Historische Dresdner Verkehrs- und Wirtschaftsbauten

  • Hallo in die Runde,


    dieser neue Strang soll dazu dienen, historische, noch vorhandene oder auch längst verschwundene Verkehrs- und Wirtschaftsbauten zu dokumentieren. Den Auftakt macht, wie könnte es bei mir auch anders sein, ein Thema mit Straßenbahnbezug....

  • Das Dépôt Dresden Neustadt im Jägerhof



    Hallo in die Runde,



    wir begeben wir uns weit in die Frühzeit der Dresdner Straßenbahn zurück und statten einem Straßenbahnhof einen Besuch ab, der nie dem elektrischen Betrieb diente, dafür aber auf historisch bedeutendem Gelände angelegt wurde: Dem Dépôt Dresden-Neustadt der Tramways Company im Jägerhof.



    Östlich der Neustädter Hauptstraße befand sich bis zum Ende des 19. Jahrhunderts ein ausgedehntes Kasernenareal, das aus den verschiedensten Baulichkeiten vergangener Jahrhunderte bestand, darunter dem im Kern auf das 16. Jahrhundert zurückgehenden Jägerhof der sächsischen Kurfürsten, der schon längst als Kavalleriekaserne diente. Mit dem Bau der Albertstadt zogen die Militärs Mitte des 19. Jahrhunderts nach und nach gen Norden, und die verwaisten Gebäude wurden anderweitig vermietet und verpachtet.



    Dem Pferdebahnhof im Jägerhof hatte ich schon vor geraumer Zeit einen Beitrag gewidmet, jedoch möchte ich diesmal die städtebauliche Einordnung des Geländes etwas genauer beleuchten und zahlreiche neue Erkenntnisse und Quellen einfließen lassen.




    Der Jägerhof als Kavalleriekaserne vor dem Auszug des Militärs, Gemälde von C. H. Wittich, 1891. Dort, wo die Reiter exerzieren, stand zur Entstehungszeit des Bildes bereits die hölzerne Wagenhalle des Straßenbahnhofs.






    Eingangstor des Jägerhofes an der Wiesenthorstraße, Gemälde von Franz Wilhelm Leuteritz, 1899. Wieder bietet sich ein romantisierender Blick zurück in die Militärzeit, und neben der berittenen Soldateska bevölkert ein Rudel Hunde die Szenerie. Genau hier sollte das Zufahrtsgleis zum Straßenbahnhof einmünden.






    Der Jägerhof, Nordwestecke an der Wiesenthorstraße, Gemälde von C. H. Wittich 1891. Rechts angeschnitten ist der Kopfbau der 1945 zerstörten und später abgerissenen Ritterakademie erkennbar, auch bekannt als Palais Wackerbarth. Der Nordflügel des Jägerhofs wurde 1897 abgerissen.







    Das Dépôt Dresden-Neustadt



    Durch den Auszug des Militärs bot sich für die Tramways Company nach 1880 die Gelegenheit, ihren Bahnhof für die zu errichtenden Neustädter Linien betrieblich günstig in der Nähe des Neustädter Marktes anzulegen, boten die großzügigen Baulichkeiten des Jägerhofes doch mehr als genügend Platz für Werkstätten, Stallungen und die Anlage einer Wagenhalle.


    Am 30. April 1881 berichten die „Dresdner Nachrichten“ über den Stand der Bauarbeiten an den Pferdebahnstrecken, dabei wird explizit auch der zukünftige Pferdebahnhof und sein Zufahrtsgleis durch die (Große) Klostergasse erwähnt.






    Angesprochen wird in dem Artikel auch die Unterbringung von Pferden im Pontonschuppen an der Elbe. Ursprünglich waren es derer zwei, der südliche Schuppen war jedoch ausgerechnet am Buß- und Bettag 1869 in Flammen aufgegangen. Links das Hübelsche Haus an der Wiesenthorstraße. Diese Gebäude verschwanden zwischen 1891 und 1894 schrittweise zugunsten des klotzigen Neubaus des Finanzministeriums, so dass die Pferde der Straßenbahn nun alle im Jägerhof untergebracht werden mussten. Eröffnet wurde der neue Bahnhof mit Inbetriebnahme der Linie zum Waldschlößchen im Juni 1881.






    Ein Stadtplanausschnitt von 1890 zeigt das Areal vor den großen städtebaulichen Umwälzungen im Zuge des Baus der Carolabrücke und der Ministerien. Noch sind die Baulichkeiten des Jägerhofs intakt.



    Gut zu erkennen ist das das Anschlussgleis durch die Große Klostergasse und die Anlagen des Pferdebahnhofs im Jägerhof, mit Wagenhalle und rechts daneben den Stallungen. Zu jenem Zeitpunkt waren wie beschrieben ein Teil der sehr umfangreichen Kavallerie im langgestreckten Pontonschuppen am Elbufer untergebracht. Eingezeichnet sind bereits die neu anzulegenden Straßen und der nördliche Brückenkopf der neuen Elbbrücke, die beide den Namen der Königin Carola erhalten werden.






    Eine Fotografie, die die Gesamtheit der Wagenhalle zeigt, scheint leider nicht zu existieren. Die folgende Rekonstruktionszeichnung soll daher Abhilfe schaffen. Es handelte sich um einen hölzernen Schuppen, neben dem zur rechten ein für die Tramways Company typisches Stallgebäude in den Hof gebaut wurde. Da das Grundstück vom sächsischen Staat nur gepachtet war, wurden kaum Anstrengungen in die Instandsetzung der umgebenden Gebäude gesetzt, die sich in einem teils sehr heruntergekommenen Zustand zeigten. Neben der Tramways Company waren in dem weitläufigen Areal, das nach wie vor laut Adressbüchern dem Staatsfiskus unterstand, zahlreiche Wohnungen vorzugsweise von Staatsbeamteten untergebracht, neben einer Vielzahl kleinerer Firmen und Handwerker und den Stallungen des Comités der Dresdner Pferdeausstellungen.






