Es existieren ja weltweit nicht viele Objekte des New Urbanism. Da ich sehr häufig in Schweden unterwegs bin, habe ich mich nun einer solchen Mustersiedlung angenommen und mir Gedanken dazu gemacht. Ich spreche von Jakriborg in der Nähe von Malmö. Mit seinen verwinkelten Gassen, den bunten, meist giebelständigen Häusern und einer Stadtmauer mit Wehrgang wirkt sie auf den ersten Blick wie ein Städtchen mit mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Wurzeln. Doch der Eindruck täuscht. Spätestens, wenn man bemerkt, dass die Stadtmauer als Schallschutz für die Bahnlinie fungiert und der Ort in alle Himmelsrichtungen unvermittelt abgeschnitten wird, realisiert man, dass wir hier in keinem historischen Städtchen stehen.
Bei dem Projekt geht es darum, der Zersiedlung der Landschaft mit immer weiter ausladenden Wohnsiedlungen rund um urbane Zentren andere Siedlungskonzepte entgegenzusetzen. Im Mittelpunkt stehen dabei kurze Wege für die alltäglichen Aktivitäten und ausgeprägte nachbarschaftliche Beziehungen. Das beinhaltete explizit auch eine Mischnutzung der Siedlungen, die der strikten Funktionstrennung moderner Städte entgegensteht. Fahrrad und Fußgänger stehen bei der Konzeption der Verkehrswege im Fokus. Der Bewegung des New Urbanism geht es letztlich um neue Formen des Zusammenlebens, also um einen soziologischen Ansatz.
Überzeugt hat mich die konkrete Ausführung nicht wirklich. Mein Schluss: In einem Umfeld, in dem ganze Ortschaften dieser Art auf grüner Wiese aus dem Boden gestampft werden, verkommen historische Architektur und ihre wertvolle Bausubstanz zur Beliebigkeit von Abziehbildern. Das Original wird spätestens dann entwertet, wenn solche Ideen zu Tausenden umgesetzt werden, bis unser kulturelles Erbe in der schieren Masse untergeht. Pseudomittelalterliche Stadtmauern mit Wehrgang sollten kein Synonym für gelungene Stadtbaukonzepte im 21. Jahrhundert darstellen. Zielführender wäre es, Altstädte, die durch Krieg und den Irrweg der autogerechten Stadt verunstaltet wurden, lebenswerter zu gestalten. Das kann man auch durch wissenschaftlich begleitete Rekonstruktionen und sensible historische Anlehnungen bzw. Ergänzungen erreichen, die aber als solche erkennbar bleiben. Ich möchte Jakriborg daher besser als experimentellen Weg, nicht als Vorbild für zukünftige städtebauliche Konzepte betrachten.
Abbildungen und meine vollständige Architekturkritik finden sich unter folgendem Link: https://www.zeilenabstand.net/…beitrag-zum-new-urbanism/
Was wären eure Gedanken dazu?