AirRailCargo - 87 Jahre Güterbahn auf dem Frankfurter Flughafen

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    Fahrzeugparade auf den umgebauten Gütergleisen der Cargo City Süd. Historische Dampflok und Cargo-Sprinter; 1997

    Foto: Fraport AG Fototeam, FRAPORT-Archiv


    Anlässlich seines 100-jährigen Bestehens im Juli 2024 ist viel über den Frankfurter Flughafen berichtet und viel Bildmaterial zu seiner Geschichte veröffentlicht worden. In Vergessenheit geriet, dass der Rhein-Main-Flughafen seit seinem Umzug in den Frankfurter Stadtwald einen Eisenbahnanschluss hat, der für den Gütertransport zum Flughafen zu Zeiten erhebliche Bedeutung hatte. Flughafen und Eisenbahn wird gemeinhin mit S-Bahnanschluss und Fernbahnhof assoziiert. Dass über den alten Gleisanschluss wenig bekannt ist, mag daran liegen, dass er die längste Zeit ausschließlich militärischen Zwecken diente, dass er in den letzten 15 Jahren nur noch geringe praktische Bedeutung hatte und dass an einem Flughafen der Fokus des Interesses auf Flugzeugen und nicht auf Güterzügen liegt. Das Flughafenjubiläum ist Anlass, diesen Teil der Flughafenhistorie in den Blick zu nehmen.


    Der Anfang 1937 - 1945


    Als der neue Flug- und Luftschiffhafen Rhein-Main im Frankfurter Stadtwald am 8. Juli 1936 eröffnet wurde, zeigen die Kartenwerke in der Nordostecke des neuen Flughafengeländes das Empfangsgebäude mit einer Straßenanbindung von der Unterschweinstiege her (etwa dort, wo heute Terminal 2 steht), sowie im Zentrum des Geländes eine Luftschiffhalle, die über eine Straße entlang der damaligen Reichsautobahn Frankfurt – Darmstadt (heute BAB 5) und von Zeppelinheim erreichbar war. Eine Verbindung zum Schienennetz der Reichsbahn gab es zunächst nicht, obwohl zwei wichtige Bahnstrecken das Gelände in nur 1-2 km Abstand passieren, nördlich die Mainbahn nach Mainz und östlich die Riedbahn nach Mannheim. In Kelsterbach gab es ein Industriegleis zu einer Kiesgrube und einem Umspannwerk, das fast bis zur heutigen Landebahn Nordwest reichte.


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    Karte: Historische Topografische Karten (Open Data). Georeferenzierung und Bereitstellung: Hessisches Institut für Landesgeschichte (HIL); Meßtischblatt 5917, 1:25.000, Ausgabe 1935, letzte Ergänungen 1937, mit eigener Colorierung und Bildmontage des Gleisanschlusses.


    Etwa ein Jahr nach der Eröffnung wurde mit dem Bau einer 2. Luftschiffhalle begonnen, im Sommer 1938 war sie fertiggestellt. Die Luftschiffhafen Rhein-Main GmbH, ein mit dem Flughafenbetreiber Südwestdeutsche Flugbetriebs AG Rhein-Main verbundenes Unternehmen, war Bauherr und Betreiber der Zeppelin-Hallen, sie hatte der Firma Seibert Stahlbau GmbH Saarbrücken den Bauauftrag zu einem Pauschalpreis von 2,3 Mio RM erteilt. Die vorgefertigten Teile für die Stahlkonstruktion der Halle sollten mit der Bahn zum Bauplatz gelangen, weshalb das Leistungsverzeichnis des Bauvertrages die Herstellung eines Privatgleisanschlusses zum Flughafen umfasste.


    Im Sommer 1937 wurde in wenigen Wochen ein 3,23 km langes Gütergleis gebaut, das bei Riedbahn-Streckenkilometer 66,8 von einem Gütergleis im Bf. Walldorf abzweigte, westlich neben der Riedbahn nach Nordosten führte, vor der Autobahnüberführung nach Norden abknickte und in einem leichten Bogen zum Flughafengelände führte. Nach Beendigung des Auftrages hat die Fa. Seibert den gesamten Privatgleisanschluss an die Luftschiffhafen GmbH übereignet, der Bauwert war mit 198.000 RM beziffert worden. Die Gleise liefen über Gelände der Reichsbahn, des Landes Hessen, der Gemeinde Trebur und der Fa. Hoch-Tief AG, die dort am Bf. Walldorf einen Lagerplatz unterhielt.


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    Grafik: Genehmigungsplan der Fa. Seibert Stahlbau GmbH Saarbrücken, FRAPORT-Archiv


    Im Plan der Fa. Seibert ist kurz nach der Hohewartschneise, also direkt an der Einfahrt zum Flughafengelände, ein Ladegleis mit Krananlage sowie eine „Gasspeicheranlage“ verzeichnet; das bezog sich auf eine Helium-Reinigungsanlage mit Gasometer für 14.000 Kubikmeter, eine Heliumlagerung für 200.000 Kubikmeter und eine Kraftstromzentrale für die Heliumgewinnung. Diese Anlagen sind aber nicht vollständig gebaut worden, weil die amerikanischen Patent- und Rechteinhaber für die Helium-Gewinnung den Bau in Nazi-Deutschland unterbunden haben. Die Zeppeline wurden deshalb mit Wasserstoff befüllt, der durch eine Rohrleitung von der 8 km entfernten Farbwerke Höchst AG zu den Luftschiffhallen gelangte. Eine Fotografie, wahrscheinlich von 1938, legt nahe, dass das Gütergleis später erweitert wurde, die im Bild erkennbare Verzweigung ist im Genehmigungsplan nicht enthalten.


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    Foto: FRAPORT-Archiv


    Die Bilder aus der Bauzeit zeigen Menge und Größe der Hallenbauteile und machen Notwendigkeit und Nutzen des Bahnanschlusses unmittelbar deutlich.


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    Fotos: FRAPORT-Archiv


    Die Zeppelinmotoren benötigten natürlich Treibstoff, weshalb im Bereich der Zeppelinhallen auch ein Treibstofflager gebaut wurde; es war an drei Mineralölunternehmen verpachtet worden, die Vorgängerfirmen von Esso, Shell und BP. Wir können annehmen, dass der Treibstoff wie damals üblich per Bahn angeliefert wurde. Die Kohle für die Heizzentrale der Luftschiffhallen wurde ebenfalls per Bahn geliefert. Aber wo genau die Gleise bei den Luftschiffhallen lagen, wissen wir nicht.


