Autofreie Friedrichstraße und Fußgängerzonen: Pro und Contra

  • Dass es nach wie vor starke Kräfte gibt, die sich eine Stadt nur mit Autos vorstellen können, sollte die Befürworter der Verkehrswende nicht bremsen. Eher können die Erfahrungen der Friedrichstraße genutzt werden, um künftig autofreie Straßen schneller auf den Weg zu bringen.

    Wer genau sind denn in diesem Fall die Kräfte die sich eine Stadt "nur" mit Autos vorstellen können?

    Meines Erachtens hat in der Friedrichstraße das Zusammenspiel von ÖPNV, Kfz, Fußgängern und Fahrradfahrern relativ gut funktioniert.

    Was die gewonnene Erfahrung angeht: Die Umgestaltung hat uns gezeigt, wie schnell aus einem der urbansten Orte der Stadt eine recht leere und trostlose Gegend werden kann.

  • Backstein : Die Logik der Verkehrswende nach Berliner Muster sieht mE das Gegenteil vor:


    Und wenn ein winziger Prozentsatz aller Straßen in Berlin ohne Autoverkehr auskommen soll, geht für die Autofahrer die Welt sicher nicht unter.

    Es wäre ja schön, wenn die Priorität wäre, den ÖPNV verbessern - statt die Verkehrswende voranzutreiben, indem man den Autoverkehr verschlechtert.


    Eine Verbesserung des ÖNVP ist in Berlin natürlich schwer. Sie scheitert an mangelndem politischen Willen, am Mangel bei Planungskapazitäten, am lokalen Widerstand. Als Beispiele für die jeweiligen Fälle seien genannt:

    - Wiederaufbau Siemensbahn ca 10 Jahre, Wiederaufbau Heidekrautbahn ca 15 Jahre (erste Planfeststellung 2010).
    - Urania: Verengung mangels Verwaltungskapazität aufgegeben, statt dessen mehr Stockwerke für eine gewisse Urbanität.
    - Strassenbahn Ostkreuz: ca 10 Jahre / ungewiss angesichts von lokalem Widerstand.

    Was die Berliner Politik statt dessen glaubt anstreben zu müssen ist eine grossflächige und spürbare Verschlechterung des Zugangs für Autos in den Bereich der innerhalb der S-Bahnrings oder mindestens in Kernzone wie Mitte und City-West. Insbesondere viele grüne Verkehrsplaner empfinden es als "Skandal" dass man mit dem Auto immer noch schneller in der City sei als mit dem ÖPNV. Das kann man ja politisch wollen - ok - aber es kann dann dabei nicht um ein paar minimale Eingriffe gehen.

    Trotzdem traurig: Weil man unfähig ist, das eine spürbar zu verbessern, verschlechtert man halt das andere.

    Ich kenne zufällig ein paar Details der Diskussion um die Friedrichstrasse. Hier wurde Frau Jarasch zum Beispiel nahegelegt zu überlegen, was sie denn bisher vorzeigen könne - nämlich wenig - und dass man mit der Friedrichstrasse doch das schnell etwas weithin Sichtbares erzielen könne. Symbolische Politik eben.

    Einmal editiert, zuletzt von Oranien () aus folgendem Grund: Schreibfehler

  • JimmyMcGill, danke ich kenne den Wikipedia-Artikel und ich bin auch über die (mageren) Planungen des Senats informiert. Die Rückgewinnung des Stadtraums vom Autoverkehr wurde ja in Berlin der 90er und noch 2000er vorbildlich durchgeführt bzw. geplant. Zum Beispiel setzte Stimmann die je Richtung Einspurige Friedrichstraße gegen große Bedenken der CDU und Linken (damals PDS) durch. Straßenrückbau war im großen Stil im Stadtbereich geplant. Ohne diese Planungsgrundlagen wäre uns auch der Molkenmarkt in seiner Schneisenform erhalten geblieben. Nur etikettierte man dies damals nicht als sogenannte "Verkehrswende". Dass dies mehr "Verkehrswende" war als das was wir seit den selbsternannten "Verkehrswende"-Senaten (2 x grüner Verkehrssenat) erleben wurde ja schon von Oranien korrekt beschrieben.

