Technisches Rathaus und Umfeld - Neugestaltung nach Abriss

  • Bericht: FAZ-Veranstaltung Teil 1


    Gesprächsleitung: Günter Mick
    Diskussionsteilnehmer: Evelyn Brockhoff (Leiterin des Instituts für Stadtgeschichte), Christoph Mäckler (Architekt), Albert Speer (Architekt) und Edwin Schwarz (Planungsdezernent)


    Speer wurde gleich zu Beginn vom Moderator mit seinem Schwachsinn-Zitat konfrontiert: Was habe er eigentlich gegen eine bauliche Anknüpfung an die Geschichte? Speer antwortete, dagegen habe er nichts, aber er sei dagegen, im 21. Jahrhundert ein mittelalterliches Haus aufzubauen (wolle man beispielsweise den Zustand von 1935 oder den des 16. Jahrhunderts rekonstruieren?) Er stehe zu seinem Zitat und brachte dann noch einige andere Argumente: Die Strukturen des heutigen Frankfurts seien von einem demokratisch gewählten Nachrkriegsbürgermeister geprägt, alte Fachwerkhäuser aufbauen sei nicht möglich, da wolle auch niemand wohnen, die Menschen seien im Mittelalter kleiner gewesen, heute wären die Häuser zu klein.


    Dann ging es mit Frau Brockhoff weiter. Ihrer Meinung nach solle die Geschichte der Stadt baulich wieder aufleben, die Frage sei aber: Wie? Es werde zu wenig über Nutzung gesprochen, es sei hauptsächlich eine emotional geführte Debatte, die Diskussion müsse versachlicht werden. Eine Reko der Goldenen Waage sei nicht möglich, da man dafür den Archäologischen Garten zuschütten müsse, anders verhalte es sich hingegen mit dem Roten Haus.
    (Witzige Geschichte am Rande: Kardinal, der ja auch im Publikum war, war reichlich irritiert über Frau Brockhoffs Behauptung, dass die Goldene Waage auf dem Arch. Garten stehen würde; auf sein Geheiß habe ich mich dann später in der Diskussion gemeldet und danach gefragt, denn Kardinal selbst hatte bereits einen Redebeitrag geleistet und es war unwahrscheinlich, dass er noch einmal drankommen würde. Ich unternahm bei meiner Wortmeldung den leider etwas plumpen Versuch, das Wort wieder Kardinal zuzuspielen, was aber unterbunden wurde. Frau Brockhoff sagte aber, nach der Diskussion könne man zu ihr nach vorne kommen und die Pläne einsehen, dann würde man sehen, dass die Waage wirklich auf dem Archäologischen Garten stand. Kardinal ist dann nach der Diskussion wirklich nach vorne gegangen und hat mit Brockhoff darüber diskutiert. Er kam dann grinsend zurück und sagte mir, er habe Recht behalten und Frau Brockhoff habe sich geirrt. Wenn ich es richtig verstanden habe, dann hat Frau Brockhoff den Plan falsch gehalten und zwei Mauern verwechselt :D )
    So, aber zurück zu Frau B.'s Rede: Sie sagte noch, sie habe kürzlich wieder festgestellt, dass sich zwar alles am Römerberg tummelt, aber nirgends sonst drum herum. Sie sei für den alten Straßengrundriss und habe nichts gegen Teil-Rekonstruktionen.


    Dann stellte der Moderator an Mäckler die Frage, was an der "Nostalgie-Welle" eigentlich verwerflich sei. Mäckler sagte, zunächst einmal müsse man ernst nehmen, was die Gesellschaft sich wünscht. Er machte deutlich, dass er Ingeborg Flagges Persiflage in der FAZ für unangebracht hält und kritisierte auch Schefflers Populismus-Vorwurf. Auch in anderen Städten seien Gebäude aufgebaut worden, weil "unsere Städte ausradiert wurden". Er erwähnte, dass sein eigener Vater als Dombaumeister vorgehabt habe, den Dom mit einem Flachdach wieder aufzubauen; dies zeige, dass diese Generation das dritte Reich um jeden Preis hinter sich lassen wollte. Weiterhin sagte Mäckler, dass unsere Geschichte für viele in den 50ern beginne, man müsse auch wieder den Sprung vor die Nazi-Zeit schaffen, den Begriff der Heimat wiederfinden. Einzelne Fachwerk-Rekonstruktionen befürworte er: Die Bevölkerung wolle zu Recht Kleinteiligkeit und Leben in den Innenstädten haben, aber dafür sei keine Komplett-Reko notwendig.