    Welch immenser Aufwand für den Pferdebahnbetrieb notwendig war mag der folgende Auszug aus dem Geschäftsbericht der zur Dresdner Straßenbahn umfirmierten Tramways Company für das Jahr 1894 geben. Sage und schreibe 428 Pferde mussten für die hier untergebrachten 53 Wagen unterhalten werden. Dies betraf neben der Behausung natürlich auch Pflege, Fütterung, Krankenversorgung und nicht zuletzt die Beseitigung der Hinterlassenschaften…






    …mit denen man noch Geschäfte zu machen gedachte. Heute würde man so etwas wohl als nachhaltig und klimaneutral framen. Wie hoch das beste Gebot lag, und wer der Meistbietende war, bleibt leider unbekannt. (Anzeige in der Sächsischen Dorfzeitung vom 6. August 1881)







    Die Zufahrtstrecke



    Ein Menselblattausschnitt von 1895 zeigt detailliert die Gleisanlagen des Pferdebahnhofs. Es fehlt (bereits?) die Freiabstellfläche zwischen Wagenhalle und Westflügel, die auf den folgenden Fotografien erkennbar ist. Betrachten wir jedoch zunächst das Gleis in der Großen Klostergasse etwas näher…






    Blick vom Neustädter Markt in die Große Klostergasse, 1893. Im Hintergrund ist das Finanzministerium bereits weit gediehen. Beachtenswert ist der ausrückende Pferdebahn-Decksitzwagen im Hintergrund, der gleich den Klosterplatz queren wird. (A. E. Donadini, Deutsche Fotothek)







    Große Klostergasse mit Pferdebahnwagen, Fotomontage. Nach Stilllegung des Pferdebahnhofes 1900 wurde das Gleis zurückgebaut, Reste verblieben auf dem Neustädter Markt mindestens bis in die zwanziger Jahre. Erst 1977 kehrte die Straßenbahn in die nun sehr großzügig zur Köpckestraße ausgebaute Große Klostergasse zurück, nun aber als reguläre Strecke, die heute von der Linie 8 befahren wird.



     




    Blick aus der Großen Klostergasse auf den Neustädter Markt, nach 1900, denn das Gleis der Pferdebahn ist schon entfernt. Im Zentrum des Bildes die Fassade des Blockhauses mit der Aufstockung von 1892, die beim Wiederaufbau in den 1980er Jahren wieder rückgängig gemacht wurde.







    Ein virtueller Rundgang durch den Jägerhof



    Der Jägerhof ist vor dem weitgehenden Abriss Ende der 1890er Jahre fotografisch recht gut dokumentiert worden. Im Fundus der Deutschen Fotothek sind einige Aufnahmen von Ermenegildo Antonio Donadini, entstanden um 1895, erhalten geblieben, die einen guten Eindruck des Inneren zu Zeiten seiner Nutzung als Pferdebahnhof vermitteln. Die vorangestellte Planzeichnung illustriert den aus zeitgenössischen Menselblättern und den Fotografien von Donadini rekonstruierbaren Zustand der Betriebsanlagen. Zur besseren Einordnung sind die Fotostandorte eingetragen, die Pfeile geben die Blickrichtung an. Begeben wir uns also auf einen Rundgang mittels zeitgenössischer Fotografien….






    (1) Überfahrt der Wiesenthorstraße. Fotomontage mit einem in der Einfahrt stehenden Decksitzwagen der Linie Postplatz-Waldschlößchen.






    (2) Blick in die sehr enge Einfahrt, nach 1895. Die bereits längst zum Abriss bestimmten Gebäude zeigten sich vor allem zuletzt in einem beklagenswerten Zustand.






    (3) Blick von der Einfahrt in den Zwischenraum zwischen dem heute noch weitgehend erhaltenen Westflügel und der Wagenhalle (A. E. Donadini, Deutsche Fotothek, nachträglich koloriert). Bemerkenswert sind die auf der Aufnahme erkennbaren Fahrzeuge. Da wäre zum Einen der unter dem Schauer geparkte Pferdeomnibus…






    …und während Pferdebahnwagen 63 für die Linie Albertplatz – Zoologischer Garten aufgeschildert ist, versteckt sich links vermutlich einer der sehr kleinen ursprünglichen Wagen für die Plauener Conti-Linie, wohl ausgegleist und nicht mehr genutzt. Der Überlieferung nach dienten sie später vor allem als Einfahrwagen für neu eingestellte Zugpferde, quasi eine Frühform der Fahrschule.



     




    (4) Wir schauen nordwärts zwischen den Stallungen und dem ursprünglichen Renaissance-Ostflügel. Das Stallgebäude entsprach dem Einheitstyp der Tramways Company und war in gleicher Form auch in Neugruna und Löbtau zu finden. (A. E. Donadini, Deutsche Fotothek)






    (5) Blick entlang des Nordflügels mit der Hinterfront der Wagenhalle zur linken und für die Kamera posierendem Straßenbahn-Personal. (A. E. Donadini, Deutsche Fotothek)






    (6) Eine weitere Donadini-Aufnahme aus ähnlicher Perspektive. Der gewichtige bärtige Herr scheint ein Funktionsträger zu sein, und wir sehen den Beweis, dass die lieben Pferde bei der nunmehrigen Dresdner Straßenbahn beileibe nicht darben mussten. So konnten sie auch viel Mist für den Weiterverkauf produzieren, eine frühe Win-Win-Situation. (A. E. Donadini, Deutsche Fotothek)



  • Die letzten Jahre


    Das langsame Ende für den größten Pferdebahnhof der „Gelben“ Gesellschaft kam, wie sollte es anders sein, mit der Einführung des elektrischen Betriebes. Die heruntergekommenen und recht provisorisch anmutenden Anlagen waren für eine Umrüstung auf elektrischen Betrieb denkbar ungeeignet, so dass sich die Gesellschaft nach Alternativen umsah und diese schließlich an der Leipziger Straße auf Micktner Flur fand. Hinzu kam die ungeklärte städtebauliche Situation: Der Staat wollte sich der ungeliebten Immobilie, die zudem das Gegenüber des neuen Finanzministeriums verschandelte, möglichst schnell entledigen. Erste Gebäudeteile fielen um 1895 der Anlage des Carolaplatzes und der König-Albert-Straße als direkter Verbindung vom Albertplatz zur neuen Elbbrücke zum Opfer, 1897 folgten der gesamte östliche Teil und der komplette Nordflügel. Da auch der nördlichste Abschnitt der Wagenhalle der neu anzulegenden Briestraße im Wege war wurde diese leicht verkürzt. Ähnlich wurde mit den Stallungen verfahren.



    Reste der östlichen Ausläufer des Jägerhofs jenseits des Königin-Carola-Platzes an der heutigen Wigardstraße, im Hintergrund das Dreikönigsgymnasium, heute Kultusministerium, auf einer Zeichnung von Franz Trautsch, 1898. Im Vordergrund hat der Künstler auch die Pferdebahngleise der „roten“ Konkurrenz nicht vergessen, die seit 1895 die Carolabrücke überquerte.


    Neustadt-Carolaplatz-Reste-J-gerhof-Franz-Trautsch-1898.jpg



    Vom gleichen Künstler stammt eine Ansicht der Reste des Jägerhofs vom Carolaplatz aus, ebenfalls von 1898. Rechts im Hintergrund angeschnitten die Ritterakademie am Beaumontplatz, links das Giebelfeld des Südflügels, der in gekürzter und modernisierter Form bis 1945 überleben sollte, entlang der neu angelegten Asterstraße, heute Teil der Köpckestraße. In der Bildmitte erkennen wir die Wendelsteine des noch heute in weiten Teilen vorhandenen Westflügels und darüber dem Dachreiter des Neustädter Rathauses, im Hofe das hohe Dach der Wagenhalle und die Giebel der teilweise rückgebauten Stallungen.


