Der Abriss der FAZ-Gebäude beiderseits der Hellerhofstraße für das Neubauvorhaben „Hellerhöfe“ ist Anlass, einen Blick zurückzuwerfen.
Im September 1982 beschlossen die Stadtverordneten die Durchführung einer Vorbereitenden Untersuchung für den Erlass einer Sanierungssatzung nach § 136 BBauG. Das Untersuchungsgebiet umfasste den Baublock Frankenallee, Hellerhofstraße, Mainzer Landstraße und Günderodestraße, allerdings wurde dieser Beschluss erst zwei Jahre später, im September 1984 öffentlich bekannt gemacht.
Das Städtebaurecht bestimmt, dass Sanierungsmaßnahmen der Behebung städtebaulicher Mißstände dienen sollen. „Diese liegen vor, wenn ein Gebiet nach seiner vorhandenen Bebauung oder nach seiner sonstigen Beschaffenheit den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse oder an die Sicherheit der in ihm wohnenden oder arbeitenden Menschen nicht entspricht oder das Gebiet in der Erfüllung der Aufgaben erheblich beeinträchtigt ist, die ihm nach Lage und Funktion obliegen.
Weitere zwei Jahre später, am 18.9.1986 wurde für das untersuchte Gebiet eine Sanierungssatzung beschlossen.
Ob und ggf. welche städtebaulichen Mißstände die Untersuchung festgestellt hat, wissen wir nicht, aber im Grunde unterschied sich die städtebauliche Situation dort faktisch nicht von der Situation im Gallus im Allgemeinen, mit Sicherheit gab es im Gallus Bereiche, die eine Sanierung nötiger gehabt hätten und wo ein öffentliches Interesse ohne Schwierigkeiten formuliert werden konnte. Das einzig Auffällige war, dass zwei Häuser in der Günderodestraße zimmerweise an eine große Zahl von spanischen und portugiesischen Arbeitsmigranten vermietet waren; das hätte mit den Mitteln des Bauordnungsrechts bewältigt werden können. Warum also ein Sanierungsgebiet dort und ausgerechnet zu dieser Zeit?
Um diesen Vorgang einordnen und bewerten zu können, muss man auf die frühen 80er Jahre zurückschauen.
Mit dem 3. Rundfunk-Urteil vom 16. Juni 1981 (dem so genannten FRAG-Urteil) ebnete das Bundesverfassungsgericht den Weg für den privaten Rundfunk. Die Länder passten daraufhin ihre Landesmediengesetze der neuen Rechtslage an und sofort nach der Wahl von Helmut Kohl zum Bundeskanzler, dem die Ermöglichung des Privatfernsehens eine Herzensangelegenheit war, begann die Deutsche Bundespost unter dem Postminister Schwarz-Schilling im Jahr 1982 mit dem Ausbau der Breitbandverkabelung.
Am 1. Januar 1984 um 9:58 Uhr startete in Ludwigshafen am Rhein die Firma PKS des Medienunternehmers Leo Kirch (Programmgesellschaft für Kabel- und Satellitenfunk, Anfang 1985 in Sat1 umbenannt) im Kabelpilotprojekt Ludwigshafen das duale Rundfunksystem in Deutschland; Einzugsgebiet war die Vorderpfalz von Ludwigshafen bis Edenkoben; andere Pilotprojekte waren in München und Hamburg. Mit der PKS/Sat1 hatte die FAZ eine Kooperation mit ihrem neu geschaffenen Ressort Tele-F.A.Z./Stadtfernsehen vereinbart, ob sie an der PKS auch finanziell beteiligt war, wissen wir nicht, auf jeden Fall zeichnete die Tele-F.A.Z. für die Nachrichtenabteilung verantwortlich. 1990 tat sich die FAZ mit RTL zusammen und produzierte für deren hessisches Regionalmagazin den „Hessen-Report“. Außerdem bespielte die Tele-F.A.Z. Infoscreens im Frankfurter Stadtgebiet, an Haltestellen usw., und produzierte sog. Hotelfernsehen.
