Frankfurter Nahverkehr I - konkrete Planungen

  • ...aus städtebaulicher Sich halte ich das für sehr bedauerlich - ob die Leistungsfähigkeit einer U-Bahnstrecke da langfristig nicht doch gebraucht wird, wer weiß.


    Allerdings muss ich im gegebenen Fall sicher Torben recht geben:


    Eine Straßenbahnstrecke wäre bei Verzicht auf die U-Strecke sicher ebenfalls ausreichend und weit verträglicher zu integrieren als Hochbahsteige und die unvermeidlichen Rampen, die ja nun wirklich echte Unorte sind...


    übrigens: die Grünen kann man wohl für ihr im Prinzip unurbanes Grundsatzprogramm schelten, aber das hier ist ihnen wirklich nicht anzulasten, solange wir einen Finanzminister haben, der das Geld lieber in Calden vergräbt und ja ganz explizit "die Starken nicht belohnen" will (wo kommt er nochmal selbst her? ach ja...).


  • Es wird irgendeine Art der Zusatzfinanzierung des ÖPNV nach dem Auslaufen der aktuellen Gemeindefinanzierung geben müssen, wollen Deutschland seine momentane wirtschaftliche Stärke und die Großstädte dieses Landes ihre momentane Attraktivität behalten. Wenn irgendwann eines schönen Tages wieder signifikant mehr Geld in eine bedarfsgerechte Verkehrsinfrastruktur investiert werden wird, kann man die langfristig beste Lösung verwirklichen.


    Die Bundesmittel für den Gemeindeverkehr sind im Zuge der Förderalismusreform radikal geschrumpft worden. Bis 2019 zahlt der Bund pro einen gesetzlich festgeschriebenen Betrag von 1,335 Mrd. € an die Länder. Der hessische Anteil daran beträgt 7,223%, mithin rd. 96 Mio €/Jahr - für ganz Hessen, für alle Projekte (ÖPNV und Straße) in den Gemeinden. Selbst wenn das Land aus FAG-Mitteln nochmal denselben Betrag drauflegt, ist das in der Summe nur ein Bruchteil dessen, was bis Mitte der 90er Jahre in Verkehrsprojekte der Gemeinden geflossen ist.


    Wer unter den gegebenen Umständen (wozu auch tendenziell schrumpfende, für Frankfurt und das Rhein-Main-Gebiet mittelfristig stagnierende Einwohnerzahlen gehören) "bedarfsgerechte Verkehrsinfrastruktur" fordert, müßte sich ernsthafte Gedanken zum Bedarf machen und dazu, aus welchen Quellen und in welchen Zeiträumen die bedarfsgerechten Finanzmittel kommen sollen. Die 80 Mio € angepeilte Einsparung durch den Verzicht auf eine vollständig unterirdische Streckenführung sind angesichts der Verhältnisse ein recht dicker Brocken, den die Stadt aus eigenen Mittel kaum wird aufbringen können.


    Was nach 2019 ausgehandelt werden wird zwischen Bund und Ländern ist völlig offen, aber üppig wirds nicht werden, soviel ist klar - die fetten Jahre sind definitiv vorbei, jedenfalls im ÖPNV-Sektor.

  • Dieser Schlag in die Magengrube von gestern sitzt tief. Wenn im Europaviertel tatsächlich eine Achterbahn gebaut wird, fällt die Option für mich persönlich flach, dort eines Tages einmal eine Wohnung zu kaufen. Denn diese darf nicht weit von einer echten U-Bahn-Station entfernt zu sein, sonst kaufe ich woanders. Ich hoffe sehr, dass in dieser Sache das letzte Wort noch nicht gesprochen ist, und bin gespannt auf die Haltung des Herrn Rhein.


    Unabhängig von diesem konkreten Frankfurter Problem im Europaviertel frage ich mich ganz allgemein, wie es Düsseldorf, Köln, Berlin und Nürnberg geschafft haben, in diesem Moment echte neue U-Bahn-Strecken zu bauen? Warum kriegt Frankfurt das nicht hin?


