Autofreie Friedrichstraße und Fußgängerzonen: Pro und Contra

  • Ich hätte nichts gegen eine Fußgängerzone in der Friedrichsstrasse. Generell würde ich mir mehr Fußgängerzonen wünschen, z.B. die Simon-Dach-Strasse in F-Hain. ABER: Was ich mir NICHT wünsche ist ein "Fahrradschnellweg" oder eine Art "Fahrradautobahn". So sieht das aber aktuell in der Friedrichsstrasse aus und ich werde sie daher definitiv meiden.

  • Deshalb wird ja jetzt die parallel zur Friedrichstraße verlaufende Charlottenstraße im Bereich zwischen Leipziger Str. und UDL in eine Fahrradstraße umgewandelt. Siehe Pressemeldung Bezirksamt Mitte.

  • Hätte man sich an die gesetzlich üblichen Verfahren der Beteiligung gehalten, dann wäre die nun geplante Lösung das Resultat gewesen: Fußgänger in der Friedrichstraße, Radfahrer in der Charlottenstraße . Ich will eine Regierung, die vorhandene Verfahren und Gesetze respektiert und sich nicht in Ideologie und Aktionismus ergeht..

  • Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, mich als Radfahrer jemals daran zu gewöhnen, mit dem Rad keine Ziele mehr in der Friedrichstraße ansteuern zu können. Bis vor kurzem gab es dort genug Platz für alle. Und jetzt soll ich völlig unnatürliche Umwege radeln, um ein Geschäft in der Friedrichstraße zu besuchen.


    Für mich war diese Straße vor dem ganzen Ersticken jeder Atmosphäre immer die urbanste Straße von ganz Berlin. Ein bisschen Verkehr, aber einspurig, viel Gewusel, dazwischen Menschen wie ich völlig normal auf dem Fahrrad. Jetzt liegt man auf einer Chaiselongue mitten auf der Fahrbahn, wenn man sich denn überhaupt noch dorthin verirrt, und muss von hinten durch die Brust ins Auge, wann man nicht zu Fuß von A nach B will. Da vergeht die Lust auf diese Straße dann endgültig. Als ehemaliger Grünwähler bin ich einfach fassungslos über so viel Absurdität. Am besten, Leute mit Geburtstagen an ungeraden Tagen gehen dann nur noch auf der linken Seite und Menschen mit Hund nur von Donnerstag bis Dienstag. So stelle ich mir organische Verkehrpolitik vor.

  • Ich finde eine autofreie Friedrichstraße nicht absurd. Wenn man die Verkehrswende ernst nimmt und die Autos zurückdrängen will, dann muss man irgendwo anfangen. Die Friedrichstraße eignet sich als autofreie Straße vor allem deshalb, weil sie hervorragend an den ÖPNV angebunden ist. Wer zur Friedrichstraße muss, der ist nicht auf das Auto angewiesen.

    Dass es nach wie vor starke Kräfte gibt, die sich eine Stadt nur mit Autos vorstellen können, sollte die Befürworter der Verkehrswende nicht bremsen. Eher können die Erfahrungen der Friedrichstraße genutzt werden, um künftig autofreie Straßen schneller auf den Weg zu bringen.

    Und was die Grünen betrifft: Sie haben immer klar gemacht, dass sie die Autos zurückdrängen wollen. Deshalb kann ich hier kein Bruch von Wahlversprechen erkennen.

  • Widerstände mit Unverständnis, ein bestimmtes Ziel nicht mehr direkt mit dem eigenen Auto (oder Fahrrad) ansteuern zu können, gab/gibt es überall, selbst im beschaulichen Gummersbach :cheer:


    Das es in der Friedrichstraße schwierig ist, liegt m.A.n. an dem provisorischen Charakter und der schlussendlich doch vorhanden Nutzungmischung.

    Wenn Fußgängerzone, dann richtig: Bordsteine weg, neue ansprechende Pflasterung, Beschränkungen für Fahrräder, Lieferverkehr nur zu bestimmten Zeiten ...


