Friedrichshain Nordost: nördl. der Frankfurter Allee / östl. der Petersburger Str.

  • ^ Au weia. Da fragt man sich schon, ob die ersten Entwürfe nur aus Marketingzwecken veröffentlich werden, während die eigentlichen Pläne für die maximal öde Standardkiste schon längst in der Schublade liegen...

  • Naja, kann durchaus so sein. Kann aber auch sein, dass die erzielbaren Einnahmen im Verhältnis zu den gestiegenen Kosten heute anders sind. Einnahmen drastisch runter. Kosten drastisch hoch. Wie gesagt: Berlin hat sein für die jetzige Generation historisch einmaliges Fenster verpasst. Das wird sich noch bei vielen Projekten bemerkbar machen. Das "trostlose" WBM-Haus an der Fischerinsel wird sich als wegweisend erweisen. Das meine ich ganz ohne Zynismus.

  • Ich sehe das ganz ähnlich wie Oranien. Solche Spar-Architektur kommt eben dabei raus, wenn die Projektentwickler aufgrund hoher Zinsen und vieler rechtlicher Vorgaben keine Möglichkeiten mehr haben, an Projekten Geld zu verdienen. Und dieses Projekt ist nur ein Vorgeschmack auf zukünftige Zeiten. Die fetten Zeiten (also die letzten 20 Jahre) wollte man in Berlin partout nicht nutzen, weil man zu jeder Entwicklung "Nein" gesagt hat. Ich möchte mal daran erinnern, wie abweisend man in Berlin auf die Pläne reagiert hat, das grandiose Kaufhaus Karstadt am Herrmannplatz aus den 1920er Jahren zu rekonstruieren. Irgendwann sind die fetten Zeiten halt vorbei. Und dann wird die Spar-Architektur a la Ring-Center zur Regel. Insofern entsprechen diese kostenoptimierten Pläne zum Ring-Center der aktuellen Geisteshaltung im Berliner Städtebau.

  • ... wobei auf der von mr_ilaischa verlinkten Seite von Graft-Architekten noch als letztes Bild eine etwas andere Visualisierung zu sehen ist als die Visu des Projektanbieters. Wenn auch etwas freundlicher gestaltet besonders die Eingangssituation bleibt doch der krasse Bruch zur Anfangssituation unübersehbar. Graft-Architekten gehen in ihrem beigestellten Text nur insoweit auf die Veränderung ein, dass sie beschreiben, dass Handel momentan einem großen Wandel unterliegt und Warenhäuser zu ”Mixed-Used-Bausteinen” umgewandelt werden.

    Allerdings frage ich mich wie sehr man sich als Architekt verbiegen muss um ein solches Ergebnis zu befördern. Und ob das nicht eher rufschädigend ist.

    Einmal editiert, zuletzt von Camondo ()

  • ^^ Ja, wie denn nun? Ist es der Bund (rechtliche Vorgaben, die es seit langem gibt), die Makroökonomie (relativ hohe Zinsen, die übrigens schon wieder sinken) oder eine spezifische "Berliner Geisteshaltung" (die dann mit Ökonomie gar nichts mehr zu tun hat)?


    Man könnte auch einfach feststellen: Wir haben a) eine Wirtschaftskrise und b) einen Investor, der offenbar rendite-optimiert bauen will – und das Ergebnis unterscheidet sich nicht groß von Dutzenden vergleichbaren Renditekisten im ganzen Land. Aber dann könnte man gar nicht mehr auf Berlin schimpfen.


    Was mich an dieser Lesart besonders ärgert, ist die selektive Wahrnehmung, die so vieles ausblendet, was nicht in den Kram passt. Der Karstadt am Hermannplatz etwa war – nach langen Kämpfen – politisch durchgesetzt und scheiterte daran, dass Benko sich verspekuliert hat. Gleichzeitig ist in Berlin gerade der höchste deutsche Wolkenkratzer außerhalb Frankfurts im Bau, außerdem zwei weitere Türme von knapp 140 Meter. Ein dritter 140-Meter-Turm wurde kürzlich fertiggestellt, am Ende der Europacity entsteht ein einigermaßen beeindruckender Bürokomplex, Hines plant für 150 Meter, etc. pp.


    Was den öffentlichen Sektor betrifft: Auch die Entwürfe für die Breite Straße orientieren sich keineswegs am Fischerinsel-Desaster, sondern weisen einen viel höheren Gestaltungsanspruch auf.


    Ich will keineswegs alles schön reden, die deutsche Wirtschaft ist ernsthaft angeschlagen. Aber dieses Urteilen von oben herab, wonach den Investoren nun leider, leider gar nichts mehr anderes mehr übrig bliebe, als WDVS-Lochfassaden zu bauen – das ist schlicht falsch.

  • ... und das Ergebnis unterscheidet sich nicht groß von Dutzenden vergleichbaren Renditekisten im ganzen Land. Aber dann könnte man gar nicht mehr auf Berlin schimpfen.

    Natürlich gibt es die Renditekisten auch anderswo im ganzen Land. Aber es gibt nur wenige Städte, die diese unfassbaren Möglichkeiten in den letzten zwei Jahrzehnten gehabt haben wie Berlin. Was die selektive Wahrnehmug angeht: In Berlin sind (leider viel zu selten) auch bessere Sachen gebaut worden, weil sich Berlin im Hype befunden hat. Dabei hat man vergessen, dass solche Architektur a la Ring-Center in vielen Städten - ohne Hype und ohne Haupstadt-Bonus - den "normalen" Standard darstellt. Und nicht etwa der Glaskubus am Hauptbahnhof. Deswegen sollte man die Chancen nützen, die man hat.

  • Mir geht es wie Camondo : Dass sich Graft das leisten kann? Dafür werden die doch in der Zunft geteert und gevierteilt.


    Trotzdem ist das Projekt für den städte-baulichen Wandel interessant. Berlin hat über 60 Einkaufszentren. Ein grosser Teil wird in seiner jetzigen Form nicht überleben. Insofern ist der Umbau sicher nicht ästhetisch wegweisend - aber vielleicht mit seinem Mixed-Use-Ansatz. Mehr als 20% Verkaufsfläche dürfen da nicht übrig sein.

    Die Debatte wer in Berlin mehr schaden anrichtet - die bösen Investoren oder die böse Politik - kann man endlos führen. Meine These ist: Die Investoren sind überall gleich. Gleich böse, gleich rendite-orientiert. gleich engagiert, gleich innovativ, gleich ambitioniert. Trotzdem bauen die in Leipzig andere Fassaden als in Berlin etc. Den entscheidenden Unterschied macht die Politik. Und das ist ja letztlich auch gut so - denn die soll ja Gestaltungsspielraum haben. Ich teile vollkommen die Überzeugung von Architektur-Fan dass in den letzten 20 Jahren ein entscheidendes Fenster vertan wurde.