Bremen: Umnutzung alter Industrie- und Gewerbeflächen

  • In Bremen gibt es auch außerhalb der Überseestadt eine Reihe sehr interessanter Neunutzungsprojekte. Neben einigen Projekten in der Kernstadt möchte ich in diesem Thread auch auf die interessante Entwicklung in Bremen-Nord aufmerksam machen. Das Zentrum dieses Stadtteils mit immerhin 100.000 Einwohnern ist Vegesack; es hat eine eigene kleine Innenstadt mit Fußgängerzone etc. Grundsätzlich hat Bremen-Nord seit Jahrzehnten mit der Deindustrialisierung zu kämpfen, es sind mehrere große industrielle Arbeitgeber weggebrochen (Werften, Textilindustrie, etc.), und der Stadtteil hat aufgrund seiner peripheren Lage auch mehr Probleme dabei, adäquaten Ersatz zu finden. Aufgrund der länglichen Ausrichtung Bremens, das sich über 40 km die Weser entlangzieht, liegt dieser Stadtteil ca. 25 km von der Innenstadt entfernt, was selbst in Berlin eine periphere Lage, an vielen Stellen schon in Brandenburg liegend, wäre.


    Das erste Gebiet, um das es gehen soll, liegt sehr reizvoll an der Mündung der Lesum in die Weser. Interessant ist hier, dass keine Industriebrache neuentwickelt wird, sondern ein seinerseits bereits Anfang der 2000er Jahre aus einer Brache der Lürssenwerft hervorgegangenes Einkaufszentrum teilabgerissen und neuentwickelt wird. Es handelt sich also bereits um die zweite Neuentwicklung innerhalb von 20 Jahren. Das Einkaufszentrum "Haven-Höövt" ist vom Start 2003 weg nur mäßig gelaufen und musste recht früh mit Leerstand kämpfen bzw. hatte relativ viele unattraktive Geschäfte im Discounterbereich. Der hintere Teil des Einkaufszentrums an der Lesum bleibt erhalten und ist bereits 2019/2020 nach Renovierung als "Kontor am Alten Speicher" neueröffnet worden. Zunächst ein GoogleEarth-Luftbild der Lesummündung, das noch den alten Zustand bis 2020 zeigt:


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    (Im Hintergrund weiß die relativ berüchtigte "Grohner Düne", ein klassisches Großwohnprojekt aus den 70ern, das seit Jahrzehnten einen schlechten Ruf hat und mit Verwahrlosung, Leerstand und Kriminalität zu kämpfen hat.)


    Nachdem das Einkaufszentrum bereits 2012 zum ersten Mal in Konkurs gegangen ist, weiteten sich Leerstand immer weiter aus, schließlich wurde das Grundstück verkauft und für eine Neunutzung freigegeben. Aus dem Wettbewerb gingen Wirth Architekten (Bremen) hervor, ein Brüderpaar, das hier seit ein paar Jahren für Furore sorgt. Alle folgenden Bilder sind von ihrer Homepage Wirth Architekten, zunächst ein Lageplan des "Quartiers am Alten Speicher":


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    Der hintere Teil des großen Komplexes (rechts oben hinter dem an dem kleinen Hafen liegenden Teil) ist erhalten worden und bereits wiedereröffnet. Es geht im folgenden um den vorne am Wasser liegenden Riegel (oben mit der Anzeige des Namens "Müller").


    Der Clou ist hier, dass praktisch ein ganzes kleines Stadtviertel neu entstehen soll mit kleinen Gassen und abwechslungsreich gestalteten Gebäuden:


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    Um den Hochpunkt im Hintergrund auf dem letzten Bild gab es ziemliche Diskussionen, er wurde entsprechend etwas gestutzt und von der Ausrichtung leicht verändert. Die letzten beiden Visualisierungen zeigen den aktuellen Planungsstand, der Baubeginn steht unmittelbar bevor, das Gelände ist bereits geräumt, die Bauvorbereitungen laufen:


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    Und das Luftbild mit dem aktuellen Planungsstand:


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    Es folgen in der nächsten Zeit in loser Reihenfolge weitere vergleichbare Projekte dieser Art aus Bremen.