    Dann werden sich auch (neue) Anlieger finden, die investieren um z.B. ordentliche Aussengastronomie oder Warenpräsentationen anzubieten und es wird regelmäßige Veranstaltungen geben können.


    Das ganze dauert eine Weile und wird auch zu Umstrukturieringen bei den Händlern führen, wird aber dann auch neue Kundenströme generieren.

  • Für mich war diese Straße vor dem ganzen Ersticken jeder Atmosphäre immer die urbanste Straße von ganz Berlin. Ein bisschen Verkehr, aber einspurig, viel Gewusel, dazwischen Menschen wie ich völlig normal auf dem Fahrrad

    Da sprechen Sie mir direkt aus dem Herzen. Auch ich war von dieser ewiglangen schnurgeraden Straßenschlucht mit seinem wie sie schreiben „Gewusel“ begeistert – hier kam für mich ein typisches Berlin-Gefühl auf. Nur noch zu vergleichen mit der Ecke Kudamm/Joachimstaler am Freitag oder Samstag Nachmittag. Es ist eine merkwürdige Eigenart der Stadt, dass seine Vertreter (Senat, Bezirk, Bürgerinitiativen) die Stadt immer gerne in eine Art überschaubares Dort verwandeln wollen und mit diesem „Gewusel“ oder sagen wir dieser Wildheit nichts anfangen können oder nichts Positives damit assoziieren.


    Von der Wohnungsmarktkrise, unzähligen verpassten Chancen in Stadtplanung und Architektur über Lompschers Mietendeckel, dem Urteil zur Friedrichstraße bis zur auch verwaltungstechnisch unsinnigen Trennung von Stadtentwicklung und Verkehr (da so keine wirkliche Stadtentwicklung mehr möglich ist, sondern nur noch das Bebauen von Freiflächen), so erkennt man doch, dass die Politik die Probleme der Stadt nicht unbedingt verringert. Ich persönlich glaube mittlerweile ja, dass die Stadtentwicklung samt Verkehr von der Politik entkoppelt bessere Resultate liefern würde. Aber das ist nur meine Träumerei.


    Warum man sich jetzt so an einer autofreien Friedrichstraße festgebissen hat, verstehe ich nicht ganz. Die Leipziger Straße samt überdimensionierten Brücken bleiben von dieser Art „Verkehrswende“ ja ausgespart. Nun gut, der aktuelle Senat scheint nur noch für ein paar prominente Bereiche der Stadt zu planen, dass es in Gesamtberlin nur bedingt und zu großen Teilen in äußerst schlechten Zuständen Fahrradwege gibt, interessiert (leider) nicht weiter. Vielleicht ist das eine Art Beißreflex da man an prominenter Stelle einen Erfolg vorweisen möchte, ich weiß es nicht. Zum anderen kann es gut zu einem Problem werden, wenn wir jetzt so sehr das Fahrrad in den Mittelpunkt stellen wollen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass dies zu rechtlichen Neubewertungen führt, die auch (ich) als Fahrradfahrer nicht wollen kann. Wenn Politik nicht zu Ende gedacht wird, müssen es am Ende immer die Gerichte klären.

    Im Falle der Friedrichstraße bleibt mir allerdings ein Rätsel offen. Hat denn die Verwaltung die Senatorin nicht über die möglichen Risiken informiert oder nur unzureichend?

  • Die Friedrichstraße hat doch nach 91 von Anfang an nicht funktioniert. Von welchem Gewusel wird da gesprochen? 3 H& M Filialen in einem Abschnitt von 400 Metern ist wenig attraktiv. Die unterirdische Passage hat nie funktioniert. Ein Gewusel, das soll wohl Urbanität sein, konnte man kurz nach Fertigstellung der 3 Strassenblöcke feststellen. Das gab sich aber ziemlich schnell wieder. Das konnte auch der ach so urbane Autoverkehr nicht verhindern. Ich versteh also nicht, warum krampfhaft daran festhalten will.