Kurzum: die FAZ hatte große Pläne, u.a. war in Frankfurt die Etablierung eines Sendezentrums geplant. Schon ein Jahr nach dem Start des Stadtfernsehens, im Januar 1985, berichtete die FAZ – quasi in eigener Sache –, der Magistrat habe ihre Pläne gebilligt, an der Frankenallee, Ecke Hellerhofstraße ein 7-geschossiges Bürogebäude für 450 Beschäftigte zu bauen. All dass hatten sich die Eigentümer der FAZ natürlich nicht über Nacht ausgedacht, der Einstieg ins Privatfernsehen war ebenso lange vorher eingefädelt worden wie die baulichen Erweiterungspläne, die vermutlich intern schon länger mit dem Magistrat besprochen worden waren. Die FAZ schrieb, die Verhandlungen mit der Stadt hätten sich länger hingezogen, aber weniger wegen der Erweiterung an sich, sondern wegen der schrägen Brücke über die Hellerhofstraße, welche die Stadt eigentlich habe vermeiden wollen.
Der vom Frankfurter Architekten Arthur Conrad Walter entworfene FAZ-Erweiterungsbau wurde 1988 bezogen. Aus der Vogelperspektive sah der Neubau irgendwie unvollständig aus, vielleicht wie ein erster Bauabschnitt; die Ergänzung der Rundung zur Günderodestraße hin, quasi zu einem Halbkreis um den Innenhof herum, erschien naheliegend, aber für eine solche Komplettierung bräuchte die FAZ den westlichen Blockrand entlang der Günderodestraße; ein Grundstück dort hatte sie schon, es diente ihr als Zufahrt zur Tiefgarage
© Stadtvermessungsamt Frankfurt am Main, Schrägluftbilder 2022
Nach dem 2. Weltkrieg hatte sich die Societäts-Druckerei in der Frankenallee 71 in dem 1905/06 von der Gummiwarenfabrik Louis Peter AG gebauten Industriegebäude eingerichtet und ihren gesamten Betrieb aus dem schwer beschädigten Stammsitz in der Gr. Eschenheimer Straße ins Gallus verlegt. Die Societäts-Druckerei gehörte merheitlich der Imprimatur GmbH, einer 1900 von den Gebrüdern Rudolf und Hermann Ullstein gegründeten Firma, deren wichtigste Beteiligung die Frankfurter Societäts-Druckerei war, der wiederum die von Leopold Sonnemann gegründete Frankfurter Zeitung gehörte. Im Zuge der vollständigen Übernahme aller Geschäftsanteile der Societäts-Druckerei wurde 1930 aus der GmbH die Imprimatur Stiftung.
Die 1949 gegründete und seit dem 1.11.1949 erscheinende Frankfurter Allgemeine Zeitung, welche nicht die Nachfolge der Frankfurter Zeitung ist, sondern eine eigenständige Neugründung, gehörte einer GmbH gleichen Namens, deren Geschäftsanteile mehrheitlich der Allgemeinen Verlagsgesellschaft mbH gehörten. 1958 beteiligte sich die Frankfurter Societäts-Druckerei mit 26,3% der Geschäftsanteile an der Allgemeinen Verlagsgesellschaft mbH. Seit dem 1.10.1959 wurde auch die FAZ von der Societäts-Druckerei gedruckt.
Ebenfalls im Jahr 1959 wurde die Allgemeine Verlagsgesellschaft in die FAZIT-Stiftung Gemeinnützige Verlagsgesellschaft mbH umgewandelt, die 1989 mit der Imprimatur-Stiftung fusionierte und als FAZIT-Stiftung fortgeführt wird.
In den 1950er Jahren arrondierte die Societäts-Druckerei ihren Grundbesitz an der Hellerhof- und Mainzer Landstraße und errichtete um 1960 eine neue Druckerei und das Hochhaus Hellerhofstraße 2-4, wohin 1961/62 die FAZ ihre Redaktions- und Verlagsräume verlegte, die sich bis dahin in dem großen Geschäftshaus Börsenstraße 2-4 befunden hatten.
Luftbild 1959, gemeinfrei
Als die FAZ begann, über einen Einstieg in den Privatrundfunk und die dafür notwendigen baulichen Erweiterungen nachzudenken, gab es an der Frankenallee, zwischen Hellerhof und Günderodestraße noch drei Wohngebäude (95-99), in der Günderodestraße waren noch drei von neun vormaligen Wohnhäusern bewohnt, die übrigen waren Bürobauten gewichen oder standen leer, ein Bauplatz war nicht wieder aufgebaut oder nach dem Krieg abgerissen worden. Der Bauplatz für den Erweiterungsbau selbst, war schon freigelegt. Warum also ausgerechnet dort ein Sanierungsgebiet?
wird fortgesetzt