    Wer unter den gegebenen Umständen (wozu auch tendenziell schrumpfende, für Frankfurt und das Rhein-Main-Gebiet mittelfristig stagnierende Einwohnerzahlen gehören) "bedarfsgerechte Verkehrsinfrastruktur" fordert, müßte sich ernsthafte Gedanken zum Bedarf machen und dazu, aus welchen Quellen und in welchen Zeiträumen die bedarfsgerechten Finanzmittel kommen sollen.


    Einspruch, euer Ehren.


    • Ich gehe nicht von schrumpfenden Einwohnerzahlen aus, und zwar aus folgenden Gründen:



        Die Einwohnerzahl von Frankfurt/Rhein-Main wächst seit Jahren, obwohl die Gesamtbevölkerung Deutschlands derzeit schrumpft. Das ist der Attraktivität und der wirtschaftlichen Prosperität zu verdanken, und ich sehe keinen Grund, warum sich das mittelfristig ändern sollte (es sei denn, die Verkehrsinfrastruktur wird die nächsten Jahrzehnte weiter darben wie im Moment).



        Die Fertilitätsrate ist in Deutschland entgegen den amtlichen Angaben höher als erwartet, anstelle von 1,3 Kindern pro Frau liegt sie heute schon eher bei 1,6 (Quelle), und die Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts erwarten eher steigende als sinkende Geburtenraten.



        Die Einwohnerzahl von Metropolen wird sich nach meiner Erwartung in den nächsten Jahrzehnten von denen der Länder, in denen sie liegen, verstärkt entkoppeln, weil die internationale Beweglichkeit der Menschen in Zeiten von Globalisierung zunehmen wird, die Wanderungsbewegungen aber hauptsächlich Großstädte zum Ziel haben werden. Sprich, ich glaube, dass sich viele Leute in Zukunft weniger fragen werden, ob sie nach Europa / Amerika / Deutschland etc. gehen sollen, um dort zu arbeiten, sondern sie werden sich eher fragen, ob sie nach New York / London / Frankfurt etc. gehen. Damit nimmt die Bedeutung der nationalen Bevölkerungsentwicklung für einzelne Städte eher ab, und es kann in ein und demselben Land sowohl dynamisch wachsende Städte als auch verödende weil aussterbende Landstriche geben, die gar nicht so weit voneinander entfernt sein müssen.



        Der allgemeine Trend zurück in die Stadt wird wohl in den nächsten Jahrzehnten anhalten, weil die ältere deutsche Bevölkerung zurück in die Stadt will und die jüngere, arbeitende Bevölkerung nunmal mehrheitlich in der Stadt arbeitet. Das kann ich an meinem eigenen Beispiel ablesen: diejenigen, die aus meinem Abi-Jahrgang in unserer kleinen bayerischen Heimatstadt geblieben sind, kann man an einer Hand abzählen, der Rest wohnt in Großstädten.



    • Die Experten haben sich schon längst Gedanken zum tatsächlichen Bedarf gemacht, sonst hätte die Strecke keine Kosten-Nutzen-Kennziffer von > 1,0 erhalten, was überhaupt die Voraussetzung für Förderfähigkeit ist. Es wäre also gar nicht erst zu Verhandlungen mit Bund und Ländern gekommen, wenn der Bedarf nicht offiziell festgestellt worden wäre. Mit einer "bedarfsgerechten" Verkehrsinfrastruktur meinte ich auch eher mehr Investitionen in die Schienen und Straßen der westdeutschen Ballungsräume, die seit Jahrzehnten zugunsten des Aufbaus Ost unterfinanziert sind. Siehe Rohnes Argumentation, der ich mich voll anschließe.



    • Du fragst nach Gedanken zur Finanzierung. Viele Ideen stehen schon in diesem Strang, und da ich mich nicht wiederholen möchte, nenne ich nur die Stichworte "werbefinanzierter Stationsunterhalt" und ÖPPs. Warum co-finanziert man die U5-Tunnelstrecke nicht mit aurelis und CA Immo, beteiligt diese dafür die nächsten 25 Jahre an den Fahrkartenerlösen?