    Den Luftschiffhallen selbst war keine lange Existenz beschieden. Am 6.5.1937 war der deutsche Zeppelin LZ-129 „Hindenburg“ nach einer Atlantik-Überquerung bei der Landung an seinem Ziellufthafen Lakehurst nahe New York verunglückt. Austretender Wasserstoff hatte sich entzündet, der Zeppelin verbrannte, 35 Menschen starben. Von diesem Unglück hat sich der kommerzielle Zeppelin-Flugbetrieb nicht mehr erholt, die deutschen Zeppeline wurden bei Kriegsbeginn 1939 abgewrackt, die Luftschiffhallen waren nutzlos geworden und wurden im Mai 1940 gesprengt. Wegen ihrer Größe galten sie als gut sichtbarer Ziel- und Orientierungspunkt für feindliche Flugzeuge.


    Im Übrigen blieben aber die Flugplatzanlagen und der Gleisanschluss in Betrieb. Wo ursprünglich die Heliumgewinnungsanlage gebaut werden sollte, ist 1940/41 eine Anlage zur Sauerstoffgewinnung gebaut worden; sie gehörte der Luftschiffhafen Rhein-Main GmbH, die den erzeugten Sauerstoff per Bahn mit Kesselwagen und per LKW fast ausschließlich an die Luftwaffe lieferte. Ein Ausschnitt aus einem Plan von 1943 zeigt die Gleisanlagen in ihrer ursprünglichen Form, ohne die Luftschiffhallen und ohne die oben gezeigte Verzweigung des Gleises. Nach Sprengung der Luftschiffhallen, könnten die Gleisanlagen auf ihr ursprüngliches Format zurückgebaut worden sein.


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    Grafik: Generalausbauplan 1943, Blatt 1, Auszug, coloriert, ISG Sig. S-8 3,871


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  • AirRailCargo (Teil 2)


    1946 - 1959


    Unmittelbar nach der Übernahme am 26. März 1945 begannen die US-Truppen mit der Reparatur des schwer beschädigten Flughafens. Es wurde eine Zementmischanlage gebaut, eine Wasserversorgungsanlage und eine Feldbahn verlegt; dafür konnten US-Pioniere Teile einer 1944 von der Luftwaffe verlegten Feldbahn verwenden; die hatte für den geplanten Einsatz der ersten Düsenjäger mit der Betonierung der Startbahn begonnen. Die Alliierten hatten jedoch dieses Vorhaben durch massives Bombardement des Flughafens unterbunden. Bis August 1945 waren eine Start- und Landebahn, umlaufende Fahrwege und 22 befestigte Flugzeug-Standplätze fertiggestellt, eine Abwasserleitung nach Kelsterbach war verlegt, zwei hölzerne Hangare sowie ein hölzerner Kontrollturm im Bau, der Rest des Flughafens war Grasfläche und Schafweide. Im September 1945 war die Reparatur von Flugfeld „Y-73 Rhein-Main“ 1 - wie die US-Army den Flughafen zunächst nannte - offiziell beendet. Das Gütergleis blieb natürlich in Betrieb, denn auch die US-Army benötigte Flugbenzin, Kohle und Baumaterial für den Auf- und Ausbau.


    Sofort nach dem Ende der Reparaturen erging der Ausbaubefehl. Nicht nur der militärische Flugverkehr, sondern auch die Wiederaufnahme des zivilen Flugverkehrs im Mai 1946 erforderte die fortgesetzte Erweiterung der Kapazitäten an Abstellflächen und Abfertigungsgebäuden; man könnte sagen: ab 1946 war Flughafenausbau, praktisch ununterbrochen bis heute.


    Am 24.6.1946 schloss die Philipp Holzmann AG mit dem Land Hessen, der Stadt Frankfurt, der Flughafengesellschaft und den US-Militärbehörden einen Generalunternehmervertrag für den Ausbau des Rhein-Main Airfield. Zentrales Element dieses Ausbauplanes war der Umbau des Airfields zu einer Airbase im Süden des Flughafengeländes, um den militärischen vom zivilen Bereich zu trennen (1950 endete formell die militärische Nutzung des Nordbereichs). Die Holzmann AG wurde mit dem Bau aller Wohn- und Betriebsanlagen, d.h. mit allen Erd-, Maurer-, Beton- und Ausbauarbeiten auf dem südlichen Bereich des Rhein-Main-Flughafens betraut. Nachstehender Plan war Anhang des Generalunternehmervertrages und zeigt den geplanten Ausbau.


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    Grafik: Holzmann-Bildarchiv, Berlin-Brandenburgisches Wirtschaftsarchiv U5_3_0452_00004B


    Wie schon seinerzeit die Fa. Seibert Stahlbau benötige Holzmann für dieses Bauprogramm den Gleisanschluss zur Anlieferung des Baumaterials. Die Gleisanlage wurde entsprechend umgebaut. Der colorierte Auszug zeigt den Verlauf der umgebauten Gleisanlage.


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    Grafik: Holzmann-Bildarchiv, Berlin-Brandenburgisches Wirtschaftsarchiv U5_3_0452_00004B, Auszug coloriert


    Eine Karte des US-Army Corps of Engeneers zeigt den Ausbaustand des Flughafens und der Airbase im August 1946. Die rot angelegte Fläche war eine „Weideverbotszone“ („No Sheep-Pasture“); im Übrigen entspricht die Karte im Wesentlichen der Holzmann-Karte, im Süden zu sehen das Gleis ins Zentrum der Airbase sowie noch einige Feldbahngleise im Westen.


