Halle (Saale) - Altstadt und Zentrum

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    Als Wermutstropfen kann man die meiner Ansicht nach nicht gelungene, schon ältere Aufstockung des Gebäudes rechts im unteren Bild bezeichnen. Immerhin wurde dadurch ein Altbau vor Abriss bewahrt. Kontrovers, aber für mein Empfinden überraschend passend ist dagegen die "neo-kubistische" Erweiterung der Moritzburg in der Bildmitte:


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    In Halle ist vieles herrlich schief, ich liebe das:


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  • Für eine der gar nicht mehr so zahlreichen innerstädtischen Brachflächen hat der Stadtrat am 18.12. einen Vorhabenbezogenen B-Plan beschlossen.

    Satellitenbild: Große Brauhausstraße nach Kleine Brauhausstraße, 06108 Halle (Saale) - Google Maps


    140 Wohn- und 10 Gewerbeeinheiten sind geplant. In einem städtebaulichen Vertrag hat man sich auf 20% geförderten sozialen Wohnraum geeinigt. Eigentümer der Fläche ist Quarterback.


    Der große Sechsgeschosser entlang der Kleinen Brauhausstraße ist im B-Plan wie folgt dargestellt:


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    Der Häuserzeile gegenüber liegen sanierte Plattenbauten. So gesehen wäre obiges wohl ein Fortschritt.


    Die Häuseransichten entlang der Kleinen Brauhausstraße:


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    Dem gegenüber liegen Häuser aus dem 19. Jahrhundert (Spätklassizismus, Historismus, Jugendstil) mit durchgehend rot ziegelgedeckten, traufständigen Schrägdächern.


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    22 Kleine Brauhausstraße - Google Maps


    Entsprechend hätte ich mir in der Straße einen höheren Schrägdach-Anteil mit roter Ziegeleindeckung gewünscht.


    Gestaltete Sockelzonen sind wünschenswert. Teurer Naturstein, wie teils vorgesehen, ist jedoch nicht notwendig. Stattdessen wären dezente Stuckierungen günstiger und passender.


    Die Fensterformate gefallen mir auch nicht so recht. Zu gedrungene, zum liegenden Format neigende Fenster, zu häufige Wiederholung gleicher Formate, zu viele bodentiefe Fenster. Gut ist hingegen die weitgehend achsensymmetrische Anordnung.


    Die kräftige Farbwahl kann die Straße gut vertragen, ohne die Farben würde die Planung ihre ganze Ödnis offenbaren.


    Vom Waisenhausring kommend...

    12 Waisenhausring - Google Maps

    ...ist ein neuer Torzugang geplant (Darstellung rechts)...

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    ... der an der Großen Brauhausstraße eine Baulücke schließt (in der obigen Zeichnung das grüne Haus).

    Baulücke: 5 Große Brauhausstraße - Google Maps


    Ich finde die Planung insgesamt solide. Man wird trotz der Kleinteiligkeit leider erkennen, dass alles in einem Rutsch geplant wurde. Dennoch sind die unterschiedlichen Gebäudehöhen, Farben und Sockelgestaltungen begrüßenswert.


    Quarterback gehört zu den Projektentwicklern, die noch bauen, wenn auch langsam. Ich bin gespannt, was man zu sehen bekommen wird.

  • Im Folgenden Beitrag zeige ich nichts Neues. Jedoch sind im Internet kaum Fotos vom Wappensaal des Stadthauses zu finden.


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    Wappenkunde war nie mein Steckenpferd. Links das sächsische Wappen, rechts das Wappen der Stadt Halle, nicht wahr? Kann dazu jemand etwas ergänzen, z. B. zu den Hämmern und Ähren über dem Sachsenwappen?


    Unten der Blick aus einem Fenster des Stadthauses (also des neuen Rathauses) auf den nun unbebauten Standort des ehemaligen Alten Rathauses, das 1948 dummerweise abgerissen wurde. Es gibt einen Verein, in dem ich Mitglied bin, der sich für den Wiederaufbau einsetzt. Heute bildet die Platzkante der Ratshof, 1928 -1930 als Funktionsbau in zweiter Reihe errichtet. Dieses Gebäude, das zu seiner Bauzeit quasi nicht wahrnehmbar war, bietet einen durchaus würdigen Anblick. Dennoch fehlt das Alte Rathaus, städtebaulich und architektonisch. Kulturhistorisch auch, was sich natürlich nie mehr richtig ersetzen lässt.


