60 Jahre Nordmainische S-Bahn

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    Grafik: DB NetzAG


    Am 28.3.2024 hat das Eisenbahnbundesamt die Pläne für den Bau der Nordmainischen S-Bahn von Frankfurt nach Hanau genehmigt, jedenfalls für den auf Frankfurter Stadtgebiet verlaufenden Streckenabschnitt, den Planfeststellungsabschnitt (PFA) 1. Der Planfeststellungsbeschluss für den komplexesten von drei Bauabschnitten ist ein wichtiger Meilenstein, der Anlass bietet, mal zurückzublicken. Die Anfänge liegen so lange zurück, dass man sie kaum konkret datieren kann.


    Als in Frankfurt Ende der 1950er Jahre die Diskussion über den Bau der U-Bahn begann, gab es keine Zusammenarbeit der Stadt Frankfurt mit der Deutschen Bundesbahn, die es noch Anfang 1961 ausdrücklich abgelehnt hatte, an der Lösung der innerstädtischen Verkehrsprobleme mitzuwirken. Das änderte sich erst nach dem Grundsatzbeschluss der Stadtverordnetenversamm¬lung zum U-Bahnbau vom 4.7.1961. 1962 wurde eine Grundsatzvereinbarung zwischen Stadt und Bahn getroffen, eine West-Ost-Verbindung durch die Innenstadt zu planen. Dieses, anfangs noch V-Bahn genannte, Vorhaben nahm rasch Gestalt an und führte schließlich zum Bau des City-Tunnels und des U-/S-Bahn-Gemeinschaftstunnels unter der Zeil. 1968 war Baubeginn für die S-Bahn Frankfurt (M).


    Die ersten Skizzen eines S-Bahn-Netzes im Rhein-Main-Gebiet aus den 1960er Jahre enthielten keinen nordmainischen Streckenast. An seiner Verwirklichung hatte die Deutsche Bundesbahn wegen des geringen Fahrgastaufkommens kein Interesse. Dabei blieb es bis auf Weiteres, obwohl Entwürfe aus den 1970er Jahren eine Tunnelverbindung von der Konstablerwache zum Ostbahnhof enthielten; sie wurde aber nur als Möglichkeit für eine spätere Baustufe mitgedacht, ohne bauliche oder betriebliche Details und ohne konkrete zeitliche Perspektive.


    Mit Beginn der Bauarbeiten im Hauptbahnhof hat die Bundesbahndirektion Frankfurt in loser Folge Informationsbroschüren über die „S-Bahn Frankfurt (M)“ herausgegeben. In der Ausgabe 1/68 ist über die Baupläne in der Frankfurter Innenstadt u.a. zu lesen:


    „Etwa 300 m hinter der Konstablerwache verlässt die S-Bahn die Gemeinschaftsstrecke und biegt nach Süden ab. Unmittelbar hinter der Abzweigung besteht die Möglichkeit, später eine Strecke in Richtung Ostbahnhof mit Anschluss an die Strecke nach Hanau anzuschließen“.


    Der skizzierte Streckenverlauf zeigt diese Anschlussmöglichkeit noch nicht. Eine erste Spur findet sich in der Ausgabe 3/70, in der ein schematischer Schnellbahnplan die Option der unterirdischen Verbindung von Zeil und Ostbahnhof zeigt. Der Begriff Nordmainische S-Bahn fällt aber bis dahin nicht.



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    Grafik: Deutsche Bundesbahn, 1970


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    Grafik: Deutsche Bundesbahn, 1970