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    Karte: Fieldmap des Corps of Engineers, August 1946, FRAPORT-Archiv, Gleise coloriert


    Kurz darauf wurde eine zweite Start- und Landebahn im Norden projektiert:


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    Karte: Navigation and Field Lightning Plan des. 831 Engineer Aviation Batallion vom 29.1.1947, FRAPORT-Archiv


    Die Betreibergesellschaft des Flughafens (am 2.7.1947 in „VAG - Verkehrsaktiengesellschaft Rhein-Main AG“ umbenannt, ursprünglich Südwestdeutsche Luftverkehrs AG, 1934 in Südwestdeutsche Flugbetriebs AG Rhein-Main geändert) legte 1948 einen neuen Generalausbauplan vor, der auch den zivilen Bereich umfasste und eine erhebliche Erweiterung der Bahnanlagen vorsah. Dieser Ausbauplan war eine Neuentwicklung, denn wegen der Airbase konnte der Generalausbauplan von 1940/1943 nicht fortgeschrieben werden.


    Anhang des Ausbauplans war eine Karte vom November 1947, die im Norden das „Projekt Bauzone Nord“ zeigt. Zwei kleine schraffierte Flächen am nördlichen Rand der Flughafengebäude werden als Betriebsstofflager bezeichnet. Dort sollte ein neues Treibstofflager entstehen, manchmal auch Ölhof genannt, der über ein neues Gütergleis angedient werden sollte. Auf diesem Plan zweigte ein neue rd. 4 km lange Güterstrecke von den Gleisen in der Airbase ab und führte neben einem Feldweg westlich um das Flugfeld herum bis zum Ölhof; dort sollten die schon auf dem Luftschiffhafen tätig gewesenen Mineralölfirmen Tanklager errichten; im Airbase-Bereich scheint der im Holzmann-Plan zu sehende Gleisverlauf nicht umgesetzt worden zu sein, stattdessen zeigt der Plan wesentlich erweiterte Gleisanlagen, die nicht in den bebauten Bereich hinein, sondern in weitem Bogen westlich um ihn herumführen; im Süden sind weitere Gleise eingezeichnet sowie ebenfalls ein neues Betriebsstofflager direkt neben einem Ladegleis.


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    Karte: VAG-Ausbauplan Nov. 1947, Anhang zum Generalausbauplan 1948, FRAPORT-Archiv


    Bevor das Gütergleis in den Nordbereich gebaut wurde, führte die Berliner Luftbrücke noch zu einem Interims-Ausbau der Gleisanlagen. Kurz nach Beginn der Luftbrücke wurde die zweite befestigte Start- und Landebahn gebaut, die Nordbahn, heute Centerbahn. Das im VAG-Ausbauplan gezeigte Gleis wurde deshalb zunächst nicht zum Ölhof geführt, es bog stattdessen in Höhe der projektierten neuen Startbahn nach Osten und verlief im Abstand von ca. 200 m parallel zur Nordbahn, rd. 1.200 m lang, etwa 1.000 m davon zweigleisig. Darüber wurde das Material für die Nordbahn angeliefert und mittels einer Feldbahn auf der über zwei Kilometer langen Startbahn-Baustelle verteilt. Im Fraport-Archiv liegt ein Werbefilm der Baufirma, welche die Nordbahn gebaut hat, der u.a. die Umladung des Baumaterials von Güterzügen auf die Feldbahn zeigt. Wir können annehmen, dass dieses Gleis kurz nach Beginn der Berliner Luftbrücke verlegt worden ist, d.h. im Sommer 1948.


    [1] andere Flugfelder in der Nähe waren Eschborn (Y 74), Frankfurt Rebstock (Y 75) und DA-Griesheim (Y 76)




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  • AirRailCargo (Teil 3)


    Eine Field-Map aus der Luftbrücken-Zeit zeigt das Gütergleis neben der Nordbahn, aber noch nicht die Strecke zum Ölhof im zivilen Teil des Geländes.


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    Karte: VAG „Rhein-Main Aerodrome Frankfurt/M Field Map“, 1949, FRAPORT-Archiv


    Zu Zeiten der Berliner Luftbrücke sind nicht nur Flugbenzin und Versorgungsgüter für die Airbase, sondern auch der größte Teil der für Berlin bestimmten Luftfracht über den Bahnanschluss zum Flughafen gelangt. Es ist bekannt, dass vom Frankfurter Osthafen vor allem Kohle in großen Mengen zum Flughafen gebracht wurde, aber auch Getreide; Kohle hatte von der Tonnage her den größten Anteil am Transportgut der Luftbrücke (rd. 68%). Im Osthafen wurde sie nach der Entladung von Binnenschiffen in Säcke umgefüllt, in Güterzüge verladen und zur Airbase gebracht. Dort wurde die Fracht auf LKW umgeladen und von deren Ladeflächen in die Flugzeuge bugsiert. Ausschnitte dieser Lieferkette gibt es in Filmschnipseln in Archiven oder auf Youtube zu sehen (z.B. bei critical past und shutterstock).


    Für den durch die Luftbrücke ausgelösten Transportbedarf erwiesen sich die Gleisanlagen im Bf. Walldorf als völlig unzureichend. Kurz nach Beginn des Airlifts im Juni 1948 haben US-Pioniere den Gleisanschluss zum Flughafen durchgehend 2-gleisig ausgebaut. Außerdem erhielt der Bf. Walldorf zusätzliche Rangier-, Umfahrungs- und Abstellgleise. Es wurden die Gleise 14-17 und 21-23 sowie das Stellwerk „Wf“ gebaut. Nachstehender Spurplan der Deutschen Bundesbahn vom 19.9.1949 zeigt den damaligen Umfang der Gleisanlagen mit dem Gleis neben der Nordbahn (die selbst nicht dargestellt wird).


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    Karte: Deutsche Bundesbahn, Spurplan Bf. Walldorf vom 19.9.1949, Hess. Staatsarchiv Darmstadt, Bestand P11, Sig. 23562


    Nach Ende der Luftbrücke wurde das Parallelgleis neben der Nordbahn außer Betrieb genommen. Der Gleisabschnitt etwa von der Kelsterbacher Straße bis zum Prellbock wurde verlegt und zum neuen Ölhof geführt, den Auftrag dafür hat die VAG Anfang August 1950 erteilt, kurz nachdem die militärische Nutzung des Nordbereichs formell geendet hatte. Ein Foto von 1954, aufgenommen aus erhöhter Position, wahrscheinlich vom Kontrollturm, zeigt hinter dem damaligen Luftpostamt den Ölhof, erkennbar an den dort stehenden Kesselwagen. Belegt ist, dass die Mineralölfirmen 1954 etwa 240-250 Kesselwagen Treibstoff pro Jahr zum Flughafen lieferten, je nach Bauart der Waggons (2 oder 4 Achsen) entsprach das der Lieferung von 10-15 Mio Liter Treibstoff, Tendenz steigend; damals kaum vorstellbar, diese Menge anders als mit der Bahn anzuliefern. Ein Plan der Gleisanlagen von 1952 zeigt die Tankanlagen am Gleisende.


