Autofreie Friedrichstraße und Fußgängerzonen: Pro und Contra

  • So einen Superlatschblock hat man doch quasi schon vom Alex übers Rathausforum, Nikolaiviertel bis zum Schlossplatz - zwar nicht schön aber selten und mit mehr Aufenthaltsqualität als die meisten Fußgängerzonen - Köln ist die beste Antiwerbung für so ne Zone - eine selten hässliche Destination für die man eigentlich keinen offenen Straßenraum braucht - bezeichnender Weise soll die Zone noch überdacht werden wer sowas sucht kann auch gleich zum Potsdamer Platz. Oder an den Leipziger Platz in ne mall -

  • ^Es geht hier doch um Pro und Contra autofreie Friedrichstraße, oder habe ich das Falsch verstanden? Offensichtlich ist doch, dass zumindest von der Politik das Interesse da ist, die Friedrichstraße autofrei zu halten. Die Frage ist daher doch wie bekommt man das hin das es Funktioniert. Das Publikum in der Friedrichstraße ist doch ein vollkommen anderes als in der Rathausforum. Die ganze Gegend ist extrem touristisch geprägt, was eben aus der Nähe zu Brandenburger Tor und Checkpoint Charlie resultiert. Mir ist schon klar klar das auch auf dem Rathausforum Touristen sind, die wollen dort aber in erster Linie zum Fernsehturm und dann wieder weg, flaniert wird da kaum. Für die Friedrichstraße sehe ich die Hoffnung das man die Touristenströme von Unter den Linden abgreift und gezielt durch die Friedrichstraße zum Gendarmenmarkt lenkt. Es geht einfach darum die komplette Gegend aufzuwerten, die ja aktuell nicht wirklich dazu einlädt dort entlang zu flanieren.

  • Wenn schon eine Fußgängerzone kommen soll, fände ich eine Lösung nach Vorbild der Søndergade in der dänischen Stadt Aarhus ganz interessant. Dort wurde die Haupteinkaufsstraße zu einer Fußgängerzone umgewandelt während die quer durchlaufenden Straßen weiterhin für den Durchgangsverkehr offen bleiben. Oft wirken sich gerade die toten Sackgassen in den Nebenstraßen negativ auf die Urbanität aus, die aufgrund einer durchgängigen Fußgängerzone entstehen. Wer mal in die Seitenstraßen der Schildergasse in Köln geschaut hat, kennt diesen gruseligen Anblick.


    Mein Vorschlag wäre also, die Jägerstraße, Taubenstraße, Mohrenstraße und Kronenstraße für den Durchgangsverkehr frei zu halten - optisch lesbar mit Bordstein und abgesenkter Fahrbahn. Das sorgt für eine bessere Durchmischung verschiedener Mobilitätsformen und die Seitenstraßen verenden nicht als trostlose Lieferzone für die anliegenden Geschäfte.

  • maselzr : Diese skandinavische Vorbild finde ich ebenfalls grossartig. Überhaupt könnte sich Berlin in skandinavischen Ländern (plus Niederlande) eine Scheibe abschneiden, wie man Verkehr mischt (zB Begegnungszonen bei niedriger Geschwindigkeit für alle Verkehrsträger) oder auch Verkehr entmischt (zB getrennte Schnellfahrwege für Radfahrer). Hier steckt man in Berlin oft noch in der Vergangenheit.

  • Ein wohltuender Anblick. Keine gelben Streifen, keine rasenden Radler in der Mitte keine stümperhaften provisorische Boxen und sonstiger Krempel.


    Die Friedrichstrasse, die als Alibipolitik für eine Verkehrswende herhalten muss, weil man ansonsten nichts vorzuweisen hat, bis auf weiteres wieder als funktionaler Straßenraum. Wahrscheinlich nur von begrenzter Dauer, aber vielleicht setzt sich ja Vernunft durch und man hört endlich auf Symbolpolitik zu betreiben und die Probleme wirklich anzugehen.



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    Die Grünen mögen ihre Kernkompetenzen haben.

    Wie man Luxuseinkaufsmeilen wiederbelebt gehört allerdings nicht dazu.



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    Die nachfolgenden Beiträge wurden in den Papierkorb entsorgt. Bitte auf reine Polemik und Rumgehacke verzichten und sachlich posten. Danke.

