Bauernhäuser

  • Bauernhäuser

    Ich finde, ein Architekturforum sollte sich auch mit der Architektur von Bauernhäusern befassen. Sie hat mehr als viele städtische Bauten über Jahrhunderte die Landschaft, die Besiedlungsformen und die sozialen Strukturen bestimmt. Und auch, wenn es uns nicht täglich auffällt, prägt sie bis heute das Erscheinungsbild der Ortschaften, den "traditionellen Baustil" der vielen verschiedenen deutschen Regionen.


    Ich mache mal den Anfang mit dem Norddeutschen Fachhallenhaus, das man in verschiedenen Varianten in großen Teilen Niedersachsens und ganz Schleswig-Holstein findet. Etwa ein Drittel der Gebäude beherbergte die Wohnung der Bauernfamilie, der größere Teil mit einem großen Tor an einer Giebelseite, der "Grootdör", diente als Kuhstall. Unter dem hohen Strohdach wurde das Heu für die Winterfütterung der Tiere gelagert (das hatte übrigens zur Folge, daß die meisten dieser Häuser früher oder später dadurch abbrannten, daß eine Katze am offenen Kamin Feuer fing und in ihrer Panik nach oben in das Heulager rannte).


    Eine Besonderheit der norddeutschen Fachhallenhäuser ist ihre Konstrukrion: Die tragende Last ruht nicht auf den Außenwänden, sondern auf einem innerhalb liegenden Balkengerüst. Die Häuser waren praktisch konstruiert wie große Zelte.


    Das Bild zeigt zwei für Stormarn, also das südöstliche Holstein, typsiche Fachhallenhäuser im Museumsdorf Hamburg-Volksdorf: Mitte. Das sogenannte "Spiekerhus", das an seinem Originalstandort steht, rechts der aus der Nähe dorthin versetzte Harderhof. Das kleine Gebäude im Hintergrund ist eine Grützmühle, die ursprünglich im etwa fünf Kilometer entfernten, heute ebenfalls zu Hamburg gehörenden Dorf Hummelsbüttel stand.



    Quelle der Bilder: Volksdorf-Net. Museumsdorf Volksdorf

  • Lieber Ernst, bin leider erst heute auf Deinen Beitrag gestoßen und pflichte Dir bei, daß die Bauernhäuser ein wichtiges und aufregendes Thema sind. Ich hätte mir schon immer mal einen Bildband mit Beispielen aus den verschiedenen deutschen Regionen gewünscht. Falls Du noch mehr Fotos/Beispiele liefern kannst, so sollst Du zumindest eines treuen Betrachters gewiß sein. :)

  • Vielen Dank für die Blumen, aber ich fürchte, ich kann nicht viel qualifiziertes zu dem Thema beitragen. Mit norddeutschen Fachhallenhäusern kenne ich mich wenigstens ein bißchen aus. Aber das war's auch schon.


    Aber hier sind doch Leute aus allen Regionen Deutschlands vertreten: Also: Wer kann uns etwas erzählen über westfälische, rheinische, niederrheinische, nieder- und oberbayerische, badische, schwäbische, fränkische, pommersche, sächsische, brandenburgische, friesische, schleswigsche, harzer, hessische, pfälzische, lausitzer, schlesische, hohenlohische, schwarzwälder und anhaltinische Bauernhäuser?

  • Patrick
    Besten Dank für den Museumstip. Es gibt so viel Interessantes in Deutschland. Ich muß dann manchmal an den ulkigen Spruch der Weltreisenden denken "Deutschland gucke ich mir an, wenn ich alt bin." Ich stelle mir dann immer vor, wie sie mit 70 entsetzt feststellen, wie schön ihre Heimat ist und im Rollstuhl hin und herrasen. :)

  • Original geschrieben von Unger
    Patrick
    Besten Dank für den Museumstip. Es gibt so viel Interessantes in Deutschland. Ich muß dann manchmal an den ulkigen Spruch der Weltreisenden denken "Deutschland gucke ich mir an, wenn ich alt bin." Ich stelle mir dann immer vor, wie sie mit 70 entsetzt feststellen, wie schön ihre Heimat ist und im Rollstuhl hin und herrasen. :)


    eine sehr lebendige fantasie hast du, unger ;)


    In Münster gibt's am Aasee ein freilichtmuseum, das ist auch ganz klasse und intressant! und falls ihr mal in herne seit, solltet ihr ins Emschertalmuseum, dass im Schloß untergebracht ist, gehen
    Kai

  • @Kai
    Danke Dir, meine Frau würde sagen, ich spinne... naja, heirate Du erstmal :bah:
    Es gibt noch Bauernhausmuseen bei Detmold
    Cloppenburg
    Kiel (Molfsee).

  • Wo wir beim Thema Freilichtmuseen sind: Neben dem oben abgebildeten und sehr schönen Museumsdorf Volksdorf, das ganz im Nordosten von Hamburg liegt, gibt es außerdem ganz im Süden der Stadt, gleich hinter der Grenze zu Niedersachsen, das Freilichtmuseum Kiekeberg. Das war vor einigen Jahren mal bekannt für seine Aktionstage, bei denen unter anderem in historischen Öfen Brot gebacken wurde, das angeblich legendär gut war. Frage an die Hamburger hier: Ist das heute noch so?