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    Grafik: Eisenbahnbetriebsamt Frankfurt 1952, FRAPORT-Archiv


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    Bild: FRAPORT-Archiv


    1955 präzisierte die VAG ihre Ausbaupläne in einem „Entwurf bis zum Jahre 1960“. Danach wäre das Gütergleis erhalten geblieben, es wäre nur weiter westlich geführt, etwas nach Norden bis an die Autobahn verschoben und bis zum Kapitän-Lehmann-Kreisel verlängert worden, auf den letzten Metern gar 2-gleisig. Dieser Entwurf präzisierte die Entwicklung in der „Bauzone Nord“ und zeigt schon Lage und Umrisse eines neuen Terminals und einer neuen Verkehrsführung. Der Ölhof war aber noch an Ort und Stelle, weshalb auch das Gütergleis eingezeichnet war. Bemerkenswert an diesem Plan ist im Süden des Flughafens, westlich der Airbase, eine „Neue Start- und Landebahnfläche III Süd“.


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    Karte: Anhang zum VAG-Ausbauplan 1955, FRAPORT-Archiv


    Trotz steigenden Bedarfs an Treibstoff schien der Güterbahnanschluss nicht unverzichtbar zu sein. Die Mitarbeiterzeitung der FAG („FAG-Nachrichten“) kündigte 1955 den Bau einer Unterflurbetankungsanlage an; eine schematische Zeichnung zeigt die Entladestation mit einem Kesselwaggon, ein weiterer Artikel von 1957 zeigt sie mit Tankwagenentladung. Im April 1959 berichtete die FAZ über die Inbetriebnahme dieser neuartigen Unterflurbetankungsanlage durch die Fa. ESSO, wozu auch ein unterirdisches Tanklager für 800.000 Liter Treibstoff gehörte; es lag südöstlich des Ölhofs, weitab der Gleise, im Vorfeld neben einer Rollbahn und wurde mit Tanklastwagen beschickt.


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    Grafik: FAG-Nachrichten 4/1955, S. 32 und 3/1957, S.26; FRAPORT-Archiv


    Der zivile Bereich des Flughafens dürfte spätestens 1959, nach Inbetriebnahme der Unterflurbetankungsanlage, vom Güterbahnanschluss getrennt worden sein. Nach Ausbau der Weiche 23 und Rückbau von 4.230 m Gleisen diente er fortan nur noch der Belieferung der US-Airbase im Süden. Danach war erst mal keine Rede mehr von einem Bahnanschluss des zivilen Flughafens.


    Im Februar 1964 begann der Bau eines neuen Großtanklagers. Etwa 500 m westlich des geplanten Terminals West (heute Terminal 1) wurden sechs oberirdische Tanks errichtet. Das neue Tanklager wurde durch eine Pipeline mit einer Entladestelle für Tankschiffe am Main verbunden. Der Ölhafen Kelsterbach entstand in der Schleusenkammer der ehemaligen Schleuse Kelsterbach (1934 ersetzt durch die Schleuse Eddersheim). Die Idee einer Pipelineverbindung zum Main war nicht neu, aber aus Kostengründen verworfen worden. 1954 hatte das Frankfurter Hafenamt die VAG gebeten, ihre diesbezüglichen Pläne rechtzeitig mitzuteilen, damit man eine Kaianlage in der Schwanheimer Gemarkung bauen könne. Nachstehende Karte zeigt den heutigen Verlauf der Pipeline.


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    Grafik: geoportal.frankfurt.de, mit Eintragung Pipeline lt. RegFNP


    Bis zur Pipeline-Anbindung und ohne Gleisanschluss, d.h. von 1959 bis 1964, musste der Treibstoffbedarf mit Tanklastwagen gedeckt werden, 1964 waren das bereits 30-35 Mio Liter/Monat. Dafür waren rund 1.500 LKW-Fahrten, also rd. 50 am Tag, vom Frankfurter Osthafen bzw. dem Offenbacher Ölhafen notwendig, schrieb die FAZ. Die Treibstoffversorgung per Pipeline ist natürlich viel einfacher als per Bahn oder LKW, dafür jedenfalls brauchte die VAG im zivilen Bereich keinen neuen Gleisanschluss.


    Die Airbase im Süden behielt ihren Gleisanschluss; in der Hochphase des Kalten Krieges sind zahlreiche Gebäude, Straßen, Anlagen, Einrichtungen neu gebaut worden, darunter auch ein Tanklager für die US-Airforce (der P.O.L. Yard – Petroleum, Oil, Lubricants), ein Schrottplatz (Salvage Yard) sowie Lagerhäuser und offene Lagerplätze (Open Storage), die per Bahn erreichbar waren.


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    Grafik: http://www.mil-airfields.de, abgerufen am 2.10.2024


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  • AirRailCargo (Teil 4)


    Die „TRAMO“


    Der Plan von 1952 zeigt alle privaten Gleisanlagen, die am Bf. Walldorf hingen. Das war nicht nur das Anschlussgleis des Flughafens (Airbase und VAG), sondern außerhalb des Flughafengeländes davon abzweigend noch die Gleisanschlüsse der Hoch-Tief AG und einer Firma TRAMO. Der Hoch-Tief-Lagerplatz mit Bahnanschluss war schon vor dem Flughafengleis vorhanden und hatte mit der Airbase nichts zu tun; aber wer oder was war TRAMO?


    Das erste Mal lesen wir von einer Firma „TRAMO – Eisenbahn-Anschlussbetriebs G.m.b.H“ im Zusammenhang mit dem Generalunternehmervertrag der Philipp Holzmann AG, sie hatte TRAMO als Subunternehmer für Gleisbau- und Transportaufgaben eingesetzt.


