Elbtower Baustopp - Diskussionsthread

  • Was der Senat behauptet, ist ein Wiederkaufsrecht nach 19.1.3 wegen wirtschaftlicher Verschlechterung. Nur wird das weder durch den Wortlaut noch die Systematik des Vertrages gestützt.

    Auch 19.1.3 hat eine Schwärzung im Vertrag. Aus dem Capital Artikel, den du hier schon eingbracht hast:


    Bei dem genauen Wortlaut der Klausel in Paragraf 19.1.3 wird man jedoch stutzig. Denn in der notariell beglaubigten Fassung des Kaufvertrags wird – sprachlich etwas rumpelig – als eine Voraussetzung für die Berechtigung zum Rückkauf festgelegt:

    „Eintritt einer Wirtschaftliche Verschlechterung des Käufers (…) innerhalb“ einer bestimmten Frist „nach Fertigstellung“. Um welche Frist es sich dabei genau handelt, ist in der Fassung des Dokuments, die Capital vorliegt, von den Hamburger Behörden geschwärzt worden

    Da ist sogar ein Bild von der entsprechenden Stelle im Artikel.

    Wir wissen halt auch was in 19.1.3 in der Schwärzung steht, durch die kleine Anfrage, welche ich hier auch schon vorher verlinkt habe. Dort steht:

    Gemäß § 19.1.3 ist der Wiederkauf aufgrund einer wirtschaftlichen Verschlechterung

    (wie in § 10.7 des Grundstückskaufvertrags definiert) ab dem Übergang des Eigentums

    des Grundstücks auf die Käuferin bis ein Jahr nach Fertigstellung möglich.


    Es gibt halt mehrere geschwärzte Stellen in dem Vertrag der veröffentlicht wurde. Hätte man als Leser dieses Threads durchaus auch wissen können. Nur flach zu behaupten, dass der Senat lügt, ist nicht hilfreich.

  • Die Antwort des Senats (der Wiederkauf sei bis ein Jahr nach Fertigstellung möglich) ist nach der Formulierung und Formatierung von § 19.1.3 eindeutig keine Wiedergabe des Wortlauts (das Wort "bis" ist im geschwärzten Teil weder sprachlich, noch räumlich unterzubringen).


    Statt dessen handelt es sich um eine – vermutlich von den Anwälten der Stadt formulierte – interessengeleitete und sehr extensive Auslegung des jedenfalls im Hinblick auf § 19.1.3 komplett verunglückten Vertragswerks.


    Neben der "rumpeligen Sprache" fällt auch noch auf, dass die Klausel ursprünglich wohl mehrere alternative Fälle nennen sollte ("...kann die Rückübertragung in den folgenden Fällen verlangen (Sonstige Umstände):), dann aber nur der untergeordnete Gliederungspunkt (a) folgt, aber kein weiterer Punkt (b).


    Auch ist der Bezug auf die "Fertigstellung" unklar, denn diese ist kein definierter Begriff. Statt dessen sind lediglich die Begriffe "Fertigstellung des Rohbaus" (in § 9.3.5) und "Fertigstellung des Bauvorhabens" (in § 9.3.6) definiert. Nur nebenbei sei bemerkt, dass keiner dieser Begriffe in das – auch sonst sehr spärlich dotierte – Definitionsverzeichnis aufgenommen wurde.


    Meine Vermutung auf der Grundlage mehrerer Jahrzehnte beruflicher Befassung mit komplexen Vertragswerken: offenbar fand die Verhandlung unter einigem Zeitdruck statt, was sich leider auf die Qualität der vertraglichen Dokumentation ausgewirkt hat. § 19.1.3 wurde wahrscheinlich häufiger geändert und hat es in einer halbfertigen Form in den finalen Urkundsentwurf geschafft. Dass die offensichtlichen Defizite der Formulierung auch nicht während der notariellen Beurkundung aufgefallen sind, erstaunt dabei, ist aber nicht undenkbar.