    Die Pläne für den Weiterbau der S-Bahn von der Zeil über die Station Ostendstraße zum Main und weiter nach Sachsenhausen (2. Baustufe, 1. Bauabschnitt), hier speziell für den Abschnitt Langestraße – Hanauer Landstraße, Abzweig Friedberger Anlage, sind im März 1979 genehmigt worden. Ab 1979 wurde unter der Zeil, der Breiten Gasse, Langestraße und der Friedberger Anlage ein niveaufreies Verzweigungsbauwerk errichtet (Baulos 12), welches die oben zitierte Möglichkeit einer Strecke Richtung Ostbahnhof konkretisierte. Im Hinblick auf ein bevorstehendes privates Bauvorhaben, wofür 1982 die Baugenehmigung beantragt worden war, sind die Pläne für das Baulos 12 mit Beschluss vom 7.4.1982 um zwei Tunnelröhren vom Verzweigungsbauwerk bis zur Grünen Straße ergänzt und genehmigt worden. Die zwei weiteren Tunnelröhren führten unter einem rd. 8.000 m² großen Trümmergrundstück hindurch, auf dem lediglich noch ein Altbau (Friedberger Anlage 2) stand. Kurz nachdem die Bundesbahn die vier S-Bahn-Röhren im Rohbau fertiggestellt hatte, wurde oben drauf Mitte 1984/85 Jahre die Zoo-Passage gebaut.


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    Grafik: Stadtvermessungsamt Frankfurt, 1982


    Es dauerte bis in die Mitte der 1980 Jahre, dass der Begriff „Nordmainische S-Bahn“ in der öffentlichen Diskussion auftauchte, als Gegenbegriff zur „Südmainischen S-Bahn“, und zwar im Zusammenhang mit den städtischen Planungen für die Verlängerung der U-Bahnstrecke C vom Zoo über die Hanauer Landstraße nach Fechenheim (auch Streckenabschnitt C IV genannt).


    Im Februar 1981 hatte die Stadtverordnetenversammlung der Vorplanung des Stadtbahnbauamtes für die Stadtbahnstrecke C IV zugestimmt, die einen Tunnel vom Zoo über Ostbahnhof und Hanauer Landstraße zu einer Rampe östlich des Ratswegkreisels sowie die oberirdische Streckenführung in der Hanauer Landstraße nach Fechenheim vorsah. Im Juli 1982 beantragte das Stadtbahnbauamt das PFV für den 2,9 km langen Tunnel.


    In den Verhandlungen über die Bewilligung einer Förderung nach dem Gemeindeverkehrsfinanzieurngsgesetz (GVFG) verlangte das hessische Verkehrsministerium von der Stadt Frankfurt weitere Nachweise zu den städtebaulichen und gesamtverkehrlichen Auswirkungen von C IV. Erstmals gab die Stadt Frankfurt eine Nutzen-Kosten-Untersuchung (NKU) nach der „Anleitung für die Standardisierte Bewertung von Verkehrswegeinvestitionen des ÖPNV“ zur Überprüfung des Nutzens einer Stadtbahnstrecke in Auftrag. Der Gutachter hatte von der Stadt Frankfurt ursprünglich nur den Auftrag zur Untersuchung verschiedener Planungsfälle zur U-Bahn-Führung in der Hanauer Landstraße erhalten. Das war 1983.


    Stadt Frankfurt, Deutsche Bundesbahn, der Frankfurter Verkehrsverbund (FVV), das Land Hessen und der damalige Umlandverband Frankfurt bildeten einen begleitenden Arbeitskreis, der an der Erstellung der Untersuchung mitwirkte und Daten lieferte. Auf Initiative der Deutschen Bundesbahn und des Landes Hessen sollte – Stichwort: gesamtverkehrliche Auswirkungen – wegen der auf der Hand liegenden wechselseitigen Beeinflussung die Nordmainische S-Bahn in die Untersuchung einbezogen werden; wechselseitige Beeinflussung, weil U-Bahn und S-Bahn im Abstand von 200 m über mehrere Kilometer parallel zueinander verlaufen würden. Der Untersuchungsauftrag der NKU wurde auf 13 Planungsfälle (Varianten und Kombinationen) erweitert, darunter


    - S-Bahn auf Bundesbahntrasse,

    - S-Bahn in eigenem Tunnel unter der Hanauer Landstraße,

    - S-Bahn-Trasse neu zwischen Bundesbahn und Hanauer Landstraße im Bereich der Hafenbahn