    Eine Steinecke-Filiale lässt sich auch zu Fuß erreichen.

  • ^^ Bemerkenswerter Weise funktioniert die Friedrichstraße nördlich von UdL auch mit Autoverkehr ausgezeichnet. Trotz der vielen Gründe, die man anführen kann, bleibt es ist für mich bis heute etwas rätselhaft, warum sie zwischen UdL und Leipziger Straße (mit dem wunderschönen Gendarmenmarkt daneben) und sogar darüber hinaus bis zum Attraktor Checkpoint Charlie nie richtig angenommen wurde und warum selbst von der Mall of Berlin keinerlei belebende Wirkung auf diesen Teil der Friedrichsstraße ausgegangen zu sein scheint.

  • Wobei man hier wieder die Gegenfrage stellen kann, warum soll nun die (aus Ihrer Sicht) fehlende "Frequenz" ab UdL südlich gerade durch das Ausbleiben des Kfz-Verkehrs erreicht werden?

    Im Grunde ist der Widerspruch zur "autofreien Friedrichstraße" nicht auflösbar. Wie Sie schon in einem Vorpost richtig erwähnten gibt es ja auch die Behauptung einiger die Friedrichstraße (inkl. Passage) habe nicht funktioniert, Dem würde ich sofort widersprechen. Das Hauptmanko war immer das Quartier 206, was aber (wenn man den Sachstand näher betrachtet) vor allem an den Eigentümern (jetzt Insolvenz) lag. Zudem kam es zu einer deutlichen Beeinträchtigung durch den Ausbau der U5, der den besagten Teil der Friedrichstraße praktisch abschnitt. In dieser beeinträchtigten Zeit kam die Idee der "autofreien Friedrichstraße" auf, da manche glauben die Friedrichstraße funktioniere nicht. Ich und andere sagen wiederrum, die Straße funktioniert, lasst sie bitte in Ruhe. Dass man evtl. Veranstaltungen, Attraktionen (diverser Art) dort etwas konzentrieren kann würde sich bei dem Schlauch einer Straße anbieten. Aber mehr ist aus meiner Sicht (derzeit) nicht notwendig bzw. sinnvoll.

    Meine Wahrnehmung ist halt, dass diese Straße in ihrer Diversität auch die Diversität von Verkehr benötigt. Was wiederum in 5 oder 10 Jahren ist möchte ich nicht vorwegnehmen. Falls dann eine zweite Wilmersdorfer Straße oder eine Art Istiklal-Straße entstand, dann ist nochmal vieles möglich zu überdenken. Nur jetzt halte ich den Zeitpunkt für den falschen.


    Markus40 bitte die Zitierfunktion sinnvoll nutzen. Beim Vorpost reicht ein "^" völlig aus.

  • Das ganze Gaga der grünen Verkehrswende wird daran sichtbar, dass man sich an ein paar hundert Meter Friedrichstrasse abarbeitet - aber die Leipziger links liegen lässt - bzw sogar für einen 6spurigen Ersatzneubau von Brücken kämpft. Oder daran, dass man die Urania mit teilweise 8 Spuren ebenso nicht anfasst. Und, jede Wette, dass auch der Rückbau der Autobahn am Breitenbachplatz nicht vorankommen wird. Oder die Umgestaltung des Bundesplatzes mit Tunnel. Ebenso jeder Wette, dass es dem Senat nicht gelingen wird, den Ausbau des ÖPNV zu beschleunigen. 20km Strassebahn in 4 Jahren. Schon der letzte Senat konzentrierte sich auf Symbole - wie das Aufstellen von Holzbauten in der Bergmannstrasse. Symbolpoltik ist halt einfacher - und bringt auch Wähler. Für mich ist nicht erkennbar, dass sich daran etwas ändert.

