Friedrichswerder | Townhouses und kleinere Projekte

  • Um nach diesen interessanten Beiträgen nochmal auf die Bilder zu sprechen zu kommen, kann ich mir die Bemerkung nicht verkneifen, ob da nicht Klein-Amsterdam am Friedrichswerder einzieht. Müsste nur noch ne kleine Gracht aufm Grünstreifen geschaufelt werden et voila - eh! natürlich KIJK! Wat en mooie plaats.

  • Vielleicht liegt's am deutschen Identitätsverlust, der nach '45 einsetzen musste und der ab '68 zum Tagesgeschäft wurde, dass man heute so sehr auf Fremdes schielt und in dessen Kopien ein Heilmittel für die angeschlagene Volkspsyche sieht? Oder sind das Scheitern beinahe aller städtebaulichen Paradigmen der letzten Jahrzehnte und die gesellschaftliche Unmöglichkeit der Reproduktion und Fortschreibung längst vergangener, nationaler Tendenzen für diese Anlehnungen verantwortlich? Oder liegt's an der Fixierung auf den "kulturlosen" Amerikaner, der einst den Disneyland-Stein ins Rollen brachte?

  • Townhouses privat, individuell und deswegen gut

    Hallo, ich hatte mir überlegt, einen Bauplatz zu kaufen für ein Townhaus. Für diese doch einmalige Lage ist der Preis wirklich gering, das ist wahrscheinlich eine Superinvestition. Es hat dann nicht geklappt. Ich möchte aber sagen, dass man zunächstmal die Fertigstellung abwarten sollte, ehe man zu schnell urteilt. Was ich am Konzept klasse finde, ist, dass es einzelne Leute sind, die die Häuser bauen, keine Firmen, kein Staat, keine Grossinvestoren, und das mitten in Mitte. Ich hoffe, dies wird ein erfolgreiches Experiment.

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    Als "Experiment" würde ich das nicht bezeichen. In etwa so entstanden bereits vor rund 150 Jahren gerade die Teile Berlins, die heute von vielen sehr geschätzt werden.

  • AeG: Von was für Teilen Berlins redest Du denn? Die Gründerzeitmietkasernen können eigentlich nicht gemeint sein, da die doch aus ganz anderen Gründen entstanden... Selbst die großzügigen Reichenwohnungen in den Häusern z.B. am Ku'damm sind nicht damit vergleichbar. Für Berlin sind diese Häuser in der Tat etwas Neues (vielleicht nicht rein architektonisch) - oder wo gab/gibt es im engen innerstädtischen Bereich ganze Reihenhäuser (für nur eine Mieterpartei), die für (mehr oder weniger) Reiche gebaut wurden und bei denen man sich eine sehr variable Architektur aus einer Art Katalog aussuchen konnte? Ist schon eine Art Experiment. Und städtebaulich wird es wohl eine gelungene Sache werden.

  • Was Du sagst, ist soweit korrekt, stativision!
    Einzelne, private Bauherren (Handwerker, Grundbesitzer, Fabrikanten) waren halt damals die Regel.


    Die Häuser kamen im Übrigen auch bedingt "aus dem Katalog". Die Grundrisse und Konstruktionsprinzipien stammten im Wesentlichen aus der Aßmannschen Fiebel. Der Fassadenschmuck, ob aus Kalkzement, Gips oder Haustein, wurde - man glaubt es kaum - damals bereits industriell gefertigt und üblicherweise aus Katalogen von Großhändlern bestellt! Siehe hierzu Geist/Klüvers, "Das Berliner Mietshaus, Band II: 1862-1945". Natürlich existierten davon gerade in der Anfangszeit oder in den vornehmeren Gegenden auch Ausnahmen.

  • Ja, das mit den Stuckelementen aus dem Katalog habe ich auch gelesen (daher verstehe ich es auch nicht, das hier von einigen noch von den "fantasievollen" o.ä. Gründerzeithäusern gesprochen wird). Weißt du zufällig, ab wann das die Regel wurde? Viele von den spätklassizistischen Mietshäusern fielen nämlich imo noch nicht darunter. (muss also so ab den 70ern gewesen sein, evtl. etwas später?)

  • Selbst die Retorten-Stuckelemente von heute (wobei man sich heute schon etw. mehr Mühe geben muss, damit es auch nicht zu billig aussieht) und von damals sowieso bzw. deren endgültige Zusammenstellung an der Fassade sind kreativer, als glatte Glas- oder Betonwände.

  • Wenn überhaupt, dann ist die Kreativität (zumindest bei den üblichen Wohnhäusern) die gleiche, nämlich = 0


    Und damit das nicht zu off-topic wird: Ja, die Fassaden der meisten Townhouses gefallen mir noch immer.

  • :applaus: Iwano!



    stativision,


    hab' ich doch gerade mal zufällig (;)) bei Geist und Monke nachgeschlagen: Der Gipsstuck in den Innenräumen wurde bereits seit dem Barock in Werkstätten vorgefertigt. Meist wählte der Bauherr seinen Schmuck nach ihm bekannten Vorbildern aus den Skizzenbüchern des Handwerkers aus. Schinkel hatte dann schon "allgemeingültige" Formen für aussenliegende Ornamente (speziell für Rosetten aus Zinkguß) anfertigen lassen. Die massenhafte Verwendung von aufgeklebtem Fassadenschmuck billigster Ausführung kam in der zweiten Hälfte der 1880er Jahre auf. Mit dem schlagartig erhöhten Bedarf entstand dann auch die Industrialisierung der Stuckproduktion. Allerdings geriet diese Form des "Verschönerns" bereits zum Ende der 1890er wieder aus der Mode. Die äusserlich reduzierter gestalteten und von Architekten geplanten hochherrschaftlichen Häuser im Berliner Westen und Südwesten wurden dann zum Vorbild für den Mietshausbau.


