht leide ich heute noch unter den Folgen der Taten meiner Ur-Großeltern. Ich sehe nichts Erstrebenswertes darin, meinen Ur-Enkeln ähnliches Leid zuzumuten. (Zudem werden die Brüche - wie Fachwerkhaus schon festgestellt hat - wahrscheinlich nie ganz verschwinden.)


    Nochmal Herr Kraemer: "Eine schöne Umwelt ist frei von Wunden, von Defiziten, von Brüchen, von Dekonstruktivismen." Kann man sich einen Menschen vorstellen, der durch Wien oder Prag oder Florenz spatziert und sich dabei nach den Wunden in Frankfurt oder Köln oder Ulm sehnt?


    Ich glaube, man macht sich oft nicht klar, wir unsere Städte heute aussähen, hätte man von Anfang an - wie damals schon von vielen gefordert - auf Rekonstruktionen verzichtet: keine Alte Oper, keinen Römer, kein Goethe Haus, keine Paulskirche, keinen Kaiserdom, keine Katharinenkirche, keine Liebfrauenkirche, keine Festhalle, kein Städel, keine Ostzeile am Römer, kein Haus Schwarzer Stern, keinen Frankfurter Hof, keine Alte Stadtbibliothek, kein Palais Thurn und Taxis, keinen Kuhhirtenturm, keinen Eisernen Steg, so gut wie kein Alt-Sachsenhausen, keinen Zoologischen Garten. (Oder Berlin: kein Hotel Adlon, keinen Reichstag, keine Alte Kommandantur, keinen Dom, kein Rotes Rathaus, keinen Gendarmenmarkt, keine Friedrichswerdersche Kirche, keine Neue Wache, nur eine halbe Museumsinsel, kein Brandenburger Tor. Oder Dresden: keinen Zwinger, keine Semperoper, keine Frauenkirche.) Würde irgendjemand von euch dann noch in diese Städte reisen oder gar dort wohnen wollen?


    In Anbetracht hunderter erfolgreicher Beispiele kann ich nicht nachvollziehen, dass Leute heute immer noch gegen Rekonstruktionen argumentierten - mit den gleichen Argumenten wie vor mehr als 63 Jahren.

    Einmal editiert, zuletzt von Tobias ()

  • RobertKWF:


    Du kennst eben nicht die richtigen Heimatmuseen.


    Habe Ich das richtig in Erinnerung, dass der Neubau eine Gemäldegalerie beherbergen soll? War doch so oder? Ich weiß nicht, welche Heimatmuseen Du meinst, wie groß die Stadt, wie lang die Geschichte, und welcher Art das Programm ist, kannst Du da denn wenigstens ein paar Beispiele nennen, das würde dann auch mal deine Argumentation untermauern.


    Ich denke so ein Beispiel könnte auch das städtische Museum in Braunschweig sein, dass man im gotischen Altstadtrathaus untergebracht hat. Da stehen Modelle der Stadt, alte Kanonen, Pläne und sonstiger Firlefanz rum. Das passt zugegeben sehr gut, Ich gehe da auch öfters hin, wenn Ich was recherchiere, oder ein paar Fragen an die Historiker dort habe. Obwohl das Gebäude recht große und lichte Räume hat, hat man bewusst darauf verzichtet, dort Gemälde aufzuhengen, weil die Räume dieser Nutzung nicht gerecht werden können. Geht einfach nicht. Der älteste Museumsbau steht in Kassel, dieser Bautypus wurde überhaupt erst mit der öffentlich-machung der Museen erfunden, und war nötig, weil man bis dahin kaum adäquate Räume für Gemäldegalerien hatte, wenn überhaupt dann in Schlössern.


    Meine Mutter ist Künstlerin, und hat sich, weil sie in einem 200 Jahre alten Fachwerkhaus wohnt extra ein Atelier-Gebäude gebaut, einfach weil man in solchen Räumen nichts schön aufhängen kann.