    So, das war Teil 1. Den Rest gibt es morgen.

  • Es gibt auch online einen Bericht in der FAZ, vielleicht kann jemand den Link beisteuern, ich finde ihn gerade nicht mehr.


    Teil 2
    Schwarz wurde dann etwas provozierend vom Gesprächsleiter gefragt, ob die Stadtverwaltung eigentlich keine eigene Meinung zu dem Thema hätte. Schwarz: Dies sei eine legitime Frage; er nutzte erstmal die Gelegenheit, noch einmal darauf hinzuweisen, dass der Abriss des TR hauptsächlich von ihm ausgegangen sei (und viele, die damals dagegen waren, seien jetzt die eifrigsten Fachwerk-Bauer). Noch einmal betonte er, der Wettbewerb sei ja nur ein Ideenwettbewerb gewesen, ökonomische Faktoren müssten berücksichtigt werden, seien aber nicht primär. Seine persönliche Meinung zur Gestaltung des Areals sei: historischer Grundriss, kleinteilig, moderne Architektursprache (jedoch auf keinen Fall Stahl und Glas), einzelne Fachwerk-Rekonstruktionen am Krönungsweg; grundsätzlich vertrat aber Schwarz die Ansicht, man könne nicht in Fachwerkhäusern wohnen, und man wolle keinen Hessenpark oder Disneyland.


    Moderator Mick griff das letztgenannte Wort auf und verwies darauf, dass der Disneyland-Vorwurf ja schon bei Goethehaus und Römerberg-Ostzeile zur Anwendung gekommen sei. Aber wie stehe es damit heute? Heute seien diese Gebäude doch akzeptiert.


    Schwarz' Antwort war, man müsse stets im Einzelfall entscheiden. Dresden, das auch genannt worden war, halte er im übrigen für nicht vergleichbar. Überdies könnten Architekten ja durchaus die reine Lehre vertreten, aber in der Politik müsse man Kompromisse schließen.


    Frau Brockhoff sagte dann einiges zur Geschichte der Altstadt. Ich will das jetzt nicht im Einzelnen wiedergeben, da es allgemeinm bekannt sein dürfte. Allerdings behauptete sie, dass es Geschosshöhen von nur 2 Meter gegeben habe (was laut Kardinal für den betroffenen Bereich nicht stimmt) und dass dort kein Mensch leben wolle.


    Der Moderator richtete anschließend die Frage an Speer, ob man nicht berücksichtigen müsse, dass einerseits das Interesse an Geschichte gewachsen sei und andererseits auch das Unbehagen an der Unwirtlichkeit der Städte.


    Speers Antwort: Ja, muss man. Aber die Einstellung der Architekten habe sich in den letzten Jahren auch geändert, man sei weggekommen vom rein Funktionalen. Es bliebe aber die Frage nach dem Wie. Der Wiederaufbau der Altstadt sei nicht möglich, daher müsse man sich fragen: Was ist möglich?


    Mäckler antwortete auf Speers Beitrag mit den Worten: "Architekten sind nicht alle gleich" (Etwas Gelächter im Publikum) Der Einstellung der Architekten habe sich lediglich ein bisschen geändert. Im Wettbewerb für das TR-Areal hätten immer noch zahlreiche Entwürfe Flachdächer gehabt. Vier der Professoren im Preisgericht seien eingefleischte Modernisten, die selbst nur Glas gebaut hätten, da dürfe man sich über die Entscheidung am Ende nicht wundern. Auffällig sei, dass alle Entwürfe mit "richtigen" Dächern (darunter sein eigener) bereits im ersten Durchgang rausgeflogen seien. Die Bevölkerung habe keine Lust auf selbstverliebte Architektur ohne Bezug zum Ort; ihr deshalb Populismus vorzuwerfen, halte er für unverschämt. Dresden sei für ihn vorbildlich. Der Archäologische Garten sei zweitrangig; sarkastisch meinte er, wenn man noch weitergegraben hätte, hätte man vielleicht noch Eisblöcke aus der Eiszeit ausgegraben, die manche Leute dann auch unbedingt freigelegt lassen würden. Er nannte als Beispiel irgendeine andere europäische Stadt, deren Namen mir entfallen ist (ich glaube, es war eine italienische) wo man auch im Stadtzentrum bei Arbeiten auf bedeutende Gebäudereste aus früheren Zeiten gestoßen sei, aber die habe man selbstverständlich später wieder zugeschüttet, weil Menschen in einer Stadt eben leben wollten. Der Wiederaufbau der Goldenen Waage sei ihm daher wichtiger als der Archäologische Garten (wie bereits erwähnt konnte Kardinal nach der Debatte richtig stellen, dass Waage und Garten gar nicht zu einander im Widerspruch stehen; aus dem FAZ-Artikel gewinnt man leider einen anderen Eindruck). Dann wies Mäckler noch darauf hin, dass der größte Teil des Fachwerks ja verkleidet gewesen sei (Putz, Schindeln).