    Neustadt-J-gerhof-Franz-Trautsch-1898.jpg



    Anlegung der Briestraße 1897, nach Abbruch des Nordflügels. Die Rückwand der gekürzten Wagenhalle wurde sehr rustikal provisorisch geschlossen, wie ein Vergleich mit den Donadini-Aufnahmen belegt.


    Neustadt-J-gerhof-Anlegung-Briestr-1897.jpg



    Die „Neuesten Nachrchten“ ´berichten am 15. Juni 1897 von einem Brand im Gelände. Neben der zeittypischen Ausschmückung des Vorfalls ist vor allem die Passage zum weiteren Schicksal der Gebäude von Interesse.


    Neueste-Nachrichten-15-06-1897-Brand-J-gerhof.jpg




    Am 13. Oktober 1897 widmet sich das „Dresdner Journal“ recht ausgiebig dem Neubau des Straßenbahnhofs Mickten und verweist auf das absehbare Schicksal des alten Depots im Jägerhof.


    Dresdner-Journal-13-10-1897-zu-bhfen-mickten-und-j-gerhof.jpg



    Die Umstellung auf elektrischen Betrieb führte zu sich zuspitzenden Arbeitslosenzahlen unter den straßenbahneigenen Unpaarhufern, zumal man die nicht wie die einstigen Kutscher und Kondukteure für den elektrischen Betrieb umschulen konnte. Fleißig inserierte man in den Tageszeitungen, hier der Sächsischen Dorfzeitung vom 22. August 1899, um die unnützen Kostgänger zu veräußern. Undank ist der Welten Lohn…


    S-chsische-Dorfzeitung-22-8-1899-pferdeverkauf-j-gerhof.jpg



    Der Geschäftsbericht der Dresdner Straßenbahn für 1899 zeigt augenscheinlich den Bedeutungsverlust des Bahnhofs und seines animalischen Personals. Man vergleiche die Zahlen der eingestellten Wagen und Zugtiere mit denen für 1894.


    Gesch-ftsbericht-1899.jpg



    Das endgültige Ende für den Bahnhof im Jägerhof kam mit der Umstellung der Arsenal-Linie auf elektrischen Betrieb am 28. Juni 1900. Nun konnte man zügig an die Beseitigung der letzten Gebäudereste gehen. Die Wagenhalle wurde als „Feldscheune“ offeriert (hier in den „Dresdner Nachrichten“ am 28.06.1900) und die letzten Dänen, gemeint ist die Pferderasse, zum freihändigen Verkauf dargeboten. Welchen Acker die ausrangierte Wagenhalle letztlich zierte entzieht sich leider unserer Erkenntnis.


    DN28061900-verkauf-pferde-wagenhalle-j-gerhof.jpg



    Schnell wurden die letzten zu Beiwagen umzubauenden Pferdebahnwagen aus dem Jähgerhof umbeheimatet und die Gleisanlagen entfernt. Hierzu unterrichtet der Geschäftsbericht für das Jahr 1900, dem letzten des Pferdebahnbetriebs in Dresden.


    Gesch-ftsbericht-1900-I.jpg



    Wir verabschieden uns künstlerisch von den Pferdebahnen im Jägerhof mit diesem Gemälde von A. Reinhardt aus dem Jahr 1893.


    Neustadt-J-gerhof-Strassenbahnhof-A-Reinhardt-1893.jpg




    Totgesagte leben länger…


    Das hätte es nun eigentlich auch für die verbliebenen Baulichkeiten des Jägerhofes sein sollen. Doch West- und Südflügel blieben zunächst stehen und waren Gegenstand einer jahrelangen Debatte. Als „Großstadt-Idyll“ dienten die kläglichen Reste der einst stolzen kurfürstlichen Anlage zumindest um 1905 als Postkartenmotiv. Noch zeigt sich der Westflügel in voller Länge, später wurde er um den nördlichsten Abschnitt eingekürzt. Von den Baulichkeiten der Pferdebahn ist nichts mehr zu sehen.


    Neustadt-J-gerhof-Umbau-Abbruch.jpg



    Oskar Seyffert ist es zu verdanken, dass der Westflügel dem drohenden Abriss entging. Nach umfangreichen Bauarbeiten ab 1911, bei dem die Kürzung der Baureste erfolgte und zum Ausgleich der südliche Wendelstein neben dem ehemaligen Haupttor neu angelegt wurde, öffnete der Jägerhof als Museum für Sächsische Volkskunst, das er noch heute beherbergt. Auch der Südflügel blieb stehen und wurde modernisiert, aber nach den Kriegszerstörungen 1945 nicht mehr aufgebaut.


    Die Fotografie erlaubt einen Vergleich mit der Einfahrtssituation vor dem Umbau (Bild 2 des Rundgangs). Im Hintergrund der große Rundbau des Circus Sarrasani, eröffnet 1912.


    Neustadt-J-gerhof-Volkskunstmuseum-Kopie.jpg



    Der Jägerhof in den 1920er Jahren. Neu errichtet wurden beim Umbau zum Museum der Eingangspavillon und der erwähnte südliche Wendelstein. (Deutsche Fotothek)


    df-hauptkatalog-0305303.jpg



    Die folgenden Rekonstruktionszeichnungen dienen dem direkten Vergleich der verschiedenen Bauzustände. Zunächst die Giebelansicht des Westflügels.


    Folie6.jpg



    Hofansicht des Westflügels.


    Folie1.jpg


    Folie4.jpg


    Folie5.jpg



    Nordflügel, abgerissen 1897.


    Folie2.jpg




    Abschließend noch eine aktuelle Luftansicht auf Goggle-Maps-Basis. Nichts erinnert mehr an die Straßenbahn-Vergangenheit des Jägerhofs. Überbaut sind ebenso die umgebenden Straßen, bis auf Reste der alten Wiesenthorstraße. Die Wohngebietsstraße links oben folgt dem Verlauf der ehemaligen Briestraße.


    Luftbild-Maps.jpg




    Schönen Sonntag allerseits!