    Rechts im Bild (NewYorker) sieht man eine unscheinbare, aber denkmalgeschützte Fassade der 1960er, die das Jugendstil-Kaufhaus Weiss verkleidet. Innen ist noch die repräsentative Treppe vorhanden. Halles Kaufhäuser sind in geradezu unglaublicher Zahl und Qualität gebaut worden und noch vielfach vorhanden.


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    Vergleichsbild, rechts das Stadthaus, aus dem obiges Foto geschossen wurde:


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    Zurück ins Stadthaus mit Blick in den Großen Ratssaal, wo auch die Stadtratssitzungen stattfinden:


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    Die Glasfenster sind eine Zutat nach 1945 vom bemerkenswerten Künstler Charles Crodel, welcher durch Richard Riemerschmidt zur Glasmalerei fand und unter anderem dem Umkreis des Bauhauses zuzuordnen ist. Ich finde die Fenster, auch wenn man den stilistischen Unterschied zum Historismus deutlich erkennt, sensibel entworfen.


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    Mitten über den Marktplatz reicht die "Hallesche Störung". Oft wird ja gewitzelt, dass auch die Bewohner eine solche hätten, aber gemeint ist eine geologische Verwerfung. Dabei stoßen zwei tektonische Platten gegeneinander (man kann das sogar durch eine Glasscheibe, das Geoskop, sehen). Dies führte zur Bildung von Solequellen und damit zum Reichtum durch Salzhandel. Allerdings werden auch Risse wie dieser hier der Verwerfung zugerechnet:


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    Nun ja, ich weiß nicht ob das stimmt und vermute, dass die vielen Straßenbahnen u. ä., was den Marktplatz durchrüttelt, höheren Anteil haben. Jedenfalls ist die Statik akut geschwächt und nach ersten Notsicherungen steht eine grundhafte Sanierung aus.


    Zum Schluss noch eine mies geknipste Außenansicht. Zwischen den Bogenfenstern standen einst vier große Figuren, welche Kaiser Karl den Großen, den Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, König Friedrich Wilhelm I. von Preußen und den deutschen Kaiser Wilhelm I darstellten. In der DDR meinte man, dass der sozialistische Staat bedroht wird, wenn diese vier alten Herren auf den Markt schauen, und da noch nicht genug kaputt war, hackte man die Figuren ab.


    Der Turmhelm fehlt erst seit vorletztem Jahr. Man musste den Dachreiter abnehmen und im Hof abstellen, Grund sind die genannten statischen Probleme. Hier ein Bild, wie es eigentlich aussehen sollte.


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    (eigene Bilder)

    Einmal editiert, zuletzt von Ziegel ()

  • ErHaTse Das ist ja interessant! Demnach wurden die Wappen, die so wirken, als würden sie seit den 1890ern dort prangen, erst in der Frühphase der DDR dort angebracht. Die Symbolik hat mich natürlich auch an die DDR-Zeit erinnert. Dennoch erstaunt mich immer wieder, wie unentschlossen man in dieser Zeit alte Traditionslinien gleichzeitig fortgeführt und zerstört hat. Das zeigt sich dann ja auch an diesem Gebäude exemplarisch.

  • Ich habe auch nicht schlecht geschaut. Halle war von 45-52 Haupstadt der ehemals preußischen Provinz Sachsen (ohne Erfurt, aber mit Anhalt und braunschweigischen Gebieten) bzw. ab 47 des Landes Sachsen-Anhalt. Allerdings tagte der Landtag meines Wissens nicht im Stadthaus, sondern zunächst im Stadtshützenhaus Franckestraße und ab 47 in der umgebauten Artilleriekaserne Merseburger Straße 18. Möglich wäre natürlich, dass die schon 45 eingesetzte Provinzialverwaltung Erhard Hübeners auch im Rathaus zusammengekommen ist und man deshalb den Saal umgestalten ließ.

    Interessant wäre natürlich ein Vergleich mit den vorherigen Ausmalungen der Decke. 1951 sind bekanntlich auch die Fürstenstandbilder am Stadthaus zerstört worden.

  • Heute bildet die Platzkante der Ratshof, 1928 -1930 als Funktionsbau in zweiter Reihe errichtet.

    Das finde ich faszinierend: Vom aktuellen Foto ausgehend, hätte ich geschworen, dass der Turm eine Ergänzung der Nachwendezeit ist. Doppelstöckige Schießschartenfenster, Pyramidendach, Querstreifen als Akzent – wirkt auf mich sehr postmodern. Nun zeigt das historische Bild, das Ding ist über 100 Jahre alt.