  • Die Verwaltung des Bezirksamts Mitte hat den aktuellen Zeitplan für die beantragte Teileinziehung bekanntgegeben. Das berichtet heute die Berliner Zeitung. Die Allgemeinverfügung wird voraussichtlich noch im November veröffentlicht.


    Wenn diese bestandskräftig wird, wird in der Friedrichstraße auf dem Abschnitt zwischen der Französischen und der Leipziger Straße dauerhaft kein Kfz-Verkehr mehr stattfinden. Vrsl. noch im November wird die Allgemeinverfügung veröffentlicht.


    Das Bezirksamt hat bereits am 23.09. im Amtsblatt von Berlin mitgeteilt, dass es dem Wunsch nach Teileinziehung nachkommen will. Diese sei zulässig, wenn als Grund der Beschränkungen vorwiegend das öffentliche Wohl festgelegt wird.


    Zurzeit werden die eingegangenen Bedenken gegen eine Teileinziehung geprüft und abschließend beantwortet, danach kann die Allgemeinverfügung gefertigt werden. Diese gilt dann zwei Wochen nach Erscheinen im Amtsblatt für Berlin als bekannt gegeben. Im idealfall - sofern kein Widerspruch eingeht - wird die Teileinziehung einen Monat später bestandskräftig, dies kann also frühestens Anfang 2023 der Fall sein.


    Davon ist aber eher nicht auszugehen. Denn selbstverständlich prüft das Aktionsbündnis „Rettet die Friedrichstraße“ juristische Schritte dagegen, sodass mit Widersprüchen und Klagen zu rechnen ist, die aufschiebende Wirkung haben. Es wird sich also höchstwahrscheinlich weiter hinziehen.


    Das „Abarbeiten“ liegt also nicht daran, dass irgendjemand „gaga“ ist, sondern dass solche Verfahren nunmal lange dauern und es immer wieder Einspruchs- und Klagemöglichkeiten gibt.


    Oranien: Weil viele Pläne und Großprojekte nicht oder nur langsam voramkommen, soll man daher alle (auch kleinere) Projekte lassen und gar nichts machen? Auch die Umgestaltung zur autogerechten Stadt hat damals mehrere Jahrezehnte gedauert, und das unter wesentlich einfacheren Rahmenbedingungen. Und aus meiner Sicht sind durchaus Fortschritte bei der Verkehrswende zu erkennen. Ich bin gerade erst am Tempelhofer Damm gewesen, der stets eine NoGo-Zone für Radfahrer war. Nun gibt es dort zw. Alt-Tempelhof und Ullsteinstraße beidseitig einen exzellenten geschützten Radstreifen und nur noch eine Fahrspur für Kfz. Klar, im Vergleich zu einem Autobahnrückbau ist das Kleinkram, aber steter Tropfen höhlt bekanntlich auch den Stein.

  • Also ich persönlich empfand das Provisorium in der Friedrichstraße mit Fahrradautobahn auch nicht als schön, auch wenn sie sich zum Ende hin verbessert hat. Trotzdem war es noch angenehmer als vorher und gab einen guten Ausblick was ist, wenn man es mal richtig macht. Daher bin ich stark dafür, die Straße in Kombination mit den Plänen UdL Autofrei zu machen, aber nur unter der Bedingung, dass man ihr ein ordentliches "Facelift" verpasst, die auch echte Aufenthaltsqualität bietet, ähnlich wie man das in vielen Städten Europas derzeit mit großem Erfolg macht. Es wurden ja schon vor ein paar Monaten mal Visualisierungen gezeigt, wie die Friedrichstraße dann einmal aussehen kann. Das ging schon in die richtige Richtung und war nicht so stümperhaft, wie der jetzige Zustand. Paradebespiel wie man es richtig und konsequent macht ist wohl Paris mit seinem Champs Elysees. Da kann man sich für UdL / Friedrichstraße mal ordentlich was abgucken. Dann wird das auch gut. Man muss nur mal den Mumm dazu haben, etwas richtig zu machen. Diese halbgaren Kompromisslösungen braucht niemand.