  • Der Pferdebahnhof in Löbtau


    Hallo in die Runde,


    äußerst wenig bekannt ist über den Straßenbahnhof Löbtau. Vor Jahren habe ich mich schon mal an einer Beschreibung versucht, die jedoch als überholt angesehen werden muss. Obwohl die Hallengebäude bis etwa 1910 existierten und durchaus von repräsentativer Größe waren, scheint nicht eine Fotografie der Baulichkeiten zu existieren, was die Recherchen nicht einfacher gemacht hat. Dennoch konnte ich namentlich im Stadtarchiv einige handfeste Quellen auftun und aufarbeiten. Also auf in das Löbtau der 1880er Jahre…



    Pferdebahnanschluss für Löbtau


    Die Streckenprojekte der Tramways Company sahen auch eine Verbindung vom Postplatz über die Annenstraße, den Freiberger Platz und die Freiberger Straße bis hinein in den Vorort Löbtau auf die damalige Wilsdruffer Straße, heute Kesselsdorfer Straße, vor. Am 8. Juli 1881 wurde der erste Teilabschnitt zunächst bis zur Stadtgrenze in Höhe der Fabrikstraße am Glaswerk Siemens eröffnet. Es berichten die „Dresdner Nachrichten“ am Folgetag in einer recht knappen Notiz:



    https://model2.de/img/11662/dresdnernachrichten09ddi79.jpg


    Für uns interessant ist der Hinweis auf die alte Reiterkaserne, bei der es sich um nichts anderes als das Depot im Jägerhof in der Neustadt handelte, von wo aus auch die neue Linie zunächst mit Ross und Wagen bestückt wurde.



    Ein Pferdebahnwagen um 1890 in Höhe des ersten Endpunktes an der Glasfabrik Siemens, im Hintergrund die Fabrikstraße. Später entstand hier das repräsentative, leider kriegsabgängige Eingangsgebäude des Glaswerkes, heute könnte man aus gleicher Perspektive den bunten Kühlturm des Kraftwerkes Nossener Brücke bewundern.


    https://model2.de/img/11662/lobtauglaswerksiemenssdedb.jpg



    Vier Monate später konnte eine erste Verlängerung bis nach Löbtau hinein in Betrieb genommen werden. Der Endpunkt befand sich zunächst an der Reisewitzerstraße bei Rohleders Gasthof. Aus den „Dresdner Nachrichten“ vom 6.11.1881:


    https://model2.de/img/11662/dresdnernachrichten064yeri.png



    Pferdebahngleis an der Bismarckbrücke in Löbtau, vor 1900. Noch heißt die Kesseldorfer Straße Wilsdruffer Straße, nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Achse im Dresdner Zentrum.


    https://model2.de/img/11662/lobtauweiberitzbruckek2eqb.jpg



    Die Lindenstraße und mit wenigen ausgewählten Fahrten auch den Neuen Annenfriedhof erreichte die Pferdebahn schließlich am 2. April 1882, wie die „Dresdner Nachrichten“ am Folgetag nachträglich vermelden.


    https://model2.de/img/11662/dresdnernachrichten03j3efr.jpg





    Ein Pferdebahnhof in Löbtau


    Mit der weiteren Ausdehnung des Pferdebahnnetzes musste sich die Tramways Company langsam aber sicher Gedanken machen, wo sie zukünftig ihr Zug- und Rollmaterial angemessen unterbringen wollte. Bislang standen lediglich der gepachtete Conti-Bahnhof in Blasewitz und der Jägerhof hierfür zur Verfügung. Bauland gab es in ausreichender Größe nur noch in den Vorstädten, sodass Pläne für je einen weiteren Bahnhof in Striesen und in Löbtau reiften. Der Fahrplan der Linie Löbtau – Postplatz von 1883 zeigt noch deutlich anhand der Abfahrtszeiten, dass immer noch in den Jägerhof eingerückt werden musste. Abhilfe war aber in Sicht…



    https://model2.de/img/11662/fahrplan1883f9dli.jpg



    So beschloss der Gemeinderat von Löbtau die Errichtung eines Pferdebahnhofes in der noch weitgehend unbebauten Lindenstraße, heute Bünaustraße, zu erlauben. Die im Stadtarchiv in Abschrift erhaltene Baugenehmigung der Königlichen Amtshauptmannschaft Dresden ist übrigens auf den 27. Dezember 1883 datiert. Bereits am 1. Mai 1884 wurde von der gleichen Institution die Genehmigung für die Inbetriebnahme der bereits fertiggestellten Wagenhalle nebst Stallungen ausgestellt.


    Wie aber sah der Bahnhof nun eigentlich aus? Die Zufahrt erfolgte über die Lindenstraße mit zwei Einfahrtsgleisen in die Wagenhalle. Mittels zweier Drehscheiben erfolgte eine weitere Verteilung auf insgesamt sechs Hallengleise. Um einen freien Hof waren die Nebengebäude gruppiert, wie Schmiede, Werkstätten und Stallungen. Wohnungen für den Stallmeister und Bahnhofsvorsteher und wohl auch Büros waren in einem über der Einfahrt eingerichteten Vollgeschoss untergebracht.


    Der folgende Grundriss ist datiert auf den 9.1. 1884. Offenbar wurde die Gleislage vor Fertigstellung noch einmal modifiziert, denn spätere Pläne zeigen je drei Hallengleise ab Drehscheibe und keine Verzweigung der Zufahrtsgleise.


    https://model2.de/img/11662/lobtaustrassenbahnhofngfcc.jpg



    Wie beschrieben sind Stand jetzt keinerlei Fotos der Anlage bekannt. Die einzige bildliche Überlieferung, mit der ich dienen kann, ist eine Zeichnung, die den Zustand um 1885 zeigt. Die Stallungen links sind ein Einheitsbau der Tramways Company, zu finden auch im Jägerhof oder in Blasewitz. Ansonsten sind Ähnlichkeiten mit dem etwa gleichzeitig ausgeführten Striesener Bahnhof unverkennbar, der Turm scheint wiederum in Blasewitz entlehnt worden zu sein.


    https://model2.de/img/11662/lobtaustrassenbahnhoffdckg.jpg



    Ausschnitt aus einem Panorama von Löbtau, um 1885. In Bildmitte die Rückansicht der Wagenhalle mit Nebengebäuden.


    https://model2.de/img/11662/lobtaustrabenbahnhof2vbil2.jpg



    Mithilfe der Grundrisse und dieser beiden Zeichnungen habe ich mich an eine Rekonstruktion der Wagenhalle gewagt, die natürlich keinen Anspruch auf absolute Exaktheit erheben kann. Dennoch denke ich, dass die Grafiken die grundlegende Gestaltung der Gebäude ganz gut wiedergeben dürften.


    https://model2.de/img/11662/folie1qlfj6.jpg




    https://model2.de/img/11662/folie30aigc.jpg


    https://model2.de/img/11662/folie4godql.jpg



    Der Straßenbahnhof Löbtau auf einem Stadtplanausschnitt von 1892. Nicht eingezeichnet ist die Zufahrtsstrecke. Noch fehlt die Bebauung zwischen Wagenhalle und Wilsdruffer Straße.


