Frankfurt und seine Nachbarn / Regionalplanung

  • Frankfurt und seine Nachbarn / Regionalplanung

    FAZ.Net vom 16. Oktober


    Petra Roth stellt ihr Modell eines "Stadtkreises" vor

    16. Oktober 2003 Von Friedrichsdorf bis Neu-Isenburg, von Hochheim bis Hanau, Frankfurt und Offenbach als Zentrum: So müßte nach Ansicht der Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) der "Stadtkreis Frankfurt-Rhein-Main" aussehen, damit der Kern des Rhein-Main-Gebiets auch künftig im direkten Wettbewerb mit anderen europäischen Ballungsräumen bestehen kann. Denn "ohne strukturelle Veränderungen kommen wir in der Region nicht voran", postuliert Roth. Bereits im März dieses Jahres hatte die Oberbürgermeisterin in einem Interview mit dieser Zeitung erstmals den Vorschlag unterbreitet, die Städte im Zentrum des Rhein-Main-Gebiets zu einem "Stadtkreis" zusammenzuführen. Dieses Modell zur Regionalreform hat sie jetzt, auch mit Blick auf den geografischen Zuschnitt des künftigen Kreises, in einem dieser Zeitung vorliegenden Papier präzisiert.


    Daß eine Reform notwendig ist, zeigt sich nach Ansicht des Frankfurter Stadtoberhaupts vor allem in zwei Punkten: am nicht vorhandenen Lastenausgleich zwischen den Großstädten und dem Umland und an der Tatsache, daß im Kern des Ballungsraumes Rhein-Main die Flächen "langsam knapp werden". Die Hoffnung, durch freiwillige Kooperationen, wie sie vor allem das geltende Ballungsraumgesetz vorsieht, diese Schwierigkeiten zu lösen, teilt Roth nicht. Freiwillige Formen der Zusammenarbeit eigneten sich zwar zur Erledigung einzelner Projekte, von denen alle Partner etwas hätten, doch könne dies nicht das alleinige Instrument zur Lösung regionaler Problemen sein, schreibt Roth. "Wer die Kosten von Leistungen, die einer ganzen Region zugute kommen, gerecht verteilen will, braucht demokratisch legitimierte regionale Institutionen."


    Nach Auffassung Roths wäre dazu am geeignetsten das Modell eines Landkreises, den sie "Stadtkreis" nennt, weil es ausschließlich Städte sind, die in dieser Gebietskörperschaft aufgehen würden. Dabei würde sich für die bisher kreisangehörigen Städte wie etwa Bad Vilbel, Neu-Isenburg, Kelsterbach, Bad Soden oder Oberursel die rechtliche Stellung nicht ändern. In Frankfurt und Offenbach ginge die Verantwortung für einige Arbeitsfelder auf den von den Bürgern direkt gewählten Kreistag über, führt Roth weiter aus. Und an der Spitze stünde ein Landrat, der den Kreis nach außen zu vertreten hätte. Die Aufgaben des Planungsverbands, insbesondere die regionale Flächennutzungsplanung, könnten an den neuen Kreis übergehen.


    Der Zuschnitt des Gebiets, das 27 Kommunen umfassen würde, ließe einen "Stadtkreis" mit 1,3 Millionen Einwohnern entstehen, vergleichbar etwa mit München oder Köln. Für einen solchen Zusammenschluß sprechen nach Ansicht Roths die intensiven Pendlerbeziehungen in dem Gebiet. Sie verweist zudem auf das in Deutschland dichteste öffentliche Nahverkehrsnetz, das von Frankfurt bis in die Nachbarstädte reiche. Noch ein Argument Roths dafür, daß die Wirklichkeit ihrem Modell vorgreife: Durch bauliche Verdichtungen verschwömmen schon jetzt die Grenzen zwischen den Städten teilweise. Die Oberbürgermeisterin ist sich sicher, daß sich für die Bürger im "Stadtkreis" praktisch nichts verändern würde. Sie erledigten weiterhin ihre Angelegenheiten in "ihrem" Rathaus, möglicherweise könnte ihnen sogar angeboten werden, die Behördengänge wahlweise an ihrem Wohnort oder in der Nähe ihrer Arbeitsstelle zu erledigen. Die Freizeitangebote könnten voraussichtlich sogar verbessert werden, da durch die Zusammenarbeit bei den Volkshochschulen, Büchereien oder Schwimmbädern Kosten eingespart werden könnten.