    - U-Bahn Endpunkt Zoo

    - U-Bahn Endpunkt Ostbahnhof

    - U-Bahn Endpunkt Fechenheim bei Rampe am Osthafenplatz und

    - U-Bahn Endpunkt Fechenheim bei Rampe Ratswegkreisel


    Dass zu dieser Zeit von Nordmainischer S-Bahn die Rede war, hatte damit zu tun, dass die Südmainische S-Bahn (Konstablerwache – Ostendstraße – Südbahnhof bzw. Mühlberg) bereits im Bau oder in der Planfeststellung war und über die Anbindung von Oberrad und Offenbach kontrovers diskutiert wurde. Am 28.5.1983 war der U-/S-Bahn-Gemeinschaftstunnel zwischen Hauptwache und Konstablerwache in Betrieb genommen worden. Der Weiterbau Richtung Ostendstraße und Sachsenhausen war in vollem Gange.



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    Grafik: Deutsche Bundesbahn, 1983


    Es gehört zu den Prinzipien der Standardisierten Bewertung, dass grundsätzlich alle Planungsfälle mit einem Nutzen-Kosten-Indikator >1 förderwürdig sind. Die Ergebnisse der NKU zeigen an, welche Planungsfälle nicht realisiert werden, besagen aber nicht, dass nur der Planungsfall mit dem größten Nutzenindikator umgesetzt werden soll. Von den untersuchten Planungsfällen erzielten diejenigen die höchsten Nutzen-Kosten-Indikatoren, die den Bau der S-Bahn auf der Bundesbahntrasse beinhalteten. Diese Erkenntnis wurde zu einem Politikum, weil sie Zweifel am Nutzen eines U-Bahn-Tunnels unter der Hanauer Landstraße begründete. Das war 1985.


    Das focht allerdings den Magistrat nicht an, der mit seiner absoluten CDU-Mehrheit auf dem Bau der U-Bahn beharrte, mit oder ohne Nordmainischer S-Bahn, und damit die Fraktionen von SPD und den GRÜNEN gegen sich aufbrachte. Folgerichtig ließ er das eingefrorene PFV für C IV wieder aufnehmen, allerdings nur für die Baulose vom Zoo bis zum Ostbahnhof (Abschnitt C IVa). Tatsächlich wurde der entsprechende PFB im Juli 1987 erteilt, weil der Tunnelbau zum Ostbahnhof in keiner Form den Weiterbau zur Hanauer Landstraße präjudierte.


    Die Pläne zum Weiterbau unter der Hanauer Landstraße hatten schon im Frühjahr 1983 ausgelegen, weshalb – da keine Änderungen vorgesehen waren - die nochmalige Offenlage entfiel. Anfang Oktober 1986 fand der Erörterungstermin statt, der PFB wurde für April 1987 erwartet.


    Was dann folgte, lässt sich eigentlich nur damit erklären, dass in Wiesbaden die SPD mit absoluter Mehrheit regierte und die Landesregierung bildete und dass im Frühjahr 1987 Landtagswahlen anstanden. Diese Konstellation führte dazu, dass das Projekt Nordmainische S-Bahn parteipolitisch instrumentalisiert wurde, SPD und Grüne wollten zum Erhalt der Straßenbahn einen Kurswechsel beim Frankfurter U-Bahnbau erzwingen; wir erinnern uns, dass die CDU 1986 mit ihrem Vorhaben „schienenfreie Innenstadt“ als Vorstufe zur Abschaffung der Straßenbahn am (SPD-geführten) Regierungspräsidium in Darmstadt gescheitert war.


    Obwohl die Einwendungsfrist zur Planung der Stadtbahnstrecke C IV (Ostbahnhof – Fechenheim) längst abgelaufen war, erhob die SPD-regierte Stadt Maintal im Februar 1987 beim RP Darmstadt Einspruch gegen die Frankfurter Bauabsichten – ein Schalk, wer Böses dabei denkt. Die Initiative Maintals führte dazu, dass der Hessische Wirtschaftsminister Ulrich Steger (SPD) das Regierungspräsidium anwies (Behördenleiter war damals Hartmut Wierscher, SPD), den PFB für C IV nicht auszufertigen und bis zur eingehenden Prüfung der Maintaler Argumente zurückzustellen.