    https://model2.de/img/11662/lobtaustadtplan189233i6f.jpg



    Ein detaillierter Plan von 1995 zeigt das Gleislayout, wie es seit 1884 bestanden haben dürfte, denn ich glaube nicht an einen nachträglichen Umbau (Wozu?). Erkennbar sind eingezeichnete geplante Erweiterungen für die Stallungen. Mittlerweile ist auch die Strecke auf der Wilsdruffer Straße zweigleisig ausgebaut, bereits 1893 wurde die Verlängerung nach Wölfnitz in Betrieb genommen.


    https://model2.de/img/11662/lobtaustrassenbahnhoff3i05.jpg


    Die Stallungen wurden in den 1890er Jahren mehrfach vergrößert, selbst noch wenige Jahre vor Umstellung der Wölfnitzer Strecke auf elektrischen Betrieb. Grund dürfte wohl die Elektrifizierung im Innenstadtbereich und entsprechender Umbau des Bahnhofs Blasewitz gewesen sein, die eine teilweise Umbeheimatung der für den Pferdebahnbetrieb immer noch benötigten verbliebenen Gäule notwendig machte. Zudem erhielt der Straßenbahnhof Löbtau noch ein Außengleis, wie eine Zeichnung von 1898 aus der Sammlung von Ingolf Menzel verdeutlicht. Warum die Drehscheiben hier fehlen weiß ich nicht, ich glaube aber nicht, dass man zwei Jahre vor Toresschluss noch eine Schiebebühne eingebaut hätte.


    https://model2.de/img/11662/lobtaustrassenbahnhofw3fnh.jpg




    Stadtplanausschnitt von 1898. Mittlerweile ist die großstädtische Umgebungsbebauung weitgehend fertiggestellt, sie existiert in weiten Teilen noch heute.


    https://model2.de/img/11662/lobtaustadtplan1898qsic4.jpg



    Im Jahre 1897 erlebte Löbtau eines der verheerendsten Weißeritzhochwässer, das erst 2002 übertroffen werden sollte. An der Bismarckbrücke staute sich das Schwemmgut, und das wildgewordene Flüsschen hatte sich nach Dresden hinein sein althergebrachtes Bett gesucht. Zahllose Schaulustige bevölkern die Szenerie, doch für uns viel interessanter ist das Stillleben jenseits der Brücke in der Freiberger Straße…


    https://model2.de/img/11662/lobtauweisseritzhochw4ldpo.jpg



    …wohin man wohl aus Vorsicht vor einer möglichen Unbefahrbarkeit oder gar Zerstörung der Brücke den Fuhrpark des Straßenbahnhofs evakuiert hat. Somit konnte der teilweise Betrieb auf den Löbtauer und Plauener Linien aufrechterhalten werden.


    https://model2.de/img/11662/lobtauweisseritzhochw5gfnq.png




    Umzug nach Naußlitz - und neue Nutzung


    Zu jenem Zeitpunkt war bereits klar, dass mit der Aufnahme des elektrischen Betriebs im Dresdner Westen das Ende für den Standort Löbtau gekommen sein würde. Die Dresdner Straßenbahn AG hatte bereits in Naußlitz ein großes Gelände für die Neuanlage eines Straßenbahnhofs erworben, der die Aufgaben des räumlichen beengten Objekts in Löbtau übernehmen würde. Nach einigen Jahren Verzögerung wegen Problemen bei der Strombereitstellung konnte als eine der letzten auch die Linie Postplatz – Wölfnitz am 31. Juli 1900 auf elektrischen Betrieb umgestellt werden. Gleichzeitig ging der teilweise fertiggestellte Bahnhof Naußlitz in Betrieb, auch wenn er noch geraume Zeit Baustelle bleiben sollte – und der alte Pferdebahnhof vom Netz.


    In den Hallen zog Ruhe ein, und die Gleisanlagen wurden zeitnah entfernt, vermutlich im Zusammenhang mit der längst geplanten Neupflasterung der Lindenstraße. Vorher jedoch wurde der Bahnhof Löbtau noch Schauplatz eines dramatischen Kriminalfalls, den ich euch nicht vorenthalten möchte. Dem empörten Bürger dürfte am Morgen des 17. Juli 1900 das Hackepeterbrötchen im Halse stecken geblieben sein, als er die „Sächsische Elbzeitung“ konsultierte…


    https://model2.de/img/11662/sachsischeelbzeitung1cddct.jpg


    Wie, und warum, die jugendlichen Taugenichtse allerdings aus der Antonstadt nach Löbtau kamen, das ist leider nicht überliefert. Heute böte sich hierfür die Linie 7 an, ohne Umsteigen…



    Postkarte der Kesseldorfer Straße nach der Eingemeindung, um 1905. Hinter dem elektrischen Triebwagen die Einmündung der nunmehr „Bünaustraße“ getauften Lindenstraße. Am Umgebungsambiente hatte sich seit Mitte der 1890er nichts mehr verändert.


    https://model2.de/img/11662/lobtaukesselsdorfersty7ioz.jpg




    In den Adressbüchern der Folgejahre ist weiterhin der Stallmeister als wohnhaft an der Adresse des Straßenbahnhofs vermerkt. Die Wagenhalle blieb zunächst stehen, nur die Stallungen wurden auf Abbruch bereits 1901 verkauft und verschwanden schnell. Der Stadtplan von 1910 zeigt ein bis auf die Wagenhalle leeres Gelände.


    https://model2.de/img/11662/lobtaustadtplan1910vvdga.jpg



    Das Löbtauer Grundstück rückte erst zu jener Zeit wieder in den Fokus, denn es wurde zur Errichtung dringend benötigter Beamtenwohnungen der Straßenbahn herangezogen, befand es sich doch nach wie vor im Eigentum der Städtischen Straßenbahn als Rechtsnachfolgerin der Dresdner Straßenbahn AG. Nach Plänen des Stadtbaurats Hans Erlwein entstand bis 1912 eine kleine, aber feine Wohnsiedlung, die auch Eingang in den Geschäftsbericht für das Jahr 1912 fand.


    https://model2.de/img/11662/verwaltungsberichtsta79fon.jpg



    Selbst Postkarten wurden herausgegeben. Heute zeigen sich die ehemaligen Straßenbahnerhäuser übrigens liebevoll saniert und künden von der Vergangenheit des Grundstücks als Teil der Dresdner Nahverkehrsgeschichte.


    https://model2.de/img/11662/lobtaubunaustrstrassejgipb.jpg



    Das war es dann mit unserem kleinen Ausflug in die Dresdner Pferdebahngeschichte. Schönes Wochenende allerseits!