    Frau Brockhoff hielt Dresden hingegen für ein schlechtes Beispiel, da dort beliebige Epochen rekonstruiert würden, d. h. immer die Zeit, die man gerade wollte. Es gab ein kleines Streitgespräch mit Mäckler (Frau B. kämpfte für den Archäologischen Garten), als deren wichtigster Punkt mir noch im Gedächtnis geblieben ist, dass Mäckler etwas richtig stellte: Brockhoff hatte vorher irgendwann erwähnt, dass einige Häuser auf einer Fläche von gerade mal 30 m2 gestanden hätten, und Mäckler sagte, das treffe für diese Areal nirgendwo zu.


    So, beim nächsten Mal gibt's den dritten und letzten Teil.

  • Zwischendurch ein Dankeschön für den hervorragenden Bericht. Die Aussagen Mäcklers sind sehr bemerkenswert, vom gesamten Tenor her, aber auch im Hinblick darauf, wie unverhohlen er das Preisgericht bloßstellte. Erschreckend dagegen, wie schlecht die Leiterin des Instituts für Stadtgeschichte informiert ist.


    Den FAZ-Artikel habe ich gestern Abend auch gelesen, jetzt ist er anscheinend nicht mehr online.

  • @ Schmittchen:


    Ich glaube, der Artikel ist noch online, man kann ihn aber nicht direkt verlinken. Also auf die FAZ-Seite gehen, dort in die Rubrik "Rhein-Main", da stand der Artikel vor 30 Minuten noch an zweiter Stelle.


    Teil 3


    Der Moderator brachte Münster und polnische Städte als Beispiele ein: Warum sei in Frankfurt nicht möglich, was dort gelungen sei?


    Ein bisschen hat Schwarz meiner Ansicht nach an dieser Stelle rumgeeiert, sagte irgendwas vom Unterschied eines Aufbaus direkt nach 45 und im Jahre 2005. Dann brachte er das Historische Museum noch mit ins Spiel; damals hätten die Architekten den Politikern gesagt, wie sie bauen sollen. Schwarz habe im TR-Preisgericht um so viel Historisches wie möglich gekämpft, aber die die Architekten hätten gesagt "Nur so, oder wir geben unsere Unterschrift nicht." Dann sagte Schwarz noch, er sei immer ein Gegner von Bürgerentscheiden gewesen.


    Speer wurde die Frage gestellt, ob er mit "historischen Zitaten" leben könne. Speer meinte, Zitate seien hauptsächlich etwas für Literatur und Musik. Wenn schon Zitate in der Architektur, dann müssten sie aber als solche erkennbar sein. Dann forderte Speer noch, man müsse über eine Gestaltung des gesamten Bereichs der (ehemaligen) Altstadt reden, also über das TR-Areal hinaus.


    Mäckler erwiderte, das TR-Areal sei ja nun nicht irgendein Stück Altstadt, sondern beinhalte den Krönungsweg, der im übrigen breit und nicht eng gewesen sei. Neben den einzelnen Fachwerk-Rekos, die er vertreten könne, würde er für Gebäude im Stil des "neuen" Salzhauses plädieren (das Haus am Römer ganz rechts). Nur mit Kleinteiligkeit sei Leben in das Gebiet zu bringen.


    Schwarz sagte daraufhin, es solle ja kleinteilig werden, dies sei von Anfang an beabsichtigt gewesen. Auf das Hotel, für das er eigentlich sei, könne man notfalls auch verzichten. Er wies darauf hin, dass es zum Altstadt-Thema auch eine Veranstaltung am 18. November gebe, und eine Woche später sei eine Bürgerversammlung geplant.