    Wenn Du also von schönen Heimatmuseen erzählst, dann sag bitte auch welche Du meinst, und wie Du Dir die Nutzung für das historische-Museum in Frankfurt darin vorstellen kannst. Ich kann auch lange erzählen, was es alles an schönen neuen Museen gibt, solange Ich keine Beispiele bringe ist das nur heiße Luft.


    Tobias (+Jörg):


    Die Perspektiven so wie sie sind, sind eindeutig, sie zeigen aber alles andere als die Realität. Das sind Perspektiven, die würde Ich so niemals jemandem zeigen. Weder sehe Ich da diffuse Lichter, noch Texturen, noch stimmt beim historischen Museum der Detailgrad im Verhältniss zur Umgebung. Die Perspektiven sind vorsätzlich so gemacht, dass die ein bestimmtes Bild abgeben das ist vollkommen klar, darauf kann man keine Argumentation aufbauen! Die sind weder richtig modeliert, geschweige denn gerendert oder nachbearbeitet.


    Die Beispiele die Du nennst sind größtenteils Rekonstruktionen, das historische Museum, so wie Du es forderst wäre aber keine, es wäre eine Nachbildung.1 Beides kann man nicht über einen Kamm scheeren. Bei der Rekonstruktion hat man immer mehr oder weniger Originalsubstanz, bei der Nachbildung nicht. Reichstag, Kaiserdom etc. wurden ergänzt, nicht neu geschaffen.



    1: Wortwörtlich übersetzt stimmt nicht was Ich sage, es ist in der Fachsprache aber so unterschieden. Kann bei Bedarf auch Quellen dafür geben.

  • Dieses Argument der Rekonstruktion vs. Nachbildung ist mir zu doof :nono: Welcher bedeutsame Unterschied darin besteht, dass ein Haus nur zu 70, 80 oder 90% oder doch gleich 100% neu gebaut wurde, erschliesst sich mir nicht. Ebenso wenig zaehlt fuer mich ob man ein Gebaeude in den 50er Jahren wiedererrichtet hat oder im Jahr 2008. Entscheidend sind der staedtebauliche Effekt, das "Leben" im Viertel und die Nutzung.


    @ Tobias: Mit persoenlich gefallen Brueche nun mal. Sowohl an einem Gebaeude (der Reichstag ist da wahrscheinlich eines der bekanntesten Beispiele), wie auch im Stadtraum. Und die Altstadt - wenn auch auf begrenzter Flaeche - mit ca. 50 bis weit úeber 100 rekonsturierten Gebaeuden (im Falle des oft gewuenschten Abriss der Schirn) mag mir nicht gefallen. Ich denke es darf durchaus sichtbar bleiben, dass es hier zu erheblichen Kriegsschaeden kam, denen spaeter ein radikaler Bruch mit dem tradierten Staedtebau folgte. Dies zeigt auch die Schirn, ueber deren Verbleib man in 15 - 20 Jahren sicher diskutieren wird. Eine moderne Ergaenzung einer Teil-Rekonstruktion am historischen Museum wuerde auch aeusserlich den historischen Wandel Frankfurts und die stete Aufgeschlossenheit fuer Neues zeigen. Ich denke dies waere gerade die richtige Kombination fuer ein historisches Museum in einer durch-und-durch modernen Stadt.

  • Die Abgrenzung zwischen Reko und Nachbildung halte ich für reine Willkür. Insofern läßt sich beides über einen Kamm scheren.
    Was ist eine durch-und-durch moderne Stadt? Woher kommt diese offenbare Angst, Auswärtige müßten Frankfurt und Frankfurter für rückständig (o.ä.) halten, wenn ffm eine Altstadt hätte (von der aus, man die Hochhäuser sehen würde)??
    Zum "Thema" Verdrängung, Verfälschung oder Verklärung der Geschichte. Ich geh mal davon aus, daß man in der warschauer Altstadt darauf aufmerksam gemacht wird, daß sie "nur" rekonstruiert ist. Ist ja schließlich kein Geheimnis.