    ---

    Optionen:

    Diesem Beitrag antworten
    Privatnachricht Diesen Beitrag zitieren
    Thema abonnieren Diesen Beitrag melden
    Bearbeiten

  • Der Straßenbahnhof auf dem "Flora"-Gelände an der Ostra-Allee


    Die letzten Monate habe ich intensiv zur Recherche über die bisher sehr stiefmütterlich behandelte frühe Geschichte der Dresdner Straßenbahn genutzt. Im Stadtarchiv bin ich dabei neben historischen Akten und Plänen auch auf auch eine große Zahl bislang weitestgehend unveröffentlichter Fotografien gestoßen, von denen ich nunmehr nach Erhalt der Veröffentlichungsgenehmigung einige in dem folgenden Beitrag einstelle. Ich bitte zu beachten, dass die Weitergabe der Bilder an Dritte nicht autorisiert ist und die Bilder ausschließlich zur Veröffentlichung in diesem Beitrag freigegeben wurden. Nicht näher mit Quellenangaben bezeichnete Dokumente strammen aus meinem eigenen Fundus.


    Lange habe ich Material zu den frühen Straßenbahnhöfen der Deutschen Straßenbahngesellschaft in der Ostra-Allee gesucht und aufbereitet, so dass ich nun endlich diesen Beitrag veröffentlichen kann, ein langgehegtes Projekt. Vieles bleibt (noch?) lückenhaft, aber zumindest ergibt sich aus den Puzzleteilen langsam aber sicher ein Gesamtbild…



    Die rasante städtebauliche Entwicklung und Ausdehnung der Stadt Dresden vor der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert zeigte zunehmend die Grenzen des vorhandenen Pferdebahnnetzes der Tramways Company auf. Die honorigen Herren Schwab, Bierling und Grumbt, allesamt umtriebige Dresdner Geschäftsleute, erkannten hierin eine Marktlücke für die Schaffung eines eigenen konkurrierenden Transportunternehmens. In Abgrenzung zur englischen Gesellschaft nannten sie die am 8. November 1889 gegründete Unternehmung „Deutsche Straßenbahngesellschaft in Dresden“ und nahmen die Geschäftstätigkeit im Schwabschen Grundstück auf der Petergasse (später Peterstraße, heute Behringstraße) 6 in der Friedrichstadt auf. Binnen kürzester Zeit gelang es ihnen, ein eigenes und von den vorhandenen Strecken der Tramways Company nahezu unabhängiges Streckennetz aufzubauen.



    Stadtplanausschnitt von 1892 mit eingezeichnetem Grundstück Petergasse 6, wo sich zu Beginn nicht nur der Firmensitz, sondern zumindest auch die Stallungen der Gesellschaft befanden. Von der Vorkriegsbebauung ist in diesem Teil der Behringstraße heute nichts mehr vorhanden.

    https://model2.de/img/11662/petergasse6schwabscheunfor.jpg



    Um die Bevölkerung an die Existenz der neuen Gesellschaft zu gewöhnen, wurden zunächst im „Vorlaufbetrieb“ umgehend drei Pferdeomnibuslinien in Betrieb genommen, beginnend mit der Strecke Neumarkt – Gruna am 20. Dezember 1889. Bereits im Oktober des Jahres 1889, noch vor offizieller Gründung der Gesellschaft, hatten unter Hochdruck die ersten Gleislegearbeiten begonnen.



    Ein Pferdeomnibus der Deutschen Straßenbahngesellschaft, auf der am 4. Januar 1890 eröffneten Linie Neustädter Bahnhöfe – Böhmischer Bahnhof. Die Pferde wurden zunächst in der Petergasse untergebracht. Ob hier auch die ersten Omnibusse eine Heimat fanden ist unbekannt, sicher ist jedoch, dass der Standort Petergasse 6 zu Beginn als „Depot I“ geführt wurde, diesen Titel übernahm später der elektrische Bahnhof Pfotenhauerstraße… (Quelle: Archiv DVB)

    https://model2.de/img/11662/pfomnibusum18904id6m.jpg



    Der „Sächsische Erzähler“ vom 8. Januar 1890 weiß zu berichten, dass auf der Petergasse 70 Pferde eingestellt waren, und berichtet weiterhin über die ersten Betriebswochen des neuen Unternehmens. (Quelle: SLUB digital, [digital.slub-dresden.de]

    https://model2.de/img/11662/dersachsischeerzahlerxwefv.jpg



    Für die Unterbringung der Omnibusse musste schon vorab ein geeigneter Standort gefunden werden, der sich dann auch zum Umbau in einen Pferdebahnhof eignete, denn die Errichtung eines Straßenbahnnetzes war und blieb das eigentliche Ziel der Gesellschaft…


    Für die zukünftige Pferdebahn erwarb die Deutsche Straßenbahngesellschaft von der „Gesellschaft für Botanik und Gartenbau Flora“ ein vormals zur Baumkultur genutztes Grundstück an der Ecke Ostra-Allee – Am Viaduct (später in der Könneritzstraße aufgegangen) neben der Auffahrt zur Marienbrücke. Das Areal zog sich lang und schmal bis zur Elbe hin. Auch dieser Grundstückskauf vollzog sich schon vor der offiziellen Gründung, wenn man dem „Weißeritz-Zeitung“ vom 14. September 1889 Glauben schenken darf. Damals musste noch der König dem Grundstückstransfer zustimmen… (Quelle: SLUB digital, [digital.slub-dresden.de]

    https://model2.de/img/11662/weiberitz-zeitung1409k1eqj.jpg



    Im vorderen Bereich wurde eilig ein Wagenschuppen errichtet, im hinteren Grundstück die Stallungen und Werkstätten angelegt. In Elbnähe verblieben einige Obstbäume der „Flora“ und dürften dem Personal willkommene Pausenverpflegung generiert haben… Auch die Direktion firmierte nun unter der Adresse „Ostraallee 32“, das Depot offiziell als „Bahnhof II“.


    Der nördliche Teil der Ostra-Allee hieß bis 1877 „Brückenstraße“, da er nach der Marienbrücke führte. Die frühe Fotografie zeigt gegenüber der Einmündung der Maxstraße das „Palais Prinz Max“, das dem früheren Endstück der Ostra-Allee in Richtung des gleichnamigen Vorwerks ebenfalls 1877 den Namen gab. 1890 wurde es abgerissen und auf seinem Grundstück die (heute nicht mehr vorhandene) Permoserstraße angelegt, da lag die „rote“ Pferdebahn noch gleichsam in den Geburtswehen.

    https://model2.de/img/11662/wilsdrvorstadtostraalyofjx.jpg



    Eine Beschreibung des Grundstücks liefert das „Dresdner Journal“ am 27. September 1890. (Quelle: SLUB digital, [digital.slub-dresden.de]

    https://model2.de/img/11662/dresdnerjournal2211180qin0.jpg



    Stadtplanausschnitt von 1892 mit dem Straßenbahnhofs-Grundstück, begrenzt durch den im Artikel oben erwähnten, trockengefallenen „Schwarzen Graben“, einst ein nördlicher Arm des Weißeritzmühlgrabens. Weiterhin spannend ist der alte Weißeritzverlauf, noch überspannt von der Friedrichsbrücke, die erst 1895 verfüllt werden wird. Die Marienbrücke dient noch als kombinierte Straßen- und Eisenbahnbrücke, erst nach dem Bau der Eisenbahnbrücke konnte sie ab 1901 für den Straßenbahnverkehr freigegeben werden.