    Das "Stadtkreis"-Modell führte aber in jedem Fall zu einer gerechteren Lastenverteilung zwischen Kernstadt und Region, schreibt Roth und nennt das Beispiel der Sozialhilfe. In Frankfurt und Offenbach sei die Sozialhilfequote derzeit doppelt so hoch wie im sogenannten Speckgürtel. Nach Gründung des "Stadtkreises" würde die Quote in den beiden größeren Kommunen von jetzt 6,3 Prozent um rund einen Prozentpunkt sinken, während sie in den wohlhabenden Gemeinden um rund drei Prozentpunkte stiege, im Vergleich zu heute demnach fast auf das Doppelte.


    Aber auch Schulen, Krankenhäuser, Sporteinrichtungen und Feuerwachen wären in einer Hand und könnten laut dem Roth-Papier effektiver geplant und geführt werden, es entstünden die vielbeschworenen Synergieeffekte. Beim Tourismus, der Standortwerbung, der Förderung durch EU-Programme könnten durch die Zusammenarbeit ebenfalls bessere Ergebnisse als bisher erreicht werden. Nach Auffassung der Oberbürgermeisterin ist ein ganz starkes Argument für den Zusammenschluß: Die Kernregion träte erstmals geschlossen nach außen auf und könnte den Anspruch erheben, das Zentrum der Rhein-Main-Region zu vertreten.


    Roth weiß, daß sie mit ihrer Forderung nach einem "Stadtkreis" eigentlich eine Gebietsreform vorschlägt, eine "heißes Eisen", zumal in Hessen. Zu Beginn der siebziger Jahre machte das Land bundesweit Schlagzeilen, als in Mittelhessen Gießen und Wetzlar zur neuen Stadt Lahn zusammengeführt werden sollten. Vor allem führte die damals von der SPD vorangetriebene Gebietsreform zum Machtverlust der Sozialdemokraten in den hessischen Rathäusern. Roth will sich davon nicht abschrecken lassen. Denn wer, fragt sie, solle denn überhaupt noch heiße Eisen anfassen, wenn es nicht diejenigen seien, denen der Wähler die Verantwortung für die Zukunftssicherung der Kommunen und der Region übertragen habe.


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    FAZ.Net vom 17. Oktober


    Hin zur Region

    17. Oktober 2003 Sie weiß es selbst, die Frankfurter Oberbürgermeisterin: Mit ihrem Vorstoß, einen großen Stadt-Kreis mit dem Zentrum Frankfurt und Offenbach zu bilden, der gleichsam ein Dreieck bildete von Bad Homburg im Norden, Rüsselsheim im Westen und Hanau im Osten, redet sie einer brisanten Gebietsreform das Wort. Da geht es nicht mehr nur darum, Städte und Gemeinden in einem Radius um Frankfurt herum zu einer regionalpolitisch stärkeren Zusammenarbeit zu bringen - da werden bestehende Verwaltungsstrukturen tangiert. Es geht letztlich um, je nach Organisation, mehr oder weniger kräftige Einbußen an gemeindlicher Eigenständigkeit.


    Die CDU-Politikerin Petra Roth, die ihre im März in einem Interview mit dieser Zeitung vorgestellten Ideen nun präzisiert hat, wird dies um so besser wissen, als die Reaktionen besonders der Regionalfürsten ihrer Partei damals sehr verhalten waren. Und die Wiesbadener Staatskanzlei verwies, eher indigniert, auf das Ballungsraumgesetz und dessen Möglichkeiten, das Rhein-Main-Gebiet regionalpolitisch auf einen einheitlicheren Kurs zu führen.


    Unabhängig davon, wie der Staatsgerichtshof Klagen gegen dieses Gesetz beurteilen wird - als Weisheit letzter Schluß haben sich die darin enthaltenen Regelungen zur Förderung der regionalen Kooperation - Ersatz für den gescheiterten Umlandverband - bisher nicht erwiesen. Den gewachsenen, festgefügten Partikularismus hat dieses Gesetz (bisher) nicht überwinden können - trotz der von seiten des Landes drohenden Zwangsmaßnahmen.


    Dabei ist es offenkundig und rational nachvollziehbar: Es genügt in dem Ballungsgebiet Rhein-Main nicht mehr, allein auf die kommunale Selbstverwaltung zu deuten, um sich auf diese Weise engeren Strukturen der Kooperation zu entziehen. Städte und Gemeinden der Region wachsen zusammen; man kann das vielerorts besichtigen, wo "Grenzland", einst Felder und Wiesen, längst bebaut ist. Zwang zu gemeinsamer Planung leitet sich daraus ab, Planung auf vielerlei Ebenen kommunaler Dienstleistungen und Vorsorge - und eben auch, sich daraus wiederum ergebend, Zwang zu einem finanziellen Lastenausgleich.