    Die 80 Mio € angepeilte Einsparung durch den Verzicht auf eine vollständig unterirdische Streckenführung sind angesichts der Verhältnisse ein recht dicker Brocken, den die Stadt aus eigenen Mittel kaum wird aufbringen können.


    Und das glaube ich eben nicht, dass die Stadt nicht in der Lage sein soll, 80 Mio. aufzubringen. Auch das wurde hier schon diskutiert: statt einem unterirdischen Museum sollte man lieber unterirdische U-Bahnen bauen!


    Und zum Schluss nochmal was ganz Allgemeines: wie stellt ihr euch eigentlich den Verkehr im Jahr 2100 vor? Glaubt jemand ernsthaft an fliegende Untertassen oder Beamen à la Raumschiff Enterprise? Nein? Dann wird es also weiterhin individuelle Mobilität (Elektroautos, Elektroroller, das gute alte Fahrrad) und öffentliche Verkehrsmittel geben, richtig? Eine Investition in einen U-Bahn-Tunnel (oder meinetwegen auch in eine Hochbahnstrecke) ist eine Investition für viele Jahrzehnte, denn auch in 100 Jahren wird Kreuzungsfreiheit noch Mittel zum Zweck sein, schnell und strörungsfrei voranzukommen.


    An die Verkehrsplaner, egal welcher politischen Farbe, und ja, ich bin sehr enttäuscht von den schwarz-gelben Verkehrspolitikern, die hier (auch) blockieren: bitte mal den Horizont etwas erweitern, in langfristigen Dimensionen denken und bei der Finanzierung ein bisschen innovativer werden, vergesst mal den engen Gemeindefinanzierungsrahmen!

  • Der hessische Anteil daran beträgt 7,223%, mithin rd. 96 Mio €/Jahr - für ganz Hessen, für alle Projekte (ÖPNV und Straße) in den Gemeinden.


    ... GVFG-Bund zahlt nur bei Projekten mit Gesamtkosten größer 50 Millionen Euro, ansonsten ist das Land zuständig. Die entsprechenden Projekte lassen sich üblicherweise recht gut abzählen, und ca 771 Millionen in den nächsten 8 Jahren für diese Projekte sind nicht gerade wenig.


    die fetten Jahre sind definitiv vorbei, jedenfalls im ÖPNV-Sektor.


    Das sind sie doch schon seit Anfang der 70er, als plötzlich alles nicht mehr bezahlbar war.

  • Die FNP hat ebenfalls einen Artikel zu diesem Thema online gestellt. Darin heisst es, dass der Tunnel vor der Emser Bruecke an die Oberflaeche kommen soll. Wo genau wird nicht gesagt. Allerdings sind die Informationen (wie so oft) mit Vorsicht zu geniessen, denn auch heisst es, dass auf zwei unterirdische Stationen verzichtet werden wuerde. "Emser Bruecke", "Europagarten/Boulevard Mitte" und "Wohnpark" sind nach Adam Riese aber drei Stationen. Der Tunnel unter dem Europagarten solle (weil kostenguenstig) in offener Bauweise entstehen. Wenn man sich die Planung anschaut war das aber sowieso schon fuer den Abschnitt westlich der Emser Bruecke vorgesehen. :confused: Mal sehen wie die Planung dann wirklich aussieht und wo sich die 80 Mio an Einsparungen ergeben sollen. Mitte Januar soll darueber abgestimmt werden.

  • Also ich ziehe eine oberirdische strassenbahnfahrt einer unterirdischen ubahnfahrt jederzeit vor, insbesondere wenn wie wohl im europaviertel aufgrund eigener trasse keine verlangsamung durch den strassenverkehr zu befürchten ist. Man sieht die Umgebung, das Wetter, etc - kein wunder, dass trams in vielen Städten eine -berechtigte- Renaissance erleben, und nichr nur aus Kostengründen! Siehe die nr 16 zwischen Platz der Republik und Messe.....

  • Vertretbare Lösung....