  • Ich war letzte Woche nach etwa 2 Jahren mal wieder auf der Friedrichstraße und war schockiert. Es ist eine völlig leere und absolut ausgestorbene Straße geworden, wer kann das so gut finden? Die kleinen Glashäuschen auf der Straße waren völlig ungepflegt und teilweise kaputt und Verwahrlost. Viele Einzelhändler sind weg und der Abschnitt vom Checkpoint C. zum Gendarmenmarkt bis zum Westin Grand war wirklich traurig anzusehen. Die Straße war mal lebendig voller Leben und Städtisch, unfassbar.

  • Der Niedergang der Straße fand doch weit vor der Pandemie und dem Feldversuch der Verkehrsbetuhigung statt. Das hat natürlich auch mit dem Kaufverhalten der Kunden zu tun. Viele kaufen einfach gerne online, was zu darbenden Einkaufsstraßen führt. Übrigens nicht nur in Berlin.

    Wie aber zieht man Menschen, in dieser sich verändernden Innenstädte? Mit einem vernünftigen attraktiven Branchenmix, mit Aufenthaltsqualität und einem kulinarischen Angebot. Ganz sicher nicht mit dem Auto. Das ist einfach nur rückwärtsgewandt und untauglich die Probleme der Innenstädte zu lösen.

  • ... erst einmal war es ein Versuch und ein Provisorium. Jetzt hat man gemerkt, dass das mit der „Fahrradautobahn“ in der Mitte keine so gute Idee war.

    Das war doch von Anfang an klar, dass es keine gute Idee ist.


    Innerstädtische Fahrradautobahnen sind monofunktionale Nutzungen. Und monofunktionale Nutzungen sind ein Relikt aus der Nachkriegsmoderne. Wir wissen doch heute, dass die städtebauliche Funktionstrennung ein großer Fehler war, weil sie zu vielen Schwierigkeiten geführt hat.


    Daher verstehe ich diesen Hype um diese sog. Fahrradautobahnen nicht. Letztendlich wiederholt man doch nur die Fehler, die man bereits mit der autogerechten Stadt gemacht. Jetzt macht man die gleichen Fehler halt mit der fahrradgerechten Stadt. Scheinbar hat man aus den Fehlern der Vergangenheit nichts gelernt. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Fahrräder umweltfreundlicher sind als Autos. Es ist ziemlich egal, ob Auto oder Fahrrad ... monofunktional ist monofuntional ... und das ist schlecht.


    In der Friedrichstadt sollte man die verschiedenen Verkehrsarten mischen, anstatt zu trennen.

  • ^ Ich weiß nicht, wer euch diesen Floh ins Ohr gesetzt hat. Eine Fahrradautobahn oder Fahrradschnellweg war nie geplant. Es geht um eine komfortable und sichere Radverbindung. Auch die nun dafür vorgesehene Charlottenstraße wird keine „monofunktionale Nutzung“ aufweisen.


    Von einer fahrradgerechten Stadt sind wir immer noch weit entfernt. Und wenn ein winziger Prozentsatz aller Straßen in Berlin ohne Autoverkehr auskommen soll, geht für die Autofahrer die Welt sicher nicht unter. Für Autofahrer gibt es genug Straßen mit tatsächlich „monofunktionale Nutzung“, nämlich die Autobahnen und Kraftfahrstraßen.

  • ^ Das was Sie schreiben ist m. E. genau das Missverständnis bei dem Thema "autofreie Friedrichstraße". Sehr vielen Kritikern geht es nicht um die Priorisierung des Kfz-Verkehrs oder seiner Lobby. Zudem stehen viele Kritiker dem Thema Fußgängerzone auch nicht feindlich gegenüber. Vielmehr geht es um die Frage ob dieser Standort dafür der richtige ist und ob es der Straße wirklich gut tut.