  • Ich finde, dass sich Berlin in Sachen Verkehrswende nicht verstecken muss. In Berlin wurden in den letzten Jahren viele Projekte für autofreie Bereiche auf den Weg gebracht. Neben der Friedrichstraße fallen mir noch ein:

    -der Lausitzer Platz

    -die Bergmannstraße

    -der Wrangelkiez

    -der Graefekiez

    -die Danneckerstraße

    -die Waldeyerstraße

    -die Grolmanstraße

    Sicher wird es noch mehr autofreie Bereiche geben. Und es gibt viele gute Projekte. Ein Lieblingsprojekt von mir ist das autofreie Hallesche Ufer, das in diesem Jahr als Nationales Projekt des Städtebaus ausgewählt wurde.

    https://www.rbb24.de/panorama/…er-fussgaenger-autos.html


    Sicher wäre es schön, wenn der öffentliche Nahverkehr schneller ausgebaut würde. Dennoch gibt es an vielen Orten, wie z.B. an der Friedrichstraße einen sehr guten öffentlichen Nahverkehr. An diesen Orten kann man schon jetzt autofreie Bereiche schaffen. Und die These, dass in den neunziger Jahren die Verkehrswende vorangekommen wäre, kann ich nicht nachvollziehen. Ich kann mich nicht erinnern, dass es damals Fortschritte bei der Schaffung von autofreien Straßen gegeben hätte. Stattdessen wurden die Straßen und Stadtautobahnen immer weiter ausgebaut. Während des ersten rot-grünen Senats 1989/90 hat es tatsächlich Ansätze in Richtung Verkehrswende gegeben. Aber die neunziger Jahre waren für ökologische Fragen in Berlin eine bleierne Zeit, die ich auf keinen Fall zurück haben möchte. Da läuft es zur Zeit viel besser.

  • Klarenbach, iIhr beschriebenes „Lieblingsprojekt“ am Halleschen Ufer entspricht m. E. wieder genau dieser Unlogik bei der Berliner Verkehrspolitik. Man schließt die nördliche Fahrtrichtung um sie auf der südlichen (Tempelhofer Ufer) dann umzuleiten. Das Resultat werden einfach mehr Staus, jahrelange Prozesse (siehe Friedrich- und Krautstraße), und die Schließung eines Straßenabschnitts für Autos, was beim nächsten Senat schon wieder geändert werden kann. Die übergroßen und stadtfeindlichen Verkehrsschneisen an der südlichen Wilhelmstraße, am Mehringdamm sowie der nördlichen Potsdamer Straße bis kurz vorm Sony-Center bleiben wie sie sind.


    So sehr ich auch sage einzelne Straßen dem Auto zu entziehen ist durchaus möglich, allerdings wird nur ein Schuh draus, wenn in einer wirklichen nachhaltigen Politik alle Bedarfsfelder im Gleichklang sind (Schließung, Rückbau, U-S-Bahn-Ausbau, etc.). Wenn nur erstes und dies nur in werbewirksame Bereiche betrieben wird, führt dies schnell zu einem allgemeinen Verdruss über die Idee einer „Verkehrswende“. Und da muss ich die Nachwende-Senate bis in die 2000er Jahre hinein schon verteidigen, das war vorbildlich was dort an wenn Sie so wollen wirklicher „Verkehrswende“ betrieben wurde. Der Ausbau der U-5, die Planungen und Vorleistungen für weitere U-Bahnen alleine am Potsdamer Platz, alleine der Rückbau von Straßenschneisen (z. B. Alexanderstraße, Straßenraster Friedrichstraße, etc.) waren (und ich sage es gerne nochmals) vorbildlich und in keinem Vergleich zu dem was heute Verkehrspolitik genannt wird.


    Aber die neunziger Jahre waren für ökologische Fragen in Berlin eine bleierne Zeit, die ich auf keinen Fall zurück haben möchte...

    Da darf ich Sie aber schon die übergroße Leistungen in den 90er Jahren des Berliner Senats hinweisen, der die für heutige Vorstellungen gigantischen ökologische Altlasten der untergegangenen DDR zu beseitigen hatte. Was da geleistet wurde sucht historisch seinen Vergleich.