  • Laut einer Meldung des Tagesspiegels soll die Friedrichstraße ab Montag erneut für den Autoverkehr gesperrt werden. Betroffen ist wieder der Abschnitt zwischen der Französischen Straße und der Leipziger Straße. Die vom Bezirk Mitte erarbeitete Teileinziehung der Straße wird demnach am Montag in Kraft treten.

    https://www.tagesspiegel.de/be…ehr-gesperrt-9235050.html

    Ich freue mich über diese Entwicklung. Es ist schön, dass die Verkehrswende in Berlin weitergeht und die Autolobby nicht das letzte Wort behalten wird.

  • ^^ so schreibt es auch rbb24. Interessant finde ich immer das Argument dass man dort (mit dem privaten Auto) nicht mehr hinkommt. Die U6 im halbwegs dichten Takt ist denen meistens unbekannt. Hoffentlich wird die Straße endgültig umgebaut dann ohne Fahrbahn. Andere Städte machen es uns schon lange vor.

  • Warum soll man da mit dem privaten Auto nichtmehr hinkommen? Man kommt auch über umliegende Straßen mit dem Auto zur Friedrichstraße, die Parkhäuser dort werden wohl ebenfalls weiterhin erreichbar sein. Wer also bisher mit dem Auto zur Friedrichstraße gefahren ist wird das wohl auch weiterhin tun. Einzig der Durchgangsverkehr wird sich neue Wege suchen müssen. Mit Verkehrswende hat eine lokale Straßesperrung wenig zu tun, sonst müssten die 70er Jahre ja das Jahrzehnt der Verkehrswende gewesen sein, da wurden schließlich deutschlandweit die meisten Fußgängerzonen eröffnet.

  • ....natürlich ist das Teil der Verkehrswende. Ziel ist es, die Erreichbarkeit per Auto von möglichst vielen Orten innerhalb des S-Bahnrings systematisch zu verschlechtern - durch ein Bündel von Massnahmen, die den Verkehrsfluss verlangsamen und unterbrechen sollen. Dazu zählen für Autos gesperrte Segmente, gegeneinander laufende Einbahnstrassen, gesperrte Fahrspuren etc etc. Die Logik ist, den MIV so lange zu einzuschränken, bis es länger oder wesentlich länger dauert, Ziele mit dem MIV zu erreichen als mit dem öffentlichen Nahverkehr. Durchzusetzen, den öffentlichen Nahverkehr signifikant auszubauen gelingt der Politik nämlich nicht - den MIV abzubauen schon. Ideologisch verbrämt wird das Ganze mit dem Konzept der "Cité 15 Minutes". Menschen sollen sich nur noch im 15 Minutenfeld ihres Wohnorts bewegen (15 Minuten zu Fuss, mit dem Fahrrad, oder mit den Öffentlichen). Alles darüber hinaus kann und soll umständlich sein.

  • Wow, also eine solche Fehlinterpretation des Leitbildes der 15-Minuten-Stadt habe noch nie gehört. Menschen sollen durch Funktionsmischung und einer baulichen Dichte in einem Umkreis von 15 Minuten zu Fuß oder mit dem Rad alle alltäglichen Grundbedürfnisse befriedigen können. Das heißt nicht, dass sie darüber hinaus nicht unterwegs sein sollen. Dies macht eine attraktive Nutzung des Rad- und Fußverkehrs möglich und Distanzen werden verhindert - also dient dies der Verkehrsvermeidung. Klar, wer nutzt schon für 15 Minuten Fußweg bzw. zwei Bushaltestellen in einer Stadt das Auto? Statt auf der grünen Wiese einzukaufen, wird nach dem Leitbild der 15-Minuten-Stadt somit also das direkte Wohnumfeld gestärkt. Dichte Gründerzeitquartiere erfüllen das Leitbild bereits heute, am aufgelockerten Stadtrand ist es oft komplizierter, durch Neubauprojekte und Umnutzungen könnte man aber auch da für mehr Mischung sorgen.


    Unsinniges Vollzitat des Vorposts gelöscht.

    Bato

  • ....natürlich heisst es das. So ehrlich sollte man schon sein. Wenn viele Menschen nach wie vor viele grosse Distanzen zurücklegen, werden die Ziele der Cité 15 Minutes schlicht nicht erreicht. Das ist Mathe (wenn man der Logik des Konzepts folgt).


    Hochverdichtete Städte sind Teil der Lösung des Klimaproblems. Paris hat die 4fache Bevölkerungsdichte von Berlin (und von da kommt ja die Idee nicht in geringen Teilen) - trotzdem wehren sich die Berliner an allen Ecken und Enden gegen Nachverdichtung.