    Die Stadt Maintal hatte – munitioniert durch die Ergebnisse der NKU - vorgetragen, der Bau der Stadtbahnstrecke nach Fechenheim werde unweigerlich zur Folge haben, dass Bund und Land der Nordmainischen S-Bahn die Förderung versagen würden, zu Lasten der Pendler aus Maintal und dem Main-Kinzig-Kreis. Die Stadt Maintal forderte, den Ausbau der Stadtbahnstrecke so lange zurückzustellen, bis der Bau der Nordmainischen S-Bahn mit Bund, Land und Bundesbahn vertraglich abgesichert wäre.


    (wird forgesetzt)

  • Fortsetzung 60 Jahre Nordmainische S-Bahn


    In der öffentlichen Diskussion schien die Stadt gegen die Nordmainische S-Bahn eingestellt zu sein, um aus eigennützigen Gründen ihr U-Bahn-Vorhaben durchzusetzen. Tatsächlich aber verfolgte der Magistrat – entsprechend einem der in der NKU untersuchten Planfälle – zunächst beide Vorhaben. Er tat das aber nicht öffentlich, um die parallel geführten Verhandlungen zur Südmainischen S-Bahn vom Mühlberg nach Offenbach nicht zu stören. Der Magistrat wollte vermeiden, dass Nord- und Südmainische S-Bahn gegeneinander abgewogen würden und dass am Ende der Bau der Südmainischen S-Bahn über Offenbach nach Hanau verschleppt würde. Der Planungsverlauf dort war ohnehin zäh, weil die Trassenführung durch Oberrad und Offenbach kontrovers diskutiert wurde. Das war 1987.


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    Grafik: Stadtplanungsamt Frankfurt a.M., 1992


    Den vom Magistrat befürchteten Zusammenhang mit der Südmainischen S-Bahn hat die Bahn zu zerstreuen versucht, sie würde eine Realisierung der Nordmainischen S-Bahn wegen knapper Planungs- und Baukapazitäten ohnehin nicht vor der Jahrtausendwende ins Auge fassen. So blieb also die Stadt bei ihrem Ziel, die U-Bahnstrecke nach Fechenheim so schnell wie möglich in Betrieb nehmen zu wollen. Es gab dafür auch ein nachvollziehbares Motiv insofern, als der City-Leitplan von 1983 bekanntlich die Hanauer Landstraße als städtebauliche Entwicklungs- und Verdichtungsachse auswies.


    Dass aus beidem – Stadtbahn C IV und Nordmainischer S-Bahn – nichts wurde, war allerdings nicht das Ergebnis des SPD-induzierten Ränkespiels, davon ist nur der schale Beigeschmack von rotem Filz geblieben. Aus der Stadtbahnstrecke wurde nichts, weil das Bundesverkehrsministerium den dafür gestellten Förderantrag unter Verweis auf die Ergebnisse der NKU ablehnte. Der Bund stieg zugleich auch aus der Förderung der kleinen Streckenverlängerung vom Zoo zum Ostbahnhof aus (C IVa), um stattdessen die Nordmainische S-Bahn zu fördern (die kurze Strecke zum Ostbahnhof baute die Stadt etwas später in mehreren Abschnitten ohne Förderung von Bund und Land).


    Aus der Nordmainischen S-Bahn wurde aber auch erst mal nichts: nicht nur weil die Bahn keine Kapazitäten hatte und andere Prioritäten setzte, der Bundesverkehrsminister lehnte auch dafür die Förderung ab; und das obwohl die Stadt ihre Planungen für die Stadtbahnstrecke Anfang der 1990er einstellte; es war klar, dass die Nordmainische S-Bahn nur dann einen hinreichend großen Nutzenindikator erzielen würde, wenn auf den parallelen Stadtbahnbetrieb verzichtet werde. In der Fortschreibung des Generalverkehrsplans 1996 wurde C IV nicht mehr näher untersucht und schließlich mit Beschluss vom 15.12.2005 endgültig aus dem Gesamtverkehrsplan gestrichen.


