Halle (Saale) - Giebichenstein: Burg, Hochschule und Stadtviertel

  • Giebichenstein ist ein Hallenser Stadtteil, der nach einer tausend Jahre alten Burg am Fluss Saale benannt ist. Während die Oberburg bereits seit dem 16. Jahrhundert verfällt und mit Ausnahme des Torturms ein (durchaus sehr romantisches) ruinöses Bild bietet, wird die 1445 bis 1464 errichtete Unterburg seit 1922 für eine Hochschule genutzt. Hier ein Satellitenbild.


    Die Oberburg:


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    Quelle: Catatine https://commons.wikimedia.org/…rgGiebichenstein_Elfe.JPG


    Ein Teil der Unterburg:


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    Quelle: Jonathan Wilkins https://commons.wikimedia.org/…o-en.hlipp.de_-_13507.jpg


    Hier ein Teil des Campus der Kunsthochschule, mittig am Horizont das Giebichenstein-Gymnasium von Architekt Carl Rehorst (1901):


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    Quelle: Dguendel https://commons.wikimedia.org/…%C3%BCntzer-Gymnasium.jpg


    Die „Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle“ wurde ursprünglich als städtische Gewerbeschule gegründet, bis 1915 mit Amtsantritt des Architekten Paul Thiersch der Grundstein für eine der heute größten und bedeutendsten Kunsthochschulen Deutschlands gelegt wurde. Man verstand sich als Konkurrent zum Bauhaus. Der Machtantritt der Nazis war auch für das damals sehr avantgardistische Halle ein herber Einschnitt, die Schule blieb jedoch bestehen.


    Zur Identität der „Burg“, wie sie liebevoll genannt wird, gehört bis heute, dass „individuelle Kunstproduktion und funktionalistische Modellentwicklung gleichermaßen betrieben“ werden. In zahlreichen Werkstätten wird die kunsthandwerkliche Ausbildung gepflegt. Einen Einblick gibt ein schön gemachtes Imagevideo.


    Dies bedingt jedoch, bei 39 Werkstätten und 20 Studiengängen, dass neben der Unterburg seit 1975 das Gelände Neuwerk 7 für den heute so genannten „Campus Design“ genutzt wird (Stadtteil südliche Innenstadt).


    rot umrandet: Stadtteil Giebichenstein

    A (nördlich): Campus Unterburg

    B (südlich): Campus Design

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    Quelle: Stadt Halle, Markierung durch mich, Link: Stadtteile: Halle (Saale) - Händelstadt


    Weitere Standorte sind die Kurvenburg und angemietete Gebäude in der Hermesstraße.


    Besonders letztere möchte die Hochschule aufgeben. Die Hermes-Gebäude sind der größte von vier im Stadtgebiet verstreuten Standorten, die für die Bildende Kunst genutzt werden. 1997 schloss man Mietverträge, die als Provisorium gedacht waren. Diese laufen in Bälde aus. Mit dem geplanten Neubau beschäftigt sich der nächste Beitrag.

  • Um endlich angemessene Räumlichkeiten für Ateliers, Galerie und Mensa zu schaffen, wurde 2020, nach 20 Jahren Diskussion, ein Wettbewerb ausgelobt, an dem sich über 200 Architekturbüros beteiligten. 77 davon kamen in die erste und 22 in die zweite Runde.


    Platz 1 mit 50.000 Euro Preisgeld geht an die gemeinsame Arbeit von Burger Rudacs Architekten aus München mit Wamsler Rohloff Wirzmüller FreiRaum Architekten aus Regensburg.


    Im Modellfoto vorn links die Burg, der Neubau mittig:


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    Platz 2 mit 30.000 Euro bekommen “gernot schulz : architektur” sowie “urbanegestalt” aus Köln:


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    Den 3. Preis mit jeweils 12.500 Euro bekommen die gemeinsamen Arbeiten von Schulz und Schulz Architekten aus Leipzig und POLA Landschaftsarchitekten aus Berlin:


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    sowie gmp Architekten aus Berlin mit einenkel landschaftsarchitektur Leipzig:


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    Eine Anerkennung mit 5.000 Euro erhalten Staab Architekten sowie Levin Monsigny Landschaftsarchitekten aus Berlin


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    Jurybegründung:

    https://www.german-architects.…-giebichenstein-fur-halle


    Bildquellen und weitere Fotos:

    https://www.wettbewerbe-aktuel…e-halle-142700#resultInfo


    Ich finde, dass allen prämierten Entwürfen das Lyrische fehlt. Die Nutzung als Ateliers und die Umgebung des romantischen Stadtviertels hätten das meines Erachtens eingefordert. Es sind die ganz typischen, austauschbaren Wettbewerbsgewinner, die überall und nirgendwo stehen können.


    2015, zur symbolischen Grundsteinlegung, plante man mit 13 Millionen Euro Baukosten. Daraus wurden erst 23, dann 31 Millionen. Als auch diese Summe auf 47,3 Millionen stieg, zogen Finanzministerium und des Landesbaubetrieb (BLSA) die Notbremse.


    Nach einigem politischen Gezerre hat man sich im Juni auf 40 Millionen Euro geeinigt, 4 Mio. bezahlt die Hochschule, 36 Mio. stammen aus dem Landeshaushalt. Statt Mensa gibt es eine Cafeteria, auf einen Keller wird verzichtet. Dafür wird am Wettbewerbssieger festgehalten. Wann allerdings die Bauarbeiten starten sollen, hat der Finanzausschuss natürlich nicht entschieden.


