Perle der Oberlausitz: Görlitz

  • Perle der Oberlausitz: Görlitz

    Heute im Rahmen der EU – Osterweiterung will euch mal Görlitz ( da bin ich geboren) vorstellen:


    Erst einmal allgemeine Dinge:
    Görlitz liegt an der Neisse genau auf dem 15. Meridian. Es ist die östlichste Stadt Deutschlands mit der östlichsten Gaststätte, der östlichsten Brauerei (die Landskron Brauerei ( http://www.landskron.de )) und man kann sagen das in Görlitz die Uhren am genausten gehen da die Mitteleuropäische Zeit genau auf den 15. Meridian eingestellt ist. Um 1800 hatte die Stadt ca. 9000 Einwohner, 1900: 80 932 Einwohner, 1949: 101 742 Einwohner wegen des Flüchtlingsstroms nach Grenzziehung und heute nur noch 60 994.
    Görlitz wurde zum erstenmal 1071 in einer Urkunde als „ villa Gorelitz “ genannt, man weiß aber das schon um 875 auf dem Hausberg, die Landeskrone, eine Burg mit einer Siedlung gab. 1220 wurde dann die richtige Stadt angelegt. Kurz darauf, im Mittelalter wurde die Stadt durch den Tuch und Leinenhandel reich. Die Stadt liegt an der via regia ( eine alte Salzstrasse) die hier die Neisse überquert. Den Verlauf dieser Strasse kann man heute noch sehen. Die Stadt bestand fast nur aus Fachwerkbauten die durch einen großen Stadtbrand zerstört wurden. Da jetzt die Stadt ziemlich wohlhabend war baute man sie wieder in Rekordzeit mit prächtigen Renaissancehäusern wieder auf. Während des 30 Jährigen Krieges konnte sie den Einmarsch der Schweden verhindern, da sie ein recht starkes Bollwerk hatten, sogar der Schwedische König Gustav Adolf konnte daran nichts ändern ( er war persöhnlich da). Seitdem heißt auch die westliche Befestigungsanlage Kaisertrutz. Zwar hat die Stadt den Dreißigjährigen Krieg recht gut überstanden aber da die ganzen Städte mit denen man vorher Handel getrieben hat erobert wurden oder sehr arm waren ging es auch Görlitz wirtschaftlich nicht so gut. Allerdings zum Glück, so blieben die Renaissancehäuser stehen, da man kein Geld hatte, was neues zu bauen.
    Auch Napoleon statte der Stadt einen offiziellen und einen inoffiziellen Besuch ab. Während des Feldzuges nach Rußland ließ er sich auf dem Weg dorthin mit Militärparaden und dem ganzen drum herum auf dem Obermarkt feiern. Da aber er mit seinem Feldzug nicht ganz soviel Glück hatte, ließ er sich mit einem Mantel verschleiert heimlich still und leise in der Nacht zu einem Haus am Markt fahren übernachtete dort heimlich fuhr am frühen Morgen schon weiter. Überhaupt gibt es über die Stadt mehrere solche Geschichten und Sagen die man heute dort überall kaufen kann. Zur Industrialisierung kam dann der ganz große Wohlstand. Es gibt 2 Gründe:
    1. Der Preußische König Friedrich Wilhelm v. Preußen ließ die Bahnlinie Berlin – Breslau durch Görlitz verlaufen ( das für den Neißeübergang gebaute Viadukt wurde von 1845 – 47 gebaut).



    2. Herr Lüders gründete eine Waggonfabrik. Diese hatte ziemlich schnell Erfog. Auch andere Unternehmen gründeten verschiedene Fabriken. Vor allem gab es noch die traditionellen Stoffwebereien die am ganzen Neisseufer angesiedelt waren. Die Waggonfabrik gibt es noch heute wurden von Bombadier übernommen und baut die roten Doppelstockwagen für den Regionalverkehr.
    Um die Jahrhundertwende gab es Banken und Geschäftshäuser, Hotels und Gaststätten in Fülle. Görlitz machte sich einen Namen als Stadt der Schulen und des Sports, der Parkanlagen und der Schlesischen Musikfeste, als Garnisonsstadt und als kirchliches Zentrum. Ein Großteil der Bevölkerung fand hier eine beachtliche Lebensqualität. Auch wurde sie Pensionsstadt für preußische Offiziere und pensionierten Fabriksdirektoren und den vielen Neureichen.
    Seit dem 2. Weltkrieg ist Görlitz eine geteilte Stadt. Auf Deutscher Seite Görlitz und auf der anderen polnischen Seite Zgorzelec. Aber sie wurde fast nicht zerstört, nur die Brücken wurden gegen Kriegsende, um den Vormarsch der Russen zu stoppen gesprengt. Original wiederaufgebaut wurde nur das Eisenbahnviadukt. Dazu kommt noch der städtische Grenzübergang. Seit letztem Jahr wird die Altstadtbrücke modern wiederaufgebaut. Das Richtfest wird, glaube ich, am 1. Mai gefeiert. Zu DDR Zeiten kam es zum Glück nicht zu Sprengung von so mancher Gründerzeitzeile. Es mangelte mal wieder am Geld. Somit sind alle, man kann fast sagen alle, Gründerzeitbauten erhalten geblieben. Allerdings entstand in den 70er Jahren das bei den Diktatoren so beliebte Plattenbauviertel auf einer grünen Wiese vor den Toren der Stadt. Dies ist heute einer der größten Probleme. Die Menschen sind aus der Stadt in die schöne neue Platte gezogen und die Innenstadt zerfiel mehr und mehr. Zum Glück kam dann die Wiedervereinigung und das Geld für die Renovierung war da, allerdings keine Arbeitsplätze mehr. Und so hocken diese in ihrer Platte da sie billig ist und die Innenstadt verkommt mit der Zeit wieder, wenn sich da irgendwann nichts mehr ändert.
    Jetzt aber ein Rundgang durch die Stadt:


    Starten wir bei der Peterskirche die Schwarzweißaufnahmen stammen aus dem Buch: Die Reihe Archivbilder Streifzüge durch Gölitz. Sie wurden meistens um die Jahrhundertwende gemacht.



    Diese gibt es seit 1497. Hatte aber bis vor 100 Jahren niedrige Barocke Turmspitzen hat dann neugotische Turmspitzen bekommen die die letzten Jahre renoviert wurden und seit einem Jahr so strahlen.



    Vor der Peterskirche sieht man mit dem auffälligen Giebel das Waidhaus (ca. 12. Jhd.). Das ist das älteste Gebäude und ist heute Werkstadt und Fortbildungszentrum der Deutschen Stiftung Denkmalschutz.



  • Und weiter gehts: Ein Blick von der Peterskirche:


    Dann geht es an der Baustelle der neuen Altstadtbrücke vorbei und die Neissestraße entlang.






  • Vorbei an einem der schönsten Renaissancehaus, dem Biblischen Haus. Dies hat Reliefszenen aus dem Neuen und altem Testament:



    Zum Untermarkt der einstige Marktplatz auf dem die Händler in den Bögen ihre Waren verkauft haben:



    Der Neptunbrunnen:




    Die Apotheke mit den Sonnenuhren:




    Mit dem Rathaus und dem Schönhof – Das rot - graue Gebäude links neben dem Rathaus das heute das Schlesische Museum beherbergt.



    Noch ein paar Details vom Rathaus:
    Tür und Iusticia:


    und im Inneren:


  • Weiter durch die Altstadt zum Obermarkt. Hier hatte Napoleon übernachtet und der preußische Adel gefeiert. Hier stand auch mal eine Reiterstatue vom Wilhelm.




    Am Westende sieht man den Reichenbacher Turm und den Kaisertrutz.


  • Parallel verläuft die Langenstraße die sehr kurios ist denn sie ist eigentlich auch keine normale Straße sondern auch fast ein Markt, da sie so breit ist. Ein paar Veränderungen während des letzten Jahrhunderts:




    Kommen wir über die Steinstraße langsam in das Gründerzeit – Viertel.




    Noch ein Gründerzeitkaufhaus zum renovieren:

  • Wir stehen jetzt am Marienplatz mit dem Dicken Turm der erst vor kurzem so hell leuchtet. Vorher war er richtig dunkel. Links vom Turm sieht man die Sankt Anna Kapelle die jetzt Aula einer Schule ist:





    Dann zum letzten Jungendstilkaufhauses Deutschlands. Dem Wertheim in Berlin nachempfunden, 1912 gebaut.



    Dies wars fürs erste am Montag kommt dann mehr.

  • Wow, wusste gar nicht wie schön Görlitz ist. Danke für die Bilder. Da muss man sich ja wohl mal irgendwann hin aufmachen, an den östlichsten Punkt Deutschlands.

  • Ich bin echt Platt! Das ist so gemein! Eine Kleinstadt, wie Görlitz hat so viele hist. und vor allem schöne Bauten, vom Wachturm bis zum Jugendstilkaufhaus in der Altstadt, und hier in Berlin-Mitte muss man sich mit den Platten und dem Neubau-Mist abgeben! Die Görlitzer hab's gut, jedenfalls, was die Architektur ihrer stadt angeht!
    Danke für die kleine Stadtführung, Sammy!

  • Super dass Du auch Ausschnitte aus einem Buch miteingebracht hast, sehr interessant, Danke!


    Und die Stadt macht wirklich einen super Eindruck. Im Zusammenhang mit der EU-Erweiterung hat man ja in letzter Zeit einiges gehört von Görlitz, aber so einen Anblick hätte ich echt nicht erwartet.

  • Ich weiß schon seit einiger Zeit, daß Görlitz sehr schön ist (hab mal eine Sendung im TV dazu gesehen, schon vor ein paar Jahren). Es leidet aber wie viel Städte im Osten an starkem Einwohnerschwund und wirtschaftlichem Niedergang. Manche wollen sogar Polen anlocken, weil schon so viele Wohnungen leer stehen.

  • Danke für die interessanten Infos...


    scheint ein nettes kleines Städtchen zu sein.... so mit Fachwerk und Gründerzeithäuser...irgendwie gemütlich. Mir fehlt ein bisschen grün in den Straßen (siehe Wangen/Allgäu, Freiburg)... naja bin sonst halt nicht so der Kleinstadt-Typ...aber trotzdem , ganz nett

  • Ersteinmal ein großes Danke und schön das es euch gefallen hat. So jetzt gehts weier mit dem Rundgang:


    Das Kaufhaus steht am Demianiplatz an dem auch das Theater steht. Hier sieht man wie er sich verändert hat. Im Hintergrund die Frauenkirche die einst zu einem Nonnenkloster gehörte:




  • Hinter der Frauenkirche beginnt der Postplatz. ( leider hab ich es versäumt von der berühmten Muschelminna und dem prächtigem Gebäude am Nordrand ein Foto zu machen, kommt aber sicherlich später einmal nach)



    Weiter geht’s auf der Jakobsstraße zum Wilhelmsplatz.



    Auf dem alten Foto mit der noch unbebauten Ecke Jakobsstraße Wilhelmsplatz


  • Hier fängt die Straßburgpassage an. Eine Jugendstilpassage die sich seit der Erbauung nicht verändert hat ( außer dem üblichen wie Geschäftsschilder, Lampen und die Fenster wurden mal erneuert.



    Jetzt sind wir auf der Berlinerstaße. Der Geschäftsstraße zum Bahnhof. Hier sind die Banken angesiedelt und es gibt die üblichen Geschäfte.




    Hier mal ein Detail:



    Und ein paar Bildchen von der Umgebung:


  • Leider stirbt diese je näher man Richtung Bahnhof kommt immer mehr aus:



    Ein nettes Detail von der Stadtmauer:



    Die Häuser blieben seit dem Abriss der Stadtmauer unverändert so stehen.


    Noch ein Detail aus der Gründerzeit:


    Informationen auch unter :
    http://www.goerlitz.de


    So, das wars fürs erste. Ich hoffe es hat euch gefallen. Görlitz müsste jetzt blos eine Lösung finden wie sia erst einmal die Abwanderung stoppen kann, die Innenstadt wieder mit Leben füllen kann ( nach 19:00 Uhr ist die ausgestorben wie eine Geisterstadt und wie es jetzt mit der Nachbarstadt weiter geht.

  • Danke für die tollen Impressionen. Die Innenstadtsanierung scheint ja abgeschlossen zu sein.


    Weißt du zufällig, wieviel Einwohner Görlitz 1920 hatte, als das Kaufhaus entstand?

  • Ich kann dir die Zahlen von 1910 geben:
    Da waren es 85812 Einwohner. 1920 müssten es dann ca. 90000 Einwohner gewesen sein. Außerdem hab ich hier noch eine Auflistung von 1906:
    Da waren:


    Staats- und Regierungsbeamte 2198 2,6%
    Privatbeamte 619 0,7%
    Gelehrte, Geistliche, Ärzte und Künstler 291 0,3%
    Kaufleute, Fabrikanten, Handwerker 5475 6,5%
    Rentiers, Privatiers 1625 1,9%
    Pensionäre 1594 1,5%
    Gehilfen in Handel und Gewerbe 10882 13,0%
    Lehrlinge 1442 1,7%
    Fabrikarbeiter 2645 3,2%
    Tagearbeiter 3781 4,5%
    Dienstboten, Knechte, Mägde 4578 5,5%
    Soldaten 1215 1,4%
    Berufslose Ehefrauen 15154 18,4%
    Haussöhne, Haustöchter 25720 30,7%
    Kostkinder, Pensionsschüler 797 0,9%
    Sonstige Familienangehörige 2471 2,9%
    Anstaltsinsassen 938 1,1%
    Sonstige 2341 2,8%


    Insgesamt: 83766


    Aus: Die städtebeuliche Entwicklung von Görlitz im 19. Jahrhundert ( Andreas Bednarek)