    Das Unternehmen war am 1.9.1945 in Bremen als Einzelgewerbe angemeldet worden. Inhaber war Karl Mohr, 1911 in Frankfurt geboren, wohnhaft in Frankfurt-Griesheim. Nach seinem Maschinenbau-Studium war er Ende der 30er Jahre bei der I.G.Farbenindustrie (wahrscheinlich bei Messer-Griesheim) angestellt und von seinem Arbeitgeber im Werk Buna-Monowitz im besetzten Polen eingesetzt worden, bekannt auch als KZ-Außenlager Auschwitz III. Im Juli 1943 wurde er dienstverpflichtet und von der Kriegsmarine in der Bauleitung der 1943 begonnenen U-Boot-Bunkerwerft „Valentin“ eingesetzt. Die Baustelle war über die Anschlussbahn Rekum (ehem. Marinebahn Farge-Schwanewede) an das Eisenbahnnetz angeschlossen; Karl Mohr war als Maschinen-Ingenieur mit Bau und Betrieb eines neuen Streckenabschnitts der Bahn zur Versorgung der Baustelle Valentin befasst. Nach der Kapitulation hatte zunächst die Bremer Baufirma R. Kögel, die am Bau des U-Boot-Bunkers beteiligt war, den Bahnbetrieb aufrechterhalten, nach seiner Demobilisierung war Mohr zunächst bei der Baufirma R. Kögel tätig bis er am 1.9.1945 eine Firma TRAMO als Gewerbe anmeldete und am 1.10.1945 den Bahnbetrieb von der Fa. Kögel übernahm – natürlich mit Billigung der Militärbehörden, für die er vom ersten Tag an tätig war. Über Bremen und Bremerhaven schifften die USA ihren gesamten Nachschub an Truppen, Militärgerät und Versorgungsgütern nach Deutschland ein, hatten also allergrößtes Interesse an einer funktionieren Eisenbahnlogistik.


    Die Abwicklung der Wehrmacht, also auch der Kriegsmarine und ihrer Baustelle „Valentin“ und der Marinebahn Farge, oblag ab Januar 1946 einem von der US-Militärregierung gegründeten Liquidation Office, das die Liegenschaften der Wehrmacht nebst allem Inventar einem Treuhänder zur Verwaltung und Verwertung übertrug (Property Control Branch). Die Militärregierung legte im Hinblick auf den NS-Raubzug gegen jüdisches Vermögen und die Verstrickung deutscher Firmen in das NS-System der Zwangsarbeit größte Aufmerksamkeit auf die Eigentumskontrolle, was auch die Kontrolle von Gewerbeanmeldungen und Unternehmensgründungen umfasste. Der Treuhänder hatte anscheinend anfangs Zweifel, ob die Beauftragung von TRAMO durch die US-Army mit rechten Dingen zuging. Die Zweifel gründeten vermutlich darin, dass Mohr für die I.G. Farbenindustrie in Buna-Monowitz gearbeitet hatte, wo KZ-Häftlinge Zwangsarbeit leisteten; dasselbe galt für den Bau des U-Bootbunkers „Valentin“.


    Das Ergebnis der politischen Überprüfung von Karl Mohr war, dass die US-Militärregierung, vertreten durch den Treuhänder der Property Control Branch des Liquidation Office mit der Fa. TRAMO, Inhaber Karl Mohr, einen Pachtvertrag über die Anschlussbahn Rekum schloss (Gleisanlagen vom Übergabebahnhof Farge-Ost bis Schwanewede mit allen Gleisanlagen, einem Betriebsbüro, Lokschuppenanlage, zwei Wohngebäude sowie zwei Dampfloks 1). Der Vertrag war auf ein Jahr geschlossen mit Verlängerung um jeweils ein Jahr. Die Pacht war umsatzabhängig, TRAMO oblagen umfängliche Instandhaltungspflichten, aber das Liquidation Office erstattete ihm 80% der Kosten für die schon damals sehr teuren Hauptuntersuchungen der Dampfloks. Karl Mohr war ein großes Wagnis eingegangen, aber es hat sich gelohnt.


    Die Geschäftsbeziehung zu den US-Militärbehörden führte offenbar zur Beauftragung im Rahmen des Ausbaus der Rhein-Main Airbase in Frankfurt. Mohr kehrte mitsamt seiner Firma Ende 1946 nach Frankfurt zurück und konnte seine Loks auf den Industriegleisen seines früheren Arbeitgebers Messer-Griesheim unterbringen. Den Abzweig vom Flughafen-Anschlussgleis ließ TRAMO 1946 mit Genehmigung der US-Militärbehörden für eigene Zwecke bauen. Eigens dafür konnte Karl Mohr ein Grundstück direkt neben dem Flughafen-Anschlussgleis zunächst pachten, später kaufen und darauf eine Reparaturwerkstatt für Kesselwagen und Abstellgleise für die TRAMO-Lokomotiven bauen. TRAMO dürfte weitere Lokomotiven beschafft haben, denn der Umfang der Transporte war mit den beiden gepachteten Loks aus Bremer Zeiten allein nicht zu bewältigen.


    Danach ging es für TRAMO wirtschaftlich bergauf, denn es folgten Rangier-Aufträge der US-Army in einem großen Nachschubdepot in Griesheim b. Darmstadt und Überführungsfahrten von dort über die Riedbahn nach Walldorf und zur Airbase. Die Luftbrücke und der steigende Treibstoffbedarf der Air Force werden für stetigen Umsatz gesorgt haben.


    Im Mai 1948 wandelt Mohr seine Firma in eine GmbH um. Das für die damalige Zeit recht hohe Stammkapital von 80.000 DM könnte ein Hinweis darauf sein, dass er die gepachteten Lokomotiven erwerben konnte und als Sacheinlage in die GmbH einbrachte. Gesellschafter und Geschäftsführer waren Karl Mohr und seine Ehefrau Ellie Mohr, der Firmensitz war in der Fabriciusstraße in Griesheim, wo die Familie Mohr auch wohnte. Als Geschäftszweck war angegeben „Transporte, Verkehrsaufgaben, Gleisbau und Bahnunterhaltung, Waggon- und Fahrzeugreparatur, Eisenbahn-Fachpersonalvorhaltung“ (das waren 1949 über 60 Personen).


