Eine Stadt in einer Stadt
Die Hamburger Speicherstadt ist als Weltkulturerbe in vielerlei Hinsicht einzigartig. Der kilometerlange Baukomplex entstand zwischen 1885 und 1927 in drei Bauabschnitten an der Elbe auf den Brookinseln. Letztere sind künstlich aus der Landmasse des Großen Grasbrooks am Südrand der Hamburger Altstadt durch die Anlage eines Netzes aus Fleeten und Wallgräben gebildet worden. Für die Realisierung und Verwaltung wurde die Hamburger Freihafen-Lagerhaus-Gesellschaft (HFLG) gegründet.
Die besondere Stellung der Speicherstadt resultiert dabei aus mehreren Elementen. Zum einen ist dies der Standort an der Stelle eines dicht bebauten Altstadtquartiers. Zum anderen ist es die Konzentration der Lagerhäuser abseits der Seeschiffshäfen und Kais. Die Kanäle der Speicherstadt waren nur für Binnenschiffe – vor allem die Schuten – geeignet. Die Speicherstadt wirkte und wirkt auch heute noch mit ihrer Geschlossenheit, ihrer Turm- und Giebellandschaft und der Erschließung über zahlreiche Brücken mit Torhäusern wie eine Stadt in einer Stadt.
Umgeschlagen und gelagert wurde vor allem Kaffee. Im Jahre 1900 gingen 38 % der europäischen Kaffeeimporte über den Hamburger Hafen. Aber auch andere Güter aus dem Fernhandel wie Kakao, Tee, Gewürze und Südfrüchte wurden in der Speicherstadt gelagert.
Vorgeschichte: der Zollanschlussvertrag von 1881
Aber wie ist es zu diesem einzigartigen Bauprojekt gekommen? Dafür müssen wir einige Jahre zurückblicken. Im Zuge der 1871 vollendeten Reichsgründung unter der Regie von Bismarck kam es bereits 1867 zur Gründung des Norddeutschen Bundes unter der Leitung Preußens. Dadurch musste auch der seit 1834 existente Deutsche Zollverein neu strukturiert werden. Lübeck und Hamburg blieben allerdings zunächst Inseln im Zollvereinsgebiet. Während Lübeck sich diesem zeitnah anschloss, beharrte die Stadt Hamburg auf ihrem Sonderstatus, weil der dortige Hafen im besonderen Maße vom Fernhandel profitierte.
Der lange schwelende Konflikt wurde schließlich 1881 mit dem Zollanschlussvertrag aufgelöst. Vereinbart war darin die Einbeziehung Hamburgs ins Zollvereinsgebiet zum Jahre 1888. Hamburg konnte dabei wichtige Zugeständnisse für sich geltend machen. Darunter fiel auch die Schaffung eines Freihafens, der außerhalb des Zollgebiets lag. Auf die dort umgeschlagenen Güter musste also kein Zoll entrichtet werden, solange sie den Freihafen nicht ins Reichsgebiet verließen. Das wiederum machte es erforderlich, dass die im ganzen Stadtgebiet verstreuten Lagerhäuser innerhalb eines Areals im Freihafen gebündelt werden. Der Plan der Speicherstadt entstand.
Umstritten war auch der Standort des Viertels. Die Lage auf den Brookinseln am Nordufer der Elbe beinhaltete den Vorteil der kurzen Wege zur Altstadt und den dortigen Kontorhäusern. Dafür musste aber ein ganzes Altstadtquartier mit einem Baubestand aus dem 17. und 18. Jahrhundert beseitigt werden und die dort lebende Bevölkerung – letztlich rund 25.000 Menschen – umgesiedelt werden. Bei der Bebauung handelte es sich vor allem um Fachwerkbauten, aber durchaus auch repräsentative barocke Bürgerhäuser aus Stein. In den Jahren ab 1883 verschwand somit ein geschlossenes historisches Gängeviertel Hamburgs mit seinen typischen Wohnhöfen.
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Galerie:
Blick über die Wandrahmsbrücke in den Dovenfleet – das Fleet und die komplette Bebauung mussten für den Bau des Zollkanals weichen
Frühneuzeitliche Fachwerkbauten am Kehrwieder kurz vor ihrem Abriss 1883
Jungfernbrücke mit Torturm am Zollkanal am Zufluss des Kleinen Fleets, dahinter die Speicherblöcke P, Q und H, im Hintergrund Block O mit dem ersten Verwaltungsgebäude der HFLG
Blick in das Kehrwiederfleet mit Schuten – die hier sichtbaren Blöcke A bis C sowie J und K sind Kriegsverluste
Wandrahmsfleet mit Speicherblock H im Hintergrund
Das zweite Verwaltungsgebäude der HFLG, rechts anschließend der Speicherblock U
Gebäude des Kranwärters (als Wasserschloss bezeichnet) am Zusammenfluss von St. Annenfleet und Wandrahmsfleet
Erstes Verwaltungsgebäude der HFLG als Kopfbau des Blocks O
Bildrechte: Bild 6 und 8 sind von mir erstellt, die übrigen Aufnahmen sind gemeinfrei.