    Damit waren die Verhältnisse auch vor 100 Jahren schon ähnlich den Heutigen: Je geringer die Bildung und/oder der materielle Reichttum, desto größer die Hingabe zu übertriebenem Schmuck. Das gilt für Tätowierte und Wasserstoffblondierte genau so, wie für Gartenzwerge und die aktuellen Plastikstreifen an den Fenstern, die Pfosten und Kämpfer anheimelnd immitieren sollen!


    Der konstruktiv nicht notwendige Fassadenschmuck war zuletzt unter Schinkel individuell genehmigungsfähig und war im kaiserlichen Berlin kein Bestandteil des Bauantrages. Die Fassaden wurden meist nur anskizziert und auch nur selten genau so ausgeführt.

  • AeG:
    Das mag sein, daß mit sinkender Bildung mehr Schmuck gewünscht wird. Aber die überwiegende Mehrheit der Deutschen gehört nunmal nicht zur intellektuellen Oberklasse und das ist auch nicht tragisch.
    Mein Vater liebt noch den schwülstigen Barock, ich mochte ihn als Kind auch, finde es aber inzwischen übertrieben. Aber ein bißchen verziert darf es immer noch sein. Jeder hat seinen Geschmack. Und da es zur Zeit nix mit Verzierungen mehr gibt, darf es ruhig wieder gebaut werden, und wenn es billiger, angeklebter Gips ist.


    Die Townhouses an sich finde ich gut, aber irgendwie... deplaciert...

  • kreativ = "schöpferisch, Ideen habend u. diese gestalterisch verwirklichend" (Duden)
    Dann eben nicht kreativer, sondern in einer Form verwendbar, dass es nicht entweder zum einchlafen ist oder gleich als kreativer Solitär (Calatrava, Liebeskind etc. - empfinde auch ich als beeindruckende Bauten) auf der Wiese stehen muss, damit die Umgebung nicht von ihm erdrückt wird. Was sind schon 100m Glaswand, wo grad Mal die Türrahmen aus der Reihe fallen, wie z.B. an der Westseite des Sony-Centers (welches mir im Ganzen recht gut gefällt), die von der Potsdamer Str. bis zum Kemperpl. nur aus Glas besteht...? Da kann man sich kaum vorstellen, dass sich da jemand in irgendeiner Weise Gedanken um die Gestaltung gemacht hat. Das wär damals wohl nie passiert, oder? Wie auch immer...

  • Doch Ben, Gedanken hat man sich schon gemacht. Allerdings glaube ich, gerade Jahns Sony-Center entspringt einer häufig anzutreffenden Modell- oder Renderästhetik, hier noch verbunden mit einer erhöhten Aufmerksamkeit gegenüber der Materialität und dem Detail, die ihren Anspruch in der Realität nicht einlösen kann.

  • Habe ja nicht gesagt, dass man sich keine gemacht hätte, sondern dass es einfach so aussieht, und man - um endlich fertig zu werden quasi - einfach ne Glaswand an diese Seite gesetzt hat. Dieses ganze philosophische Gedöns ist dem Durchschnittspassanten i.d.R. kein Begriff. Bei einer "richtigen" Fassade wär ihm die Philosophie dahinter auch nicht unbedingt bewusst, aber er hätte zumindest was zum ansehen und nicht nur zum durchsehen. Ist doch nicht so schwer zu verstehen, was ich meine, oder?

  • @Bens letzten Satz: Ja, aber dazu braucht man doch nicht unbedingt Fassadenschmuck. Siehe, um das Beispiel des Potsdamer Platzes weiter fortzuführen, den Kollhoffturm.

  • Naja, der ist in gewisser Weise auch geschmückt. Es müssen ja keine Gips- oder Sandsteinamplikationen sein. Backstein, wie eben am Kollhoff-Turm, am Chile-Haus usw., wo die Steine mal so und mal so lang gesdreht sind und der Kontrast zw. Stein und Fuge, Rundbogenfenster/-portale o.ä., strahlt ja im Ggs. zum glatten Glas oder (mir persönlich) geradezu tot wirkedem Beton eine gewisse Bewegung (=>Lebendigkeit) aus. Bei Backstein, bes. diesem dunklen, ist nur das Problem, dass er etw. schwerfällig wirken kann, wenn so ein Haus unmittelbar zw. anderen Häusern steht.

  • Ben: Genau das habe ich gemeint: Der Kollhoffturm hast Fassadenschmuck in dem Sinne, das die Oberfläche und das in den Farbtönen changierende Material fast selbst eine Ornamentik bildet...

  • Man sollte nicht vergessen, dass der Reiz durch die Vielfalt kommen wird. Dadurch, dass viele Haeuser andere Architektun und Baufirmen haben. Man brauch uebrigens keines der Kataloghaeuser nehem, sonder kann frei bauen (natuerlich mit Baugenehmigung). Ausserdem denke ich, dass es von Vorteil ist, dass viele Haeuser wahrscheinlich zur Eigennutzung gebaut werden. Fuer sich selbst moechte man doch Schoenheit haben, auch wenn man abstrakt vielleicht noch weitere Ansprueche hat.

  • Wenn Du magst, kannst Du ja mal ein paar genehmigungsfähige Eckdaten erläutern. Danke.