Technisches Rathaus und Umfeld - Neugestaltung nach Abriss

  • Bravo! Der Plan ist der eindeutige Beweis dafür, dass man bei den zuständigen Stellen absolut keine Ahnung von den konstruktiven Zusammenhängen zwischen den diversen Häusern hat. Es sollte vielleicht einmal mit Nachdruck angemerkt werden, dass sowohl die Goldene Waage als auch das Rote Haus ohne ihre Nachbarbauten nicht authentisch rekonstruiert werden können - von der allgemeinen Ensemblewirkung mal ganz abgesehen! Es würde viel mehr Sinn machen, die Häuserzeile zwischen Rotem Haus und Goldener Waage kompromisslos wiederherzustellen und dabei auch nicht beide Häuser an drei Seiten frei stehen zu lassen, sondern zumindest auch die unmittelbar südlich angrenzenden Grundstücke zu bebauen. Aber vielleicht kommt es ja noch zu letzterem, wenn endlich das Dogma des unbedingt zu erhaltenden weil ach so kulturhistorisch bedeutsamen archäologischen Gartens wegfällt.


    Nachtrag: Der größte Witz überhaupt ist, dass der Kunstverein-Klotz unter Denkmalschutz (!!!!!!!!) steht und deshalb nicht abgerissen werden kann, weshalb auch der historische Straßenverlauf nicht wiederhergestellt werden kann. So langsam verzweifle ich wirklich an dieser Instituiton....

  • Also was die fehlenden Seiten betrifft, hatte ich am Freitag im Sonderausschuss eine Frage zu gestellt. Dort ist wohl nur nichts eingezeichnet, weil man einfach das Ergebnis des Architektenwettbewerbs zur Überbauung Archäologischen Garten abwarten will der wohl auch Lösungen zum Umgang mit dem Roten Haus bringen soll. Weiß zwar net warum man unbedingt einen Wettbewerb braucht, die Gebäude könnten alle rekonstruiert werden, sind schließlich Teil des Metzgerhöfchens und außerdem hervorragend dokumentiert - die angestrebte kulturelle Nutzung des Gartens wär sowieso ziemlich suboptimal weil sie die Häuser am Markt nahezu unbewohnbar machen würde, aber naja.

  • Spätestens beim Übergehen zu einer konkreten Planung der einzelnen Gebäude wird man vor der Frage stehen, ob früher wegen Nachbarbebauung nicht vorhandene Fassaden neu erfunden oder eben das Nachbargebäude auch noch rekonstruiert wird. In dubio pro reko! Auf den der Vorlage beigefügten Plan würde ich ohnehin nicht viel geben, der wird sich bestimmt noch ändern.


    Auch die Zahl der zu rekonstruierenden Häuser wird sich nach meiner Einschätzung noch ändern. Die Voraussetzungen hierfür sind gegeben, denn in der Vorlage heißt es: "Um die Geschichte des Ortes stärker erlebbar zu machen, sollen zumindest sechs ehemalige
    Altstadthäuser wenn möglich von privaten Bauherrn wieder aufgebaut werden" (Hervorhebung von mir). Eben dieses "zumindest" wurde wohl erst in letzter Minute noch in die Vorlage aufgenommen, das behauptet jedenfalls die FR hier. Und das ist doch schon mal ein gutes Zeichen.

  • Wenn man Klötze aus dem Weg räumt, wie das technische Rathaus, welches einen Üblen Stadtraum erzeugt und auch intern merkwürdige Räume schafft und dadurch die Möglichkeit hat ein neues kleines Zentrum für Frankfurt zu schaffen ist das gut. Aber wenn man in einer Rekonstruktionswut alles niederreissen will was nicht in sein Konzept vom wiederaufgebauten Frankfurt passt ist wirklich schlimm.
    Da enstehen gute - z.T. nicht ohne Grund mittlerweile denkmalgeschütze - Bauten in verschiedenen Dekaden und die sollen alle geopfert werden, weil einem die Häuser nicht gefallen (z.B. Kunstverein, Schirn, Bundesrechnungshof) um andere Häuser wiederaufzubauen, welche nicht mehr existieren. Haben sie nicht Verzierungen, oder was entscheidet bei euch über das Existenzrecht?
    Frankfurt ist eine lebendige Stadt und es sollte doch auch möglich sein ein lebendiges miteinander von Stilen mit überlagerungen von Stadtgrundrissen und Räumen hinzubekommen.


