Großsiedlungen in Ost und West: Unterschiede und Gemeinsamkeiten

  • Großsiedlungen in Berlin

    Hi!
    Ich habe hier im Forum noch keinen Thread über die allgemeine Situation, Geschichte und Planung von Großraumsiedlungen in Berlin finden können. Deshalb fange ich hier mal an, denn ich habe einige Fragen:


    Ich habe vor einiger Zeit mal gelesen, dass die Plattenbausiedlung Hohenschönhausen zu DDR-Zeiten eigentlich noch erweitert werden sollte. Es sollte z.B. noch ein Rathaus errichtet werden, sowie viele weitere Wohnblöcke und öffentliche Einrichtungen. Die S-Bahn sollte noch weiter in Richtung Norden ausgebaut werden. Jedoch ist es nahezu vollständig im Planungsstadium dieser Erweiterung geblieben. Bei GoogleEarth aber erkennt man aber, wenn man die Gleise der S75 hinter Wartenberg weiterverfolgt einige ungenutzte Brückenbauwerke, die für die weitere S75 errichten worden sind. Meine Frage ist jetzt nun, ob ihr wisst, wo man etwaige Pläne dieser Siedlung, die nicht errichtet worden ist, einsehen kann. Das würde mich nämlich sehr interessieren. Ich habe zwar schonmal den Bezirk kontaktiert. Allerdings gab es keine Regung vom Rathaus Lichtenberg.


    Und war nichtmal eine weitere Großraumsiedlung in Karow nach der Wende geplant?



    Danke im Voraus!:)

  • Die S-Bahn sollte tatsächlich weiter ausgebaut werden, und zwar vom heutigen Endbahnhof Wartenberg Richtung Norden bis zu einer Station Sellheimbrücke (etwa 1 km südlich des Karower Kreuzes). Vorarbeiten wurden auch erledigt und sind sowohl in Google Earth als auch vor Ort zu sehen, genau wie du es beschreibst.


    Soviel ich weiß, wurde diese Planung auch heute noch nicht völlig zu den Akten gelegt, eine Verknüpfung am Karower Kreuz mit der Bahnlinie Richtung Buch/Bernau ist zumindest angedacht. Konkrete Termine gibt es aber nicht.


    Darüberhinaus waren zu DDR-Zeiten Wohnsiedlungen nördlich des Karower Kreuzes geplant, entlang der Bahnlinie Richtung Schönfließ (Berliner Außenring), wo heute die S8 fährt. Zwei Bahnsteige wurden damals bereits im Rohbau fertiggestellt und sind ebenfalls deutlich zu sehen. Der erste gleich nördlich der Bucher Straße, der zweite gleich nordwestlich der Autobahnbrücke der A114 (hätte, glaub ich, "Arkenberge" geheißen).


    Konkrete Links zu dem Thema kann ich dir so auf die Schnelle leider auch nicht nennen, mit fleißigem Googeln müsste sich aber sicher was finden lassen.


    Nach der Wende gab es tatsächlich Planungen für größere Wohngebiete im Bereich Karow, Großsiedlungen im klassischen Sinne waren meines Wissens aber nicht geplant. In abgespeckter Weise ist ja auch einiges verwirklicht worden, nämlich die Siedlungen östlich der Straße Alt-Karow bis zum Autobahnring A10 (Archillesstr., Pfannschmidtstr. usw.). Das sind aber eher "moderne, familienfreundliche" Siedlungen mit Reihenhäusern und viel Grün.


    Deren Bewohner warten übrigens immer noch auf einen geplanten S-Bahnhof Karow-Nord, (oder Buch-Süd), der ungefähr an der Kreuzung der Bahnlinie Richtung Buch mit der A10 entstehen soll.

  • Danke, für dein Posting! Es enthält wirklich sehr interessante Informationen. Googeln habe ich auch schon öfters versucht. Aber ich habe leider keine wirklich verwertbaren Infos finden können. Lediglich diese, die ich oben erwähnte. Vielleicht werde ich nochmal das Bezirksamt kontaktieren.


    Was ich mir in solchen Plattenbausiedlung vorstellen könnte, sind, z.B. in Hohenschönhausen entlang der Falkenberger Chaussee, ein paar kleinere, einzelne Geschäftshäuser, die ein wenig Straßenleben und Urbanität einhauchen könnten. Eben eine kleine Meile zum Flanieren. Oder einfach ein schöner Platz mit Grün und Cafés drumherum. Diese Einkaufszentren bieten zwar zum größten Teil das, jedoch nur auf einer kleinen, konzentrierten Fläche unterm Dach.