    Schwieriges Terrain. Doch es muß (neu) gestaltet werden. Und zwar nicht nur wegen Frankfurter Befindlichkeiten.


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    In der Frankfurter Rundschau vom 01.11. ist noch eine Graphik des Stadtkreises, kann ja vielleicht jemand einscannen


    :Colgate:

  • Offenbach ist ein nur Stadtteil von Frankfurt, die Offenbacher haben es nur noch nicht mitgekriegt. ;) Ich kenne einige großen Firmen (vor allem Nähe Kaiserlei) die auf Ihrem Briefkopf "Branch Frankfurt" und dann die Offenbacher Adresse drauf stehen haben.

  • Dieses Gebiet muss einem Grossen Stadtmetropole sein ohne grenzen , ohne kleinere Städte , ohne kleine Ideen !

  • von oben sieht Rhein Main jetzt schon fast wie eine einzige Stadt aus, vor allem bei Nacht.
    Ich faends ne klasse Idee als gebuertiger Frankfurter!:)

  • Ist mir nicht bekannt. Halte das auch nur für eine Idee, die man in Zukunft irgendwann mal weiter verfolgen kann. Aber momentan sind die umliegenden Gemeinden noch zu bockig, diesen Schritt zu unternehmen. Ich rechne nicht damit, dass sich da die nächsten 10 Jahre was tut. Vielleicht zwischen Offenbach und Frankfurt. Aber selbst da dürften psychologische Gründe das noch etwas hinauszögern. ;)

  • Roland Koch hat die Tage angekündigt, dass wenn die Kommunen nicht im Rahmen des neugechaffenen Ballungsraumgesetzes freiwillig zusammenarbeiten, sie durch Rechtsverordnungen dazu gezwungen werden sollen. Allerdings umfasst das Ballungsraumgesetz nur einzelne Teilbereiche. Mit einem Stadtkreis hat das nichts viel zu tun. Allerdings nimmt der Druck sich in diese Richtung zu bewegen, langsam aber stetig zu. Nahezu alle Parteien gehen in diese Richtung. Und man ist immerhin jetzt so weit, dass man sich gegenseitig vorwirft, nicht genügend dafür zu tun. Eigentlich müsste man mit Frankfurt und Offenbach anfangen und beide einen Stadtkreis bilden lassen, in welchen die Kommune noch als eigenständige EInheit bestehen bleibt. Die Verwaltung und überregionale Einrichtungen könnten dann aber schon zumindest teilweise gemeinsam betrieben werden. Und man sollte dieses Stadtkreis für einzelne Kommunen öffnen. Ich denke, man müsste eine starkes Machtgefüge schaffen, bei dem dann die einzelnen Kommunen teilhaben wollen. Bereits drei bis fünf Kommunen, zusammen mit Frankfurt und Offenbach, würden ein so starkes Gebilde darstellen, dass sich eine Art "Sog" entwickeln könnte bzw. eine "Torschlusspanik" für andere Kommunen dort mitzumachen, damit man am Ende nicht draußen bleibt und viel schwächer darsteht.

  • Frankbach oder Offenfurt? ;) Spass beiseite - um ueberregional und auch international konkurrenzfaehig bleiben zu koennen, geht wohl mittel bis langfristig nichts dran vorbei sich zusammenzuraufen.

  • Hmm, so ganz kann ich die dort geschilderten Erfahrungen nicht bestätigen.
    Ich kenne wirklich genug Leute aus Maintal oder Bad Vilbel, die stolz mit ihren Frankfurt T-Shirts durch die Gegend ziehen und sicher nichts dagegen hätte wirklich dazuzugehören. Das diese Städte sich durch ein penetrantes abgrenzen von Frankfurt auszeichnen hat meistens eher wirtschaftliche Gründe statt ideologische.


    Einige der von ihm vorgeschlagenen grenzen machen auch nicht wirklich sinn.
    Wieso soll Niederdorfelden zu Frankfurt dazugehören während Oberdorfelden ausgeschlossen wird? Da verwirkliche ich lieber meinen eigenen Plan und vereinige Gronau, Nieder- und Oberdorfelden zu einem Groß-Dorfelden ;)

  • Das ist doch heute auch schon komisch aufgeteilt. Niederursel gehört zu Frankfurt, Oberursel ist eine eigene Gemeinde. Niedereschbach ist Frankfurt, Obereschbach ist Bad Homburg.