    ....meine Meinung....

  • Es geht, um mich mal konkret auf meinen Vorwurf an den Kunstverein-Würfel zu beziehen, hier ausschließlich um die Ensemblewirkung. Der Kunstverein-Anbau passt weder von der Kubatur noch von der äußeren Beschaffenheit in einen wiederaufgebauten Altstadt-Straßenzug.
    Die einzige Aufgabe des Anbaus war, einen zeitgemäßen Zugang in das Steinerne Haus zu schaffen und dabei möglichst unauffällig zu bleiben, nicht mehr und nicht weniger. Nur leider ist das letztere Ziel, unauffällig zu bleiben, mit der geänderten städtebaulichen Situation nicht mehr gegeben. Die einzige zweckmäßige Lösung wäre hier die äußerliche Rekonstruktion des einst an dieser Stelle vorhandenen Gebäudes mit den für die Versorgung des Steinernen Hauses erforderlichen Anlagen im Inneren.


    Abgesehen davon ist - so habe ich an anderer Stelle vernommen - nur das Steinerne Haus selbst denkmalgeschützt, nicht der Anbau. Ein weiterer Fehler in diesem vor Ungereimtheiten strotzenden Werk.

  • Das wäre ja das aller Tollste, wenn man ein Gebäude abreißt, weil es sich nicht an eine nicht bestehende städtebauliche Situation gehalten hat. Der Kunstverein hat sich an dem orientiert, was da war, was auch so richtig ist und es kann doch wohl nicht wahr sein, wenn man einem Gebäude vorwirft, es halte sich nicht an dortigen Gegebenheiten, wenn diese damals überhaupt nicht existierten. Da kannst du gleich 90% aller Architekturtheorie über Bord werfen, wenn du forderst, man solle etwas planen, hier die Reko der Altstadt, und dann den Genius Loci einfach daran anpassen. Etwas planen, merken, dass es nicht klappt, und einfach so lange das Umfeld umbauen, abreißen und wegplanen bis es passt, hat nichts, aber auch gar nichts mehr mit Architektur zu tun. Am Anfang eines jeden Planungsprozesses steht der Genius Loci, mit dem sich seit Jahrtausenden alle Architekten ausseinander-setzen, und der unumstößlich im Zentrum einer jeden gelungenen Architektur steht. Niemals wird es im städtischen Raum ein gelungenens Gebäude geben, bei dem man den Genius Loci einfach ausgeklammer hat. Das geht nicht! Wir reißen einfach solange ab, bis unsere Altstadt ihr Umfeld hat ist städtebaulicher Wildwuchs, wie es ihn nur in den 60ern und 70ern gab und der in einer Sackgasse gelandet ist. Jedes Gebäude muss sich am Bestand orientieren, auch wenn es eine Reko ist, und nicht anders herum.
    Glücklicherweise habe ich gerade Gestern ein Beispiel für perfekte Architektur gefunden, die dadurch bsticht, dass sie sich zu 100% am Genius Loci orientiert. Die Jacob-Kemenate ist ein in Fachwelt und Bevölkerung hoch geschätzer moderner Bau, der es mit Leichtigkeit vermag zwischen den alten Teilen wieder einen Bezug zu errichten, und so ein wunderschönes Ensemble entstehen lässt.


    Leider ist der ehemalige Eiermarkt so eng, dass man das Zusammenspiel der alten und neuen Gebäude nicht recht ablichten kann, wer da war, ist aber begeistert von dem Bau. Unter anderem die Zürcher und die FAZ haben das Gebäude in den Himmel gelobt. Wie zufällig hbe ich auch mit einigen Frankfurtern gesprochen, die vorher ganz gerne ein paar mehr Rekos in Frankfurt gehabt hätten, nach dem Besuch der Kemenate konnte ich sie aber davon überzeugen, dass gute Architektur der bessere Weg ist, und das Braunschweig die größere Altstadt hatte:runaway:

  • Sorry, aber Deiner Argumentation kann ich nicht ganz folgen. Jedenfalls lässt sich von dem, was ich unter dem recht transzendenten Begriff Genius Loci verstehe, durchaus eine Rechtfertigung für den Abriss des Kunstverein-Anbaus ableiten. Denn ein grauer Betonkubus an der Flanke eines gotischen Patrizierbaus, umgeben von wiederhergestellten Fachwerkhäusern, ist alles andere als harmonisch und somit dem genius loci nicht angemessen.