    1. Begeistert bin ich nicht, aber wenn kein Geld da ist, ist kein Geld da. Das kommt auch in 20 Jahren nicht. Daran werden wir uns gewöhnen müssen, fürchte ich. Ich sehe nicht einmal mittelfristig eine Trendwende.


    2. Eine Wirkung wie in der Eschersheimer befürchte ich nicht, da der "Boulevard" ziemlich breit ist. Wichtig ist, dass der Park nicht zerschnitten wird und dort die Bahn im Tunnel verläuft.


    2. Eine Hochbahn auf Stelzen könnte ich mir in Frankfurt hier (und an anderen Stellen) gut vorstellen. Ich glaube, das ist auch sehr viel billiger als ein Tunnel. Ich denke aber, das würde einen massiven Protest der Eigentümer hervorrufen, die um ihre "Aussicht" bangen und zu viel Lärm befürchten. Außerdem empfinden eine Hochbahn viele wohl als Verschandelung.


    3. Eine Straßenbahn reicht mE dagegen nicht. Das Problem ist
    a) die Strecke zwischen Hbf und dem Güterplatz. Die Straßenbahn braucht heute schon viel zu lange für den Abschnitt (auch aufgrund der unsinnigen Haltestelle am Platz der Republik).
    b) dass dann keine umsteigefreie Verbindung bis zu Konstablerwache und darüber hinaus geschaffen wird. Das ist für die Gesamtattraktivität des ÖPNV sehr wichtig.


    4. Die erneute Planungsänderung lehrt uns allerdings wieder mal zweierlei:
    a) Wenn man gleich von Anfang die U-Bahn (in kostensparender offener Bauweise) umgesetzt hätte, würde sie heute schon fahren, wahrscheinlich voll gefördert. In der Zeit, in der in Deutschland 1 km Schiene oder Bahn gebaut werden, ist in China schon die nächste Millionenmetropole entstanden.
    b) Das heutige Steuersystem schröpft die Kommunen. Wo landet denn ein Großteil der Steuern (abgesehen von der für Frankfurt sehr wichtigen Gewerbesteuer)? Erstmal beim Bund und den Ländern. Die geben zwar einen Teil an die Kommunen wieder zurück, etwa zur Förderung des ÖPNV. Aber die Förderungsbedingungen diktieren halt Bund und Land. Leider gibt es aktuell keine einzige relevante Partei, die das ändern möchte.

    Einmal editiert, zuletzt von Megaxel () aus folgendem Grund: Tippfehler korrigiert

  • Aufgrund der Lage des aktuellen Tunnelstutzens, kann die Bahn nicht vor der Station Güterplatz an die Oberfläche geleitet werden. Im FAZ-Artikel wird diese Station auch noch als Tiefbahnhof geführt. Die Rampe, die vermutlich in Höhe der Abfahrt zur Skyline-Plaza-Tiefgarage entstehen wird, wird vermutlich diesen Teil der Europa-Allee optisch ultimativ verhunzen. Allerdings meine ich auch, dass man im weiteren Verlauf aufgrund der Breite sicherlich eine annehmbare Lösung hinbekommt - zumindest auf Riedberg- u.U. sogar auf Wittelsbacherallee-Niveau.


    Die Notwendigkeit für weitere Rampen sehe ich nicht, da die Europatunnnel-Einfahrt plan zur Allee verläuft und der Park sich quasi "im ersten Stock" befindet. Die Stationen Wohnpark und Europaallee waren ja vor bzw. hinter dem Tunnel geplant, sodass man dort ohne Probleme im Mittelstreifen Seiten- oder Mittelbahnsteige anlegen könnte.


    Ein letztes zum Grünen-Bashing: Es war die CDU, die entgegen der ersten Überlegungen sich auf eine U-Bahn festgelegt hat. Die Grünen wollten hier eine Straßenbahn. Im Kuhhandels- bzw. Koalititionsvertrag gab's dann für die U5 im Nordend mit Hochbahnsteigen (Grüne) die U5 im Gallus im Tunnel (CDU)...


