Zur Geschichte der Industriedenkmalpflege in NRW (III)
In loser Abfolge möchte ich hier eine (sehr ;)) kurze Geschichte der Industriedenkmalpflege in Nordrhein-Westfalen nachzeichnen. Die Abschnitte stammen aus einem älteren, nicht veröffentlichten Text von mir.
Die IBA Emscher Park als Impuls für Nachhaltigkeit und Erneuerung
Trotz der Vielfalt an Aufgabenfeldern und der zum Teil ganz unterschiedlichen Absichten und Zielvorstellungen der IBA Emscher Park lässt sich dennoch ein gemeinsamer und zentraler Argumentationsstrang erkennen. Nahezu einhellig propagierten die IBA- Verantwortlichen, dass parallel zur Realisierung der einzelnen Projekte sich eine kollektive Rückbesinnung auf die kulturellen Wurzeln des altindustriellen Erbes der Region einstellen werde. Dieser frohgestimmte „Blick zurück nach vorn“ wurde als der entscheidende Impuls für eine positive Neubewertung ruhrgebietsspezifischer Traditionen sowie auch zukünftiger Standortbestimmungen erachtet und dementsprechend inszeniert. Durch die massive (Re-)Konstruktion und Neuinszenierung historischer Anknüpfungspunkte sollte eine reflektierte Auseinandersetzung mit der regionalen Identität und der ihr eigenen Qualität angestoßen werden. Hierfür erschien es notwendig industrielles Erbe auch als kulturelles Erbe wahrnehmen zu lernen.[FONT="][1][/FONT] Dieser Zweig der Bauausstellung griff damit ältere Ansätze zur Restaurierung und Nutzung der von Industriedenkmalen und zur Darstellung industrieller Lebenswelten auf. Nachdem sich die Industriedenkmalpflege vorrangig auf die „Sachkultur“ konzentrierte, sollte der denkmalpflegerische Zugang im Rahmen der IBA „verstärkt eingebunden werden in eine umfassende Geschichtskultur, in ein „historisches Gedicht“ der Region das alle Facetten umfasst, die Arbeits-, Lebens und Umweltbedingungen, die hinter den überlieferten Gebäuden und Produktionsanlagen stehen“.[FONT="][2][/FONT] Damit griff das Strukturpolitikprojekt IBA die historische und kulturelle Identität der Region selbst auf. Dadurch sollte wohl auch einem Bedürfnis nach Identifikation mit der näheren Lebensumgebung Rechnung getragen werden, das aus dem forcierten (Struktur-) Wandel im Ruhrgebiet und der Charakterisierung der eigenen „Heimat“ als rückständige Krisenregion resultierte.
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Der Erhalt der Industriebauten
Im Rahmen der IBA wurde erstmals der ehrgeizige Versuch unternommen, den Umbau einer ganzen Region über die nachhaltige und außermuseale[1] Inwertsetzung altindustrieller Hinterlassenschaften zu bewerkstelligen. Dem lag auch die Erkenntnis zu Grunde, dass „der Erhalt von Industrieanlagen – Zechen, Hüttenwerke, Halden, Verkehrsanlagen, Speichergebäude – für die räumliche und städtebauliche Identitätsbildung“ maßgeblich sei, nachdem es „in dieser Landschaft (...) keine anderen Merkzeichen [gebe], die Orientierung vermitteln und die Geschichte der Region erklären“ könnten. Durch das Wirken der IBA wurden denkmalwerte Relikte der industriellen Vergangenheit des Ruhrgebietes bewahrt und in eine Neunutzung überführt. Somit war es der IBA zu verdanken, dass bedeutende Komplexe der Schwerindustrie des Ruhrgebietes und damit zugleich ein wesentlicher Bestandteil der Geschichte des Reviers als geschützte und umgenutzte Standorte erhalten werden konnten. Durch diese Projekte meisterte die IBA die schwierige Gradwanderung zwischen Alt und Neu im Ruhrgebiet. So führte der Erhalt der Industriekomplexe einerseits zur Rettung vor der „Gesichtslosigkeit der Städte“ (A. Mitscherlich), andererseits gelang durch die Integration der Areale in die Stadtteilentwicklung die Inszenierung eines Aufbruchs und Neuanfangs. Dies geschah Anfangs durchaus ohne die Zustimmung der sie beherbergenden Kommunen. Nachdem das Fortbestehen dieser Relikte Erfolge und Popularität zeitigte wuchs schrittweise auch die kommunalpolitische Akzeptanz. Wie sich die Industriedenkmale, in die Obhut der kommunalen Ebene zurückgegeben, langfristig entwickeln werden, gilt es noch abzuwarten. Die 1995 erfolgte Gründung der „Stiftung für Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur“ mag diesbezüglich durchaus optimistisch stimmen.
[1] Vgl. Meißner S. 319
[2] IBA Positionspapier zur Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur (1992), zitiert nach: Hassler, Ute/ Kierdorf, Alexander(Hrsg.): Denkmale des Industriezeitalters: von der Geschichte des Umgangs mit Industriekultur, Tübingen 2000, S. 175.
[1] So forderte Karl Ganser 1992 in seinem Aufsatz „Strukturwandel, Geschichtlichkeit und Perspektiven des Ruhrgebietes“: „Wir brauchen eine Bewegung, die weit über die Denkmalpflege als Institution hinausgreift, wollen wir das industriekulturelle Erbe des späten 19. Jahrhunderts und des 20. Jahrhunderts in seinen städtebaulichen Bezügen lesbar halten. Wir dürfen uns nicht auf die Musealisierung bescheiden lassen.“ (Ganser 1992 in Hassler/ Kierdorf S. 291)