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    Staatsarchiv Darmstadt, HStAD, H 2 Gross-Gerau, 3208, eigene Fotos, montiert


    Es ist anzunehmen, dass die TRAMO zusammen mit US-Pionieren 1948 auch an den Erweiterungen der Gleise im Bf. Walldorf beteiligt war und immer wieder Gleise auf der Airbase gebaut und repariert hat.

    Bis wann die Fa. TRAMO dort tätig war und Rangierfahrten zur Airbase erledigt hat, wissen wir nicht, sicher ist aber, dass noch 1958 ein Bauantrag für ein weiteres Werkstattgebäude in Walldorf gestellt und der Vertrag für den Gleisanschluss 1967 verlängert wurde. Zu dieser Zeit allerdings firmierte die Tramo nur noch als Bauunternehmen. Es könnte sein, dass TRAMO dem stark gestiegenen Umfang der Rangierfahrten wirtschaftlich nicht mehr gewachsen war. Die TRAMO GmbH ist 1990 aus dem Handelsregister gelöscht und das TRAMO-Gleis in Walldorf 1992 stillgelegt worden. Heute markiert nur noch ein rostiges Drahtgittertor die Stelle, wo das TRAMO-Gleis vom Flughafenanschluss abzweigte.




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    Abb.: eigenes Foto


    [1] für die Eisenbahnhistoriker: der Pachtvertrag vom 4.7.1946 beschreibt die beiden Lokomotiven als „Lok 5: Fabrikat Hohenzollern A.G., Düsseldorf, Gattung 33.14,34., Baujahr 1915; Lok 7: Fabrikat Friedrich Krupp, Essen, Gattung 44.15, Baujahr 1937.“


    (wird fortgesetzt)

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  • AirRailCargo (Teil 5)


    1960 – 1993


    Obwohl die FAG ihr Gütergleis zum Tanklager abgebaut hatte, war ein neuer Güterbahnanschluss 1966 Teil der Überlegungen für eine „Frachtstadt“, ein neues Luftfrachtzentrum. Das schnelle Wachstum des Frachtumschlages zwang zur Entwicklung eines neuen Luftfrachthofs. Ob das Projekt, wofür eine Kapazität von 4 Mio Tonnen Luftfracht pro Jahr 1 angedacht war, im Süden oder im Norden des Flughafenareals gebaut würde, war 1966 noch offen, auf jeden Fall aber sollte die „Frachtstadt“ einen eigenen Gleisanschluss erhalten. Geplant wurde schließlich in der Kelsterbacher Gemarkung, westlich des neuen Terminals, wir kennen den Bereich heute als Cargo City Nord und Lufthansa Cargo Center. Das Gütergleis sollte die Frachtstadt allerdings nicht wie früher von Süden her erreichen, sondern über einen neuen Bahnanschluss im Norden; das legt zumindest eine erste Planskizze für die neuen Frachtanlagen aus dem Jahr 1969 nahe, allerdings ohne weitere Details zum weiteren Verlauf nach Osten hin.


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    Grafik: FAG 1969, FRAPORT-Archiv


    Die Deutsche Bundesbahn hat bei Planung und Bau der Flughafen-S-Bahn (ab 1966) die Möglichkeit eines FAG-Gütergleises zur Frachtstadt berücksichtigt. Das entsprach dem „Verkehrspolitischen Programm für die Jahre 1968-1972“ (dem sog. „Leber-Plan“), das u.a. den Anschluss der großen deutschen Flughäfen an das Schienennetz für den Personen- und Güterverkehr vorsah und die Einrichtung neuer Industriegleisanschlüsse finanziell förderte. Nach der Ölkrise 1973 wurden die Pläne für das Luftfrachtzentrum Nord von der FAG zwar nicht aufgegeben, aber erheblich reduziert. Im Zuge der Halbierung der Kapazität auf 2 Mio Jahrestonnen Luftfracht ist auch das neue Gütergleis auf der Strecke geblieben. Zu dieser Zeit war die Flughafenbahn längst in Betrieb, aber etwa 600 m westlich des Regionalbahnhofs hat die Bundesbahn ihren Tunnel baulich so gestaltet, dass ein neues FAG-Gütergleis einmünden könnte.2


    Ein Blick auf die Landkarte zeigt, dass es dazu praktisch nicht mehr kommen dürfte, die bauliche Entwicklung seit den 70er Jahren hat darauf keine Rücksicht genommen, ganz abgesehen von eisenbahnbetrieblichen Gründen (Güterverkehr mit Dieselloks auf S-Bahngleisen durch Regionalbahnhof und Gateway Gardens zum Stadion?)




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    Grafik. Geoportal.frankfurt.de, Basiskarte web, eigene Colorierung; die schwarz-gelbe Schraffur markiert den Bereich, in dem ein Anschlussgleis Richtung „Frachtstadt“ gedacht gewesen sein könnte….


    Im Süden des Flughafens wuchs die Rhein-Main Airbase in den 60er Jahren zum größten Stützpunkt der US-Airforce außerhalb der USA. Mit der Zunahme des militärischen Flugverkehrs und der Zahl der dort dauerhaft stationierten Militärmaschinen wuchs natürlich der Treibstoffbedarf. Bis zum Anschluss der Airbase an das NATO-Pipeline System Central Europe Pipeline System (CEPS) ist über den Gleisanschluss neben Versorgungsgütern aller Art vor allem Kerosin angeliefert worden, für die laufende Betankung der Flugzeuge aber auch für die Beladung der ab Mitte der 50er Jahre auf der Airbase stationierten Tankflugzeuge für Luftbetankung. Anlässlich der Taufe eines Tankflugzeugs auf den Namen „Frankfurt“ im August 1972 erwähnte die FAZ, die Bundesbahn rangiere täglich mehr als 30 Kesselwagen mit Kerosin zur Airbase. Die Kesselwagen wurden in das stark erweiterte unterirdische Tanklager im Südwesten der Airbase entladen. Zwischen 1966 und 1968 wurde eine Treibstoffpipeline, die bis dahin linksrheinisch in der Pfalz endete, rechtsrheinisch nach Pfungstadt und Mainhausen verlängert. Es dauerte aber noch ein paar Jahre, bis von Pfungstadt eine Stichleitung zur Airbase verlegt wurde. Der Umfang der Bahntransporte dürfte danach stark zurückgegangen sein.