  • Hier kommt mal wieder die deutsche Vergangenheit zum Tragen: Kleinstaaterei mit hunderten von unabhängigen Fürsten, Kurfürsten und anderen Regenten bis 1803 bzw. 1806. Ein Zusammenhängendes Deutschland gibt es überhaupt erst seit 1871. Es ist einfach schwierig (aber nicht unmöglich), sich von dieser langen Tradition des extremen Dezentralismus zu lösen. Für Frankfurt und die Region hat das natürlich verheerende Auswirkungen.

  • Die Kleinstaaterei hat nun wirklich nichts damit zu tun.
    Ansonsten wäre Berlin für Deutschland das, was Paris für Frankreich, oder London für GB, und Frankfurt wäre das, was beispielsweise Bordeaux für Frankreich ist.


    Aber du hast natürlich Recht, wenn du meinst, dass die Kirchturmpolitik im Rheinmaingebiet eine Katastrophe ist.

  • Die Kleinstaaterei hat nun wirklich nichts damit zu tun.
    Ansonsten wäre Berlin für Deutschland das, was Paris für Frankreich, oder London für GB, und Frankfurt wäre das, was beispielsweise Bordeaux für Frankreich ist.


    Ich glaube schon, dass Traditionen da einen gewissen Einfluss haben. GB und Frankreich sind ja sehr zentralisiert, weil es diese Staaten schon so lange gibt und sich so Machtzentren ausbreiten konnten, Deutschland hingegen ist von seiner Geschichte her schon immer eher ein Staatenbund gewesen.

  • Aus dem Wiesbadener Kurier vom 19.04.04:


  • Interessant. Gibt es kein demokratisch legitimiertes Regionalparlament oder ähnlich?


    Was bedeuten grün und grau in den Karten?


    Wer stellt sich gegen den Stadtkreis?

  • das problem wäre,dass frankfurt rhein main also der stadtkreis das einfach DIE politische macht in hessen wäre. so wie ich das verstanden habe sieht das vor allem die landesregierung (wiesbadener!!) und die nordhessen lobby (nicht wenig einflussreich in wiesbaden) sehr kritisch.


    anders kann man natürlich argumentieren,dass frankfurt und die region drumherum dann endlich die ihr eigentlich aufgrund der wirtschaftskraft etc. zustehende rolle erhalten würde...

  • Da finde ich in der FAZ eine Meldung, die für mich fast an ein Wunder grenzt!
    Oder bedeutet das. dass langsam aber sicher doch endlich ein Umdenken einsetzt?





    Eschborn will Frankfurter Zoo unterstützen



    02. Dezember 2004
    Bürgermeister Wilhelm Speckhardt hat [...] die Stadtverordneten mit einem ungewöhnlichen Vorstoß überrascht. Da die finanzielle Ausstattung von Hessens steuerkräftigster Kommune weiterhin "komfortabel" bleiben werde, solle Eschborn in seiner Verantwortung gegenüber der Region in Vorleistung treten. Falls die Stadtverordneten dem Etat zustimmen, wird Eschborn dem Frankfurter Zoo einen Zuschuß von 200000 Euro für die Sanierung des Okapi-Geheges überweisen
    [...]
    Er wolle mit diesem Zuschuß natürlich auch der Stadt Frankfurt "den guten Willen der Umlandsgemeinden" beweisen, die durchaus bereit seien, sich an den Kosten der Infrastruktur zu beteiligen. Mit diesem Schritt setze Eschborn in die Tat um, was schon lange gefordert und diskutiert werde. Speckhardt erhofft sich von dieser Zahlung eine Initialzündung für andere Städte und Gemeinden der Region, sich stärker mit Frankfurt zu identifizieren. Im Umkehrschluß müsse seine Frankfurter Kollegin Petra Roth (CDU) ihre Magistratskollegen und das Frankfurter Parlament davon überzeugen, daß der Ballungsraum Rhein-Main im internationalen Wettbewerb nur durch gemeinsames Handeln stark gemacht werden könne[...]. Die Stärke der Region sei ihre polyzentrische Struktur - nur diese dürfe nicht durch Kirchturmdenken zerstört werden.
    [...]



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