    :)

  • Für den Fall dass Du überwiegend Sozialistische und Plattenbauten meinst: Das stimmt und ist mir auch schon aufgefallen. Für mich ergeben zwei Gründe Sinn: Erstens ist es nun mal "der" Stil des Ostblocks, weil dieser absolut überwiegend und dominant quais den halben Kontinent mit Plattenbauriegeln und solitären ent-historisiert hat wo immer es möglich war. Im Nachkriegswesten war das durchmischter, zumindest aus bundesweiter oder westeuropäischer Perspektive gesehen. Zweitens sind es überwiegend die ehemaligen Ost-Regierungsparteien und tendenziell stark sozialistisch orientierte Politiker die genau diese Strukturen auf Teufel komm raus nicht nur erhalten wollten sondern auch verlangen dass sich alles vorher- und nachherkommende diesem unsäglichen, aus dem Unvermögen und der Ideologie heraus geborenen mittelmaß unterordnet.

  • Mit Verlaub, aber in Ost und Westberlin steht mitunter dieselbe Architektur, das ist kein ostdeutsches Phänomen, ...

    So ist es! Dieses Argument habe ich in vielen Threads immer wieder gepredigt. In Zeiten der Teilung war die Architektur einer der wenigen Bereiche, bei denen es keine großen Unterschiede zwischen Ost und West gegeben hat.


    Erstens ist es nun mal "der" Stil des Ostblocks, weil dieser absolut überwiegend und dominant quais den halben Kontinent mit Plattenbauriegeln und solitären ent-historisiert hat wo immer es möglich war. Im Nachkriegswesten war das durchmischter, zumindest aus bundesweiter oder westeuropäischer Perspektive gesehen.

    Ob das im Westen wirklich durchmischter gewesen ist, darf bezweifelt werden. Der Stil des Ostblocks lässt sich ebenso in den Hochhaussiedlungen westdeutscher Großstädte (wie z.B. Köln oder München) finden. Ganz einfach, weil es kein typischer Ost-Stil ist.

  • Kurze Frage? Warum wird in vergleichen eigentlich immer nur Ostberlin genannt? Mit Verlaub, aber in Ost und Westberlin steht mitunter dieselbe Architektur, das ist kein ostdeutsches Phänomen, auch wenn man es in Old-West-Berlin gerne so verkauft. 😅😇

    Mitunter schon. Hässlich wurde und wird überall gebaut, dennoch erkennt man einen ostdeutschen Plattenbau sofort. Zur Hässlichkeit kommt bei ostdeutschen Plattenbauten meist noch (also nicht immer) eine Ärmlichkeit dazu, also ein extremer Reduktionismus in vielerlei Hinsicht, der aus der ökonomischen Misere resultierte, unter der man bauen musste. So gab es gar nicht mal so wenige Plattenbauten, die nicht mal Balkone hatten, oder Blöcke mit Hochparterre, weil man so am Tiefbau sparen konnte. (Das findet man alles auch im Westen, aber eben deutlich weniger verbreitet).


    Ob der Vergleich mit einem "typisch" ostdeutschen Plattenbau hier angemessen ist, muss jeder für sich entscheiden. Meine Assoziationen sind eher westdeutscher Sparkassenbau der 80er oder zeitgenössisches Hostel. Angesichts der Tatsache, dass wir heute heute in Deutschland deutlich wohlhabender sind als in der DDR (und auch der BRD) in den 70er oder 80er Jahren, bleibt es aber erstaunlich, wie "armselig" meist gebaut wird, seien es nun öffentliche oder private Gebäude.

  • Zu DDR-Zeiten neu geschaffener Wohnungsbestand: rund 3 Millionen Einheiten, die zu rund 80% aus Plattenbauten bestanden. Das bei insgesamt 7 Millionen Wohnungen für 16,4 Millionen Einwohner. Praktisch der gesamte Bestand an Wohnräumen, die nicht Plattenbauten waren, stammte in der DDR aus der Vorkriegszeit. Es gab natürlich auch im Westen Wohnviertel im Plattenbau-Look (aber praktisch keine Plattenbauten) - sie haben jedoch nie die städtebauliche Dominanz wie in der DDR erreicht. Das war schon einzigartig.

    So sehr ich mir persönlich eine grössere Annäherung an den Vorkriegsbestand gewünscht hätte: Man muss zur Kenntnis nehmen, dass es angesichts der Nachkriegsentwicklung genausoviel Sinn macht, sich daran zu orientieren. Der politische Wille, dies zu tun, war da. Der politische Wille, gar so etwas wie eine Rekonstruktion à la Frankfurter Altstadt zu machen, war sicher nie da. Und das nicht nur bei der Linkspartei.