    Dass die Stadt angesichts der für sie ungünstigen Formulierung des § 19.1.3 ihr Gesicht retten möchte, ist verständlich. Dafür werden dann eben recht waghalsige Auslegungen bemüht. Angesichts der eingeschränkten Auslegbarkeit einer notariellen Urkunde über den widerspruchsfreien Wortlaut hinaus (wie von Der Kritiker zutreffend bemerkt) dürften diese von einem etwaigen Schiedsgericht zurückhaltend aufgenommen werden. Wie aber ebenfalls an einigen Stellen in diesem Thread zutreffend bemerkt wurde, erscheint es rein wirtschaftlich unwahrscheinlich, dass die Stadt letztlich ihr vermeintliches Wiederkaufsrecht (schieds)gerichtlich durchsetzen wollen wird. Wahrscheinlich möchte man sich nur nicht nachsagen lassen, vermeintliche Rechtspositionen nicht gesichert zu haben.

    2 Mal editiert, zuletzt von Pepper ()

  • Dazu wird hier vertreten, dass der Vertragstext unerheblich sei, weil "die Vertragsparteien" seinerzeit etwas anderes gewollt hätten. Diese Behauptung halte ich für aus der Luft gegriffen, denn es gibt keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte hierfür. Was wir wissen ist lediglich, dass eine (!) Vertragspartei (die Stadt) heute (!) eine andere Auffassung vertritt. Zudem gilt die Vermutung der Vollständigkeit der notariellen Urkunde.

    Das ist nicht richtig. Vielmehr gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass es zu dem Wiederkaufsrecht nach 19.1.3 überhaupt unterschiedliche Sichtweisen der Vertragsparteien gibt. Die Problematik, ob 19.1.3 greift oder nicht, ist vielmehr medial herbeikonstruiert, wenngleich die Stadt dafür natürlich wegen ihrer Intransparenz und unnötig geschwärzten Vertragsversion selbst verantwortlich ist.

    Aber auch die notarielle Beurkundung führt nicht dazu, dass nur noch der Wortlaut der Vertragstextes zur Auslegung herangezogen werden kann.


    Es gibt zudem wenig wirtschaftliche Gründe, das Wiederkaufsrecht der Stadt aus Sicht der SIGNA, bzw. deren Insolvenzverwalter abzulehnen. Denn der Wiederkaufpreis bemisst sich nach 19.2.8 nach dem ursprünglichen Kaufpreis + einer Pauschalentschädigung für die baulichen Anlagen, sofern sich die Stadt in der Lage sieht diese baulichen Anlagen zu verwerten. Diese Regelung ist für SIGNA äußerst günstig.


    offenbar fand die Verhandlung unter einigem Zeitdruck statt, was sich leider auf die Qualität der vertraglichen Dokumentation ausgewirkt hat.

    Das stimmt. Ohne Zweifel handelt es sich bei 19.1.3 um eine äußerst missliche Formulierung, aber eben nur um ein "Redaktionsversehen".

    Sinn und Zweck des Wiederkaufsrechts im Insolvenzfall nach 19.1.3 ist die Sicherung des Baufortschrittes und die Verhinderung eines möglichen Baustillstandes. Dass es sich dabei nur um einen "zahnlosen Tiger" handelt, weil die Stadt niemals selbst in das Bauprojekt einsteigen will, ist nicht entscheidend. Eine Beschränkung des Wiederkaufsrechts im Insolvenzfall auf den Zeitraum nach der Fertigstellung macht schlicht keinen Sinn.


    Damit korrespondiert ebenfalls die systematische Stellung des 10.7 im Abschnitt über die Zusammenarbeit der Vertragsparteien während der Bauphase, der die wirtschaftliche Verschlechterung als Insolvenzfall definiert und auf den in 19.1.3 verwiesen wird.

  • ^ "Aber auch die notarielle Beurkundung führt nicht dazu, dass nur noch der Wortlaut der Vertragstextes zur Auslegung herangezogen werden kann."


    Verhandlungsprotokolle, Mitschriften, Notizen, E-Mails werden hinzugezogen damit sich feststellen lässt, was gemeint ist.


    Kann dann weg.

  • In der Veranstaltung saßen überwiegend keine wirklichen 'Experten' und die Zahl 2028 stammt nur daher dass jemand am Ende in die Runde fragt: 'Na was glaubt ihr denn wann der Tower fertig wird?'.