    https://model2.de/img/11662/ostra-alleestrassenbfz9fx9.jpg



    Ein Menselblattausschnitt von 1895 zeigt die Gleisführung zum Straßenbahnhof in der „Flora“. Spannend sind die bereits vorausschauend angelegten Gleisstümpfe in Richtung Marienbrücke. In die Maxstraße zweigt die noch teilweise eingleisige Linie zur Friedrichstraße ab. (Quelle: Archiv DVB, Original wohl Stadtarchiv Dresden)

    https://model2.de/img/11662/menselblattfloraqrce3.jpg



    Rekonstruktionsversuch des Gleisplans, um 1895. Die Schuppengleise sind auf dem Menselblatt leider nicht eingezeichnet. Typisch für die Zeit war die Verwendung einer Schiebebühne als Platzsparmaßnahme. Die Direktion der Deutschen Straßenbahngesellschaft firmierte ab 1890 unter der Adresse des Bahnhofs Ostra-Allee 32, ab 1894/95 findet man sie dann im Nachbargrundstück 30. Offenbar herrschte aufgrund des starken Wachstums der Gesellschaft beizeiten akuter Platzmangel, nicht nur für das Personal, wie wir noch sehen werden.

    https://model2.de/img/11662/strbhffloragleisplan7scg4.jpg



    Einen Pferdebahnwagen auf den Zufahrtsgleisen in der nördlichen Ostra-Allee zeigt dieses Bild aus der Frühzeit der „roten“ Pferdebahn. Noch ist die Ostra-Allee bemerkenswert schmal, wird aber in ihrem weiteren Verlauf bald aufgeweitet werden. Im Vordergrund die Abzweige in den Straßenbahnhof.

    https://model2.de/img/11662/wilsdrvorstadtostraalqyfy7.jpg



    Spätestens ab September 1890 diente der Bahnhof dann seinem eigentlichen Zweck und beherbergte viele kleine rote Pferdebahnwagen. Als erste Linie wurde der Abschnitt Maxstraße – Fürstenplatz der Friedrichstraßen-Linie am 21. September eröffnet, hier die einschlägige Anzeige im „Dresdner Journal“ vom 20. September. Alle Wagen waren zunächst in der „Flora“ beheimatet. (Quelle: SLUB digital, [digital.slub-dresden.de]

    https://model2.de/img/11662/dresdnerjournal200918fgemr.jpg



    Ein typischer „roter“ Wagen auf der Linie Friedrichstraße – Striesen, nach 1890, vermutlich am Endpunkt Striesen. Die kleinen Wägelchen unterschieden sich im Detail, wie Plattformblechen oder der Fensterteilung, hatten jedoch alle fast gleiche Maße. Größere Fahrzeuge und Decksitzwagen wurden auch von der „Roten“ in Folge beschafft, den Grundstock des Fuhrparks bildeten jedoch die kleinen Einspänner. (Quelle: Archiv DVB)

    https://model2.de/img/11662/pfw1event.endpunktstrw6ibd.jpg



    Am 21. September 1890 lieferten die „Dresdner Nachrichten“ einen sehr ausführlichen und euphorischen Bericht über die ersten Inbetriebnahme der Linie. Die Lektüre lohnt, gibt der Artikel doch eine weitere detaillierte Beschreibung der Anlagen in der Ostra-Allee. Über mangelndes Wohlwollen der örtlichen Presse brauchte sich die Deutsche Straßenbahngesellschaft wahrlich nicht beklagen. (Quelle: SLUB digital, [digital.slub-dresden.de]

    https://model2.de/img/11662/dn21091890eroffnungfrefdxq.jpg

  • "Flora" Teil II


    Ein erster fotografischer Blick ins Stadtarchiv. Wir befinden uns unter der um 1895 im alten Bahnviadukt neu geschaffenen breiten Durchfahrt der Magdeburger Straße und blicken in die Ostra-Allee. Links das ehemalige Brückenzoll-Einnehmerhäuschen, mittlerweile von der Königlich-Sächsischen Staats-Eisenbahn als Beamtenwohnhaus genutzt. Rechts daneben die Einfahrtstore des Straßenbahnhofs im ehemaligen „Flora“-Grundstück. (Quelle: Stadtarchiv Dresden, 6.4.40.1 Stadtplanungsamt Bildstelle, Nr. II4073, Fotograf/in unbekannt, um 1898)



    https://model2.de/img/11662/ii4073y0el5.jpg



    Näherer nachkolorierter Blick auf die Einfahrt des Bahnhofs mit abgestellten Einspännern, um 1895. Leider scheinen keinerlei bildliche Belege aus dem Inneren zu existieren. Das zweistöckige Gebäude rechts der Einfahrt dürfte ab 1890 die Direktion der Deutschen Straßenbahn beherbergt haben, bevor sie in die wesentlich geräumigere und im Hintergrund sichtbare (das helle Gebäude) Ostra-Allee 30 umzog.



    https://model2.de/img/11662/wilsdruffervorstadtstiiiry.jpg



    Die neu geschaffene Könneritzstraße nahm auch die ehemalige Straße „Am Viaduct“ auf. Die Engstelle an der Einmündung der Ostra-Allee zeigt sich noch gleislos, links lugt ein abgestellter Pferdebahnwagen aus der Ostra-Allee, der den Gleisstumpf des zukünftigen Streckengleises voll ausgenutzt haben muss.



    https://model2.de/img/11662/wilsdrvorstadtostraalhse4y.jpg



    Rekonstruktion der Straßenansicht.



    https://model2.de/img/11662/strabenbahnhofflorare3ti0j.jpg



    Lange existierte der Bahnhof nicht, das Gelände bot keine Erweiterungsmöglichkeiten. Um die Jahrhundertwende wurde außerdem ein Teil seines Geländes für den Ausbau der Marienbrücke benötigt. Für den elektrischen Betrieb wurde er daher nicht mehr ertüchtigt und zuletzt zur Zwischenlagerung umzubauender Pferdebahnwagen genutzt. Im Geschäftsbericht von 1901 wird er bereits als schnellstmöglich zu veräußerndes Bauland ausgewiesen. (Quelle: Archiv DVB)



    https://model2.de/img/11662/geschaftsbericht1901zzbfm8.jpg



    Die Umgebung des „Flora“-Grundstücks sollte sich wegen des Ausbaus der Verbindungsbahn mit neuer Eisenbahn-Marienbrücke, Straßenausbauten und der weiteren städtebaulichen Entwicklung der nördlichen Wilsdruffer Vorstadt in den folgenden Jahren grundlegend wandeln. Um 1898 war der zukünftige Ostring der Straßenbahn ein wenig nördlich bereits baulich vorbereitet, denn auch hier an der Kreuzung Maxstraße/Könneritzstraße existierte schon ein Gleisstumpf, wie dieses Foto aus dem Fundus des Stadtarchivs beweist. (Quelle: Stadtarchiv Dresden, 6.4.40.1 Stadtplanungsamt Bildstelle, Nr. II4062, Fotograf/in unbekannt, um 1898)