    Dann durfte nochmal Frau Brockhoff, die sagte, dass der Krönungsweg nichts sei ohne den Archäologischen Garten, weil ja gerade diese Mauerreste erklären würden, warum in Frankfurt gekrönt wurde. Dann sprach sie sich dafür aus, dass die Stadt ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg jährlich gedenken solle (Glockengeläut etc.)


    Anschließend begann dann endlich die Diskussion mit dem Publikum. Kardinal korrigierte die Fehlinformation über die Geschosshöhen und wies darauf hin, dass nichts Technisches gegen die Fachwerk-Rekos spreche. Ich kann jetzt nicht sämtliche Äußerungen aus dem Publikum wiedergeben; mir fällt aber noch ein, dass ein Mann sagte, man solle die Entscheidungen auf die Zeit nach der Kommunalwahl verschieben, damit der Wahlkampf nicht falsche Ergebnisse produziere. Dem widersprach später ein Mann von den Frankfurter Grünen, der sagte, dass es ja gerade das Wesen der Demokratie sei, dass Parteien erklären würden, was sie vorhätten, und sich dann mit diesen Vorschlägen einer Wahl stellen würden. Der Grüne zeigte sich auch irritiert über die Änderung des Verlaufs des Krönungsweges im Siegerentwurf. Es gab auch noch einen Beitrag von Possmann, dem Vorsitzenden der "Freunde Frankfurts", aber an den Inhalt erinnere ich mich gerade nicht mehr.


    Als etwas seltsam blieb mir noch die Behauptung in Erinnerung, dass ja auch niemand in den alten Häusern leben wolle, weil die engen Gassen ja zu schlechten Lichtverhältnissen führen würden. Eigentlich sind die Gassen in diesem Bereich nie so eng gewesen (bis auf eine Ausnahme, glaube ich), und wenn eine moderne Bebauung sich am alten Gassenverlauf orientieren will, dann wären die Lichtverhältnisse da doch auch nicht viel anders...

  • "Mäckler hält die Parzellen des Siegerentwurfs für viel zu groß. «Wir brauchen kleinteilige Strukturen, damit dort auch ein Mittelständler ein Haus bauen kann"


    Das klingt doch irgendwie vernünftig. Dann ist man nicht, wie etwa am Dresdner Neumarkt, von einem Großinvestor abhängig, der einen ganzen Riesenblock baut (oder vorher insolvent wird), sondern nach und nach werden einzelne Häuser gebaut, und die alte historische Mitte wächst Stück für Stück für Stück wieder heran...

  • Welches Argument ich absolut nicht einsichtig finde, ist die Frage des Wohnens. Da wird behauptet die Menschen würden nicht in Fachwerkhäusern leben wollen...Woher nimmt denn ein Herr Speer diese Erkenntnis? Hat er eine Meinungsforschung in Auftrag gegeben? Ich würde liebend gerne in einem Fachwerkhaus wohnen, und es gibt genug Städte (Einbeck, Hildesheim,Göttingen..) wo die Menschen in Fachwerkhäusern gut und gerne leben. Meiner Ansicht nach ist dies ein hergeholtes Argument, was im Grunde nur zum Ausdruck bringt dass dieser Mann einfach generell gegen Fachwerk ist. Erschreckend ist ebenfalls die Unwissenheit verantwortlicher Personen über die Frage ob sich die Rekonstruktion der Goldenen Waage und der Archäologische Garten ausschließen. Es kann doch nicht im Ernst sein, dass SOLCHE Menschen darüber zu bestimmen haben was mit der Altstadt Frankfurts geschieht!!! :nono:
    Wenn ich mal meine bescheidene Prognose abgeben darf, dann gehe ich davon aus, dass vielleicht 2-3 Fachwerkhäuser rekonstruiert werden und der Rest kleinteilg modern gebaut wird. Zwar könnte man sagen "besser als nichts", aber bei dieser einmaligen Chance etliche Bausünden der Vergangenheit durch eine kompromisslose Reko der Altstadt nach Kardinals Entwurf wieder gutzumachen, ist das für mich jedenfalls nur ein schwacher Trost.
    Dieselben Art von Diskussion (über Zweck und Unsinn von Rekos) gab es ja mit der Frauenkirche auch....und jetzt wo sie steht sind alle begeistert....:mad:


    Hier nochmal ein Link aus einer Schweizer Zeitung zum sogenannten "Rekonstruktionswahn" der Deutschen. Eine kritische Betrachtung eines Landes dass keine seiner Städte "verloren" hat.


    http://www.nextroom.at/article.php?article_id=1651


    Und ein interessantes Interview aus DER ZEIT:
    http://www.zeit.de/2003/14/Ganser-Interview

  • Bericht: Veranstaltung der Rundschau


    Schon witzig... da wird den Reko-Befürwortern in der Debatte immer Emotionalität vorgeworfen; die einzigen, die sich gestern abend danebenbenommen haben, waren Herr Stein (FDP) und Herr Jourdan.


    Aber mal von vorne: Die Moderation lag bei Frau Willführ, zu der sich bald noch ein bärtiger FR-Mann gesellte, dessen Namensschild ich von meinem Platz aus nicht lesen konnte. Auf dem Podium: Franz Frey (Vorsitzender SPD), Uwe Becker (Fraktionsvorsitzender CDU), Jürgen Engel (Architekt und Sieger im städtebaulichen Wettbewerb), Christoph Mäckler (Architekt). Im Publikum: Hübner (BFF), Mangelmann, Jourdan und unzählige Leute, die früher mal irgendwann irgendwo in irgendwelchen Ausschüssen saßen (so haben sich zumindest mehrere Leute bei ihrem Redebeitrag vorgestellt).


    Es gab einige kleine Pannen: Es konnten keine Pläne an die Wand gestrahlt werden, weil das Gerät defekt war. Alles fing ein bisschen später an, weil Mäckler, der gerade aus München kam, noch vom Flughafen aus zu uns unterwegs war (er hat offenbar einen vollen Terminkalender - gestern war er ja noch in Frankfurt auf der FAZ-Veranstaltung).


    Frau Willführ stellte einleitend den Hintergrund für die Debatte dar; das gebe ich jetzt hier nicht wieder, die Vorgänge, die zu jetzigen Diskussion geführt haben, dürften ja allgemein bekannt sein.


    Engel durfte anfangen, er machte gleich klar, dass er gegen "aufgesetzte Kulissen" sei, sein Siegerentwurf habe zudem die durch Schirn, Haus am Dom, usw. veränderte Wegesituation berücksichtigt. Die historische Straßenführung sei von ihm aufgenommen, aber korrigiert worden, Urbanität werde durch gute Organisation der Nutzungsvielfalt gewonnen, Typologien würden geschaffen, außerdem Schneisen und Öffnungen, damit Licht in die Gassen falle. Auch Freiburg und Nürnberg hätten ja nach dem Krieg ein gutes Gesicht durch eine gute Strukturierung bekommen. Die Debatte sei im Moment zu emotional, Engel würde Geld lieber in Schulen, Kindergärten und Soziales gesteckt sehen als in Fachwerkhäuser.


    Mäckler war der Meinung, die Architektur der Moderne sei "an ein gewisses Ende gekommen". Das müsse aber nicht im Bau von Fachwerkhäusern resultieren. Die Nachkriegsgeneration habe einen Schnitt gewollt, eine Verabschiedung von der Geschichte, er erinnerte an die emotionale Debatte bei Wiederaufbau des Goethehauses. An seinen Kollegen störe Mäckler die Emotionalität und der Sarkassmus in dieser Debatte (als Beispiele nannte er wieder Frau Flagges Persiflage und diesmal auch Speers Schwachsinn-Zitat). Er sagte dann ein noch ein paar Dinge, die er so ähnlich auch schon am Vortag bei der FAZ-Veranstaltung geäußert hatte (selbstverliebte Architektur an historischen Orten, Parzellierung, etc.). Der Ruf nach Fachwerk sei eigentlich ein Ruf nach mehr Leben. In jedem Fall sei er dafür, dass Wohnungen in die Gebäude kämen (und unten Läden).