    Interessant finde ich eine Art "neuen" Stil, in dem diese Gebiete seit wenigen Jahren in Bremen geplant werden, wieder Schrägdächer, viel Klinker, oft Sheddächer, insgesamt relativ abwechslungsreich und kleinteilig und im Charakter völlig anders als solche Projekte noch vor 10, fast 5 Jahren realisiert worden wären.

  • Ein weiteres Großprojekt in Bremen-Nord ist das sogenannte "Steingutquartier" (gibt heute anscheinend nur noch "Quartiere" ;)). Es soll an der Strecke der S-Bahn zwischen Bremen-Stadt und Bremen-Nord auf dem Gelände einer ehemaligen Steingut/Porzellanfabrik entstehen. Bislang ist das Gelände praktisch vollkommen von den Produktionsstätten überbaut, wie dieses Luftbild (GoogleEarth) zeigt:



    In für Bremer Verhältnisse überraschend hoher Geschwindigkeit fand -nach einer politisch vorgebenen Rahmenplanung, die den Erhalt einzelner Altgebäude vorsah- nun ein städtebaulicher Wettbewerb statt, aus dem das Berliner Büro Schönborn-Schmitz Architekten hervorging. Interessant am Vorgang war, dass die 6 Wettbewerbsbeiträge erst in der Öffentlichkeit präsentiert wurden und erst dann dem Preisgericht (bzw. konnte sich dieses natürlich die Entwürfe auf der öffentlichen Veranstaltung auch anschauen).


    Dies sind die 6 Beiträge in Kartenform:


    (Der Gewinnerentwurf ist unten rechts die Nummer 6)


    Hier ein Weserkurierartikel, der über die Homepage des Entwicklers Procon frei zugänglich ist:


    Schönborn-Schmitz-Architekten gewinnen Wettbewerb fürs Steingutquartier


    Es folgen die Visualisierungen des Gewinnerentwurfs, zunächst das "Luftbild":



    Bei der Feinbetrachtung ist zu berücksichtigen, dass es sich hier um einen groben Entwurf handelt/Baumassenstudien, und nicht um voll ausgeplante Fassaden:






    Auch wieder ein wie ich finde gelungener Entwurf. Was mir erst seit einer kurzen Zeit auffällt bei vielen dieser Umnutzungsprojekte ist die deutlich gesteigerte Qualität der Entwürfe. Noch vor 5, sicher aber 10 Jahren wäre so ein Gelände in Bremen einfach mit ein paar weißen, maximal teilverklinkerten Bürowürfeln zur Bahn hin und ebenso WDVS-weißen, als "Stadtvillen" verbrämten Wohnhäusern in einer Art Parklandschaft zugebaut worden. Geringe Dichten, trotzdem viel Verkehr, alles irgendwie unbefriedigend und schon nach 10 Jahren aus der Zeit gefallen.


    Aber seit etwa 3-4 Jahren regiert plötzlich Dichte und Urbanität in den Entwürfen, keine Angst mehr vor Blockrandbebauung, variable Dachlandschaften, einfallsreichere Fassadengestaltungen, allerdings verdammt viel Klinker, was manchmal auch schon wieder fast zuviel sein kann. Nun gut, man kann nicht alles haben.


    Frage ist nun: Macht Ihr ähnliche Beobachtungen in Euren Städten, so eine Art "neuen Stil", irgendwo zwischen Mid-Century und postmoderner Verspieltheit? Finde ich wirklich ganz interessant, diese Entwicklung. Wenn auch nur die Hälfte vom geplanten in Umsetzung geht (ich habe ja noch mehr auf Lager), dann wird das die Stadt wirklich verändern.