    Der Epochenkontrast wirkt ein wenig wie der zwischen Römerbergzeile und Schirn in Frankfurt – aber die Schirn ist wirklich aus den 80ern. Krass...

  • Das finde ich faszinierend: Vom aktuellen Foto ausgehend, hätte ich geschworen, dass der Turm eine Ergänzung der Nachwendezeit ist. Doppelstöckige Schießschartenfenster, Pyramidendach, Querstreifen als Akzent – wirkt auf mich sehr postmodern. Nun zeigt das historische Bild, das Ding ist über 100 Jahre alt.

    Das war zwischen 1910 und 1930 mit architektonischen Stilrichtungen bzw. Bewegungen wie Neuem Bauen (Bauhaus / Neue Sachlichkeit) und dem (m.E. leider kurzen) Expressionismus etc. sogar weit verbreitet. Dass solche Merkmale heute oft mit der Postmoderne assoziiert werden, liegt dann auch daran, dass die Postmoderne sehr eklektizistisch aus allen möglichen früheren Baustilen kombiniert.

  • Bis zum Abriss des Rathauses war die Front des Ratshofes nur aus einer recht schmalen Gasse einsehbar. Für die Fernsicht über den ganzen Markt ist die Fassade mit ihren kleinen Fenstern offensichtlich nicht entworfen worden.

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  • Vergleichsbild, rechts das Stadthaus, aus dem obiges Foto geschossen wurde:

    Der Ratshof ist trotzdem erstaunlich gut gelungen und noch immer ansehbar. Für den ursprünglichen Zweck eines Verwaltungsgebäude, also eines fast unsichtbaren Zweckbaus- hat sich der Architekt Wilhelm Jost grosse Mühe gegeben. Es wurde in den 20er Jahren des vorigen Jahunderts gebaut, die Planungen müssten somit aus der "Vor-Bauhaus-Ära" stammen.

  • die Planungen müssten somit aus der "Vor-Bauhaus-Ära" stammen.

    Dem möchte ich widersprechen (siehe auch #28) :)

    Die Stilbewegung des Neuen Bauens nahm unmittelbar nach dem 1. Weltkrieg deutlich Fahrt auf (z.B. Gründung des Bauhauses 1919), wobei die zugrundeliegenden Prinzipien und Ideen z.T. schon früher entstanden und Anwendung fanden (u.a. bei den berühmten Fagus-Werken). Anklänge des etwa zeitgleich kurz aufgekommenen Expressionismus, dem z.B. die Pyramidenspitze auf dem Ratshof gut zuzuordnen ist, finden sich noch in einigen frühen Vertretern des Bauhauses. Ein ähnliches Gebäude in Halle ist das Kaufhaus Julius Lewin (mit Elementen des Art Déco).

  • Acht Jahre vor den Fagus-Werken, 1903, entstand die Steiff-Fabrikhalle, an der sich die ungerechte Verteilung von Ruhm und Ehre erzählen lässt.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Steiff-Fabrikhalle


    Von den ersten Fabrikhallen zu Bauwerken in Stadtzentren vergingen einige Jahre, aber 1928 war das definitiv nicht mehr ungewöhnlich. In Halle gibt es wirklich sehr viele hervorragende Beispiele des "Neuen Bauens". Das Bauhaus bzw. die Bauhäuser waren nur eines der Zentren dieser Bewegung.


    Am Halleschen Marktplatz wurden Ende der 20er im gleichen Stil noch das Kaufhaus Lewin und Kaufhaus Huth gebaut. Ersteres steht noch, letzteres wurde unverzeihlicherweise in den 1990ern abgerissen und durch einen niveaulosen Neubau ersetzt.


    Einen guten Überblick gibt diese Website:

    https://www.moderne-halle.de/alle-orte-im-ueberblick/


    Im Gegensatz zur Postmoderne, die ich allerdings auch schätze, hat der Ratshof doch eine sehr viel größere Ernsthaftigkeit, ja sogar Pathos in Entwurf und Ausführung. Eine solche Qualität scheint in den letzten Jahrzehnten nahezu unerreichbar geworden, obwohl es einst nur ein Zweckbau in zweiter Reihe war. Allein die Figuren und Ornamentik zur städtebaulich zu betonenden Ecke haben einen künstlerischen Wert, der unserem heutigen Verständnis von moderner Architektur leider abgeht.


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    Bild: Dagmar Kunze, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Halle_Rathaus01.jpg


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    Bild: Paul Muster, https://commons.wikimedia.org/…,_Bergbau_-_panoramio.jpg


    Die Pyramidenspitze am Ratshof ist übrigens eine Rekonstruktion.