Frankfurter Immobilienmarkt
geschrieben von unserer schon allseits bekannten Frau Michels...kann es sein dass sie Hochhäuser nicht mag?
Der Leerstand in Frankfurts Türmen wächst
Auch für Etagen mit bester Ausstattung in Bankenlage werden Nutzer gesucht / Die Zeit der hohen Mieten ist vorbei
Hier und da ist Frankfurts Skyline schon Kulisse. Erst waren es nur die ältlichen Büroetagen, inzwischen stehen bei einer ausgewiesenen Summe von 1,6 Millionen Quadratmetern leerer Arbeitsräume auch High-Tech-Büros herum. Gebaut wird trotzdem.
VON CLAUDIA MICHELS
Frankfurt· 19. Oktober · Alles vom Feinsten in den Büromeilen zwischen Westend und Messe. Granit, Glas und Edelstahl. Doch die polierten oder lackierten Briefkästen tragen reihenweise die Kennung von "K. Mustermann" oder dem "Siedle Beschriftungsservice". Drehtüren sind auf Dauer blockiert, Jalousien hängen unten, Briefschlitze und Türgriffe sind ab- und zugeklebt.
Wo in einem leer stehenden Büroblock oder am Fuß eines der Türme überhaupt noch einer sitzt, ist es der Mann vom Sicherheitsdienst. Lautlos saust die elektronische Eingangstür zur Seite im schwarz-silbernen Turm der DZ-Bank am Rothschildpark (Bockenheimer Anlage 46). Alle Menschen sind weg und haben ein paar zusammengeklappte Kartons stehen gelassen. "Aber alle Geräte laufen", erklärt der Aufpasser mit der Bild-Zeitung hinter der Rezeption, warum er ausharren muss. "Versicherungstechnische Gründe", sagt der Mann und in das Rauschen der bullernden Heizung mischen sich Klangfetzen aus seinem Transistorradio.
Draußen, Richtung Opernplatz, an einem nigelnagelneuen, in hellem Stein fein gegliederten Anbau, kriechen Dreckspuren die Mauern hoch, hinter denen seit vielen Monaten schon der DZ-Vorstand sitzen sollte. Und die schönen Milchglas-Kugellampen in der leer stehenden Ladenarkade tragen lauter Kappen aus Staub. Die Banker sind gegangen, sie sitzen jetzt unter anderem im "Kronen Hochhaus" an der Mainzer Landstraße / Westendstraße. Der 25-Etagen-Turm am Rothschildpark soll samt Vorstandsgebäude wie man hört, für 100 Millionen Euro losgeschlagen werden. "Altlasten zu Geld machen", nennt das Oliver Obert, Marktkenner von "Jones Lang LaSalle". Wie im Stadtparlament zur Sprache kam, laufen Verhandlungen mit der Stadt, was aus dem Hochhaus von 1972 herauszuholen wäre.
"Die Herrschaften haben den einen oder anderen Mitarbeiter verloren", umschreibt bei "Knight Frank" Immobilienberater Elvin Durakovic, wie das Karussell sich zu drehen begann - "jetzt optimieren sie ihre Räume". Man muss zusammenrücken, da kann man auch gleich umziehen. Schilder "Skyline-Blick zu vermieten!" oder "Bankenlage!" locken an den Fassaden überall.
Ob es an der Mainzer Landstraße das Trianon-Hochhaus ist, die Hochhausscheibe des FBC am Platz der Republik, oder das bläulich-silbrige "Bürohaus an der Alten Oper" (Neue Mainzer-/Junghofstraße), im Angebot sind Gebäude in allen Lagen, jeden Alters, aller Höhen und Größen. Genau gegenüber der Messe (Friedrich Ebert Anlage 54 / Schumannstraße) steht ein nagelneuer Eckbau in grauem Blech ebenso in stiller Pracht herum wie die in den 80er Jahren an der Mainzer Landstraße 50 durchgesetzte Büromaschine "Alkmene", die vor einer Weile die DEKA Bank aufgegeben hat. "Man hat weniger Personal, da geht der Raumbedarf zurück", lautet die Erklärung bei DeTe Immobilien (Stiftstraße). Die Berater von "Knight Frank" in der Fellnerstraße haben das Gesuch einer Firma auf dem Tisch, die will von 15 000 Quadratmetern Bürofläche runter kommen und sich mit 13 000 Quadratmetern bescheiden. Das Unternehmen werde in 60 Monaten eine halbe Million Euro Miete sparen, rechnet Elvin Durakovic vor, denn mit den hohen Mieten aus Boomzeiten ist es vorbei.
Für 15 bis 16 Euro pro Quadratmeter, "bei vollem Equipment" könnte sich ein Unternehmen zum Beispiel jetzt auf 3600 Quadratmetern Am Eschenheimer Tor 2 (Bayer-Haus) einmieten, bei De Te Immobilien um die Ecke wird noch das Doppelte bezahlt. Und wer immer das Bayer-Haus nähme, er bekäme von der Beratung über den Umzug bis zur Teeküche alles geschenkt.
Die Angebote reichen weit - und trotzdem soll am Eschenheimer Turm das so genannte "Zeil-Projekt" auf dem früheren Telekom-Areal angepackt werden, "das Bau-Projekt in Deutschland", nennt es Oliver Obert (Jones Lang LaSalle). Genauso wie der Rebstockpark mit weiteren 280 000 Quadratmetern Gewerbefläche. Auch das Europaviertel, noch einmal so groß wie die Innenstadt, ist nicht abgehakt. Und warum nicht? Oliver Obert grinst: "Es ist eine Zukunftswette." Irgendwann haben sich die leeren Häuser noch immer gefüllt.