  • Ich würde an dieser Stelle gerne mal festhalten das Berlin – als einzige deutsche Großstadt – bisher keine richtige Fußgängerzone hat. Die Frage ist doch, wen will man als Publikum

    Gewinnen. In Barcelona zieht die trashige La Rambla Millionen Touristen an, ähnlich auch die Champs Élysée in Paris. Hier gibt es eigentlich nichts besonderes zu kaufen, aber jeder geht hin.

  • Da wir uns hier ohnehin zunehmend im Kreise drehen, möchte ich gerne nochmal diesen prägnanten Beitrag hervorheben:

    Die schlecht durchdachte und unglaublich hässlich gemachte Fahrrad-Rennbahn mit provisorischen Sitzecken und wagemutigen "Flaneuren" als Hindernis-Parcours war ganz sicher nicht der Weisheit letzter Schluss (und ja, ich finde das im Zentrum einer bundesweit wie international stark besuchten Hauptstadt doch etwas peinlich). Ich sehe aber auch nicht, wie die ständig im Stau stehenden Autos die Straße aufwerten oder gar urban machen (geil, jetzt habe ich schon in London, New York, LA und Berlin je mindestens 2 Stunden im Stau gestanden, next stop Tokyo, Kairo oder Rio). Da wird mE einiges verklärt oder deutlich anders wahrgenommen als ich es in Erinnerung habe. Letztlich haben die Autos die Fußgänger ähnlich wie zuletzt die Fahrräder permanent behindert (und umgekehrt) und das Shoppingerlebnis massiv geschmälert.


    Ich könnte mir sogar vorstellen, dass auch Geschäftsleute und Touristen etwas Raum und Entschleunigung genießen werden - WENN es denn am Ende gut durchdacht und ansprechend umgesetzt wird (gerne mit der oben genannten Außengastro). Dann werden viele bestimmt gerne darauf verzichten, direkt mit dem Auto vorzufahren und ersparen sich damit zugleich die lästige Parkplatzsuche. Es sollte nur in der Nähe genügend Taxis o.ä. geben, damit auch etwas größere Einkäufe weiter attraktiv bleiben. Wobei man sich die ja ohnehin zunehmend liefern lässt, was die Geschäfte vor Ort dann ja auch als Dienstleistung anbieten können.

    Einmal editiert, zuletzt von jan85 () aus folgendem Grund: Formulierungsfehler bearbeitet

  • Ich könnte mir sogar vorstellen, dass auch Geschäftsleute und Touristen etwas Raum und Entschleunigung genießen werden - WENN es denn am Ende gut durchdacht und ansprechend umgesetzt wird...

    Ich springe hier nochmals in die Bresche... Und genau das ist der Punkt der viele eben wenig überzeugt. "WENN" ist das Problem, ja wenn es gut gemacht ist. Und eben genau wegen dem "WENN" haben hier eben sehr viele Bauchschmerzen.

    Zum Beispiel bei einem Event-Erlebnis-Einkaufen mit einem LED-Himmel wie bei "The Place" in Peking könnte ich mich von einer Fußgängerzone schon überzeugen lassen, allerdings bleibt dies in Berlin (leider) nur eine Traumvorstellung. Eben wenn das Wörtchen wenn nicht wär...

  • ^ Die Millionen Touristen anziehende, "richtige Fußgängerzone" Champs Élysées hat übrigens 8 Autospuren.

    Da wurde ich wohl falsch verstanden! Ich habe nicht geschrieben das die Champs Élysée eine Fußgängerzone ist, die Rambla übrigens auch nicht! Ich habe lediglich festgestellt das Berlin als einzige deutsche Großstadt keine Fußgängerzone hat und danach, unabhängig davon, das Fass aufgemacht das die Rambla trotz reichlich trash – die Rambla ist entgegen der weitläufigen Meinung nicht Barcelonas Einkaufs Meile – ebenso viele Touristen anzieht wie die mondäne Champs Élysée.

  • ^ Mir ist zwar immer noch nicht klar auf was du hinauswillst, aber da das Fass nunmal offen ist, kann man sich mit Bezug auf die Umgestaltung der Friedrichstraße tatsächlich mal die Frage stellen, weshalb die Champs Élysées mit ihren 8 Autospuren so beliebt bei Passanten ist.

  • ^

    Macht doch das Fass besser gleich wieder zu, derartige Vergleiche sind sinnlos und führen zu nichts.

