Speicherstadt (Bauprojekte)
Zum Thema Architektur in Hamburg gehört natürlich auch die Speicherstadt, ein architektonisches Kuriosum, das man stilgeschichtlich am ehesten in die Abteilung Historismus stecken könnte (wegen einiger Anleihen aus der norddeutschen backsteingotik), das aber, soweit ich weiß, weltweit keine echte Parallele hat.
Im Grunde ist die Speicherstadt so etwas wie die erste Hamburger Hafencity. Sie wurde notwendig, damit Hamburg im Jahr 1888 dem Deutschen Zollverein beitreten konnte. Bis dahin war die ganze Stadt gegenüber dem übrigen Deutschen Reich Zollausland. Man konnte unverzollt Waren in Hamburg ein- und ausführen. Das geschah auch an zahllosen Orten über die ganze Stadt verteilt. Das typische Hamburger Kaufmannshaus war zweigeteilt: Vorne, zur Straße hin zeigte es eine stattliche Fassade. Hier waren die Büros und Wohnungen untergebracht. Die hintere Haushälfte diente als Warenlager. Die Rückseite reichte bis an die Fleete, also die Wasserstraßen, auf denen die Ware angeliefert wurde und per Giebelkran in das vorgesehene Stockwerk befördert wurde. Das zweite Bild zeigt das letzte erhaltengebliebene Ensemble solcher Häuser.
Nun sollte Hamburg auch wirtschaftlich ins Deutsche Reich eingegliedert werden, also mußten auch die Zollschranken fallen. Aber gleichzeitig sollte die Möglichkeit des zollfreien Überseehandels beibehalten werden. Deswegen wurde das Hafengebiet als zollfreie Zone beibehalten ("Freihafen"), innerhalb der nun der Handel stattfinden mußte. Damit mußten auch die Lager aus den Bürgerhäusern in der Stadt aus- und in den Freihafen einziehen.
Um Lagerraum zu schaffen, wurde ein (angeblich ganz besonders schönes) Stadtviertel, der Holländische Brook, in Hafennähe abgebrochen, die Bevölkerung, ich glaube es waren 20.000 Menschen, in neue Stadtviertel im Norden Hamburgs umgesiedelt. Auf dem Gelände des Holländischen Brooks entstand nun der gigantische Komplex aus Lagerhäusern, von denen die meisten bis heute in Betrieb sind. Hier lagern heute (noch) vor allem hochwertige Handelswaren wie Kaffee, Tee, Tabak und Teppiche. Angeblich befindet sich dort das weltweit zweitgrößte Teppichlager nach Teheran.
Es ist noch nicht klar, wie sich die Speicherstadt entwickeln wird, wenn südlich davon die Hafencity wächst. Die Zahl der "fremdgenutzten" Lager nimmt zu, unter anderem gibt es dort die größte Modelleisenbahnanlage Deutschlands.
Deswegen lohnt sich ein Besuch, solange die Speicherstadt noch ihrer ursprünglichen Bestimmung entsprechend in Betrieb ist. Sie dürfte der einzige Ort weltweit sein, in dem heute noch in großem Maßstab mit Giebelkränen gearbeitet wird. Und wenn es beim Spaziergang unter den Füßen knirscht, steht man wahrscheinlich in den Resten eines geplatzten Kaffeesacks.
Besonders sehenswert fand ich übrigens immer das Gewürzmuseum, das in einem der Speicher untergebracht ist.
Hier ein (hoffentlich lizenzfreies) Bild der Speicherstadt und darunter die alten Kaufmannshäuser an der Deichstraße.