    Ich finde, die Baukosten erscheinen im heutigen Preisgefüge gar nicht so viel und Sachsen-Anhalt wirkt recht arm, wenn so heftig darum gerungen wird. Andererseits ist der Entwurf so karg, dass ich mich wundere, dass dessen Bau dann doch so viel kostet. Mir gefällt er jedenfalls nicht. Ich hoffe, die Studierenden peppen das Gebäude und sein Umfeld dann noch künstlerisch auf. Für die Hochschule, die wirklich hervorragend ist, freue ich mich trotzdem, wenn es endlich neue Arbeitsräume gibt.


    Ergänzend noch einige eigene Fotos vom Bauplatz:


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    unmittelbares Umfeld:


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  • Ich sehe da auch nicht einmal den Hauch eines Bezugs zur Umgebung. Das ist aber offensichtlich auch fast nie ein Kriterium bei solchen Wettbewerben, obwohl es das gerade in solchen Fällen zwingend sein müsste. Stattdessen geht es neben wirtschaftlichen Aspekten wohl eher um möglichst starke Kontraste. Bei 200 Entwürfen kann mir keiner erzählen dass da nichts Passenderes dabei gewesen ist, als diese wirklich schlechten Siegerentwürfe. Es macht mich einfach nur wütend und sprachlos, wie wenig Sinn für Ästhetik und Baukultur in diesen Kreisen vorhanden ist und wie massiv offenbar die Geringschätzung des historischen Erbes. Auch finde ich es frappierend, wie gleichmäßig und erwartbar schlecht und unpassend solche Wettbewerbsentscheidungen landauf landab ausfallen, egal ob Ost oder West.

  • Das der Architekten des Siegerentwurfs keinen Bezug auf die Umgebung nehmen, sieht man schon an der Darstellung. Da ist die Umgebung regelrecht ausgeblendet, dass man nur den Baukörper ins rechte Licht rückt. Auch das 3D Modell ist so einfach gehalten, wobei man auch da sieht, dass die Kleinteiligkeit der Umgebung gar nicht mit einbezogen wurde. Kriterium der Jury war wohl der Bezug auf Ziegelfassade, damit hat man doch das Umfeld genug gewürdigt. Vielleicht hat man sich auch an den Hallen des historische Straßenbahndepots und am weißen Haus der Burg Giebichenstein orientiert. Da gibt es auch keine Kleinteiligkeit. Aber die sind auch nicht in so prominenter Stelle an der Straße sondern eher im Hintergrund. Da hier schon ein Wettbewerb stattgefunden hat, kommt das Gebäude sicherlich auch nicht noch in Gestaltungsbeirat der Stadt. Eigentlich kann man nur hoffen, dass die Umsetzung sich wieder solange hinzieht, dass dann wieder kein Geld da ist.

  • Ich hätte mit dem Entwurf von Staab/Levin Monsigny, der leider nur mit einer Anerkennung prämiert wurde, noch am besten meinen Frieden schließen können. Deren Vorschlag ist deutlich kleinteiliger, abwechslungsreicher und einladender. Der Vorplatz, der, aus Richtung Burg kommend, den Blick auf die Bartholomäuskirche freigibt und die begehbare Terrasse, die durch den Sockel gebildet wird, sind schöne Ideen.


    Der Vergleich mit dem Siegerentwurf ist heftig und lässt dessen riesige Ziegelwände umso abweisender und erschlagender wirken, wie Brandwände.


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    Der auskragende Gebäudeteil zur Straßenfront hin ist zur Nordseite orientiert (im Bild links) und wird tatsächlich den Freiraum davor so verschatten wie dargestellt. Dass die Treppen der Straße abgewandt sind und zur Hauptfassade nur die Nische unter dem Treppenlauf präsentieren - als nicht bespielbare potenzielle Dreckecke - halte ich für richtig schlecht gemacht.


    Das kleine Schaufenster und die Glastüren werden den Eingangsbereich nicht retten können. Zumal direkt vor dem Schaufenster ein kleiner Teich angelegt werden soll, sodass man nicht einmal herantreten kann, um einen näheren Blick in die Galerie werfen zu können. Links davon sind Fahrradbügel vorgesehen. Die Jury nennt das einen "einladenden Vorplatz". Durch die Riegel, welche den eckigen Vorplatz bilden, werde die Krümmung der Seebener Straße "sensibel" aufgenommen.


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    Interessanterweise werden bei allen Preisträgern außer dem Sieger die übergroßen Glasflächen kritisiert, welche eine sinnvolle Nutzung der Galerie erschwerten.


    Beim Drittplatzierten Gerkan, Marg und Partner sind diese besonders störend, städtebaulich hätte der Entwurf aber seinen Reiz gehabt, wie auch die Jury einräumt. Über die "Unterschiedlichkeit und Angemessenheit" der "individuell und eigenständig interpretierten Baukörper" wurde hingegen "kontrovers diskutiert". Auch Fragen der Raumaufteilung und flexiblen Nutzung wurden kritisch gesehen.


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    Mir wäre die ausdrucksstarke und somit "kontroverse" Haltung zu Architektur sehr viel lieber gewesen als die "ruhige Gestaltung" des Siegers. Insbesondere die Innenräume hätte ich mit Spannung erwartet:


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    Zum Entwurf von Staab gibt es leider keine Erläuterung der Jury. Die städtebaulich ganz gelungene Einordnung im Vergleich zum Sieger kann man aber im Modell erkennen. Dem gebogenen Straßenverlauf wird jedoch nicht Rechnung getragen:


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    Nicht nur der Blick von der Burg zu St. Bartholomäi, sondern auch in der Gegenrichtung zur Grünfläche auf der anderen Straßenseite hätte seinen Reiz gehabt. Man erkennt hier auch, dass die Außenwände der Ateliers holzsichtig ausgeführt worden wären:


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    Bildquelle und weitere Bilder im PDF: Ergebnis: Ateliers und Werkstätten der Kunst der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle (wettbewerbe-aktuell.de)