    Als nächster kam Frey: Die Gefahr, dass Ffm mit Rothenburg konkurriere, bestehe nicht. Die Bürgerbeteiligung in der Sache sei gut, und sein Eindruck sei, die momentane Schärfe in der Debatte resultiere daraus, dass die Fachleute irritiert seien über die "Anmaßung" der Laien, mitreden zu wollen. Dies müssten die Architekten letztlich aber akzeptieren. Seiner Meinung nach sollten die Frankfurter am Ende zwischen mehreren Entwürfen selbst entscheiden können. Dies sei besser, als das Thema zum Wahlkampfthema zu machen. Die Politik habe lange Zeit nicht verstanden, wie wichtig den Bürgern die Sache sei; es sei zudem eine Tatsache, dass die Ostzeile am Römerberg vielen Frankfurtern gefalle.


    Becker sagte, es werde keine 1:1-Reko geben, aber man wolle so nah wie möglich an den historischen Begebenheiten sein (Wegestruktur, Kleinteiligkeit, einzelne Rekos, und hier nannte Becker die Goldene Waage, das Rote Haus und das Haus Am Rebstock). Die 1:1-Reko verbiete sich wegen der Enge und der schlechten Lichtverhältnisse. Die Ostzeile sei aber ein gutes Beispiel für modernes Wohnen in rekonstruierten historischen Gebäuden.
    (Dennoch fühlte der bärtige Moderator sich dazu berufen zu fragen, wer in so kleinen Räumen wie in der Ostzeile leben wolle, Becker ging nicht wirklich auf die Frage ein.)
    Becker habe selbst nicht wirklich Kleinteiligkeit in Engels Siegerentwurf erkennen können. Er sei für einen eigenen Fachausschuss für die Angelegenheit.


    So, Teil 2 folgt später.

  • Rundschau-Veranstaltung Teil 2


    Engel wurde von einem der Moderatoren gefragt, ob er sich Fachwerkfassaden in seinem Modell vorstellen könne. Er sei eindeutig dagegen, war die Antwort. Die meisten Menschen hätten den Zweck eines Ideenwettbewerbs zudem nicht verstanden. Wenn die Fachwerkhäuser beschlossen würden, wer bezahle dann das alles? Die Nutzungsflächen könnten so nicht erreicht werden. Eine Altstadt sei für heutige Menschen nicht lebenswert (hat er wirklich so gesagt), am Ende, so Engel sarkasstisch, werde das TR noch eine Fachwerkfassade bekommen. Außerdem halte er nichts von Bürgerbegehren, und die Goldene Waage werde am ursprünglichen Ort nicht gehen.


    Mäckler befand, der Rückkauf des TR durch die Stadt sei eine gute Sache. Er nannte, wie schon auf der FAZ-Versanstaltung, den Neumarkt in Dresden als positives Beispiel. Der Krönungsweg bleibe, trotz Tiefgarage darunter, ein wichtiger Ort. Dann kam er wieder darauf zu sprechen, dass für ihn das Salzhaus ein gutes Beispiel sei, wie das Areal bebaut werden könnte: das alte Sandstein-Erdgeschoss, darüber ein Beton-"Fachwerk" mit Mosaiken und spitzem Giebel. In 50 Jahren, so prophezeite er, werde kein Mensch mehr das neue Salzhaus abreißen wollen. Dann machte er die meiner Ansicht nach sehr missverständliche Behauptung, es habe in der Altstadt kaum Fachwerk gegeben (er meinte: kaum freiliegendes Fachwerk; er wollte darauf hinaus, dass das Fachwerk in der Regel unter Putz und Schiefer verborgen war). Einen Bürgerentscheid brauche er auch nicht unbedingt.