  • Obwohl auch in Bremen-Nord noch einiges im Köcher ist, jetzt mal eine kleine, aber feine 3ha-Angelegenheit in der Bremer Neustadt, das Kornquartier. Geplant ist die Umnutzung einer Autohaus- und Gewerbebrache südlich der Kornstraße, eine der West-Ost-Verbindungsstraßen in der Bremer Neustadt, zunächst als GoogleMaps Screenshot in der Übersicht:



    Einmal gedreht und rangezoomt:



    Städtebaulicher Rahmenplan, die übliche Mischung aus Wohnen und Gewerbe:


    Plankontor-Bremen







    Kornquartier Bremen - Wirth Architekten und Hilmes Lamprecht Architekten Bremen


    Interessant ist hieran auch wieder gar nicht so sehr die unheimliche, bahnbrechende Städtebauqualität oder Architektur, sondern die enorme Entwicklung, die die Gestaltung solcher Konversionsflächen in den letzten 10 Jahren genommen hat. Ich bin mir absolut sicher, dass dieses Gebiet noch vor 10 Jahren ein ödes "Stadtvillengebiet" mit zwischen dunkelroten Spaltriemchen und weißem WDVS changierenden Fassadengestaltungen geworden wäre.


    Es ist einiges passiert, aber ob es auch wirklich gut wird und funktioniert, wird erst die Realisierung zeigen, natürlich gibt es Ärger mit Anwohnern, denen der "Hochpunkt" zu hoch ist und das ganze zu dicht und sowieso der Verkehr - naja, wie immer halt, wenn im Bestand gebaut wird.

  • Es geht weiter, nun wieder Bremen-Nord, Gelände der ehemaligen Bremer Wollkämmerei (BWK), einst dem größten wollverarbeitenden Unternehmen der Welt. Nach jahrzehntelangem Niedergang wurde der Betrieb auf einem großen Betriebsgelände in direkter Weserlage 2009 endgültig abgewickelt. Seitdem hat die Bremer Wirtschaftsförderung versucht, das Gelände als neuen Gewerbe- und Industriestandort zu vermarkten, mit sehr gemischten Ergebnissen. Vereinzelt haben sich kleinere Betriebe (z.B. Handwerker) und einige kleinere produzierende Unternehmen wie ein Türenhersteller niedergelassen, aber von einem "Run" auf das Gelände kann man nicht gerade sprechen. Gerade der historische Gebäudebestand gammelte jahrelang vor sich hin und verfiel bzw. wurde auch Vandalismus zum Opfer.


    Das "Problem" der Wirtschaftsförderung war, dass es ihr um die Wiederansiedlung neuer Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe ging, aber dafür ist die Lage zu peripher, die boomende Zulieferindustrie z.B. siedelt sich lieber in den wuchernden Industriegebieten an der A1 an und nicht hier im Bremer Norden. Auch der Faktor seeschifftaugliche Kajen zog nicht wie erhofft. Nach ziemlich viel Gewürge wurde die Strategie nun komplett geändert.


    Als erstes wie immer ein Überblick mittels Luftbild (GoogleMaps):


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    De Zwarte Hond (Köln/Groningen) hat den städtebaulichen Rahmenplan erstellt - entstehen soll hier ein großer Berufsschulcampus:


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    Der Bestand ist sehr interessant:


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    Alter Wasserturm:


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    In der ehemaligen Direktion ist jetzt eine Kita:


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    Ein paar Visualisierungen gibt es auch:


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    Eine alte Lagerhalle soll in ein Schwimmbad umgewandelt werden:


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    (Visualisierungen alle: De Zwarte Hond - Berufsschulcampus Bremen-Blumenthal/Fotos: eigene Bilder, dürfen verwendet werden)


    Ich halte es für einen Fehler, dass auf dem Gelände weiterhin kein Wohnen möglich sein soll. Dies würde die Gegend auch abends beleben. Trotzdem erscheinen mir die Pläne, auch wenn ihre Umsetzung sich aus vielerlei Gründen verzögert und nun erst in diesem Jahr mit ersten vorbereitenden Maßnahmen begonnen werden soll, für gelungen.


    Erneut zeigt sich dieser zumindest für Bremen "neue" Trend zu anderen Dachformen und einer insgesamt recht spannenden, abwechslungsreichen und doch modernen Architektur, die sich gut in den Bestand einfügt.