    Ein weiteres Museum ist mir wiederholt aufgefallen auf der Bahnfahrt vom Bodensee nach Offenburg. Dort scheint es kurz vor Offenburg, links der Bahnstrecke, ein Freilichtmuseum für Schwazwaldhäuser zu geben. Diese Häuser haben mich mit ihren gewaltig ausladenden Strohdächern immer besonders fasziniert, vielleicht auch, weil sie kurioserweise eine entfernte Ähnlichkeit mit den mir vertrauten Norddeutschen Fachhallenhäusern aufweisen (siehe oben). Kennt jemand dieses Museum im Schwarzwald?


    In Norddeutschland konnte man übrigens die Dorfhierarchie gut an der Größe der Häuser erkennen. Das Bild aus dem Museumsdorf Volksdorf oben zeigt zwei sogenannte Hufnerhäuser. Das waren die großen Bauernhöfe der wohlhabenden Bauern im Dorf, die dort auch in der Regel die Ämter besetzten. Ich weiß nicht genau, wo dieser Begriff "Hufe" herkommt, aber soweit ich weiß, steht er für einen Landbesitz, der über einige wenige Felder hinausgeht. Ein sogenannter "Vollhufner" war ein Bauer mit einem großen, voll ausgestatteten Bauernhof mit Landwirtschaft und Viehzucht, der einen erheblichen Teil des Landes rund um das Dorf sein Eigen nannte. Ein typisches Dorf hatte vier bis acht Vollhufen. Dazu kam eine ähnlich große Zahl von Halbhufnern, die etwas weniger Land besaßen, im Zweifel auch etwas kleinere Bauernhäuser, und die auch in der Dorfhierarchie nachrangig waren. Halbhufner hatten zwar eigene Bauernhöfe, aber weniger Land, Vieh und Knechte. Dann gab es noch Brinksitzer, das waren leute, die über kein eigenes Land verfügten außer vielleicht einem kleinen Feld zur Selbstversorgung. Sie bekamen Arbeit bei den Vollhufnern, bzw. übten später auch andere, nicht landwirtschaftliche Berufe aus. Sie lebten in der Regel in kleineren Häusern, den sogenannten Katen. Daher kommt übrigens der Begriff "Katenrauchschinken" oder "Katenrauchwurst". Die wurden nämlich einfach an die Decke zum trocknen gehängt, dort, wo der Rauch der Feuerstelle im Haus zum Abzug zog, der sich im Hausgiebel befand. Eine typische Kate kann man übrigens im Altonaer Museum in Hamburg besichtigen. Sie ist in das Museum eingebaut worden - ein merkwürdiges Gefühl, mitten in der Stadt, im dritten oder vierten Stockwerk plötzlich in ein Bauernhaus zu kommen.


    Dies alles ist aus der Erinnerung zitiert und nach bestem Wissen richtig. Aber hoffentlich liest das kein echter Experte :D

  • Etwas allgemeiner - wieso sollten es ständig Freilichtmuseen sein? Ich bin zwar so gut wie nie auf dem Lande, aber in kleineren Städten - oder diversen Vororten - sehe ich noch viele regiontypische Bauernhäuser, die bewohnt sind. :)

  • Ich bin zwar kein grosser Bauernhaus-Fan, aber , wer sich für derartige Freilichtmuseen interessiert, dem sei auch mal der Hessenpark empfohlen. Ist ganz sehenswert.


  • Bewacher
    Du hast natürlich Recht, aber das ist eben heutzutage leider selten genug der Fall.

  • Original geschrieben von Bewacher
    Etwas allgemeiner - wieso sollten es ständig Freilichtmuseen sein? Ich bin zwar so gut wie nie auf dem Lande, aber in kleineren Städten - oder diversen Vororten - sehe ich noch viele regiontypische Bauernhäuser, die bewohnt sind. :)


    Wir, oder besser gesagt meine Eltern, wohnen in einem Fachwerkhaus aus dem Jahre 1827, welches bis Ende der 50er Jahre ein richtiges Bauernhaus war. Es hat natürlich viel Arbeit und Zeit gekostet bis das Haus komplett renoviert wurde und richtig bewohnbar war. Ist von innen auch alles sehr gemütlich, nur muß ich schon ein bischen gebückt gehen wenn ich dürch die Räume in der ersten Etage gehe;)

  • Anthony
    Ja, die jungen Menschen werden immer größer. Wenn Du das Haus mal erbst, sägst Du einfach die Querbalken raus.

  • Hier mal ein Foto von dem Haus, auf das ich 10 Jahre lang geblickt habe, wenn ich aus dem Fenster gesehen habe. Kurioserweise habe ich kein Foto von dem Haus meiner Eltern. Sieht aber ähnlich aus (nur nicht ganz so schön renoviert ;)
    Bauzeit Ende 17. Jh. oder Anfang 18. Jh.



    Und noch ein Innenfoto von unserem Haus. Hier ist noch schön die Fachwerkstruktur sichtbar, in den meisten anderen Zimmern wurde diese überputzt bzw. tapeziert.



    Achja, das Dorf heißt Gilsdorf, in der Nähe von Bad Münstereifel, in der Nähe von Euskirchen (der hässlichsten Stadt Deutschlands ;)).

  • Wer sich für alte Bauernhäuser und Höfe interessiert, unbedingt das Freilichtmuseum Finsterau im Bayrischen Wald besuchen, wenn er mal in der Nähe ist. Nahe der tschechischen Grenze bei dem Ort Finsterau, am südöstlichen Rande des Naturparks.
    Klein und weit abgelegen, aber für mich die eindrucksvollste Sammlung alter Original-Bauernhäuser in Deutschland, die ich kenne.