    Die Regionalisierung des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) im Zuge der Bahnreform 1994 schien zu einer Wiederbelebung der Nordmainischen S-Bahn zu führen. Durch die Bahnreform wurden die Länder für den regionalen Eisenbahnverkehr zuständig und die Deutsche Bahn AG blieb es für den Fern- und den Güterverkehr. Das Land Hessen verlagerte durch sein ÖPNV-Gesetz viel verkehrspolitische Zuständigkeit auf die kommunale Ebene. Für den Regionalen Schienenpersonenverkehr wurden zwar die beiden hessischen Verkehrsverbünde RMV und NVV zuständig, deren Gesellschafter aber wiederum als kommunale Aufgabenträger die Landkreise und kreisfreien Städte sind; die ihnen im Zuge der Bahnreform zugefallene Mitwirkung bei der Planung des regionalen SPNV ergänzt ihre Zuständigkeiten in der Landesplanung (Raumordnung und Flächennutzung). Die Deutsche Bahn, namentlich die DB Netz AG konnte sich im Gegenzug aus dem regionalen Planungsgeschehen ein gutes Stück zurückziehen und sich stärker auf ihr Kerngeschäft konzentrieren, die Eisenbahninfrastruktur für den Fern- und Güterverkehr.


    Gleichwohl mutierte die Nordmainische S-Bahn zu einer jahrzehntelangen Hängepartie. 1997 ließ das Land Hessen erneut eine NKU erstellen und beantragte aufgrund des nachgewiesenen Nutzenindikators von 1,45 zum wiederholten Male die Aufnahme in das GVFG-Bundesprogramm, um kurz darauf von Bundesverkehrsminister Wissmann einen negativen Bescheid zu erhalten. Damit gleichwohl die Planungen kontinuierlich fortgesetzt werden könnten, zahlte das Land Hessen der Deutschen Bahn einen weiteren Planungskostenzuschuss von 3,1 Mio DM. Das war 1998.


    1996 stellte die Deutsche Bahn die Machbarkeitsstudie für ein Projekt namens „Frankfurt 21“ vor. Es war eines von mehreren „Bahnhof-21-Projekten“ zur Engpassbeseitigung und Kapazitätserhöhung diverser Bahnknoten – darin allerdings kein Wort zur Nordmainischen S-Bahn. Stattdessen ist die Rede von einer Durchbindung auch der Regionalbahnen von der Hanauer Bahn durch einen Fernbahntunnel zum unterirdischen Hauptbahnhof (neu), was eine S-Bahn überflüssig machen würde. Anders als das Land Baden-Württemberg in Stuttgart hat das Land Hessen schon früh erklärt, dafür keinen finanziellen Beitrag leisten zu wollen, die Planungen für „F 21“ wurden 2001 mangels Finanzierbarkeit aufgegeben.


    Im Jahr 2003 wurde quasi als Nachfolgeprojekt das Infrastruktur-Leitprogramm RheinMain plus aus der Taufe gehoben, wenig später umbenannt in FrankfurtRheinMain plus (FRM+). Durch ein Bündel von kleineren und größeren Einzelmaßnahmen soll die Infrastruktur des Bahnknotens Frankfurt ausgebaut werden, um Engpässe zu beseitigen und die Kapazität zu erhöhen. Unter anderem soll der Ausbau von bestehenden Bahnstrecken den Verkehr entmischen, den Regionalverkehr vom Fern- und Güterverkehr trennen. In dieser Maßnahmenkategorie werden ausdrücklich der Ausbau der Main-Weser-Bahn zwischen Frankfurt-West und Bad Vilbel bzw. Friedberg und die Nordmainische S-Bahn aufgeführt.