    Ich sage der Standort passt einfach nicht und dies wird weitere negative Auswirkungen auf ihn haben. Und weil die Verkehrspolitik als Ganzes nicht zu Ende gedacht wurde (auch rechtlich nicht) wird dieses Vorhaben immer unter Spannung leiden. Die Krautstraße in Friedrichshain hats (leider) vorgemacht.


    Nicht jeder Kritiker ist gleich automatisch pro Auto, allerdings erwartet man schon von einer Verkehrspolitik in größeren Zusammenhängen denkend ein Konzept vorlegen zu können. Was wir bis heute erleben ist ausschließlich Symbolpolitik an ein paar prominenten Orten.


    Ihre Antwort an "Oranien" im Post "133" zeigt genau dieses (aus meiner Sicht) grobe Missverständnis. Ein Gesamtverkehrskonzept für die Gesamtstadt Berlin würde für einzelne Maßnahmen (die darauf zurückzuführen wären) mehr Akzeptanz aufbringen.


    Ich möchte es als Beispiel verdeutlichen was ich meine:

    • "Verkehrswende" wird als plakatives Wort in die Arena geworfen, aber außer werbeträchtigen Inszenierungen habe ich bis heute nicht verstanden was dieses Wort beinhalten soll. Hier fehlt das Fundament, worauf es sich bezieht (z. B. pro dies oder gegen das, dann aber mit alternativem Angebot)
    • „Fahrrad“ – es wird viel vom Fahrradverkehr gesprochen, doch kann ich bei der Politik nicht erkennen, dass es wirklich um eine Verbesserung für Fahrradfahrer geht. Wieder wird an prominenten Stellen die schon vorhandenen Fahrradwege umgebaut oder nur andersfarbig gestrichen samt Abstandmarker – aber außerhalb dieser prominenten Orte habe ich es als Fahrradfahrer nicht leicht. Im Großen und Ganzen werden kaum Fahrradwege angelegt, ausgebaut oder verbessert, ganze Bezirke sind für die Verkehrspolitik nach meiner Wahrnehmung nicht existent.
    • ÖPNV: Hier haben wir zwar etwas Bewegung bei der Tram, allerdings fällt negativ ins Gewicht, dass z. B. bei der Strecke nach Moabit, die Möglichkeit der U-Bahn verbaut wurde. U-S-Bahn-Planung gibt es im heutigen Berlin (120 Jahre nach Eröffnung der ersten U-Bahn) im Grunde keine mehr.

    Und das ist glaube ich das Manko dieser Politik. Es fehlt der überzeugende Überbau, der einzelne Maßnahmen verständlich und als Ganzes erscheinen lassen würde. Zudem versucht man sich in einer „Mit-dem-Kopf-durch-die-Wand“-Mentalität, völlig Unwillens über Alternativen oder Kompromisse nachzudenken. was natürlich nur Gegenreaktion erzeugt. Ein Vorschlag meinerseits: alternativ ein besser geeignetes (und zudem größeres) Gebiet zur Fußgängerzone auszubauen. Meiner Ansicht nach würde sich der Bereich ab Kottbusser Tor über den Kottbusser Damm bis zum Hermannplatz anbieten.


    Überflüssiges Zitat des Vorposts gelöscht. Wenn du unmittelbar auf einen Beitrag antwortest, ist der Bezug ohnehin klar. Siehe dazu die Richtlinien für das Einbinden von Texten. 🙂

  • Als Befürworter der Maßnahme an sich, kann ich die Frustration mit und die Kritik an der Berliner Politik und Verwaltung völlig nachvollziehen, auch wenn die Bedingungen komplexer und schwieriger sind, als es in gewohnt provokanter Manier in Presseartikeln und Forumsbeiträgen dargestellt wird. Zu der ohnehin schon lahmen Verwaltung kamen ein Wahlkampf und coronabedingte Krankenstände und Prioritätenverschiebungen, was die Prozesse natürlich nicht einfacher gemacht hat.