    Ein Vorschalg für einen weiteren Kuhhandel und ein letztes Flehen an die Verantwortlichen: Bei der nordmainischen S-Bahn fehlten doch 60 Mio. Wenn man nun im Gallus 80 Mio. spart...

  • Also ich ziehe eine oberirdische strassenbahnfahrt einer unterirdischen ubahnfahrt jederzeit vor, ... Man sieht die Umgebung, das Wetter, etc


    Ich auch, wenn ich im Urlaub bin und Zeit habe. Oder wenn ich mir mal eine Gegend anschauen möchte, die ich nicht kenne, z. B. bei einer Spazierfahrt zum Frankfurter Bogen in der Linie 18.


    Alles schön und gut, aber anders sieht die Sache aus, wenn ich jeden Tag auf derselben Strecke in die Arbeit fahre! Da ist mir der Blick aus dem Fenster vollkommen egal, da will ich einfach nur schnell ans Ziel kommen und muss mich auf störungsfreie und zuverlässige Fahrten verlassen können. Und ich will nicht bei Wind und Wetter frierend an einem offenen Bushaltehäuschen stehen und warten, sondern in einer beheizten Station mit Zeitanzeige, wann die nächste Bahn einfährt, und großem Infobildschirm mit Nachrichten. Es geht hier in erster Linie um den Alltagsnutzen für Pendler, nicht um Touristen!

  • Ich gehöre ebenfalls zu denjenigen, die während der Fahrt lieber ihre Umwelt aus dem Fenster betrachten als sich als menschliche Rohrpost durch einen Tunnel schießen zu lassen. Auch auf der Fahrt zur Arbeit und zum Einkauf.
    Der Fahrzeitgewinn der Stadtbahn gegenüber der Straßenbahn resultiert vor allem aus ihrem größeren Haltestellenabstand. Das ist auch der Grund, warum der von vielen hier so dringlich ersehnte Tunnel unter der Eschersheimer nicht förderwürdig ist: Er bringt schlichtweg keinerlei Fahrzeit- oder Kapazitätsgewinn!


    Ja, wir müssen beim Ausbau des ÖPNV an die Zukunft denken. Ich bin mir sicher, er wird beim Anteil des Modal Split in den nächsten Jahrzehnten kräftig zulegen, erstens, weil fossile Brennstoffe immer teurer werden, zweitens, weil in den dicht bebauten Ballungsräumen schlicht kein Platz mehr für ein Wachstum des MIV ist. Allerdings müssen wir dabei die Finanzierbarkeit angesichts sinkender Fördermittel im Auge behalten. Der optimistische Glaube, man könne überdimensionierte Verkehrsinfrastruktur bauen, denn irgendwann werde schon das Bevölkerungswachstum, der Wirtschaftsaufschwung und sprudelnde Steuereinnahmen kommen, erscheint mir doch etwas naiv. Private Investoren werden tunlichst ihre Finger von einem defizitären Betrieb, der auch mittelfristig keine Gewinne verspricht, lassen. Für umso wichtiger halte ich daher den Ausbau eines auch langfristig bezahlbaren oberirdischen Schienennetzes.
    Oder wollen wir in 50 Jahren die teuerste Champignonzucht Deutschlands unter der Europaallee und oben mit dem Bus fahren, weil wir uns Betrieb und Sanierung der Tunnels schlichtweg nicht mehr leisten können?

  • ^
    leider OT, aber trotzdem:


    Das Beispiel mit der Eschersheimer ist ein schlechtes - mag sein, dass die Tunnelstrecke nominell keinen Kapazitätsgewinn bringt und damit nicht förderfähig ist, tatsächlich ist die Strecke aber in der HVZ (besonders mit den Schülerverkehren) total überlastet. Eben auch durch die Kreuzungen mit dem MIV hat sie keinerlei Möglichkeiten mehr, um die ewigen "Ich-halt-noch-schnell-die-Tür-auf"-Intermezzos irgendwie abzupuffern. Resultat ist, dass regelmäßig der Takt durcheinandergerät und sich dann in Heddernheim die Züge stauen - das ist einfach kein Zustand für eine Stammstrecke und da gehört ein Tunnel hin, fertig.