    Das Abendblatt hat die Jahreszahl nur in die Überschrift getan um dein Interesse zu wecken. Mann hätte auch genauso gut eine Zahl auswürfeln können.

  • Eine Beschränkung des Wiederkaufsrechts im Insolvenzfall auf den Zeitraum nach der Fertigstellung macht schlicht keinen Sinn.

    Diese Auslegung ist keinesfalls zwingend, da ja bis zur Fertigstellung das Wiederkaufsrecht in 19.1.1 geregelt ist.


    Es ist möglich, dass die Stadt unter Zeitdruck gehandelt hat. Denkbar ist auch, dass ihre Vertreter inkompetent waren, falsch beraten wurden oder sich über den Tisch ziehen ließen. Nur ist all das für die Auslegung nicht relevant.


    Genauso wenig kann man aus der Tatsache, dass der Insolvenzverwalter dem Wiederkaufsrecht bisher öffentlich nicht entgegengetreten ist, den Schluss ziehen, dass er einer entsprechenden Auslegung durch die Stadt zustimmt. Er hat auch keinerlei eigene Erkenntnisse zu den damaligen Verhandlungen. Sein Auftrag ist allein die bestmögliche Verwertung.

  • Diese Auslegung ist keinesfalls zwingend, da ja bis zur Fertigstellung das Wiederkaufsrecht in 19.1.1 geregelt ist.

    Zwingend ist in der juristischen Auslegung schon mal gar nichts, weil der Erklärungsgehalt der Rechtsquelle ja gerade untersucht werden soll.


    Vertragliche Einzelregelungen sollten allerdings nicht ins Leere laufen und im systematischen und sinnhaften Kontext des gesamten Vertrags gesehen werden. Der Kaufvertrag spricht schon in der Präambel an, dass sich sein Inhalt nicht nur auf den reinen Verkauf des Grundstückes begrenzen lässt, sondern er vielmehr die Grundlage für eine architektonisch hochwertige und gesicherte Realisierung des Elbtowers bieten soll. In diesem Zusammenhang sehe ich keinen Grund, das Wiederkaufsrecht im Insolvenzfall nicht als Sicherungsinstrument für den Baufortschritt auszugestalten und sich stattdessen auf einen Zeitraum zu beschränken, in dem das Projekt bereits fertiggestellt ist.


    Sein Auftrag ist allein die bestmögliche Verwertung.

    Richtig! Und welchen wirtschaftlichen Grund siehst du, sich den damaligen Kaufpreis + Pauschalentschädigung durch die Lappen gehen zu lassen? Ich sehe keinen.

  • Und welchen wirtschaftlichen Grund siehst du, sich den damaligen Kaufpreis + Pauschalentschädigung durch die Lappen gehen zu lassen?

    Das ist wohl ein Missverständnis. Der Insolvenzverwalter betreibt die bestmögliche Verwertung im Interesse der Gläubiger der Hamburg, Elbtower Immobilien GmbH & Co. KG. Er nimmt nicht die Interessen der Stadt wahr. Sofern ein Wiederkauf durch die Stadt sich aus seiner Sicht als ungünstig erweist (z.B. weil ein besseres Drittangebot vorliegt), wird er den Bestand des Rechts prüfen. Und dabei hat er dann gute Argumente, dem Wuederkauf zu widersprechen.

  • Wir drehen uns im Kreis. Das Missverständnis liegt leider bei dir. Die Ablehnung des Wiederkaufrechts im Insolvenzfall wäre ja nur wirtschaftlich ungünstig, wenn andere Investoren bereit wären einen wesentlich höheren Kaufpreis zu bezahlen als den im Vertrag vorgesehenen Wiederkaufspreis. Das halte ich angesichts der katastrophalen Rahmenbedingen des Projekts (erst gestern kam die Meldung, dass wohl erneut ein Großmieter abgesprungen sei Hamburg Elbtower: Und der nächste Großmieter hat gekündigt (t-online.de)) für unwahrscheinlich, insbesondere, weil auch potentiellen Bietern diese Wiederkaufspreissumme bekannt sein sollte.