    Das Konzept der Cite 15 Minutes wird am Ende darauf rauslaufen, dass das obere Drittel der Einkommenspyramide so mobil wie eh und je sein wird - oder noch mobiler - denn die unteren zwei Drittel werden sich die bisher gekannte Mobilität schlicht nicht mehr leisten können. Dafür sorgen - überraschenderweise - diejenigen, die sich eigentlich das Kümmern um die breite Masse auf die Fahne geschrieben haben.

  • Menschen sollen durch Funktionsmischung und einer baulichen Dichte in einem Umkreis von 15 Minuten zu Fuß oder mit dem Rad alle alltäglichen Grundbedürfnisse befriedigen können.

    Hört sich gut an.

    Und solange es den Autoverkehr nicht einschränkt, können die sich doch austoben wie sie wollen und sich ihre schwäbische Kleinstadt bauen.

    Einmal editiert, zuletzt von Blaine ()

  • ^Ja, ein Träumchen – dann bleibt der Marzahner nur noch in Marzahn, der Charlottenburger nur noch in Charlottenburg, der Spandauer nur noch in Spandau. Wer in Industrie und Produktion arbeitet lebt dann vermutlich in der werkseigenen Siedlung vor den Toren der Stadt, in Mitte leben dann nur noch Regierungsmitglieder, Beamte und Mitarbeiter der Medien usw. usw.. Hatten wir doch eigentlich schonmal genauso! Diese "Zukunftsvision" kann gerne weg, Danke! Es würde erstmal vollkommen reichen wenn Regierung und Behörden mal die Digitalisierung gebacken bekommen und damit schon einmal viele unnötige Wege entfallen!

  • Ach Gottchen. All die Arbeiter in Paris und anderen Städten kommen gar nicht mehr zur Arbeitsstelle oder müssen In Werkssiedlungen leben. Schrecklich ist das. Was für eine reaktionäre Denke.

  • Als ob die 15-Minuten Stadt in Paris bereits gang und gäbe wäre! Auch dort ist das bisher mehr Vision als sonst was!

  • Diese 15 Minuten Sache ist doch an sich etwas Gutes. Ich mag es, wenn alles um die Ecke erreichbar ist. Allerdings tun sich Fragen auf.

    Wie realistisch ist das überhaupt umsetzbar?

    Denn wie werden die Grundbefürfnisse definiert? Wenn ich z.B. das Brot nicht bei Aldi im 15 Minuten-Radius kaufen möchte, sondern beim Edeka oder Frischeparadies außerhalb des Radius'. Ist das dann unangemessener Luxus?

    Ich kaufe meine Getränke immer mit Auto in Kästen beim 5 Minuten entfernten Hoffmann ein. Wieso sollte ich mir das wegnehmen lassen?

    Problematisch wird es ja nur, wenn man mit dem Auto eingeschränkt, behindert oder benachteiligt wird.

    Weil dann wird das Ganze sehr schnell ein sozialistischer Alptraum.

  • Die Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität und Verbraucher- und Klimaschutz hat in einer Pressemitteilung die Planungen zur provisorischen Umgestaltung des Teilabschnitts der Friedrichstraße vorgestellt. Dabei dürfen (zunächst) nun doch auch Fahrradfahrer und E-Scooter die Straße befahren, aber ohne eine Fahrradspur und nur langsam - ggfs. wird die Erlaubnis später widerrufen.


    Die meisten lokalen Medien berichten auch dazu, u. a. die Berliner Zeitung.


    Mir ist es ja unbegreiflich, wieso ein paar Hundert Meter autofreie Straße so eine Welle erzeugen. Für die Autofahrer wird die Welt daduch bestimmt nicht untergehen, eine wichtige Durchgangsstraße ist dieser Teil der Friedrichstraße eh nicht. Und irgendwo muss man ja mal anfangen. Aber es geht ja ums Prinzip und zudem ist Wahlkampf...


    Es werden zunächst 20 hochwertige Sitzmöbel aufgestellt, sie sollen im Frühjahr begrünt werden. Später kommen weitere hinzu. Am Nord- und Südende sollen Holzkonstruktionen als Barriere für den Autoverkehr dienen. Vitrinen sind nicht mehr vorgesehen. Ich bin gespannt, ob es diesmal besser wird und freue mich auf die spätere finale Umgestaltung.