  • Zum Thema "Nutzung vs. äußeres Erscheinungsbild" von mir noch ein Gedanke:


    Haben wir nicht direkt gegenüber des Museums das allerbeste Beispiel dafür, dass sich die Nutzung nicht um jeden Preis an der Fassade ablesen lassen muss? Ich meine den Römer-Komplex, samt und sonders einst als bürgerliche Wohnhäuser errichtet und Stück für Stück durch die Stadtverwaltung erworben und für den neuen Zweck innen umgebaut (ausgenommen hiervon die Neubauten um die vorletzte Jahrhundertwende). Würde sich heute irgendjemand darüber beschweren, dass der Römer eine Fassade sei, die den eigentlichen Zweck des Gebäudes verfremdet?


    Im Fall des Historischen Museums ist die Situation genauso. Wer sagt denn, das sich das Museum heute nicht auch in den angrenzenden Fachwerkhäusern ausgebreitet hätte, wären sie noch erhalten? Ich sehe keinen Unterschied darin, ob so ein "Etikettenschwindel" über die Jahrhunderte allmählich entsteht oder als städtebauliche Korrektur in 2-3 Jahren nach Plan erbaut wird. Haben wir nicht schon längst einen "Etikettenschwindel", weil sich das Museum auch über den zu völlig anderen Zwecken erbauten Saalhof erstreckt? Überhaupt müsste sich dann auch jeder moderne Entwurf der eine Form von Kleinteiligkeit vorsieht diesen Vorwurf gefallen lassen, denn die Nutzung ist eben nicht kleinteilig.


    Ich denke, es herrscht weitgehender Konsens darüber, dass ein großes monolithisches, dabei aber "ehrliches" Gebäude die Dimensionen der Altstadt sprengt. Ob die Kleinteiligkeit dann zeitgenössisch oder historisch hergestellt wird, ist letztlich nur noch eine (genauso strittige) Geschmacksfrage.

  • Fachwerkhaus, siehst Du, das ist genau der Unterschied.
    Der Römer-Komplex ist ein über Jahrhunderte gewachsener Bau, der sich tatsächlich in seiner Nutzung verändert hat und dessen Geschichte sich am lebenden Objekt nachvollziehen lässt. Und natürlich hat die heutige Erscheinung durch die Veränderungen, die der jeweilige Zeitgeist hinterlassen hat, kein einheitliches, durchgängiges Bild (und den Erbauer des ursprünglichen Gebäudes würde es vermutlich gruseln, wenn er den Balkon sehen würde der an sein schönde Haus geklebt wurde).
    Eine historisierende Fassade vor einem modernen Gebäude wirkt für mich irgenwie wie die Kneipe, deren Besitzer ein paar Balken Pseudo-Fachwerk an das Erdgeschoss eines 50er Jahre Wohnblocks klebt. Ich trag' ja auch keine Blechuhr mit imitiertem Rolex-Gehäuse - nicht weil die schlecht aussehen, sondern weil ich weiß, dass sie unecht ist.


    Möglicherweise hätte sich ein Historisches Museum, falls es denn an dieser Stelle überhaupt entstanden wäre, auch in den Altstadtgebäuden ausgebreitet.
    Wahrscheinlicher ist, dass sich in diesem Bereich der Stadt nach mehr oder minder aufwendigen Sanierungs- und Abrissarbeiten ähnlich wie in Alt-Sachsenhausen ein "historisches" Kneipenviertel entwickelt hätte, in dem bei Tag niemand auf den Straßen zu finden ist und des Nachts keiner wohnen will, weil an Schlaf nicht zu denken ist.