    Die Champs Élysées ist ~ 70 m, die Friedrichstraße ~21 m breit, erstere ist mit dem Triumphbogen eine der, wenn nicht die monumentalste(n) Prachtstraße(n) Europas, letztere eine baulich kaum herausstechende Geschäftsstraße.

    Allein die Gehwege mit Baumreihen sind mit je 20 m in etwa so breit wie die gesamte Friedrichstraße.

  • Das Fass habe ich deswegen aufgemacht weil es zeigt das der Erfolg von Flanier-Meilen offenbar verschiedene Ursachen hat. In vielen Städten ist die Fußgängerzone meist deswegen erfolgreich weil es eben auch die Haupt Einkaufsstraße ist – das wird bei der Friedrichstraße wohl nie der Fall sein. Deswegen der Vergleich mit der Rambla in Barcelona, denn auch diese ist eigentlich keine wichtige Einkaufsstraße, in erster Linie wird hier flaniert.

  • ^^ Jein, so ein Vergleich kann bei der Diskussion um ein Fahrverbot für Autos schon Sinn machen. Ich nehme hier bisher die fast ausmahmslose Aufzählung positiver Attribute wahr. Du vergleichst beispielsweise die Breite der Gehwege ohne sie in Relation zur Breite der Fahrspuren zu setzen.

  • ^

    Richtig, denn ich will die Breite der Gehwege auch gar nicht in Relation zu den Fahrspuren setzen. Vielmehr setze ich sie in Relation zur Gesamtbreite der Friedrichstraße, einzig und allein um zu zeigen, dass der Vergleich Friedrichstraße - Champs Élysées in allen denkbaren Dimensionen absurd ist.


    Regent: Selbstverständlich hat der Erfolg von Flaniermeilen verschiedene Ursachen. Deshalb ist es sinnvoll, bei Vergleichen auf die Vergleichbarkeit zu achten, sonst driftet die Aussagekraft ins Nirvana ab. Obigen Absatz bitte auf Antwort an Haufen´s weiterführende Ausführungen verstehen ;)

  • ^ Die Aussagekraft driftet vor allem dann ab, wenn man die falschen Begriffe verwendet. Immerhin ist es jetzt klargestellt, dass von "Flaniermeilen" die Rede ist, womit der Vergleich mit Barcelona und Paris plötzlich irgendwo Sinn ergibt.

    Selbstverständlich nicht für dich, bei dem die "Dimension des Denkbaren" beim Vergleich des Verhältnisses von Fahrbahn und Gehweg aufhört.

  • Für ne reine Fußgängerzone eignet sich die Friedrichstraße m.M aber. nicht - die Straße ist so weit weg von ner Flaniermeile wie die Leipziger von der Straße der Romantik, sie hat kaum die Baul. Voraussetzung die hier ein flanieren für irgendjemanden Sinn machen würde oder von Interesse wäre.
    Architektonisch ist sie dafür gar nicht entwickelt - die großen Einkaufshäuser sind an der Straße zu überdimensioniert und haben wenig Aussenwirkung - sie sind eher nach innen konzipiert - architektonisch zumeist wenig unterhaltend - dazwischen dann noch Würfel aus Büros, der riesige düstere Fascho-Trümmer von Verwaltungs-Block der Arbeitsagentur und das riesige nicht minder scheußliche Russ. Kulturinstitut.

    Die ganzen baul. Spezialitäten der letzten 20Jahre haben nicht mal versucht diese schwierigen architekt. Hinterlassenschaften zu relativieren.


    Schon vor dieser Testphase zur Autofreien Friedrichstraße war für den Handel hier nicht längst alles Eitel Sonnenschein - ich würde sogar meinen die Verkehrsberuhigung hat die Probleme nicht nur Verschärft sondern die Defizite in Architektur, Sozialstruktur und Einbindung in das städtische Geflecht beschleunigt aufgezeigt.

    Q6 und Q7 haben längere Zeit schon mit wirtschaftl. Schwierigkeiten zu Kämpfen - das Lafayette dümpelte auch eher vor sich hin und wird den Standort hier aufgeben.


    Die Architektur hat ihren Reiz der im Wesentlichen aus der Attraktion des Neuen bestand längst aufgebraucht und war kaum zu einer wirklich Attraktiven Formung von Stadtraum geeignet.