    https://model2.de/img/11662/ii40625sihp.jpg



    Nach Schließung des Bahnhofes wurden die Baulichkeiten sehr schnell entfernt und die Baulichkeiten wenn möglich vermarket. Am 20. August 1901 inserierte die Deutsche Straßenbahn in den „Dresdner Nachrichten“ den ehemaligen Wagenschuppen, über den Verbleib desselben ist leider nichts bekannt. (Quelle: SLUB digital, [digital.slub-dresden.de]



    https://model2.de/img/11662/dresdnernachrichten203ocpb.jpg



    Ende 1901 wurde die ausgebaute Marienbrücke für den Straßenbahnverkehr freigegeben und nun von der „roten“ Rundbahn, der späteren Linie 26, befahren. Die Engstelle an der Einmündung der Ostra-Allee wurde dabei zunächst nur eingleisig angelegt. Das „Flora“-Grundstück zeigt sich beräumt und unbebaut, ebenso musste das alte Brückenzoll-Einnehmerhäuschen der Straßenverbreiterung weichen. Im Hintergrund an der Ecke Devrientstraße sehen wir direkt am Brückenkopf seinen noch heute vorhandenen Nachfolger. Weitere bemerkenswerte Details: An der Einmündung Ostra-Allee erkennen wir das „rote“ Schild der Haltestelle „Marienbrücke, Ecke Ostra-Allee“. Im Hintergrund das mächtige Gebäude des Hoftheater-Kulissenhauses, das uns im nächsten Teil noch näher beschäftigen wird. (Quelle: Stadtarchiv Dresden, 6.4.40.1 Stadtplanungsamt Bildstelle, Nr. XVI12, Fotograf/in unbekannt, um 1900)



    https://model2.de/img/11662/xvi12cximr.jpg



    Der Blick in die Gegenrichtung von der Brücke in die Könneritzstraße zeigt neben dem freien „Flora“-Grundstück die Halle der Eisenbahn-Haltestelle Wettiner Straße und einen Triebwagen der Rundbahn. Erst der Bau der rechts angeschnittenen neuen Eisenbahnbrücke ermöglichte die Fahrbahnverbreiterung der alten Marienbrücke und deren Nutzung für die Straßenbahn. (Quelle: Stadtarchiv Dresden, 6.4.40.1 Stadtplanungsamt Bildstelle, Nr. XVI17, Fotograf/in unbekannt, um 1900)



    https://model2.de/img/11662/xvi173riag.jpg



    Blicken wir noch einmal in die Ostra-Allee. Im Jahre 1908 herrscht reger Straßenbahnverkehr auf den seit 1905 mit geraden Nummern versehenen ex-„roten“ Linien, hier der aus dem Plauenschen Grund kommenden „22“ zum Postplatz und davor einem Zug der Linie 8 Wilder Mann – Bergkeller, der Zwischenlinie zur „6“ nach Räcknitz. Das kleine alte Eckhaus an der Maxstraße wird bald weichen und den Platz für eine weitere Verbreiterung der Ostra-Allee freigeben. (Quelle: Stadtarchiv Dresden, 6.4.40.1 Stadtplanungsamt Bildstelle, Nr. I696, Fotograf/in unbekannt, 1908)



    https://model2.de/img/11662/i696ggimg.jpg



    Zu einer geregelten städtebaulichen Entwicklung des „Flora“-Grundstücks kam es bis zur Zerstörung 1945 nicht. Bald zierten wenig repräsentative Gewerbehallen das Restareal, und die „Automobil-Droschken-Gesellschaft“ zog ein. In den folgenden Jahren bis zur Zerstörung diente das Gelände als Garagenkomplex mit angeschlossenen Dienstleistungen. Reklame um 1910.



    https://model2.de/img/11662/reklame1911rvd1y.jpg



    Luftansicht der nördlichen Wilsdruffer Vorstadt und des Ostrageheges mit dem Brückenkopf der Marienbrücke, 1924. Ein Straßenbahnzug biegt vor dem „Flora“-Grundstück aus der Ostra-Allee in die Könneritzstraße ein. Auf dem Grundstück erkennen wir die Automobilhallen, rechts das nie fertig entwickelte Areal um die heute überbaute Pöppelmannstraße mit der Turnhalle des Allgemeinen Turnvereins. (Quelle: SLUB/Deutsche Fotothek, df_hauptkatalog_0305926, Walter Hahn 09.1924.)



    https://model2.de/img/11662/df_hauptkatalog_03059lbfwq.jpg



    Im Jahre 1937 blicken wir vom Eisenbahnviadukt auf die Einmündung der Ostra-Allee. In der „Flora“ residieren mittlerweile die „Ostra-Garagen“ und eine Mineralölhandlung. Im Hintergrund das Kulissengebäude des Hoftheaters an der Devrientstraße. (Quelle: Stadtarchiv Dresden, 6.4.40.1 Stadtplanungsamt Bildstelle, Nr. I1983, Fotograf/in unbekannt, 1937)



    https://model2.de/img/11662/i19837qfcd.jpg



    Ein weiterer Blick auf das einstige Bahnhofsgelände und die Höfe der Pöppelmannstraße, deren nach der Jahrhundertwende erbauten Wohnhäuser den südlichen Teil des „Flora“-Grundstücks einnehmen. Im Hintergrund gut erkennbar die Ostra-Allee 30, ehemals der dritte Firmensitz der Deutschen Straßenbahngesellschaft, die 1905 von der Stadt übernommen worden war. (Quelle: Stadtarchiv Dresden, 6.4.40.1 Stadtplanungsamt Bildstelle, Nr. I1982, Fotograf/in unbekannt, 1937)



    https://model2.de/img/11662/i1982giioe.jpg



    Damit endet die kurze, aber hochinteressante Geschichte des „Flora“-Grundstücks als Straßenbahnhof. Bereits im zweiten vollständigen Betriebsjahr zeigten sich die Kapazitäten des kleinen Bahnhofs an der Ostra-Allee erschöpft, und die Deutsche Straßenbahngesellschaft musste sich nach Alternativen umschauen. Hierzu und zu einem verkehrstechnischen Kuriosum in unmittelbarer Nähe komme ich im nächsten Beitrag und bedanke mich abschließend für die Veröffentlichungsgenehmigung des Stadtarchivs, ohne die der Beitrag maximal halb so gehaltvoll geworden wäre.


    Schönes Rest-Osterwochenende allerseits!