    Ein paar Visus gibt es auch:


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    ©Senats­verwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz


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    ©Senats­verwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz


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    ©Senats­verwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz

  • ^ Mich überzeugen die Visus gar nicht, denn erstens scheinen sie mir zutiefst verlogen: Sie simulieren eine Vision, wie sie in Wohnvierteln wie Xberg oder am Prenzlberg eingermaßen realistisch wäre (Familien mit Kindern, Kids mit Skateboard, Frauchen mit Hund...), aber doch nicht hier!

    Vor allem aber finde ich selbst das, was man sich hier als Optimum vorstellt, piefig und belanglos: Die Rückkehr in die spießige "Fußgängerzone".

  • DerBe : Man kann natürlich polemisch "reaktionäre Denke" postulieren. Man kann sich aber Paris tatsächlich mal anschauen. Da ist es heute schon so, dass für Arbeiter das Leben in der eigentlichen Stadt Paris unerreichbar geworden ist. Die leben in einer der Randstädte, arbeiten dort und bleiben dort. Mit der Cité 15 Minutes wird das vollends zementiert - und die Arbeiter kommen nur noch in die Stadt, wenn sie anderen die Mülleimer leeren.


    Und: Dem kleinen Handwerker aus Reinickendorf oder Falkensee mit seinem 15 Jahre alten Pritschenwagen wird es in Berlin bald nicht mehr anders gehen.


    Die Cité 15 Minutes ist wunderbar, wenn man - ich hatte das Privileg - in Berlin Mitte wohnt. Oder in der richtigen Ecke Charlottenburgs, Friedrichshains oder Kreuzbergs. 15% der Bevölkerung? 20%?. Für mich wars herrlich: Eigenes Fahrrad, Leihfahrrad, Leihauto, U-Bahn, S-Bahn, Fernbahn und gesunde Füsse - alles da. Und obendrein das E-Auto in der Tiefgarage. Für die Allermeisten dagegen: Eine massive Einschränkung ihrer Lebensqualität und Partizipation. Solange nicht bezahlbare Alternativen entstehen. Und die werden nicht entstehen - weil die Berliner Politik und Verwaltung europaweit ziemlich einzigartig unfähig ist (und das liegt nicht an "links" per se. Lissabon ud Kopenhagen haben auch linke Regierungen) - und weil es flächendeckend in Berlin unbezahlbar wäre.

    Backstein : Niemand braucht sich wegen 500m Strasse aufzuregen. Aber Deine Aussage ist etwas unredlich. Denn die Verkehrswende (im Sinne von RRG) gelingt nur, wenn man den Autoverkehr systematisch und grossflächig behindert. Insofern ist die Friedrichstrasse ein Symbol und wird zurecht als solches behandelt. Und zwar von beiden Seiten. Es ist nämlich, wie Du sagst, Wahlkampf. Es ist kein Zufall, dass so kurz vor der Wahl die Pläne zur Friedrichstrasse bekannt werden - damit bedient die zuständige Senatorin Frau Jarasch zum richtigen Zeitpunkt ihre grüne Kundschaft.

  • ^ Erstmal danke für deine sachliche Reaktion. Aber deine Wortwahl ist etwas subjektiv eingefärbt. Ersetze "behindern" durch "einschränken" oder "reduzieren" und ich gehe mit und finde das auch sinnvoll.

    Und die Pläne waren durchaus bekannt, weil es der zeitliche Ablauf des Verfahrensweg war, der auch kommuniziert wurde. Auch hier in diesem Thread.


    Ansonsten würde ich mich freuen, wenn Befürworter und Gegner (die durchaus beide ihre berechtigten Meinungen und Argumente zur Sperrung haben) sachlich und respektvoll miteinander umgingen.


    ElleDeBE: bei Visus kann man sich immer über die reingebastelten Personen amüsieren. 🙂

    Egal ob bei Visus zu Geschäftsgebäuden irgendwelche Krawattenträger einen Sekt in der Hand haben oder Businessdamen einen Laptop oder was auch immer. Man kann dich bei den Visus ja die Leute wegdenken. Visus sind letztlich eine Art Werbung und eigentlich immer geschönt.


    Immerhin soll es diesmal keine gelben Fahrbahnmarkierungen geben. Das Ergebnis wird man wohl erst im Frühjahr bei angenehmeren Temperaturen beurteilen können und die endgültige Umgestaltung dann in hoffentlich nicht allzu ferner Zukunft.