Abb.: Bauzeichnung, Eigenbesitz, verfremdet
Hochhaus Süd (AEG-Hochhaus, 1949-1999) -Teil I -
Am 1. August 1949, vor 73 Jahren, begann der Bau des Hochhauses Süd am Theodor-Stern-Kai. Nach dem Mouson-Turm (1923-1926, 33m), dem IG-Farben-Haus (1928-1931, 35 m) und dem Gewerkschaftshaus (1931, 31 m) war es das vierte Frankfurter Hochhaus – später bekannt als AEG-Hochhaus, das erste in der Kategorie „ü40“.
Keine 30 Jahre vor Baubeginn war der Bauplatz noch Teil des ehemaligen Kohlehafens. Genau gegenüber dem Westhafen erstreckte sich ab den 1880er Jahren auf einer Breite von ca. 100 m zwischen Main-Neckar-Brücke und Wilhelmsbrücke (heute Friedensbrücke) der sog. Kohlehafen. Das waren anderthalb Dutzend hochwasserfreie, an einer 6,00 m hohen Kaimauer gelegene Lagerplätze für Kohle und ein Petroleum-Lager direkt am Bahndamm. Auf der Landseite lagen Eisenbahngleise, die über einen Gleisbogen an den Südbahnhof angebunden waren. Die heute vor der hohen Kaimauer verlaufende Uferpromenade wurde erst Anfang der 2000er Jahre gebaut, bis dahin endete die Sachsenhäuser Uferpromenade östlich der Friedensbrücke.
© Stadtvermessungsamt Frankfurt am Main 2021, Ravensteinplan von 1895
Gravierende städtebauliche Veränderungen im Osten der Stadt führten zur Aufgabe des Kohlehafens. Die wachsende Stadt brauchte u.a. größere Lagerflächen für Kohle und Öl, die im Osthafen entstanden sind. Hinzu kamen Neubau und Verlegung des Ostbahnhofs an den Danziger Platz; die bis dahin am Hanauer Bahnhof, einem kleinen Kopfbahnhof an der Hanauer Landstraße, endenden Züge von der nordmainischen Bahnstrecke wurden ab 1912 über den neuen Ostbahnhof, die neue Deutschherrnbrücke und den Südbahnhof zum Hauptbahnhof durchgebunden. Vor diesem Hintergrund hat die Hessische Ludwigsbahn den Gleisanschluss des Kohlehafens zum Ende des Jahres 1912 gekündigt. Der Gleisbogen von der hochgelegenen Main-Neckar-Bahn hinunter zum Kohlehafen wurde abgebaut; ein Teil des ehemaligen Zufahrtgleises vom Südbahnhof zum Kohlehafen existiert noch, es endet an einem Prellbock nahe bei der Kennedyallee.
© Stadtvermessungsamt Frankfurt am Main, Stand 10.2022,© Hessische Verwaltung für Bodenmanagement und Geoinformation, mit eigener Bildmotage
Der westliche Teil des Kohlehafens einschließlich des Petroleumlagers wurde unmittelbar nach dem 1. Weltkrieg für die Erweiterung des Städtischen Krankenhauses und die Gebäude der 1914 gegründeten Universitätsklinik verwendet, die östlich davon gelegenen Flächen sollten anscheinend Wohngebiet werden. 1920 wurden die restlichen Kohlenlagerplätze „für Villen und bessere Wohnhäuser“ zum Kauf angeboten. Dahinter stand wahrscheinlich der Plan, das Wohngebiet beiderseits der Gartenstraße über die Stresemannallee hinaus nach Westen zu erweitern, allerdings wurde dies nicht konsequent umgesetzt.
Abb.: Adressbuch von Frankfurt am Main, Jahrgang 1920
Die Baugebietspläne, wir würden heute sagen: Flächennutzungspläne, der Staffel- und Zonenbauordnungen von 1891 und 1910/12 wiesen den Kohlehafen als „Fabrikviertel“ aus, für eine Wohnbebauung musste die Fläche umgewidmet werden. Im Hinblick auf die Eingemeindung von Höchst und Fechenheim im Jahr 1928 wurde der Baugebietsplan allerdings erst 1931/1934 fortgeschrieben. Die Flächen des Kohlehafens wurden darin als „Baugebiet A“ eingezeichnet; Baugebiet A umfasste alle bereits bestehenden Siedlungsflächen, Baugebiet B waren bislang unbesiedelte Flächen. Die Grundstücke sollten zu 40% der Grundfläche 3-geschossig bebaut werden mit einer GFZ von 1,2 - eine typische Wohngebietsbebauung. Die Bauweise (Einzelhäuser, Hausgruppen oder geschlossener Blockrand), Bautiefe und Baufluchtlinien hätten in parzellenscharfen Aufbauplänen geregelt werden sollen, die aber nicht erlassen wurden.
Baugebietsplan von 1910/12, gemeinfrei
Baugebietsplan von 1931/34, ISG, Sig. S8-2_252
Stattdessen wurde 1928 eine Teilfläche von rd. 6.000 m² an die Allgemeine Ortskrankenkasse zum Bau eines Verwaltungsgebäudes verkauft. Das AOK-Gebäude war 4-geschossig und überbaute die Grundstücksfläche nahezu vollständig, wodurch der östliche Bereich des ehem. Kohlehafens entgegen dem Baugebietsplan defacto zu einem Mischgebiet entwickelt wurde; an sich kein Problem, weil die Bauordnung Ausnahmen zuließ und ein Aufbauplan, wir würden heute sagen ein qualifizierter Bebauungsplan, noch nicht existierte.
Bild: ISG, Luftbild von 1933, S7a-272
(wird fortgesetzt)