    Nach Verabschiedung des Masterplans FRM+ machten sich der RMV und die von der Nordmainischen S-Bahn begünstigten Gebietskörperschaften an die weiteren Planungsschritte. Im ersten Regionalen Nahverkehrsplan des RMV für den Zeitraum 2004-2009 wurde als Maßnahme beschrieben:


    „Bau einer nordmainischen S-Bahn Frankfurt-Konstablerwache—Frankfurt Ost—Hanau vorwiegend auf der Tasse der bestehenden DB-Strecke. Zwischen Frankfurt-Konstablerwache und Frankfurt Ost muß ein Tunnel neu errichtet werden. Es wird einen neuen Haltepunkt Frankfurt-Fechenheim geben, stattdessen wird der Bahnhof Frankfurt-Mainkur aufgehoben. Vorgesehen sind ein 15-Minuten-Takt bis Frankfurt-Fechenheim und ein 30-Minuten-Takt bis Hanau, der in der Hauptverkehrszeit auf 15 Minuten verdichtet wird.“

    Zu diesem Zeitpunkt war noch die Rede von „S-Bahn vorwiegend auf der bestehenden Trasse“. Klar war aber, dass ohne Förderung durch den Bund die Strecke weiterhin nicht würde gebaut werden können, d.h. es bedurfte einer neuen Nutzen-Kosten-Untersuchung. Die NKU von 1997 entsprach nicht mehr dem aktuellen Stand und konnte als Grundlage für einen Finanzierungsantrag nicht dienen.


    Wesentliche Voraussetzungen wie zum Beispiel Verkehrs- und Bevölkerungsprognosen im Auswirkungsbereich der nordmainischen S-Bahn, das S-Bahn-Linienkonzept und die Nachfragestrukturen im nordmainischen Korridor hatten sich geändert und darüber hinaus war im Jahre 2000 eine neue Version der Verfahrensanleitung für die Durchführung Standardisierter Bewertungen mit weiterentwickelten Methoden zur Nachfrageberechnung und mit aktualisierten Kosten- und Wertansätzen eingeführt worden.


    Der RMV, die Stadt Frankfurt, die Stadt Hanau und die Aufgabenträgerorganisation des Main-Kinzig-Kreises ließen deshalb 2004 zunächst eine „Vorstudie Nordmainischer Korridor“ (71 Seiten, lesenswert) erarbeiten. Aufgabe der Vorstudie war es, das günstigste Bedienungskonzept für den nordmainischen Korridor zu ermitteln und eine vereinfachte NKU zu erarbeiten. Die Vorstudie sollte insbesondere klären:

    • Auswirkungen der Einführung der nordmainischen S-Bahn auf das Bedienungsangebot im SPNV-Regionalverkehr,

    • Möglichkeiten zur Durchbindung der nordmainischen S-Bahn nach Aschaffenburg und/oder Wächtersbach,

    • Anzahl und Lage der S-Bahn-Stationen,

    • Verlängerung der Stadtbahn von Frankfurt/Main Ost in Richtung Fechenheim,

    • Möglichkeiten der Bedienung des nordmainischen Korridors mit 2-System-Fahrzeugen.


    Als eindeutig vorteilhafteste Variante für eine erste Ausbaustufe bis nach Hanau hat sich – wie schon früher - die Variante „S-Bahn pur“ ohne Stadtbahnverlängerung nach Fechenheim herausgestellt, allerdings nimmt die Vorstudie noch keine Stellung zur Frage der Führung der S-Bahn auf eigenen oder bestehenden Gleisen. Für die ermittelte Vorzugsvariante war sodann möglichst schnell die erforderliche umfassende NKU durchzuführen. 2006 meldete das Land Hessen die Nordmainische erneut zur Aufnahme in das GVFG-Förderprogramm des Bundes an – ohne Erfolg wie wisssen.


    Aufgrund der Vorstudie ließ die Stadt Frankfurt mögliche Standorte einer S-Bahn-Station Fechenheim untersuchen. Die im Mai 2007 vorgestellte „Raumstrukturelle Studie zur S-Bahnstation Fechenheim“ arbeitete die Lage an der verlängerten Ernst-Heinkel-Straße als den optimalen Standort heraus, der dann unmittelbar in die Vorplanungen zur Nordmainischen S-Bahn einfloss. Ende 2008 schloss das Land Hessen eine weitere Planungskostenvereinbarung und zahlte weitere 6,5 Mio € Planungsgelder an die Deutsche Bahn.