  • Zurück in der Stadt geschieht gerade sehr viel auf der Neustadtseite der Weser. Perspektivisch soll hier außerdem eine neue Weserbrücke die Umnutzungsareale im Bereich Vorderes Woltmershausen mit der Überseestadt verbinden. Außerdem gibt es zahlreiche kleine Konversionsflächen in der industriell geprägten Alten Neustadt. Im Prinzip zeigt sich hier exemplarisch der Niedergang von Bremens Nahrungs- und Genussmittelindustrie.


    Zu den Konversionsflächen beiderseits der Weser gehören: Eine Zigarettenfabrik, eine Cornflakesfabrik, eine Schnapsbrennerei, eine Reismühle, eine Schokoladenfabrik, die Zentrale eines Kaffeeherstellers und perspektivisch wohl auch zumindest Teil-Flächen einer weltweit agierenden Brauerei ;). Das ganze Gebiet wird geteilt von der Weser und der B75, die als Hochstraße das Gebiet orthogonal zur Weser zerschneidet.


    Zunächst ein Überblick bei GoogleMaps:


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    Grün umrahmt sind Projekte in Umsetzung oder bei denen der Baubeginn unmittelbar bevorsteht, in gelb Projekte, die in einer konkreten Planungsphase sind und rot sind Gebiete, deren Beteiligung am städtebaulichen Umwandlungsprozess auf mittlere bis lange Sicht sehr logisch erscheint.


    Als Erstes möchte ich das Tabakquartier vorstellen, das auf der Karte "links unten", also im Südwesten der Kartenausschnitts liegt mit dem rechteckigen grünen Rahmen.

  • Das Areal ist die Fläche der ehemaligen Zigarettenfabrik Brinkmann, die einige der bekanntesten Zigarettenmarken Nachkriegsdeutschlands produzierte, die bekannteste war vielleicht "Lord Extra", die in meiner Kindheit und Jugend noch sehr verbreitet war und ähnlich wie Marlboro oder heute vielleicht Gauloises von vielen Menschen geraucht wurde. Da ich nicht (mehr) rauche, weiß ich gar nicht, ob es die Marke überhaupt noch gibt, gefühlt würde ich sagen, nein.


    Der Bremer Immobilienplayer Grosse hat das Areal vor einigen Jahren gekauft und hat sich nun Schritt für Schritt an die Umsetzung gemacht. Nochmal eine Karte mit dem Tabakquartier im Hintergrund in seinem städtebaulichen Kontext, im Vordergrund befindet sich das "Gaswerksquartier", welches ebenfalls Bestandteil des Masterplans "Vorderes Woltmershausen" ist. Die rot gefärbten Gebäude stehen unter Denkmalschutz.


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    Quelle: ELBBERG Städteplaner


    Rangezoomt nun die Rahmenplanung für das Tabakquartier:


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    Als erstes wurde die alte Fabrik (im Vordergrund) umgewandelt, der Vorgang ist schon recht weit fortgeschritten, das Interesse an den Räumen war sehr groß, es haben sich viele Startups/Unternehmen aus dem Dienstleistungsbereich angesiedelt.


    Blick in den umgestalteten Innenhof:


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    Nach Abriss eines Nachkriegsanbaus ist hier außerdem ein Hotel entstanden:


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    Im Innenhof der "Fabrik" steht außerdem das Alte Heizwerk, welches in eine "Event Location" umgewandelt wurde unter weitgehendem Erhalt auch des Innenlebens:


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    (hier die Rundung rechts im Bild, im Hintergrund das Hotel im Rohbau)


    Vor dem Umbau:


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    Neugestalteter Eingang:


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    Innen:




    Eine wie ich finde sehr gelungene Umnutzung eines alten Fabrikgebäudes aus den 1930er Jahren. Es geht noch weiter.