    Was das mit der "menschlichen Rohrpost" angeht - das ist mir zu ideologisch. Beim Personentransport geht's um Effizienz und Störungsfreiheit, nicht um den extra Wohlfühlbonus. An sehr vielen anderen Orten gibt es auch eine Menge reiner U-Bahnstrecken, ohne dass die Leute in völliger Depression versinken. Sorry, aber man könnte langsam mal aufhören immer überall Urlaubsfeeling haben zu wollen, was soll das denn bringen?

  • ^


    Nein, dieser Wohlfühlfaktor ist oft der entscheidende Punkt bei der Verkehrsmittelwahl. Warum kaufen sich Menschen Sportwagen, SUVs oder Oberklasselimousinen obwohl sie damit genauso im Stau stehen wie mit einem Kleinwagen? Warum fahren Leute mit dem Auto in die Innenstädte, zahlen viel Geld für Sprit und Parkgebühren, obwohl es mit der Bahn viel schneller ginge? Weil sie das Auto als Teil ihrer Persönlichkeit, ihres Lebensstils und ihrer Individualität verstehen und der "Wohlfühlfaktor" dort höher ist als in einem anonymen Bus oder einer Bahn. Mit siffigen S-Bahnstationen, an denen die Deckenverkleidung fehlt und es nach Kloake stinkt, brettharten Sitzen in Stadtbahnen und vandalismuszerstörten Bushaltestellen lockt man solche Leute garantiert nicht in den ÖPNV.


    Und genau das bewundere ich an den Franzosen, die das Kunststück fertiggebracht haben, Straßenbahnfahren zum Lifestyle-Erlebnis zu machen. Jede Stadt hat eigene Designer-Trams, die nicht als Verkehrshindernis, sondern als Wahrzeichen der Stadt wahrgenommen werden; individuelle, auf das Stadtbild abgestimmte Haltestellengestaltung, Stationsansagen mit jeweiliger Melodie untermalt und wenn man neue Strecken in die Innenstädte baut, gestaltet man den öffentlichen Raum so um, dass neue Plätze, Parks und Fußgängerzonen rund um die Strecke entstehen. Das mag manchen als alberne Spielerei erscheinen, aber es funktioniert: Die Leute lassen ihre Autos stehen, weil Tram fahren einfach chic ist.


    Ja, ich weiß, das liebe Geld: Wo die Franzosen dank üppiger Zuschüsse und kommunaler Transportsteuereinnahmen (noch!) aus dem Vollen schöpfen können, ist bei uns Kürzen und Sparen angesagt. Aber man wird doch noch träumen dürfen...

  • ... GVFG-Bund zahlt nur bei Projekten mit Gesamtkosten größer 50 Millionen Euro, ansonsten ist das Land zuständig. Die entsprechenden Projekte lassen sich üblicherweise recht gut abzählen, und ca 771 Millionen in den nächsten 8 Jahren für diese Projekte sind nicht gerade wenig.


    Nein, Das GVFG-Bundesprogramm ist im Bundeshaushalt jährlich mit 332,5 Mio. EUR dotiert, davon erhalten 252 Mio. EUR die alten Bundesländer und 80,5 Mio. EUR die neuen Bundesländer/Berlin. Das GVFG-Bundesprogramm endet 2019. Dies ist ein Ergebnis der Föderalismusreform und wurde ins Grundgesetz geschrieben. Durch die angemeldeten Projekte ist dieses Programm 3-fach "überbucht"; es besteht realistischerweise keine Chance, dass Frankfurter Projekte daraus noch finanziert werden. Aktuell werden daraus der S-Bahn-Tunnel in Leipzig, die Nord-Süd-U-Bahn in Köln, eine neue Strecke in Düsseldorf, die nordmainische S-Bahn, der Ausbau der Main-Weser-Bahn und wahrscheinlich der 2. S-Bahn-Tunnel in München finanziert, deren tatsächliche Kosten die einst kalkulierten auf das massivste übersteigen. Für die angemeldeten Projekte fehlen aktuel rd. 3,5 Mrd. €


    Nach 2019 ist der Bund raus aus diesen Programm, die Länder erhalten dafür als Ausgleich einen höheren Anteil an der MwSt.