  • Genius Loci hat erstmal nichts mit Harmonie zu tun. Der Kunstverein fügt sich, nach meiner Wissenslage ganz gut an das Steinerne Haus an, weil es sich am damaligen Genius Loci orientiert hat. Ich kann nachvollziehen, wenn man den Abriss von Gebäuden fordert, die volkomme deplatziert sind, weil sie nichts mit dem Genius Loci zu schaffen haben, ein Gebäude wie der Kunstverein ist da aber eine andere Kategorie. Wenn jetzt ein paar Fachwerkhäuser errichtet werden, und das ganze dann nicht mehr Harmonisch ist, dann liegt das nicht am Kunsterein, weil der damals durchaus harmonisch war, sondern an den Fachwerkbauten. Die haben sich dann auch unterzuordnen, und nicht der Kunstverein. Auch wenn es Rekos sind, war der Kunstverein zuerst da. Dieses ständige Erschaffen eines neuen Genius Loci führt immer nur zu neuen Übergangszuständen, die auf Dauer nicht akzeptabel sind.
    Wenn man im Bestand baut, dann bitteschön so, dass man sich am Genius Loci orientiert, und nicht sich einen neuen schafft. Zur Not muss man halt auf eine reko verzichten, und ein wenig überleiten, aber sicher darf man nicht einfach abreißen, damit es passt.


    EDIT: Ich reagiere manchmal ein wenig ungehalten, besonders, wenn man anerkannte Lehrinhalte der Architektur einfach ignoriert. Bitte nicht dumm angegangen fühlen, ich bin ja nicht der einzige der ein wenig emotional werden kann.

  • Gut, so kann man es auch sehen. Des Pudels Kern ist aber, dass jeder unter dem genius loci etwas anderes versteht. Für mich ist es an dieser Stelle nicht mehr und nicht weniger als die Altstadt bis März 1944. Dementsprechend waren die Fachwerkhäuser zuerst da, und der Kunstvereinwürfel ist es, der sich nicht anpasst. So einfach ist das... ;)

  • 1. Das Steinerne Haus war schon vorher da, und der Kunstverein passt nichtmal mit diesem zusammen.
    2. Als der Kunstverein errichtet wurde war dort eine Brache, aber der alte Straßengrundriss immer noch präsent, und trotzdem wurde diese Scheußlichkeit den Grundriss und sein Nachbargebäude ignorierend dorthin gesetzt.

  • Mich würde mal eher interessieren, ob der Kunstverein-Kubus jetzt tatsächlich unter Denkmalschutz steht. Im Ausschuss habe ich explizit gefragt und es wurde verneint. Nun steht in der Magistratsvorlage (!), dass das Gebäude denkmalgeschützt wäre - dabei ist doch einzig der mittelalterliche Keller darunter denkmalgeschützt?


    Also bei der Schirn kann man ja noch hinnehmen, dass sie dort steht. Sie verhindert weitere Rekonstruktionen, beeinträchtigt aber nicht die Wiederherstellung des Marktes. Doch für den Kunstverein-Kubus einen neuen Platz schaffen, das wichtige Haus zu den drei Römern aufgeben und einen Teil des Häuserblocks zwischen Markt und Hinter dem Lämmchen im Grundriss verändern - nur für ein Gebäude, das nun absolut nicht in das zukünftige Ensemble passen wird? Man bedenke, das Haus wird den Auftakt zu einer ganzen rekonstruierten Zeile von Gebäuden Hinter dem Lämmchen bilden - sorry, das finde ich einfach daneben. Oder politisch gesprochen, unverhältnismäßig. Es gibt sicher schöne und erhaltenswerte 50er Jahre-Architektur in Frankfurt, aber der Kunstverein-Kubus zählt nun sicher nicht dazu. Mal abgesehen davon, dass er selbst im existierenden Bestand wie ein Fremdkörper wirkt und schon immer gewirkt hat... :nono:

  • Wahrschienlich kennt ihr den Artikel "Rost und Romanik" von Dieter Bartezko in der FAZ schon, ich will trotzdem ein paar Worte dazu verlieren.
    Bartezko beschriebt sehr schön den Konflikt, in den man mir Rekos gerät anhand des Beispieles Braunschweig. Hier wurde vor kurzem die Jacob-Kemenate eröffnet, die er als "das Beste was wiederherstellende Architektur zu bieten hat" beschreibt. Als Grund für die unbestritten hohe Qualität diese Gebäudes nennt er die "Ehrfurcht" mit der Künstler und Architekt an den Entwurf heran gegangen sind. Jedes noch so kliene Detail wurde beibehalten, und nichts, aber auch rein gar nichts dem Neubau oder dem Umbau geopfert. Die Kemenate reizt gerade dadurch, dass sie alle Einflüsse der letzten 1000 Jahre, die auf dieses Gebäude einwirkten so gelassen hat, wie sie waren. Er nennt dieses Gebäude, aber auch den besonderen Umgang mit dem Bestand als vorbildlich unter anderem für Frankfurt.
    Um ein möglichst gutes Ergebniss zu erzeieln, ist es meiner Meinung nach wichtig jedem noch so kleinen Einfluss seinen Platz ein zu räumen, also auch den Kunstverein mit dieser Ehrfurcht zu behandeln. Sollte es nicht möglich sein, dies mit einer Reko zu erreichen, muss man halt auch aus Respekt vor den Erschaffern des überhaupt nicht schlechten Kunstvereins diesen stehen lassen, und auf eine Reko verzichten. Stattdessen ein Gebäude errichten, dass allen gerecht wird.

  • Hier ein Bild vom Gebäudes des Frankfurter Kunstvereins. Links das Steinerne Haus, rechts der Anbau.


    http://www.anewcityguide.com/images/_723.jpg


    Bei allem Verständnis, der Anbau ist m. E. architektonisch nicht von so hoher Qualität, als dass er unter allen Umständen erhalten werden müsste. Der Anbau könnte vielmehr das entstehende Ensemble stören. Ich denke, dass man in einer vernünftigen Abwägung, unter gebührender Einstellung der Gesamtintention, nämlich u. a. der Wiederherstellung des Krönungswegs, durchaus zu dem Ergebnis kommen kann, den Anbau nicht zu erhalten. Dem Kunstverein könnte dafür in einem anderen (rekonstruierten) Gebäude Raum gegeben werden. Die Künstler hätten daran möglicherweise auch ihre Freude.

  • Lustigerweise wäre das Haus Mohrenkopf (auf dem jetzt der Kunstverein-Kubus steht) ja sogar das einzige (!) Gebäude, das noch auf einem originalen Fundament wiedererstehen würde, da es als einziges auf dem Areal nicht abgeräumt worden ist! Noch dazu ist es aufgrund einer Sanierung in den 20er Jahren exzellent dokumentiert. Insofern ist es geradezu paradox, gerade um diese Parzelle praktisch herumzubauen...

  • Gibt es vielleicht ein verfügbares Foto des Mohrenkopfs? Ich würde mir gerne ein Bild von der Bausituation vor dem Krieg machen.

  • Etwas hinter der Position, wo im Bild das spitzbogige Tor ist, befindet sich heute noch eine Durchfahrt des Nürnberger Hofes mit gotischen Gewölbe, die in einen Braubachstraßen-Neubau integriert ist.


    Zur Orientierung bzw. zum Gegenhalten mit Google Earth stelle ich hier mal einen von mir für private Forschungszwecke verwendeten, überlagerten Ausschnitt aus dem Ravenstein-Plan von 1861 zur Verfügung. Farblich hervorgehoben sind die Flucht der Brauchbachstraße und die Parzellen der Gebäude, die für sie abgerissen wurden...



    (Klicken zum Vergrößern)


    Bei Haus Mohrenkopf (zwischen 1450 und 1500 erbaut und eines der ältesten Gebäude auf dem Areal) war das Fachwerk oberhalb des noch sehr altertümlichen Erdgeschosses sehr stark barock verändert. Die vergrößerten Fenster dürften das ursprüngliche Fachwerkbild soweit gestört haben, dass eine Fachwerkfreilegung nicht sinnvoll erschien, weshalb man nur sanierte und den barocken Zustand beliess.


    Nachtrag:


    Ich habe noch ein eigenes Foto gefunden, auf dem am rechten Bildrand die Durchfahrt mit Gewölbe zu sehen ist: