…zurück auf Start. Zweiter Versuch:
Sehr geehrter Herr Bohn, gerne möchte ich meine Kritik an Ihrem Wettbewerbsbeitrag ausführlicher darlegen.
Wie gesagt, ich kann das Wettbewerbsergebnis allein anhand der im Netz kursierenden Renderings beurteilen:
- · Zu den notwendigen baulichen Veränderungen, Erweiterungen und Verbesserungen des U-Bahn Umfeldes möchte ich mich nicht äußern, da die Notwendigkeit diese durchzuführen mir unmittelbar einleuchten und auch gut gelöst sind.
· Beschränken möchte ich mich deshalb allein auf die Neugestaltung und dessen ästhetische Wirkung auf mich.
- · Zur Farbwahl und Raumwirkung: Die beiden Bahnsteigebenen ganz in „Gelb“ bzw. ganz in „Blau“ zu halten erleichtert mit Sicherheit die Orientierung der Fahrgäste. Warum „Gelb“ und „Blau“ erklärt sich für mich aus dem Ursprungszustand abgeleitet. Das „Weiss“ für den Fußboden (und an den Säulenverkleidungen hochgezogen) gefällt mir sehr gut (Welches Material wird hier Verwendung finden?). Auch die Raumwirkung wird sich durch diese klare Akzentuierung sicher verändern. V.a. da beim „Raum“ Zurückhaltung geübt wird. Nichts zu viel. Kein Schnörkel, kein Schnickschnack.
- · Der von Frau Deubzer hervorgehobene ästhetische Einfallsreichtum ist für mich jedoch genau aus diesen Gründen nicht zu erkennen. Mehr als eine konsequente Beschränkung bei den Gestaltungsmitteln auf das Allerwesentlichste kann ich aus den Renderings einfach nicht herauslesen. Hier steht und fällt für mich folglich sehr viel mit dem Lichtkonzept, um notwendige Akzente zu setzen und/oder Monotonie zu vermeiden.
- · Zur Materialwahl: Die Verkleidung der Bahnsteigebenen sieht für mich nicht sonderlich hochwertig aus. Dies wirkt sich für mich folglich auch negativ auf den Gesamteindruck aus. Die hochglanzlasierte Stahlblechverkleidungen an Wänden und Decke finde ich zu großflächig und monoton. Eine kleinteiligere Akzentuierung durch die Verwendung von Keramikkacheln bei der Verkleidung würde ich deshalb vorziehen, sofern technisch machbar.
- · Zum Zwischengeschoss: Fußboden und Fassadengestaltung der Ladenzeilen wirken elegant. Auch hier ist die Raumwirkung wieder auf das Wesentlichste reduziert und akzentuiert. Im Gesamteindruck aber zu monoton. „Schwarz“ für die Deckengestaltung finde ich ebenfalls sehr riskant. Vielleicht kann das aber die gewählte Deckenbeleuchtung wieder rausreißen. Erinnert mich von der Farb- und Formenanordnung alles ein wenig an die Stachus Passagen.
- · Ganz Allgemein: Insgesamt tue ich mir immer ein wenig schwer wenn eine „Moderne“ (hier eine 70er Jahre Moderne von Paolo Nestler) durch eine andere „Moderne“ (durch den Entwurf der Planungsgemeinschaft Raupach & Bohn) ersetzt wird. Das hat so was von „Wegwerffunktionalismus“. Einmal hingestellt, dann nur noch gereinigt aber nicht mehr erneuert und weiterentwickelt; bis der Zeitgeist sich dann wieder eine neue Formensprache sucht und umsetzt. Anstelle den Ursprungszustand des U-Bahnhofes zu sanieren und so in die Zukunft zu tradieren wird überformt und umgedeutelt. Das mag im Einzelfall richtig und notwendig sein. Für das Gesamtsystem U-Bahn hat dies aber auch gestalterische Folgen. Im Gesamtergebnis entsteht so aber über die Jahrzehnte ein Patchwork unterschiedlichster Baustile und Gestaltungselemente. Ich persönlich präferiere da eher ein einheitlicheres und nachhaltigeres Vorgehen bei Gestaltungsaufgaben des öffentlichen Raumes. Bewege ich mich z.B. durch das U-Bahnnetz von Hamburg, Berlin oder Düsseldorf so ist das Erscheinungsbild dort verbindlicher gestaltet. Das gefällt mir im Gesamteindruck besser.
- · Zu guter Letzt möchte ich nicht ausschließen,dass bei der Bewertung von Neugestaltungen des öffentlichen Raumes in meiner Heimatstadt München bei mir ein Stück weit Nostalgie mitschwingt. Mein ästhetisches Urteil ist dadurch wohl stark subjektiv eingefärbt. Vielleicht fand ich die Bahnhofsgestaltung von Paolo Nester insgeheim schon immer ein wenig angeranzt, kannte es aber nicht anders. Daraus resultiert vielleicht auch eine „Des war schon immer so, und soll deshalb auch so bleiben“-Haltung gegenüber gestalterischen Veränderungen. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich mich im Rahmen meiner denkmalpflegerischen Ausbildung für einen weniger leichtfertigen Umgang mit der Bausubstanz der 60er und 70er Jahre -„Moderne“ eingesetzt habe, als er gegenwärtig gemeinhin gehandhabt wird.