    Einmal editiert, zuletzt von Heinzer ()

  • Im hinteren Teil werden alte Tabaklagerhallen zu einer Mischung aus Reihenhäusern und Büros umgebaut:





    Der erste der großen 3 Tabakspeicher am Südrand des Grundstücks ist bereits fertiggestellt:



    Der Rest ist jetzt im Bau:



    Ebenfalls bereits im Bau ist dieses "Forum" genannte große Bürogebäude, das ebenfalls am Südrand des Gebiets auf einer ehemaligen Brache entsteht:



    (Quelle für alle Visualisierungen: https://tabakquartier.com)


    Mir gefällt, dass hier sogar industrielle Nachkriegsarchitektur umgenutzt statt abgerissen wird. Insgesamt ein vielleicht wenig spektakuläres, aber doch sehr gelungenes Umnutzungsprojekt.

  • Sehr schön! Bremen scheint ja solche ehemaligen Industrieflächen sehr viel geschickter neu zu entwickeln als Hannover. Wenn ich z.B. daran denke, wie bei uns mit den Brachen der Conti oder der Döhrener Wolle umgegangen wird/wurde ...

  • Wobei das auch eine Entwicklung der letzten Jahre ist, davor war hier auch oft Tabula rasa angesagt. Aber es gibt wirklich viele kleine und größere gut gemachte Sachen. Ich habe noch einiges op Täsch, wobei viele Dinge jetzt eher Sachen sind, die noch sehr stark im Planungsstadium sind. Das akut interessanteste Gebiet ist sicherlich das ehemalige Kelloggs-Areal, das jetzt "Überseeinsel" genannt wird, das habe ich im Überseestadt-Strang gepostet, allerdings noch relativ inkomplett. Da mache ich auch nochmal ein Update mit aktuellem Stand und neuen Planungen demnächst.

  • Detailentwürfe für das neue Speicherviertel in Vegesack sind nun raus - Link zum Weserkurier:


    Polizeihaus am Nordende:



    Hotelneubau daneben:



    Wohnen am kleinen Vegesacker Hafen (Thielehäuser):



    Tidenhus mit Nutzungsmix:



    Dampfkesselhaus, ebenfalls Mischnutzung:



    und zuletzt das Packhaus:



    (Architekten gemischt, Quellen Weserkurier und 2p Projektentwicklung GmbH)

  • Ein weiteres sehr interessantes und gut erhaltenes Industriegebiet ist der Holz- und Fabrikenhafen in der Überseestadt. In diesem selten behandelten Teil der Überseestadt gibt es noch ein lebendiges Hafengeschehen und relativ wenig Umnutzungen. Die Nordseite des Holz- und Fabrikenhafens wird an ihrem südöstlichen Ende von zwei großen Mühlenbetrieben (Roland und Müller) und dem Komplex der ehemaligen Kaffee-HAG-Fabrik inklusive KABA-Werk (hier "links oben" im Bild) dominiert:


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    Ein Blick von Kopf des Holzhafens Richtung Roland-Mühle mit dem markanten Turm im 20er Wolkenkratzerstil:


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    Auch Müller investiert ein wenig auf dem Gelände, hier wird anscheinend ein Verwaltungsgebäude aufgestockt:


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    Industrie- und architekturhistorisch am Interessantesten ist sicherlich das Kaffee-HAG-Gelände. Beim Hauptgebäude handelt es sich um einen der ersten Stahlbetonbauten in Europa, sogar Walter Gropius soll sich hier ca. 1905 Pläne und Bauarbeiten angeschaut haben:


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    Im Inneren hat sich mit dem "Marmorsaal" ein monumentales Zeugnis aus der Erbauungszeit erhalten, welches jetzt für besondere Anlässe gemietet werden kann und im Rahmen von Besichtigungen auch gesehen werden kann (ich war noch nie drin, hier nur ein Link):


    Marmorsaal Bremen


    Besitzer der Kaffee-HAG-Fabrik war Ludwig Roselius, dem Bremen auch die Böttcherstraße zu verdanken hat. Sein Geld hat er mit der Erfindung des entkoffeinierten Kaffees gemacht und war danach als Mäzen in Bremen tätig. Doch weiter im Text:


    Die Fabrik ist - sagen wir freundlich - noch nicht überrenoviert, sondern in einem recht ehrlichen Zustand, aber durchaus reizvoll:


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    Nachdem sich eine niederländische Immobilienfirma names "Sirius" anscheinend etwas verhoben hatte und de facto 10 Jahre auf dem Gelände praktisch nichts erreicht hat, ist das Gelände vor 2 oder 3 Jahren von einer Bremer Firma aufgekauft worden, diese gehen zwar immer noch gemächlich vor, aber es passiert erkennbar etwas auf dem Gelände, so hat sich die lokale Kaffeerösterei "Lloyd-Kaffee" hier angesiedelt und mit einer gewissen Überraschung musste ich feststellen, dass hier Reisebusse und auch der "Stadtmusikantenexpress", der Bremer Touri-Bummelbus Station machen. Es gibt ein kleines Café mit Blick über den Hafen:


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    Die Hafenatmosphäre hier ist ehrlich, die Container im Hintergrund "echt":


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    In der Umgebung werden weitere kleine Gebäude saniert:


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    Zweites Herzstück des Gebiets ist das fast noch größere KABA-Werk, ebenfalls gut erhalten, nur etwas älter und "klassischer" gehalten:


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    Auch hier siedeln sich nach und nach Startups und andere Unternehmen an, allerdings ist der umbaute Raum wirklich irre, mal sehen, wie die das vollvermietet bekommen, zumal Wohnen in diesem Bereich tatsächlich nicht erlaubt ist, Rückseite:


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    Front zum Kaffee-HAG-Gebäude:


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    Und ein weiteres etwas runtergekommenes, aber charmantes Gebäude, das typisch für diese Gegend ist:


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    Dit war't ersma jewesen.

  • Wirklich schön, dass in Bremen noch so einige Industrie-Altbauten stehen, die gerettet werden können. Man weiß immer nicht, ob man sich bei solchen Gebäuden einen industriellen Weiterbetrieb wünscht, oder doch eher eine Umnutzung um einen möglichen Verfall dauerhaft zu stoppen. (Bei uns wurden kürzlich mal wieder historische Industriebauten abgerissen, auf dem Bumke-Areal in der Nordstadt und in Linden eine Halle der ehemaligen Lindener Eisen- und Stahlwerke. Ich hätte heulen können.)
    Dein Bericht über Bremerhaven letztens hat mir auch gefallen. Wir fahren gelegentlich am Wochenende nach Duhnen oder Sahlenburg. Das ist das einzige Ziel zum Baden an der See was man von uns aus übers Wochenende gut erreichen kann, da auf der A27 ja meistens recht wenig los ist (verglichen mit der A7). Bremerhaven haben wir dabei bisher aber eher ignoriert - muss ich zugeben. Bremen selbst hat ja auch noch einen recht ordentlichen Altbau-Bestand. Überhaupt steht Bremen immer völlig zu unrecht im Schatten von Hamburg.

  • Hamburg, Bremen und Hannover sind einfach drei völlig verschiedene Städte, was es auch wieder reizvoll macht. Hamburg ist natürlich einfach viel metropolitaner und reicher als die beiden anderen und auch im gesamtdeutschen Kontext eine der architektonisch interessantesten und besterhaltenen deutschen Großstädte.


    Aber Bremen hat durch die gründerzeitliche Reihenhausbebauung ein einzigartiges Flair, das es nirgends anders in Deutschland gibt. Davon habt Ihr bestimmt schon Beispiele gesehen.


    Hannover ist aus meiner Sicht auch eine unterschätzte Großstadt. Ich finde die gründerzeitlichen Wohnstadtteile auch sehr schön, kenne von der Nordstadt über die List bis nach Linden und Südstadt eigentlich alle ganz gut, weil seit ca. 25 Jahren immer Freunde oder Verwandte irgendwo in Hannover gewohnt haben. Auch die Innenstadt hat sich deutlich verbessert in den letzten 10, 15 Jahren. Insgesamt wirkt Hannover praktisch überall wesentlich großstädtischer als Bremen durch die höhere Bebauung und die breiteren Straßen.