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dazu der
KOMMENTAR
Anders bauen
VON CLAUDIA MICHELS
Überall in Deutschland wird die Debatte über die Zukunft der Städte geführt. Die Fehler der Jahrzehnte des Wiederaufbaus sind erkannt: Nach großflächigem Abriss und dem Durchschlagen breiter Verkehrsschneisen sind nicht nur charakteristische Orte verschwunden, sondern massenhaft Bewohner vertrieben worden. So ging auch die Identität dahin, das Sich-Identifizieren der Bürgerschaft.
Frankfurt hat sich als "Stadt der Türme" ein neues, von vielen bewundertes Leitbild gegeben. Die Stadt hat wieder eine Form von Identität gewonnen. Die Bewunderung wird aber nur anhalten, solange die Häuser, die da strahlen, auch benutzt werden. Als blankes Symbol einer Stadt der Moderne taugt die Skyline nicht. Im nächsten Jahr werden es Räume in der Größenordnung von zwei Millionen Quadratmetern sein, die ihre Mieter suchen. Die Gewerbe-Immobilie als Geldanlage schafft eine Dynamik in der Stadtentwicklung, die sich von der Wirklichkeit entfernt. Wo sollen aber in diesen Zeiten des wachsenden Abbaus von Personal all die Arbeitsplätze herkommen, die die Häuser füllen?
Es ist ja andererseits nicht so, dass es nichts zu bauen gäbe. Bei vielen der 315 000 Einpendler täglich ist der Wunsch, in Frankfurt angenehm, sicher und bezahlbar wohnen zu können, riesig. Die Mainzer Landstraße mit ihren vielen leerstehenden Büroetagen gehörte einmal zu den besten Wohnlagen. Das zu allererst: den Menschen ein Zuhause geben zu können, ein buntes Zusammenleben zu schaffen, gehört zur Identität einer Stadt.
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ein interview:
INTERVIEW
Historischer Leerstand
"Die Aussichten auf gute Flächen zum guten Preis sind eigentlich die besten", steht im 3. Quartalsbericht 2003 des Immobilienmaklers Jones Lang LaSalle. Es ist der Versuch, die wachsende Zahl leerer Gebäude, positiv zu sehen. FR-Redakteurin Claudia Michels sprach mit Oliver Obert.
Frankfurter Rundschau: Mehr und mehr Bürogebäude stehen leer, mehr und mehr wird gebaut, wo soll das hinführen, Herr Obert?
Oliver Obert: Historisch gesehen, ist der Leerstand relativ hoch. Da muss man sich nicht wundern, an der Börse ging es ja auch runter. Die Firmen haben zu groß für sich gebaut. Momentan verkleinert man sich und lässt Räume zurück. Die Preise werden weiter einbrechen, aber Frankfurt hat immer noch die höchsten Mieten bundesweit.
Wird der Stadt nicht ihr Kleid allmählich zu groß?
In das zu groß gewordene Kleid kann man reinwachsen. Man muss den Maßstab ja nicht an den Rekordjahren anlegen, 2000/2001, das war eine Überhitzungsphase. Relevant für die Zukunft von Frankfurt ist: Was passiert mit den Deutschen Banken? Sowohl die Crédit Suisse, als auch die Citibank oder die Royal Bank of Scotland haben gesagt, sie wollen hier eine Bank kaufen. Etwa die Commerzbank, die hat unheimlich viele leer stehende Flächen in Frankfurt. Was passiert also: Ziehen durch dieVerkäufe Leute zu, oder ziehen sie ab? Das ist die Kernfrage.
Wieso ist Frankfurt ein guter Standort?
Man hat hier einen Großstadt-Touch in einer Kleinstadt Das bedeutet: Die Unternehmen kommen leicht miteinander ins Gespräch.
Tagsüber busy, busy, und abends laufen alle auseinander und weit weg...
Nehmen Sie das Beispiel London dagegen, die Stadt ist riesig, die Wege sind lang. Trotzdem: alles ist London. Der Weg von Bad Homburg in die Frankfurter Innenstadt ist keine Entfernung, gemessen am Weg zum Arbeitsplatz in Downtown London.
Man denkt sich "die Stadt" hier zu kleinräumig.
Von Sachsenhausen bis Hausen bin ich im Auto in zehn Minuten durch. Ich bin einmal eine Dreiviertel Stunde vorAbflug meines Fliegers aufgewacht, ich hab' ihn noch geschafft. In London hätte ich gleich weiterschlafen können. Das ist doch ein Standort-Vorteil! So was muss die Stadt ausspielen! Die Stadt kann doch kämpfen!
Man findet hier aber eh keine Wohnung.
Ich hab gerade eine gefunden, in Sachsenhausen, zehn Euro den Quadratmeter; genauso teuer wie Bad Homburg. Letztlich aber billiger, denn die Fahrtkosten fallen weg.
Wie hält man das durch, Häuser so lange leer stehen zu lassen?
Die Leute kalkulieren den Leerstand von vorne herein in die Finanzierung ein. In der Regel ist ein Puffer von ein bis zwei Jahren drin. Die Finanzierung ist so ausgelegt, dass man das Objekt in zwei Jahren tilgt. Alles was schneller kommt, kommt obendrauf. Die institutionellen Eigentümer haben unheimlich viele Zuflüsse, viel Geld von Anlegern, die in Immobilien anlegen wollen. In der Übergangszeit können sie's in Festgeld parken.
© http://www.frankfurter-rundschau.de ausgabe 20.10.2003