    Aber das man es zwei Jahre lang nicht hinbekommt, mehr umzusetzen als Baustellenmarkierungen und behelfsmäßige Sitzgelegenheiten, ist ein Armutszeugnis. Prozesse hin oder her, man kann eine solch zentrale und prestigeträchtige Straße nicht über so lange Zeit vor sich hin gammeln lassen. Ich wage zu behaupten, dass man sowas an vergleichbarer Stelle in Paris, Kopenhagen oder Wien nicht sehen würde. Und ein glasklarer Indikator für die schlechte Arbeit aus dem Hause Jarasch ist, dass man die Einzelhändler vergrault hat. Deren Kooperation ist nun mal ganz zentral und obwohl sie anfangs der Maßnahme offen gegenüber standen, haben sie sich mit der Zeit abgewandt, was nachvollziehbar ist.


    Für mich zeigt sich hier nicht ein Scheitern des Vorhabens und ganz sicher nicht der oben so genannten "grünen Verkehrswende", sondern nur ein weiteres, deprimierendes mal die Ineffizienz der Berliner Politik und Verwaltung. Nicht das es umgesetzt wurde sondern wie es bisher umgesetzt wurde, ist das Problem. Es gibt Beispiele ohne Ende, dass Verkehrsberuhigung und PKW-Sperrung zu Belebung und steigenden Umsätzen im Einzelhandel führt, aber das geht halt nicht mit Europaletten, globaler Pandemie und Berliner Verantwortungsdiffusion.


    Das ganze Gaga der grünen Verkehrswende wird daran sichtbar, dass man sich an ein paar hundert Meter Friedrichstrasse abarbeitet - aber die Leipziger links liegen lässt

    Das ist nicht richtig. Auch an der Leipziger Straße ist man schon länger dran, wobei die aktuellen Brückendiskussion zeigt, dass der Drops noch lange nicht gelutscht ist:

    Straßenbahnneubaustrecke Alexanderplatz – Potsdamer Platz/Kulturforum - Berlin.de

    Es gibt im ganzen Stadtgebiet etliche Verkehrsprojekte im Rahmen der Verkehrswende, in unterschiedlichen Umsetzungsstadien. Der Eindruck des "Abarbeitens" an einzelnen Konfliktthemen ergibt sich aus der medialen Ausschlachtung derselben.


    "Verkehrswende" wird als plakatives Wort in die Arena geworfen, aber außer werbeträchtigen Inszenierungen habe ich bis heute nicht verstanden was dieses Wort beinhalten soll. Hier fehlt das Fundament, worauf es sich bezieht (z. B. pro dies oder gegen das, dann aber mit alternativem Angebot)

    Das ist schwer nachzuvollziehen. Schließlich werden Art und Weise sowie das Für und Wider seit Jahren rauf und runter diskutiert. Vielleicht als grober Einstieg:

    Verkehrswende – Wikipedia

    Wie das laut Meinung der gegenwärtigen Regierung in Berlin umgesetzt werden soll, steht auf 13 Seiten im aktuellen Koalitionsvertrag:

    Koalitionsvertrag 2021 - 2026 - Berlin.de


    Wo ich dir allerdingst zustimme, ist beim Thema Öffentlichkeitsarbeit. Mobilität ist zum identitätspolitischen Schlachtfeld geworden. Das liegt aber nicht nur daran, dass Springer & Co. in gewohnt billig-polemischer Art und Weise dagegen wettern, sondern auch an einer zu positivistischen, konfrontativen und besserwisserischen Kommunikation mancher Verfechter der Verkehrswende. Es bedarf einer größer angelegten Kommunikationskampagne die die diversen Vorhaben anschaulich darstellt, die Leute mitnimmt und die, die sich nicht mitnehmen lassen wollen, zumindest informiert.