    Sonstiges:
    Die Vernichtung er Altstadt als quasi außer-geschichtlichen Unfall darzustellen, der nichts mit den geschichtlichen Ereignissen der Zeit zu der sie sich zutrug zu tun hat ist meiner Meinung nach ein schlechter Scherz. Ein Bombenangriff auf Frankfurt war eine absehbare Konsequenz der Kriegsführung, die daraus resultierende Vernichtung der Altstadt (in ihrer Absolutheit nicht nur resultierend aus der Intensität des Angriffs sondern auch aus der Art der Gebäude, der bekannten allgemeinen Brandgefahr, der Bebauungsdichte, etc.) also ganz konkret das Wirken geschichtlicher Prozesse.


    RobertKWF: Willst Du sagen, dass man historische Relikte nach ihrer Attraktivität präsentieren soll? Also das was schön und ansehnlich an der Geschichte der Stadt ist nach vorn, so dass es jeder sehen kann, und das was vielleicht nicht (mehr) so attraktiv ist eher in den Hintergrund? Damit wird dann deine Vorstellung der Geschichte, nach der die Vergangenheit in erster Linie schön und ansehnlich ist und die Gegenwart eben häßlich, zur allgemeinen Wahrheit: Denn niemand kennt die hässlichen Seiten der Vergangenheit, sie ist also in der Wahrnehmung der Menschen zu fast 100% schön, während man von der Gegenwart irgendwo auch die häßlichen Seiten sehen wird, so dass die Gegenwart durch ihren wahrnehmbaren Anteil an Häßlichkeit im Mittel stets weniger schön ist als die Vergangenheit.

  • Xalinai: Die Frage über die Bedeutung der Bombennacht liegt ja nicht in seiner kurzen Dauer und heftigkeit, sondern in seiner Begründung, wie es dazu gekommen ist. Wäre die Altstadt einem großen Feuer zum Opfer gefallen, wäre es wohl nie so krass dazu gekommen, etwas völlig anderes dorthin zu bauen. Man hätte die Chance wohl genutzt, die düstere Altstadt zu einem besseren Wohnviertel zu machen, aber alte Wegebeziehungen wären erhalten geblieben, wichtige und bekannte Gebäude wieder aufgebaut worden.
    Warum nun muss aber gerade die Bombennacht so deutlich präsent sein? Das versteh ich nicht ganz. Warum ist dieses Ereignis soviel wichtiger als die nun nichtmehr sichtbare Jahrhunderte alte Geschichte. Ist es nicht möglich, beides zu bedienen?
    Der neue Entwurf versucht das zwar, scheitert aber in meinen Augen kläglich. Mir gefällt auch nicht wirklich, einfach eine kleinteilige Fassade vor ein Musuem zu kleben...aber kann man sich nicht irgendwo in der Mitte treffen?

  • @ Fizgig: Ist doch klar, weil unsere Ideologen der Überzeugung sind, dass uns die heute zu findende "Architektur der Bescheidenheit" (O-Ton Denkmalpflege) ein ewig der deutschen Kriegsschuld gemahnen müsse. Mich persönlich erinnert sie eher fast täglich daran, dass man es nur zur auch noch nicht erfolgreichen Demoralisierung der Bevölkerung billigend in Kauf genommen hat, eine der bedeutendsten und besterhaltensten Altstädte Mitteleuropas in Schutt und Asche zu legen und sich damit auf das gleiche barbarische Niveau herabzubegeben wie die Faschos unter Hitler. Aber ich will nicht abschweifen.


    Mal ehrlich, wann schaffen wir es endlich mal, uns von diesem "Schuldkult" zu lösen und die Dinge objektiv zu betrachten? Wie schon erwähnt, was wäre Frankfurt ohne die rekonstruierten Gebäude - ohne die meisten Kirchen (eigentlich waren nur der Dom, die Nikolai- und die Leonhardskirche nicht bis auf die Grundmauern zerbombt), ohne Römer, ohne Saalhof, ohne Steinernes Haus und Leinwandhaus, ohne Goethehaus? Die Identität der Stadt, ohnehin schon durch die Aufgabe bzw. totale Reorganisation eines Großteils des Straßennetzes aufs allerschwerste geschädigt, wäre endgültig dahin.