  • Es gibt neben der absoluten Zahl der Drittangebote noch weitere wichtige Aspekt, z.B. die Mitwirkungsbereitschaft der Grundpfandrechtsgläubiger. Auch in Aussicht gestellte Möglichkeiten zur Planänderung könnten Einfluss auf den Preis haben.


    Im Übrigen teile ich die oben von Pepper geäußerte Auffassung, wonach die Stadt kein wirkliches Interesse haben kann, ein (vermeintliches) Wiederkaifsrecht auszüben.

  • Elbphilharmonie das sind keine 10% der Büroflächen und ca 5% der Gesamtfläche. Angesichts der Situation seit Oktober verständlich dass Mieter abspringen, ich glaube das ist auch jedem potenziellen Investor klar.

  • Wie der NDR berichtet, muss der Insolvenzverwalter bis Januar Investoren finden, sonst falle das Grundstück und der Gebäudestumpf an die Stadt.

    SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf sagte, dass in Zukunft auch ein Abriss möglich sein könnte, denn ein Stumpf als Mahnmal solle auf keinen Fall stehen bleiben. Die Stadt Hamburg wird demnach kein Steuergeld aufwenden, um den Elbtower fertig zu bauen.

    Hier die ganze Meldung:


    https://www.ndr.de/nachrichten…m-Abriss,elbtower304.html

  • Der Senat wird, sofern kein Wunder geschieht, den "kurzen Olaf" also platt machen. Damit ist auch klar, wo die Prioritäten der Stadtregierung liegen: negative Erinnerungen an den vorletzten Ersten Bürgermeister auslöschen. Bitteres Ende des einst von Henning Voscherau gestarteten Stadterneuerungsprojekts namens "Hafencity".

  • Ich glaube dass das mehr ne Art Drohung oder Warnung auch ist. Damit der Verkauf schnell abgewickelt wird.


    Die Stadt kann es sich nicht leisten den halbfertigen Turm zu bekommen, aber auch nicht ihn platt zu machen. Beides wäre extrem negative Presse.


    Das klügste wäre es, alles daran zu setzen, dass das Teil schnell unter die Haube kommt. Und die Stadt fährt nun die Schienen die sie kann um Druck zu machen

  • Bitteres Ende des einst von Henning Voscherau gestarteten Stadterneuerungsprojekts namens "Hafencity".

    Volkwin Margs Skizze beinhaltete jedenfalls keinen 250 m Turm.


    Abriss und Neubeplanung des Grundstücks als Ende des Schreckens wäre sicherlich die sinnvollste Lösung.

  • ^^ Vielleicht nicht ganz so schlau wenn man blind auf das Getoese von Lokalpolitikern zwei Wochen vor der Bezirkswahl in Hamburg anspringt. Ich habe ja schon mehrmals hier gesagt was die Stadt erstmal dringend machen sollte:


    Nichts!


    Einfach mal abwarten bis alle wieder durch die Nasen atmen...

  • Das wäre wirklich eine Bankrotterklärung für den Wirtschaftsstandort Hamburg, in beinahe allerlei Hinsicht, wenn das Gebäude wieder abgerissen wird und man so das Signal sendet, dass es in Hamburg nichtmal möglich ist, einen normalen Wolkenkratzer zu bauen. Spätestens dann verliere ich allen Glauben an Hamburg und stimme den Kritikern zu, dass Hamburg eine zu groß geratene, durchschnittliche größere Stadt ist. Passt auch zur Mentalität der meisten "gegen alles/brauchen wir hier nicht-Bürger" hier.

  • was zum henker hat der wirtschaftsstandort hamburg mit dem bau eines privaten invastors zu tun? nichts.

    es ist kein projekt der öffentlichen hand. ganz einfach.



    Bitte keine sinnlosen Vollzitate des vorstehenden Beitrags. Der Bezug versteht sich von selbst.

  • Das wäre wirklich eine Bankrotterklärung für den Wirtschaftsstandort Hamburg

    Bankrott vielleicht nicht, aber ich stimme dir insofern zu, dass das ein Armutszeugnis wäre. Wenn es das nicht ohnehin schon ist