    Mit dem Rückgang der Kerosintransporte und der zunehmenden Verlagerung des Gütertransports auf die Straße verloren die Gleisanlagen auf der Airbase an Bedeutung. Ende der 70er Jahre und in den 80er Jahren begann der stückweise Rückbau von Gleisen; nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wurde die Rhein-Main-Airbase im Zuge einer strategischen Neuausrichtung der US-Streitkräfte in Europa stark verkleinert und schließlich geschlossen.


    1993 – 2024


    Im Dezember 1993 formulierten die US-Luftwaffe, die Bundesregierung, das Land Hessen und die Flughafen Frankfurt/Main AG (FAG) in einem Memorandum of Understanding (MoU) die Absicht, die militärische Nutzung der Rhein-Main-Airbase zu reduzieren und die Flächen schrittweise in den zivilen Betrieb des Flughafens zu integrieren. Es war die Vorstufe zum "Rhein-Main Transition Agreement" zwischen den USA und der Bundesrepublik Deutschland vom 9.12.1999, das die konkreten Details der Übergabe regelte.


    Die folgende Karte zeigt die Airbase vor der Rückgabe von Teilflächen an die FAG.


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    Grafik: Plan der Airbase von 1994, https://www.gg-online.de/fotos…n/fotos_air_base/Scan.jpg, abgerufen am 22.11.2024


    1995 begann die schrittweise Verkleinerung der Airbase und die Rückgabe von Teilflächen an die FAG; endgültig geschlossen wurde die Rhein-Main-Airbase am 30.12.2005.


    Nach der Unterzeichnung des MoU machte sich die FAG unverzüglich an Planung und Bau der Cargo City Süd (CCS). Ob und ggf. welche Rolle der Bahnanschluss für die Luftfrachtlogistik in der CCS künftig spielen würde, war zunächst offen.


    1996 gab es vielversprechende Zeichen für die zivile Nutzung der bis dahin ausschließlich militärisch genutzten Bahnanlagen, Stichwort Trimodaler Cargohub (Luft-Straße-Bahn).


    Im Oktober 1996 startete die Deutsche Bahn unter dem Namen Cargosprinter ein neues Güterverkehrskonzept. Der Cargosprinter war ein innovativer Güterzug, der speziell für den schnellen Transport von Gütern auf der Schiene entwickelt wurde und als Alternative zum Lkw-Verkehr gedacht war. Mit seiner Einführung wollte die Deutsche Bahn flexiblere und effizientere Transportmöglichkeiten im Schienengüterverkehr bis 400 km Entfernung anbieten.


    Ein vollständiger Cargosprinter-Zug bestand aus fünf Einheiten: drei Mittelwagen und zwei Trieb- und Steuerwagen an den Zugenden, Gesamtlänge rd. 90 m; zwei solcher Züge konnten zu einem 180-m-Verband gekuppelt werden. Die dieselgetrieben Trieb- und Steuerwagen erinnerten an einen LKW auf Schienen, die Mittelwagen waren nicht angetrieben und wurden zwischen die Triebwagen eingereiht. Ein 90-m-Cargosprinter-Zug konnte bis zu 12 Standardcontainer laden. Die Cargosprinter-Züge kamen ohne Lokomotiven aus und konnten deshalb unkompliziert die Fahrtrichtung wechseln, waren also besonders gut für einfache Privatanschlussgleise wie am Frankfurter Flughafen geeignet. Die Bahn beschaffte sieben Prototypen.


    Die in der CCS ansässigen Speditionen Birkart und Hellmann nahmen am Cargosprinter-Versuch der Deutschen Bahn teil und organisierten ab Ende 1997 einen sog. Nachtsprung von der CCS nach Hamburg bzw. Osnabrück.


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    Bilder: Fraport-Archiv


    Ein Containerterminal oder eine Cargo-Halle mit Bahnschluss auf dem Rhein-Main-Flughafen, wie es sie etwa am Flughafen Halle/Leipzig gibt, ist jedoch über das Stadium der Idee, die es zu dieser Zeit durchaus gab, nicht hinausgekommen. Die Bahn entschied sich gegen das Cargosprinter-Konzept und sah die Zukunft ihres Güterfernverkehrs in sehr langen, Lok-bespannten Zügen. Die Prototypen sollen auch unausgereift, technisch unzuverlässig und letztlich auch nicht wirtschaftlich gewesen sein. Anfang 2000 wurden alle sieben Einheiten außer Dienst gestellt. Danach begann FRAPORT mit dem Rückbau der Gleisanlagen, wo immer sie dem Ausbau der CCS im Wege waren.


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    Luftbild: geoportal.frankfurt.de, Luftbild 2004, Gleise mit eigenen Markierungen gelb und rot (CargoSprinter)


    [1] Heute werden auf Rhein-Main 1,9 Mio Luftfracht umgeschlagen, vor der Corona-Pandemie waren es etwas über 2 Mio Tonnen

    [2] Auf diesem Video kann man bei reduziertem Abspieltempo kurz nach der Ausfahrt aus dem Regionalbahnhof bei Minute 44:40 und Streckenkilometer 12,2 auf der linken Seite das Zurückweichen der Tunnelwand und statt der Wand ein Geländer sowie die Aufweitung des Tunnels erkennen


    (wird fortgesetzt)

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  • AirRailCargo (Teil 6)


    Ein ähnliches Schicksal wie dem Cargosprinter war dem Projekt AirCargoExpress beschieden. 2007 stellte die Deutsche Bahn den Prototyp eines speziell für den Transport von Flugzeugcontainern und -paletten umgebauten Reisezugwagens vor. Die Besonderheit war, dass der Waggon mit demselben Ladesystem ausgestattet war wie die Laderäume der Flugzeuge, so dass die Container und Paletten einfach verladen werden konnten.


