Der Streit währt schon länger. Heute hat nun der BGH in dritter Instanz entschieden, dass ein mittelalterliches Relief an der Stadtkirche in Wittenberg nicht entfernt werden muss, weil es als Mahnmal kontextualisiert ist. Damit wird der lang anhaltende Diskussion um Antisemitismus, Denkmalschutz und Bildersturm sicher noch nicht beendet sein. Ich hatte mich bereits vor drei Jahren in dieser Sache eindeutig positioniert:
Ist die Darstellung auf einem Relief in mehreren Metern Höhe eines mittelalterlichen Kirchenbaus wirklich geeignet, Antisemitismus in unserer Gesellschaft zu fördern? Diese Vorstellung fällt mir schwer. Entscheidend ist der Adressat der Botschaft. In Wittenberg und zahlreichen weiteren historischen Beispielen sind es weder die Juden, noch die Antisemiten von heute. Letztere werden zudem in ihrer überwiegenden Mehrheit gar nicht den Horizont besitzen, das Gesehene dahingehend zu interpretieren. Im Übrigen gedenkt man vor Ort mit einer Bodentafel dem Holocaust. Eine Tafel, die den Kontext der Darstellung erläutert, ist im Gespräch.
Antisemitismus ist eine furchtbare Geißel, die im letzten Jahrhundert in die denkbar schlimmste Katastrophe führte. Die Nachwirkungen flammen auch heute immer wieder auf. Doch wir bekämpfen sie nicht, indem wir in ahistorischer Weise unsere Kulturdenkmäler in Frage stellen und sie verstümmeln. Der kritische Umgang mit der eigenen Geschichte darf nicht zur Beschneidung derselbigen führen. Die Judensau von Wittenberg ist ein Nebenkriegsschauplatz, der von den dringenden Problemen in diesem Land ablenkt. Es wäre klug, wenn wir dem heutigen Antisemitismus auf andere Weise die Stirn bieten. Diskussionen und Gerichtsverhandlungen um mittelalterliche Kunst sind dafür nicht geeignet.
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Vielleicht kann ich hier eine Diskussion zu dieser wichtigen Kontroverse anstoßen.