    So sehe ich nichts außer ideologischen Gründen, die Funktionalität über alles stellen, ein Historisches Museum jetzt in der Form zu errichten, wie es unsere Freunde aus Stuttgart (eine ähnliche schöne Stadt wie Frankfurt) jetzt entworfen haben. Ob Ästhetik, Materialität, Kubatur, Erfahrung mit existierenden ortsfremden Bauten oder Rezeption in weitesten Teilen der Bevölkerung, alles spricht dagegen für eine historisierende Lösung. Die Angst um die Begrifflichkeiten von echt und falsch, Attrappe, Kulisse und Disneyland existiert nur in den Köpfen von Architekten und Denkmalpflegern.


    Und wo wir bei Wirken geschichtlicher Prozesse sind: wenn man sich auf diese gefährliche Argumentationskette einlässt, ist es eben ein Wirken geschichtlicher Prozesse der heutigen Zeit, Lösungen der letzten Jahrzehnte vermehrt durch historisierende Lösungen zu ersetzen. Es gibt ja gegenwärtig mehr als genug Projekte, die die Existenz eines neuen Historismus unzweifelhaft belegen. Und wer diesen jetzt als unecht abtut, argumentiert genau wie die Irren der 1950er und 1960er Jahre, die in ihrem Hass auf die angeblich so unechte Kunst des 19. Jahrhunderts noch weitaus mehr kaputtgeschlagen haben als es der Zweite Weltkrieg getan hatte. Insofern wäre ich vorsichtig, auch die heutige historische Strömung als unnatürlich oder missraten zu bewerten, mal abgesehen davon, dass sie im Gegensatz zur der des 19. Jahrhunderts aus einem wohl mehr als nachvollziehbaren Bedürfnis denn aus purer Hilflosigkeit ("In welchem Stile sollen wir bauen?") entstanden ist.


    Eine Wertung der "älteren Originalfunde" halte ich allerdings für problematisch. Auch wenn die Reste der karolingischen Kaiserpfalz erbärmlich aussehen, sie war doch für die Geschichte der Stadt von größerer Bedeutung als manches Altstadthaus; hierzu empfehle ich die aktuelle Veröffentlichung des Archäologischen Museum ("Franconofurd"). Da es jedoch nachweislich möglich ist, das Gelände zu überbauen, *und* die Reste der Pfalz weiter sichtbar zu machen, sehe ich nicht, wieso darum jetzt wieder einmal eine Diskussion geführt wird. Auch wenn mir schon vor dem kommenden Wettbewerb zur Überbauung gruselt.

  • Bezüglich des Arguments Rekonstruktion vs. Nachbildung hat garcia schon alles gesagt. Das Argument mag auf den ersten Blick überzeugen, einer näheren Prüfung hält es aber nicht stand. Das Goethehaus beispielweise war auch komplett zerstört, die Ruine der Alten Oper sollte gesprengt werden (wie etwa auch das Brandenburger Tor). Man kann die Legitimität eines Wiederaufbaus nicht davon abhängig machen, ob die Leute vor 60 Jahren den Schutthaufen weggeräumt oder sich die zwei noch brauchbaren Steine rausgesucht und das Gebäude wieder aufgebaut haben.


    Xalinai: Die Kausalität zwischen den Geschehnissen im Dritten Reich und den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs habe ich nicht angezweifelt. Fizig hat das schon richtig herausgestellt.