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    Grafik: Deutsche Bahn AG, 11/2007


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    Foto: Svetlana Linberg, mit Genehmigung, http://www.bahndienstwagen-online.de


    Im Oktober 2008 war der Prototyp in der CCS zu Gast. Die ansässigen Logistikfirmen haben ihn intensiv getestet, ihre Be- und Entladeprozeduren erprobt, und für tauglich befunden. Fraport, der Flughafen/ Halle/Leipzig, Lufthansa Cargo und andere waren sehr interessiert. DHL wollte einen Pendelverkehr zwischen Frankfurt und Halle/Leipzig einrichten. Die Züge sollten hier und dort jeweils um 22.00 Uhr starten und bis 4:00 Uhr morgens am Ziel ankommen. DHL indessen hat sich zurückgezogen, der AirCargoExpress ist nicht regulär eingesetzt worden, mehr als dieser eine Prototyp des Fahrzeugs ist nicht gebaut worden.


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    Foto: Dirk Zimmermann, mit Genehmigung


    2008 begann das von der Bundesregierung geförderte Forschungsprojekt »AirCargo RailCenter« des Projektzentrums Flughafen des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik, die Voraussetzungen zu erforschen, unter denen eine Verlagerung von Luftfrachtverkehren vom LKW auf die Schiene möglich wäre. Es wurden die Luftfracht- und Schienenverkehre analysiert, das Frachtaufkommen ermittelt und bewertet und ein Schienengüterverkehrskonzept erarbeitet. Die 2011 veröffentlichte Studie ergab, dass nur mit einer innovativen Umschlagtechnik für komplette Lkw-Trailer die Verlagerung nachhaltig und wirtschaftlich gelingen könnte. Die Luftfrachtmenge allein würde für eine wirtschaftliche Verlagerung des An- und Abtransports zum und vom Flughafen vom Lkw auf die Schiene nicht ausreichen. Nur mit zusätzlicher Fracht aus landseitigen Güterverkehren bestünde zusammen mit der Luftfrachtmenge ein mögliches Verlagerungspotenzial. Die bis dahin eingesetzten Lkw-Trailer waren aber überwiegend nicht kranbar und damit nicht im kombinierten Verkehr auf Bahnwagen verladbar. Es ist bei der Studie geblieben, ohne praktische Konsequenzen. Da FRAPORT das Angebot des Luftfrachttransports per Bahn am Markt nicht etablieren konnte, wurde das AirCargo RailCenter nicht weiterverfolgt.


    2009 hat FRAPORT den Gleisanschluss in seinen heutigen Zustand versetzt: zwei parallele Stumpfgleise von nur noch etwa 300 m Länge in befestigten Flächen, die zwischen und neben den Gleisen von LKW befahrbar sind; diese Länge reicht für Güterzüge mit bis zu 24 Standardcontainern. Das Gleis, auf dem die CargoSprinter beladen worden waren, war bereits 2003/2004 ausgebaut worden.


    FRAPORT verfügt über keine eigenen Bahnfahrzeuge mehr. Anfangs gab es noch einen 2-Wege-Unimog, mit dem einzelne Waggons rangiert und zum Bf. Walldorf überführt werden konnten, er wurde 2018 außer Dienst gestellt und nicht ersetzt.


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    Foto: Alexander Heinrich, FRAPORT


    FRAPORT hat nach 2008 verstärkt versucht, seine Gleisinfrastruktur zu vermarkten. Zwar hat es immer mal wieder Benutzungen für Baustellen in der Umgebung gegeben, aber letztlich werden die Gleise nur noch für den Transport von Gütern und Baumaterial für den Flughafenausbau genutzt, zum Beispiel:


    - 2010/11 wurden von der Fa. Max Bögl große Betonträger für die Rollbrücken zur Landebahn Nordwest über die CCS per Bahn angeliefert;


    - Im September 2011 ließ der Übertragungsnetzbetreiber Amprion per Bahn einen 300 Tonnen schweren Transformator zur CCS liefern, von wo er zur Umspannanlage Kelsterbach direkt neben der Landebahn Nordwest gebracht wurde;


    - für den Bau von Terminal 3 sind Sand und Kies aus Mitteldeutschland in großer Menge per Bahn gekommen;


    - 2020-2022 ließ die Firma Goldbeck Hunderte von Spezialpaletten mit vorfabrizierte Stahlbauteilen und Fertigdecken anliefern, aus denen das „Goldbeck-Parkhaus“ am T3 zusammengesetzt wurde;


    - 2019-2022 wurden die Betontübbinge für den U-Bahnbau im Europaviertel in die CCS geliefert. Jeder Tübbing besteht aus sechs Segmenten, die vor Ort maschinell zu einem Ring von rd. 7 m Durchmesser zusammengefügt wurden. Ungefähr 1.400 Tübbinge, mithin über 8.300 Betonsegmente wurden vom Hersteller im Emsland zur CCS geliefert, insgesamt 19 werkseigene Güterzüge mit Tübbingen wurden in der CCS entladen;


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    Abb.: eigene Fotos


    - regelmäßig lässt FRAPORT Enteisungsflüssigkeit in Spezialcontainern zur CCS liefern;


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    Fotos: FRAPORT-Fototeam


    Ausblick


    Ob der Gleisanschluss eine Zukunft hat, ist derzeit ungewiss. Nach allem, was wir heute über den geplanten S-Bahnanschluss am Terminal 3 wissen, könnte dessen Ein- und Ausfädelung in die Riedbahn am Bf. Walldorf in Konflikt mit dem Gütergleis geraten. Um wieder in die Riedbahn einzufädeln, muss die S-Bahn das Anschlussgleis nördlich des Bf. Walldorf kreuzen; ob das angesichts der Zugfrequenzen zum T3 und auf der Riedbahn höhengleich funktionieren kann, ob es eine kostenträchtige niveaufreie Lösung braucht, kurzum: ob der Güterbahnanschluss sein „Hundertjähriges“ erlebt, ist derzeit offen. Es wäre ein Treppenwitz der Geschichte, wenn ausgerechnet der Bahnanschluss für das Terminal 3 das Ende des Gütergleises bewirken würde. FRAPORT selbst hält am Anschlussgleis und seinem Angebot an die Logistikbranche fest, vielleicht doch eines Tages noch Luftfracht auf die Bahn zu verladen.


    Danksagung


    Ganz besonders danke ich dem FRAPORT-Archiv, das mich bei den Recherchen für diesen Beitrag mit Rat und Tat unterstützt hat sowie den Mitarbeitern der „Bahnabteilung“ von FRAPORT, deren Bilder ich verwenden darf.

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