    Dann folgte auch die allgemeine Debatte mit dem Publikum. Hier ein paar Höhe- und Tiefpunkte, die mir in Erinnerung geblieben sind:
    - Als sich jemand aus dem Publikum für den Arch. Garten sehr engagiert äußerte, erwiderte Engel, der Garten sei der absolut un-urbanste Bereich in der Innenstadt; eine Stelle, die nicht funktioniere.
    - Es gab einen regelrechten Ausraster von Volker Stein (FDP), der im Preisgericht gesessen hatte und zu der Entscheidung des Gerichts immer noch stehe. Was jetzt hier geschehe, sei laut Stein ein "Kultursturm", die "Büchse der Pandora" werde geöffnet, am Ende könne man alles abreißen um Fachwerkhäuser zu bauen, usw. Auf Steins lautstarken Beitrag reagierte Mäckler ruhig und gelassen, indem er erwiderte, die Politik müsse selbstverständlich auf die gegenwärtige Situation angemessen reagieren.
    - Rusch vom Denkmalschutz (wir kennen ihn bereits von einer anderen Veranstaltung), selbst SPD-Mitglied, distanzierte sich deutlich von der SPD, Frey und dem Fachwerk-Bekenntnis.
    - Dann noch eine Frau, die irritiert darüber war, dass man mit Architektur Gemütlichkeit erzeugen wolle: Frankfurt sei keine gemütliche Stadt, das passe daher nicht hierher.
    - Jemand anderes war über Engels Verlegung des Krönungsweges irritiert, der nun dort auf dem Dom zuläuft, wo keine Tür ist ("Warum lassen sie die Leute vor eine Mauer laufen?").
    - Jourdan durfte auch kräftig schimpfen. Er kam mehrfach zu Wort (und konnte es meiner Ansicht nach nicht verwinden, dass er heute abend nicht auf dem Podium war). Die Ostzeile, so Jourdan, sei kein Beitrag zur Baukultur, kein Baudenkmal. Sie sei eine Kulisse, die Emotionalität bediene. Leitbauten dürften keine historischen Gebäude sein, Leitbauten müssten stets das beste ihrer eigenen Zeit sein (Zwischenbemerkung von Mäckler: "Dann müssen wir aber besser werden, Jourdan.") Dass die Politik die Debatte mit dem Heimatbegriff verbindet, hielt Jourdan für verwerflich: Der Heimatbegriff sei durch die NS-Zeit belastet.
    - Dominik Mangelmann wurde von der Moderatorin eigens vorgestellt. Er wird es nicht mitgekriegt haben, weil er in der ersten Reihe saß, aber bei seiner Vorstellung gab es überhebliches und höhnisches Gelächter von den Schickimickis und selbsternannten Stadtplanungsexperten aus den hinteren Reihen. Das Publikum war eigentlich sowieso latent "feindlich", aber dafür lief die Debatte eigentlich noch relativ gut. Im sachlichen, nüchternen Ton widerlegte Mangelmann technische Falschaussagen und kam meiner Meinung nach sehr gut rüber, auch oder vielleicht sogar gerade als Jourdan begann, ihn überheblich von oben herab zu behandeln.
    - Hübner wurde ziemlich eindeutig von den FR-Leuten geschnitten. Er saß in der ersten Reihe, direkt vor deren Nase, und hatte sich von Anfang an gemeldet. Ihm wurde aber zu keinem Zeitpunkt das Wort erteilt. An dieser Stelle von meiner Seite ein "Pfui" für die Rundschau.


    Abschließend durften sich die Podiumsteilnehmer noch ganz kurz zum Historischen Museum äußern.
    Frey favorisierte den Entwurf von Jourdan, falls er überarbeitet würde.
    Becker war für einen Abriss des Betonteils des Museums.
    Mäckler wies darauf hin, dass er ja auch bei diesem Wettbewerb gleich am Anfang rausgeflogen sei. Es müsse eine Fassade geben, die sich in die Altstadt einfüge. Er denke auch an einen zweiten Giebel neben dem Barockgiebel neben dem Rententurm.
    Engel sagte, er finde das Historische Museum schrecklich (auch die Ausstellungsräume im Inneren), mit einer Fassade sei es nicht getan. Einen neuen Standort für das Museum - am Dom - halte er für eine interessante Idee. Er selbst habe sehr weitreichende Vorstellungen, wie das alles machbar sei und würde sowas sehr gerne bauen (Zwischenbemerkung von Mäckler: "Ich dachte, du willst Kindergärten bauen." - Allgemeines Gelächter)


    So, das war's. Nach dem offiziellen Ende der Veranstaltung blieben wir noch eine Weile und wurden Zeuge von ganz interessanten Gesprächen (Mäckler geht mittlerweile davon, dass 2-3 Fachwerkhäuser auf jeden Fall kommen werden).


    Kardinal, danke nochmal für's Mitnehmen!

  • Vielen Dank für den ausführlichen Bericht Restitutor! :)
    Wirklich überraschend Neues ist ja nicht passiert. Wie ich schon vermutete, kommen also voraussichtlich 2-3 Fachwerkhäuser.....Ganz ehrlich....die können sie sich dann auch gleich sparen. Das verfehlt doch jegliche Wirkung. :Nieder: Wäre ja auch zu schön gewesen *seufz*

  • Bei dem "bärtigen Moderator" handelte es sich übrigens um den Kommunalpolitik-Redakteur Claus-Jürgen Göpfert.