    Sie haben sich maßlos über die Parzellen gelegt ohne einen Gedanken daran zu verschwenden welche Fussgängerqualität sich durch ihre Architektur als Teil des öffentlichen Erlebnisraumes in der Aneinanderreihung ihrer riesigen, gröstenteils Nüchternen Bauten ergibt.


    Man müsste die Bauten gehörig umbauen, vielleicht sogar zurückbauen gestalterisch und funktional umwidmen - was m.M kaum durchführbar wäre.

    Zudem gibt es bisher in der mittleren. Friedrichstraße so etwas wie eine logische Verknüpfung dieser Einkaufsstraße innerhalb eines städtischen Lebensraumes gar nicht - auch frag ich mich - wo denn mittlerweile die Mengen an Kundenströmen herkommen sollen - Schicky und Micki setzt sich nu sicher nich unbedingt in die Ubahn zu Heti und Pleti um inner verinselten Einkaufswelt mittlere Friedrichstraße einzukaufen - für Zeug dass in Steglitz Zehlendorf und Am Tauentzien genauso überteuert zu haben is.
    Hop on Hop Off mitm

    Touri-Bus macht genauso wenig Sinn - es gibt gar keinen Anlass hier für irgendein Touristisches Interesse.

    Touris ziehts dann eher kurz zum Gendarmenmarkt, um mal kurz so was ähnliches wie Stadt in schön zu sehen oder dann am Checkpoint Charly um sich etwas historisch zu gruseln und sich für ne Trabbisafari anzumelden das war’s - am Weiterverlauf der Südl. Friedrichstraße kommt abseits des tourihotspots checkpoint dann alles zum erliegen.
    Die Restlichen Grundstücke hat die Stadt wohl erworben und wird diese gewiss auch genauso begabt bebauen wie am Spittelmarkt.

    Anner mittl. und südl Friedrichstraße greifen Jahrzehnte von städt. Nichtplanung, Fehlplanung und dysfunktionaler Entwicklung und Bespielung die kaum mehr aufzulösen ist - der historische urbane Raum ist zerstört und bleibt in weiten Teilen eher ein architektonisch und strukturell diffuser, unattraktiver Torso - Verkehrsberuhigung, Bäume und Bänke allein machen noch keine attraktive Flaniermeile.

    Diese Idee aus der Straße mit verkehrstechnischen Beschränkungen automatisch einen attraktiven Flanierraum zu schaffen halte ich eher für naiv.


    Der Raum müsste in baulicher Gestaltung
    und in seiner funktionalen und sozialen Struktur eher neu gedacht werden, und das inklusive der angrenzenden Straßen und Quartiere wo ebenfalls einiges im Argen ist.


    Wenn sich wirklich das Lafayette aus der Ecke zurückziehen sollte, fehlt damit eigentlich der bedeutendste Anlaufpunkt - was macht man dann aus der Riesenimmobilie noch n Officeangebot?


    Man könnte zum Vergleich auch die Wilmersdorfer heranziehen die braucht schon ein Management um Wege aus der Verödung, Verwahrlosung und dem Niedergang als Einkaufsstraße zu finden - seit Jahrzehnten ist die Straße Verkehrsbefreiht - mit dem Wegfall des Karstadt beschleunigte sich das Desinteresse an dieser Destination -Nachbesetzer des Karstadt sind n.M.W bis heute nicht gefunden.


    Der Handel muss sich zukünftig in Service, Sortiment und Aussenwirkung völlig neu erfinden und das Ereignis „Stadtraum“ wieder als Teil seiner Attraktion gegenüber dem anonymen onlinebusiness Begreifen - hier sind Planer und Architekten gefordert die keine Angst vor populärer Architektur haben, die nicht Großartig mit Volumen verwechseln und sich nicht zu fein sind für belebte und verspielte Reize als Angebot an Passanten, die in der Lage sind, sich als Teil einer größeren Idee über ihre Auftragsprojekte hinweg zu verstehen.


    Welche Aussengastro mit Blick auf welche Ödnis soll denn sonst da dauerhaft einträglich funktionieren?