    (wird fortgesetzt)

  • Fortsetzung 60 Jahre Nordmainische S-Bahn


    Anfang 2010 meldet die FAZ, die DB Projektbau GmbH, eine Tochter von DB Netz AG, wolle beim Eisenbahnbundesamt das PFV beantragen und erwarte die Planfeststellung im Jahr 2012. Dass auch daraus nichts wurde hat natürlich wieder mit der fehlenden Finanzierung zu tun. Tatsächlich wurde die Durchführung des PFV erst im Jahr 2014 beantragt, obwohl auch zu dieser Zeit die Finanzierung noch ungeklärt war. Wieder trat das Land Hessen mit einem Millionenbetrag in Vorleistung, diesmal aber nicht mit Planungskosten.


    Die Tunneltrasse von der Zoo-Passage/Grüne Straße zum Ostbahnhof muss das Gelände der ehemaligen Hauptfeuerwache an der Hanauer Landstraße/Ostbahnhofstraße unterfahren. Dort war ein Neubauvorhaben genehmigt worden, das EASTSIDE. Um dieses Bauvorhaben vor dem Bau der Nordmainischen S-Bahn zu ermöglichen, beteiligte sich das Land Hessen 2014 mit über 3 Mio € an den Kosten für eine verstärkte Ausführung der Bodenplatte. Sie sollte so stabil betoniert werden, dass der Tunnel später gefahrlos darunter hindurch gebaut werden könnte. Das EASTSIDE ist längst bezogen, der Tunnel indessen noch nicht mal angefangen.


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    Grafik: DB Netz, eigene Markierungen


    Der Durchbruch bei der Finanzierung kam erst 2016 mit der Aufnahme der Nordmainischen in den Bundesverkehrswegeplan 2030 als Bestandteil der Maßnahme K-001-V001 „Knoten Frankfurt“. Zugleich ermöglichten Änderungen im Verfahren zur Standardisierten Bewertung, die Nordmainische S-Bahn in die Gesamtbetrachtung der Maßnahmen im Großknoten Frankfurt einzubeziehen; eigene Gleise für die S-Bahn und die Entmischung der Verkehre entfalten einen erheblichen kapazitätswirksamen Nutzen beim Fern- und Güterverkehr, der bei der bisher durchgeführten isolierten Bewertung der S-Bahn unberücksichtigt geblieben war. Entsprechend heißt es in der Projektbeschreibung u.a.:


    „Der Planfall umfasst auch die komplette Nordmainische S-Bahn (Gesamtkosten 1.285 Mio. €). Für dieses Teilprojekt müssen noch Finanzierungsbeiträge ermittelt werden, die sich aus dem Nutzen für Nahverkehr (= GVFG-Finanzierung) einerseits und Fern- und Güterverkehr (BSWAG) andererseits ergeben. Die Bewertungen enthalten keine Aussage hinsichtlich der Finanzierungsaufteilung BSWAG / GVFG der enthaltenen Nahverkehrsmaßnahmen. Diese Aufteilung ist im Nachgang überschneidungsfrei zu ermitteln. Die Aufnahme zusätzlicher kurzfristig zu realisierender Ausbaumaßnahmen im Bereich Frankfurt Hbf - Frankfurt Süd wird noch geprüft. Eine weitere Optimierung erfolgt gemeinsam mit den Ländern und Aufgabenträgern.“


    BSWAG = Bundesschienenwegeausbaugesetz


    1997 waren die Baukosten noch mit 435 Mio DM (entspricht 222 Mio €) kalkuliert worden, 2016 also mit 1,285 Mrd €, d.h. die Baukosten haben sich in 20 Jahren nahezu versechsfacht. Da das Maßnahmenpaket zur Engpassbeseitigung des Knotens Frankfurt insgesamt einen Nutzenindikator >1 erzielte, wurde es in die Kategorie „Vordringlicher Bedarf“ aufgenommen – wesentliche Voraussetzung für die Finanzierung. Mitte 2017 hieß seitens der Bahn und der Landesregierung ganz optimistisch, das Baurecht würde 2019 erteilt werden, Baubeginn werde 2022 sein. Warum es dann noch mal fünf Jahre bis zum Erlass des ersten PFB dauerte, wissen die Götter.


