Ohlsen
Ich erwarte von einem OB, dass er nicht einseitig Autofahrer-Bashing betreibt. Das ist ideologisch, platt und undifferenziert. Das strukturelle Problem in Stuggi sind doch, da bin ich mit jack000, in aller erster Linie die fehlenden Umfahrungen, die dafür sorgen würden, dass überflüssiger Durchgangsverkehr von der Innenstadt weggeleitet werden kann. Ich persönlich fahre in Stuggi eher selten mit dem Auto, allenfalls privat am Wochenende, fahre gerne mit dem ÖPNV, laufe kleinere Distanzen. Für mich wäre es leicht zu sagen, dass es andere genauso halten sollten, dass Porschefahrer Stadtbahn fahren sollen. Nun sieht die Realität leider nicht so aus, dass sich ein weit überwiegender Teil der Autofahrer nur aus purem Spaß an der Freude wie der Kuhn-Klischee-Porschefahrer durch den Talkessel quälte, im Gegenteil: Es handelt sich laut IHK Region Stuttgart weitgehend um Wirtschaftsverkehr (etwa Handwerker, Dienstleistungen und Warenlieferungen etc.) und Pendlerfahrten. Rechnet man Familien mit Kindern hinzu, die aus praktischen Erwägungen heraus das Auto nutzen müssen, so wird der Kreis, der wirklich auf den ÖPNV umsteigen könnte, verschwindend gering sein. Eine Großstadt und eine Region mit einer doch immensen wirtschaftlichen Bedeutung braucht aber zwingend Verkehr, vor allem Autoverkehr. Der Handwerker kann in der Regel nicht mit Sack und Pack mit der Stadtbahn hin- und herfahren.
Den Verkehr reduzieren ohne Rücksicht auf Verluste würde daher bedeuten, die Wirtschaftskraft zu schwächen, von der die Region und ihre Menschen leben, gut leben. Das scheint für den neuen OB überhaupt keine Rolle zu spielen. Ausbau von Straßen in und um Stuttgart: Teufelszeug. Verbesserung der teilweise seltsamen Ampelschaltungen, kreuzungsfreier Ausbau von Straßen und Stadtbahn - alles kein Thema, was aber auch nicht heißt, dass der alte OB bzw. der Gemeinderat da bisher besonders positiv aufgefallen wären. Autofahrer ausbremsen war und ist hipp, genauso wie die Geschosshöhenreduzierung bei geplanten Bauwerken über 25m.
An Feinstaub ist in Stuggi nach meiner Kenntnis noch keiner gestorben. Ich empfehle Dir aber dafür einen Spaziergang durch Downtown Kairo oder Beijing. Da wirkt die Diskussion in Stuttgart wie von einem anderen Stern. Ich schaue gerne nach, wie teuer ev. EU-Strafzahlungen (so sie denn überhaupt verhängt werden können) ausfielen. Es wäre doch einiger Maßen absurd, wenn die EU mit solchen m.E. absurden Maßnahmen einen ihrer Financiers schwächte.
Also- da muss ich doch mal eingreifen:
- der Handwerker mit 1t Material im Wagen - der muss wirklich fahren, macht aber eher den kleinsten Teil aus, zusammen mit dem Waren anliefernden LKW und dem Paketdienst.
- Dienstleister sind nicht in ihrem Dienstwagen festgeschraubt. Die können auch raus, und tun dies acuh wenn mann sie ein wenig zieht und schiebt.
- Pendler fahren eher schon überwiegend ÖV, und könnten dies bei ideal ausgebautem ÖV (Theorie!) zu praktisch 100% tun. Hier spielt auch die private Entscheidung zum Wohnort eine Rolle, die nicht unbedingt öffentlich gefördert werden muss.
- Familie mit Kinder - nach meier persönlichen Erfahrung geht das mit S-Bahn wenigstens so gut wie mit der grossen Familienkutsche. ich würd nicht im traum daran denken, für die fahrt mit Kindern Richtung Innenstadt das Auto zu verwenden, dafür ist das Auto viel zu unpraktisch. Ich bins viel zu sehr gewöhnt (verwöhnt), am Punkt X auszusteigen, diverses zu erledigen und herumzulaufen, und vom Punkt Y wieder heimzufahren. Mit dem Auto geht das nicht, das entwickelt sich da zum Klotz am Bein, zu dem man immer wieder zurück muss.
Entsprechend kann man- wie die Beispiele Zürich, London, Curitiba und andere zeigen, noch mächtig Verkehr aus dem MIV heraus verlagern, ohne dass in der Wirtschaft irgendwelche NAchteile entstehen. (Der Handwerker profitiert in London sogar deutlich - dadurch dass er schneller vorankommt, und dichter am Einsatzort parken kann, sart er mehr Zeit (=geld) als ihn die City-Maut dort kostet. Dafür sind viele andere, der Autofahrt nicht an das Auto gebunden war, nun weg von der Strasse.