    Die politische Diskussion wird unterdessen immer absurder. Hier der Diskussionsstand bei den Grünen.

  • Aussagen, die von keiner Sachkenntnis getrübt werden

    Mann, Mann, Mann...


    die Grünen...die hatten als erste der Fraktionen meine Ausarbeitung und sind immer noch nicht informiert.:nono:


    Alles, was sie von ihren Neubauten verlangen, ist auch in Fachwerkbauten möglich. Abgesehen davon, daß es die ökologischste Bauweise ist...aber die Grünen sind ja fast durchgängig nur Leute, denen die SPD nicht links genug ist...richtige Grüne gibt es ja fast nicht mehr.

  • .,..klingt alles immer wieder gleich, die Architekten schmollen beleidigt weil sie selbst nicht auf die Idee gekommen sind und machen sich überheblich darüber lustig...wenn hier weiterhin die Öffentlichkeit auf dem laufenden gehalten wird, kann sich keiner gegen die von den Einwohnern präferierte bauweise stellen...hoffe ich...


    Danke für den ausführlichen Bericht..

  • "Komplett unbezahlbar" und "unerschwingliche Mieten" - wer sich seine Meinung unreflektiert, ohne Rücksicht auf tatsächliche Grundlagen bildet, dem ist mit der besten Ausarbeitung nicht zu helfen.


    Grotesk der Vorschlag mit dem Park, angeblich aus finanziellen Gründen. Denn dies wäre sicherlich die teuerste Lösung, weil jedenfalls der Kaufpreis für das TR zu zahlen wäre, immerhin 70 Millionen, außerdem die Kosten für die Gestaltung des Parks. Die Chance einer auch nur teilweisen Refinanzierung bestünde aber nicht.


    Danke auch von mir, Restitutor.

  • Warum hat dieses Land nicht mehr Architekten vom Schlage eines Christoph Mäckler? Nicht nur dass sein Entwurf für das Areal der einzig annehmbare war, nein mit ihm sind sogar Rekos zu machen... Wobei ich das neue Salzhaus jetz net unbedingt so toll find, das alte war doch deutlich besser.

  • Freut mich, dass so viele hier an den Berichten Anteil nehmen.


    Meiner Meinung nach müssen wir jetzt einfach standhaft und zugleich sachlich bleiben. Bisher hat man sich eindeutig mehr auf der Gegenseite lächerlich oder unmöglich gemacht. Der gestrige Abend hat immerhin gezeigt, dass der Jourdans NS-Vorwurf als Totschlagargument nicht funktioniert, niemand ist darauf eingegangen (abgesehen davon, dass Kardinal es als unzutreffend zurückgewiesen hat).


    Ach, das habe ich ja noch vergessen: Jourdan ging ja sogar noch so weit zu behaupten, dass sich an dieser Debatte eigentlich sowieso nur jene beteiligen dürften, die Architektur studiert haben, denn einen Engländer könne nur verstehen, wer Englisch gelernt habe, und Architektur sei nur für jene verständlich, die Architektur studiert haben.


    Also, Leute, lasst uns doch einfach Städte bauen, bei deren Anblick eine kleine Fachleute-Riege ins Entzücken gerät, während 99% der ungebildeten Bevölkerung vor Hässlichkeit der Atem stockt. Das wäre dann doch Jourdans Welt...:nono:


    Und der Vorschlag der Grünen ist wirklich absurd, die Gründe dafür hat Schmittchen bereits treffend genannt.

  • Auch von mir Dank für die gute Berichterstattung Restitutor :applaus:


    Jourdan ging ja sogar noch so weit zu behaupten, dass sich an dieser Debatte eigentlich sowieso nur jene beteiligen dürften, die Architektur studiert haben, denn einen Engländer könne nur verstehen, wer Englisch gelernt habe, und Architektur sei nur für jene verständlich, die Architektur studiert haben.


    Die Frage stellt sich, ob er das selbst schon glaubt. Vorstellbar, daß einen der persönliche Werdegang in abgehobene Zirkel befördert, wo solches Gedankenschlecht Allgemeingut ist.


    Hat sich Mäckler gewandelt oder ist er schon immer so drauf?