    Auch wenn seit Januar 2024 Baurecht im Frankfurter Abschnitt besteht, ist weiterhin ungewiss, wann die Hauptbaumaßnahmen beginnen und wie lange sie dauern werden. Unterstellt man eine Bauzeit von rd. sieben Jahren, wird die Nordmainische S-Bahn jedenfalls nicht vor 2030, eher 2032 in Betrieb gehen. Je nach dem, wie weit man zurückschauen will, ob bis zur ersten Erwähnung eines Abzweigs zum Ostbahnhof im Jahr 1970 oder „nur“ bis zum Bau des Verzweigungsbauwerks und der beiden Tunnelröhren bis zur Grünen Straße im Jahr 1982, in jedem Fall sind 50 oder 60 Jahre von der Idee bis zur Verwirklichung einfach viel zu lange.

  • Eine nordmainische S-Bahn wurde bereits 1962 erwogen und auf einem offiziellen Plan der DB im Januar 1963 dargestellt.

    Ein erster offizieller Plan der DB, der die S-Bahn zeigt, datiert vom Januar 1962. Hier war noch keine Mainunterquerung vorgesehen. Die S-Bahn sollte weiter nach Osten geführt werden, im Zuge der Luxemburger Allee aus dem Hang des Röderbergs austreten und zum Ostbahnhof verlaufen. Neben der Deutschherrnbrücke sollte der Main wohl mittels Brücke gequert werden. Im Norden greift der Plan die Ringbahn-Idee aus der Zeit des Neuen Frankfurt unter Ernst May auf. Ich habe die Entwicklung in einem Beitrag im Jahrbuch für Eisenbahngeschichte 2015/2016 "Vom Ursprung der S-Bahn in Frankfurt a.M." der DGEG beschrieben. Beim Baulos 12 (Abzweig zur nordmainischen S-Bahn) war ich DB-seitig 1982/83 für die Bauüberwachung zuständig. Hier die genannten Pläne:


    https://c.gmx.net/@328105411037108066/483OUk-mSYq8ylgYPDf7EQ


    https://c.gmx.net/@328105411037108066/CoryrHoGRS2E-TEkHvbiIw

  • Aufgrund des Interesses hier noch die Flyer der DB zum Baulos 12 der S-Bahn sowie ein Foto von mir, das den Übergang vom Los 12 zur nördlichen Startbaugrube des Schildvortriebs im Baulos 13 (Station Ostendstraße) zeigt. Nachdem von Westen her zunächst die U-Bahn zum Zoo von dem Gemeinschaftstunnel unter der Zeil abzweigte, wurden die beiden Gleise der S-Bahn in unterschiedliche Höhe gebracht, um sich im Los 12 niveaufrei zur späteren nordmainschen S-Bahn und zur Ostendstraße zu verzweigen. Am südlichen Ende von Los 12 waren die Gleise wieder auf gleicher Höhe. Der bergmännische Vortrieb wurde in Neuer Östreichischer Bauweise (NÖT) ausgeführt (stufenweiser Ausbruch mit Bagger, Spritzbetonsicherung, Innenschale in wasserundurchlässigem Ortbeton mit Schalwagen hergestellt).


    https://c.gmx.net/@328105411037108066/ArXWpmZ-TOOXqgY9i7awMg

    https://c.gmx.net/@32810541103…66/NZHs2U98TIOxDb9ZXX9L_A

    https://c.gmx.net/@328105411037108066/4Yv2-e5gSwyO7GBQzK33YQ

    https://c.gmx.net/@328105411037108066/MiVMmJdMTMiDxsogGQ-lZw

    https://c.gmx.net/@328105411037108066/IkoKE7NIT36aa3_IONYS0Q

    https://c.gmx.net/@328105411037108066/sZDV5pshQIqTbnDrlZrVcw

    https://c.gmx.net/@328105411037108066/uIXrOl2gSl60SE1ctBsipQ