    Eine Branche die zu recht nicht nur ein ausgewachsenes Nachwuchsproblem hat, sondern auch traditionell eher komplettierendes ergänzungsangebot für zugkräftige Geschäftsstraßen sind und kaum in Mengen unmotiviert im Nirvana existieren.


    Welche Volksspektakel will man da installieren - wir haben mit dem tollen Konzept vom Bürgerforum bereits eine Riesen-Fläche dafür, ich rechne auch damit dass die Fläche vorm Schloss saisonal als interessante Veranstaltungsfläche erkannt wird - der Weihnachtsmarkt könnte sich von der Rathausmitte dahin ausdehnen, - die Breite Straße hätte zudem mit einer wirklich attraktiven Architektonischen Fassung und klassischer gut gemixter Erdgeschossnutzung bestes Potenzial als Verkehrsberuhigte Zone - sprich Flaniermeile die ebenfalls bestens für Veranstaltungen genutzt werden könnte. Der Gendarmenmarkt wird ebenso vielfältigst genutzt -

    Braucht man jetzt aber wirklich 5 Straßen, Orte und Plätze mit so einem Konzept in unmittelbarer Nachbarschaft in diesem Gebiet?

  • Ich finde Endell spricht hier einen sehr wichtigen Punkt an. Das Problem Friedrichstraße ist eigentlich ein architektonisches Problem. Fakt ist, dass die Friedrichstraße vor 1945 prima funktioniert hat und dass der damalige Stadtgrundriss heute genau der gleiche ist. Der große Unterschied liegt jedoch im Maßstab und in der architektonischen Gestaltung der Gebäude. Insbesondere in einer dicht bebauten Straße ohne Bäume oder Grünflächen wird die Aufenthaltsqualität allein durch die Architektur der angrenzenden Häuser bestimmt. Die überdimensionierten Blöcke mit ihren abweisenden Fassaden sind für eine belebte, urbane Stadt nunmal äußerst kontraproduktiv. Erst wenn das architektonische Straßenbild abwechslungsreich, lebendig und menschlich ist, wird die Straße auch dementsprechend von Menschen belebt. Das eine bedingt das andere. Wenn die Gebäude den Grundton für eine urbane Stadt vergeigen, wie sollen die Menschen daraus Musik machen?


    Vielleicht sollte man sich daher nicht die Frage stellen, ob nun eine verkehrsberuhigte oder befahrene Friedrichstraße besser für das Überleben des Standorts wäre, sondern wie die baulichen Defizite behoben werden können.

  • Ich habe lediglich festgestellt das Berlin als einzige deutsche Großstadt keine Fußgängerzone hat

    Dann hast du etwas "festgestellt", was schlicht falsch ist. Was reitet einen, so etwas zu schreiben?


    Die Wilmersdorferstraße ist eine völlig klassische Fußgängerzone, das halbe Nikolaiviertel ist Fußgängerzone, fast die gesamte belebte Altstadt von Spandau besteht aus einer einzigen Fußgängerzone, die Gorkistraße im Zentrum von Tegel ist Fußgängerzone, der Mehringplatz und die angrenzende Friedrichstraße dort ist Fußgängerzone, die Rathausstraße in Mitte ist Fußgängerzone...

  • Ich merke schon, ich drücke mich wohl zu einfach und verallgemeinernd aus. Danke erstmal für die Aufzählung, da hatte ich einige davon tatsächlich nicht auf dem Schirm. Was ich gemeint habe – und tatsächlich nicht so geschrieben habe – ist das das Zentrum Berlin, bzw. die Zentren, keine prägende Fußgängerzone hat, wie das sonst in allen anderen deutschen Großstädten der Fall ist. In Köln etwa die Hohe Straße, in München die Kaufingerstraße, in Stuttgart die Königsstraße oder in Frankfurt die Zeil. Tatsächlich ist Hamburg Berlin noch am ähnlichsten, große Teile der Innenstadt sind hier ebenfalls nicht komplett Autofrei. Anyway, um zurück zur Friedrichstraße zu kommen. Ich könnte mir die Friedrichstraße als echte Fußgängerzone gut vorstellen, am besten indem man den Gendarmenmarkt gleich mit einbezieht und z. B. einen Teil der Jägerstraße oder andere Straßen hier ebenfalls in eine reine Fußgängerzone umwandelt, man also eine Art Super-Block schafft.