    Das sind sie doch schon seit Anfang der 70er, als plötzlich alles nicht mehr bezahlbar war.


    Auch insoweit möchte ich widersprechen: noch in den 80er Jahren sind Projekte finanziert worden, an die heute nicht mehr zu denken wäre, in Frankfurt z.B. der C-Tunnel (5,2 km für 1,29 Mrd. DM). Nach der Wiedervereinigung sind die GVFG-Mittel nochmals massiv aufgestockt worden, aber überwiegend in die neuen Länder geleitet worden. Die Bundesmittel lagen pro Jahr ungefähr 10x so hoch wie heute.

    Einmal editiert, zuletzt von tunnelklick () aus folgendem Grund: Ergänzung

  • Die FAZ (RMZ, S. 35) widmet sich heute wieder ausfuehrlich dem Thema U5-Verlaengerung ins Europaviertel:
    Um zu verhindern das die Stadtbahn das Europaviertel aehnlich zerschneidet wie an der Eschersheimer Landstrasse soll auf Zaeune verzichtet werden. Die Maximalgeschwindigkeit reduziert sich von 70 auf 50 km/h. Da der Takt weniger dicht als auf der A-Strecke sei, wird die Gefahr von querenden Fussgaengern als gering angesehen. Die neue Variante stellt nach CDU-Fraktionsvorsitzendem Heuser die zweitbeste Loesung dar, sei jedoch alternativlos, da der Bund kein Geld fuer die komplette Untertunnelung mehr zur Verfuegung stelle und Frankfurt das Projekt nicht alleine finanzieren koenne. Die Kosten der Tunnelloesung seien indes von 200 auf 260 Mio Euro gestiegen. Unklar ist ob der Bund sich an den Kosten der Untertunnelung des Europagartens beteiligen wird. Notfalls muesse die Stadt die Zusatzkosten uebernehmen. Wo genau die U-Bahn ans Tageslicht kommt, steht noch nicht fest. Da der Platz neben der Autorampe zur Skyline-Plaza-Tiefgarage aber nicht ausreiche, wird die Stadtbahnrampe erst dahinter liegen. Nach einer von der FAZ angefertigten Skizze wird das Tunnelende wohl vor der Kreuzung mit der Rampe zur Emser Bruecke liegen, also irgendwo zwischen den Baufeldern 4 und 5. Darauf folgt die Station Emser Bruecke. Dann fuehrt sie Strecke oberirdisch zur am oestlichen Ende des Europaparks liegende Station Europagarten. Es folgt der Tunnelabschnitt unter dem Park, am westlichen Ende – also etwas nach Osten zurueckgezogen – die Endstation Wohnpark. Die Reaktionen von CA Immo und Aurelis fielen laut Artikel unterschiedlich aus. Das fuer den westlichen Teil verantwortliche Unternehmen reagierte enttaeuscht (kein Wunder, weil die oberirdische Strecke hauptsaechlich westlich der Emser Bruecke liegt). Der Boulevard werde zerschnitten und die Aufenthaltsqualitaet beeintraechtigt. Zustimmen muss ich an dieser Stelle – und das ist selten - Klaus Oesterling, der moniert, dass die Planung viel zu lange gedauert habe und es seitens Schwarz und damals Zimmermann immer hiess, dass die Finanzierung kein Problem sei. Aufgrund der finanziellen Lage sei die neue Variante „vermutlich unumgaenglich“, insofern werde die SPD wohl zustimmen.


    Edit: Artikel und mit Skizze sind mittlerweile online.

  • Die Grafik ist auch Murks, weil die Stadtbahn nicht ins das Gleisfeld des Hbf. eingefädelt, sondern ab dem Platz der Republik unter dem alten Polizeipräsidium und der Bebauung nördlich der Mz-Ldstr. hindurch zum Güterplatz geführt wird.