  • Da bin Ich schon ein bischen schockiert, dass Ich der einzige bin, der das so sieht.
    In Fallersleben (Stadtteil von WOB) ist letztes Jahr das Brauhaus (1765) abgebrannt. Das Gebäude bzw. der Dachstuhl brannte komplett aus, von der Gaststätte im EG war nichts mehr übrig, und sogar die Kellerräume wurden in Mitleidenschaft gezogen. Ohne jegliche Diskussion wurde das Gebäude dessen Mauern ja noch standen sofort wieder aufgebaut.
    Niemand hat die Frage der Legitimität übehaupt gestellt, weil es in so einem Fall auch nichts zu hinterfragen gibt.
    Das ist etwas vollkommen anderes, als wenn dort seit 60 Jahren eine Brache wäre, und man zwischen Neubau und Nachbildung entscheiden muss. Originalsubstanz spielt in fast jeder Diskusion dieser Art eine Rolle, hätte man in Braunschweig nicht noch die Steine von Portikus und Risaliten übrig gehabt, hätte man das wohl auch nicht so gebaut.


    Im Übrigen würde Ich meine Mitdiskutanten bitten meine Beiträge wenigstens richtig zu lesen, wenn man sie schon als unsinn von vorne bis hinten abtut. Über die Legitimität habe Ich kein Wort verloren. Außerdem fände Ich es immernoch interessant, zu erfahren, wo es eine schöne Gemäldegalerie in einem Fachwerkhaus gibt? Habe Ich wie gesagt noch nicht gesehen.

  • Ich bin auch schockiert, dass du der einzige bist, der das so sieht. :D


    Was hast du gegen den Begriff "Legitimität"? Aus deinen Beiträgen ist doch klar zu folgern, dass du eine Nachbildung für nicht legitim hältst.

  • Tobias #257:
    Siehst Du den Unterschied zwischen deinen Beispielen (Goethehaus, Alte Oper) und dem Kulissenbau der beim Bau einer historisierenden Altstadtkulisse entstehen würde nicht oder willst Du ihn nicht sehen?


    Das Goethehaus wurde zerstört, aber es bestand schon in diesem Moment Konsens darüber, das dieses Gebäude ein wichtiger Teil der Stadtgeschichte ist, ebenso wie Paulskirche und Römer. Daher wurden sie relativ schnell wieder aufgebaut und ihrer vorherigen Nutzung wieder zugeführt. Kein historischer Bruch.


    Bei der Alten Oper war die Situation schon schwieriger, da für einen Wiederaufbau auch eine entsprechende Nutzung zur Finanzierung erforderlich war - aber es wurden zum großen Teil Originalteile eingesetz und die heutige Nutzung ist dem Charakter des Gebäudes angemessen.


    Die Römerbergbebauung ist seit 64 Jahren weg. Der städtische Raum wurde inzwischen anders genutzt und dass die Fläche nicht wieder mit "kleinteiliger gemischter Wohn- und Gewerbebebauung" versehen wurde, entsprach über lange Zeit dem Willen einer Mehrheit der Frankfurter - sonst hätten sie sich sicherlich eine andere Stadtregierung gewählt. (Inwieweit hier heute eine andere Mehrheitsverteilung herrscht möchte ich nicht sagen, mein Eindruck ist jedoch, dass, wie stets in der Politik, die Minderheiten lauter und radikaler sind als die Mehrheiten.)


    Eine Herstellung einer historischen Kulisse für ein Gebäude, das in seiner inneren Struktur die nach außen dargestellte Rolle weder in seiner Architektur (Museen brauchen auch große Räume) noch in seiner Nutzung (eben Museum, nicht Wohn- und Gewerbenutzung) wiederspiegelt halte ich nicht für richtig.


    Das wäre etwa so, als hätte man in den Siebzigern einem Warenhauskonzern die Ruine der alten Oper übergeben um darin ein Kaufhaus einzurichten. Selbst wenn in diesem Fall das Äußere heute ebenso aussehen würde (also ohne übermäßige Werbung, Leuchtreklamen, etc.) wäre es doch nicht "richtig".

  • an Xalinai:
    Ich kann (will) den Unterschied nicht sehen. Was hälst du denn vom Samstagsberg, ist ja auch 'nur' eine (funktionierende) Nachbildung??
    Hälst Du das Museumsufer für ebenso mißlungen?? Sind ja auch fast 'nur' Wohnhäuser.
    mfG