  • Warum schaffen es eigentlich Städte wie Köln und Düsseldorf, ganze neue unterirdische U-Bahnlinien zu bauen und Frankfurt mit seiner Wirtschaftskraft schafft das nicht (Verlängerung U4 in Bockenheim, U1, 2, 3 in Sachsenhausen, ursprünglich sollte mal die U-Bahn vom Hbf in Richtung Niederrad verlängert werden - und jetzt die U5 - deren unterirdische Verlängerung am anderen Ende in der Eckenheimer Ldstr. sicher viel wichtiger und sinnvoller wäre). Regelmäßig wird sich kurz vor dem geplanten Baubeginn aus finanziellen oder politischen Gründen umentschieden.

  • Warum schaffen es eigentlich Städte wie Köln und Düsseldorf, ganze neue unterirdische U-Bahnlinien zu bauen und Frankfurt mit seiner Wirtschaftskraft schafft das nicht


    Diese Städte schaffen es ebensowenig aufgrund eigener Wirtschaftskraft wie Frankfurt, sondern nur mit Hilfe der Zuschüsse von Bund und Land, deren Gewährung an bestimmte Voraussetzungen gebunden ist, wozu das vielzitierte Nutzen-Kosten-Verhältnis gehört.


    Dass die Mittel im Fördertopf des Bundes als dem Hauptgeldgeber für solche Projekte knapp geworden sind, hat neben der allgemeinen Kürzung der Haushaltsmittel seinen Grund in den extremen Kostenssteigerungen der Projekte, gerade auch der Kölner Nord-Süd-U-Bahn. Deren Kosten waren ursprünglich mal mit 550 Mio € kalkuliert worden und betragen schon jetzt knapp 1,1 Mrd € (ohne Folgekosten des Stadtarchiv-Einsturzes); genauso krass sind die Steigerungen beim Leipziger City-Tunnel, dessen Kosten von rd. 572 Mio 2002 auf 960 Mio € 2010 gestiegen sind, und das ist noch nicht das Ende. Das bedeutet für Leipzig bei 2,8 km Tunnel (= 2 Röhren á 1,4 km) Kosten von über 340 Mio €/Tunnel-Kilometer.

    Einmal editiert, zuletzt von tunnelklick () aus folgendem Grund: Rechtschreibung

  • Mich würde sehr interessieren, was diese exorbitanten Kostensteigerungen eigentlich verursacht. Es können ja wohl nicht die gestiegenen Materialkosten sein, und wenn doch, dann hat man sich zu Beginn des Vorhabens schlecht gegen Preissteigerungen abgesichert (mein Verdacht: gar nicht).


    Vielmehr vermute ich, dass mangelhaftes, um nicht zu sagen grottenschlechtes Projektmanagement dahintersteckt? Es soll durchaus auch Leute und Firmen geben, die Projekte im vorgesehenen Zeitrahmen und im geplanten Budget verwirklichen können... Vielleicht sollte man an dieser Stelle nachhelfen, statt gar nicht mehr oder nur die Light-Versionen zu bauen?

  • Googelt man sich durch die entsprechenden Lokalnachrichten, scheint es in Leipzig im wesentlichen an unzureichender Planungsarbeit gelegen zu haben ("mangelnde Planungstiefe" = unzureichende Bohrungen zum Baugrundaufschluss, deshalb "Überraschungen" im Untergrund, die man hätte absehen können, hätta man richtig geplant), aber auch unvorhergesehene Wassereinbrüche im Untergrund.


    In Köln gab es seit 2004 immer wieder Baustopps durch archäologisch bedeutsame Funde in der Kölner Altstadt und durch mehrere spektakuläre Schadenereignisse an zwei Kirchen und am Rathausturm, die jeweils monatelangen Stillstand und teure Aufwendungen für Sicherungsmassnahmen zur Folge hatten.


    Tunnelbau ist eben in städtischem Umfeld mit Risiken verbunden, auch Frankfurt kann davon ein Lied singen.