  • Ich will jetzt nicht in gegenseitigen Lobhuldigungen ausbrechen. Aber ich kenne Bremen doch ganz gut und die gründerzeitliche Reihenhausbebauung ist in dieser Ausprägung in Deutschland tatsächlich einzigartig und wunderschön.

    Das Hamburg weitaus metropolitaner als Bremen und Hannover ist, steht natürlich außer Frage. Allerdings wurde besonders der ganze Osten der Stadt leider im Krieg total platt gemacht. Das macht es normalsterblichen meist unglaublich schwer, in Hamburg eine Altbauwohnung zu finden. Als Ortsfremder sieht man in der Regel ja erst mal nur die schöne Innenstadt, den Hafen, Altona und vielleicht noch den Isemarkt und Blankenese.

    Hannovers Hauptproblem ist wiederum ganz klar die Innenstadt. Da haben Hamburg und Bremen einfach im Krieg mehr Glück gehabt. Übrigens kann ich deiner Liste von Stadtteilen mit Altbaubestand noch Döhren, Kleefeld und das Zooviertel hinzufügen. Und eingeschränkt auch Ricklingen.

  • Startschuss für das SPURWERK

    Auf dem Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs in der Bremer Neustadt (auf der Karte von Heinzer in #5 das langgezogene, grün umrandete Areal am unteren Bildrand) ist mit dem Beginn der Bauarbeiten am ersten Bürogebäude der Startschuss für das Projekt SPURWERK gefallen. Dort entstehen im ersten Bauabschnitt auf 30.000 m² Büro- und Gewerbeflächen sowie ein Mobilitätshaus mit Stellplätzen für Fahrräder und Pkw. Die ersten Flächen dieses Abschnitts werden nach derzeitiger Planung im 3. Quartal 2023 bezugsfertig sein. Bauherr ist der Bremer Projektentwickler Peper & Söhne (Q).


    Bild: https://model2.de/img/21/01_c01_01_web-scaledvnkm7.jpg Bild: https://model2.de/img/21/02_c02_02_web-scaledijk0o.jpg Bild: https://model2.de/img/21/03_c03_03_web-scaled4skir.jpg

    (klicken zum Vergrößern)

    © Peper & Söhne GmbH


    Weitere Infos unter spurwerk.net.

  • Hier ein aktuelles, noch recht zahmes Baustellenfoto ;):


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    Die Macher sind etwas unglücklich, weil sie Opfer der KfW-Verwirrung geworden waren. Dadurch haben sich der Baustart verzögert und die Kosten deutlich gesteigert.


    Noch ein kleines Umnutzungsprojekt aus dem weiter südwestlich gelegenen Stadtteil Huchting, hier soll das Gelände eines zu ThyssenKrupp gehörenden Stahlverarbeiters, der vor einiger Zeit geschlossen hat, umgenutzt werden. Wie für Bremen mittlerweile typisch soll der älteste Teil des Werkes aus den 1930er Jahren erhalten werden. Das Gebäude macht im jetzigen Zustand nicht wahnsinnig viel her:


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    Trotzdem gut, dass es erhalten und in die Umnutzung integriert wird. Den Wettbewerb hat gerade "De Zwarte Hond" gewonnen, die drei veröffentlichten Visualisierungen:


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    (hier ist mittig die umgestaltete Fabrikhalle zu sehen, die als Quartiersmittelpunkt mit Gastronomie dienen soll)


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    Kein wahnsinnig großes Gelände, kein wahnsinnig interessantes Projekt - aber immer wieder erstaunlich, wie sich die Herangehensweise an solche Grundstücke hier in Bremen in den letzten 10, 15 Jahren geändert hat. Bin mir ziemlich sich, dass so etwas bei einer Entwicklung vor 10 Jahren ein Totalabriss mit Reihenhaus- oder "Stadtvillen"-Bebauung geworden wäre.


    Selbst die lange Bestandshalle aus der Nachkriegszeit, die sich nördlich an das erhaltene Backsteingebäude anschließt, soll mit ihrem Stahlskelett erhalten bleiben und künftig kleine Gewerbeeinheiten für Handwerker etc. bieten. Auch dieses integrierte, mal wirklich gemischte an den Planungen gefällt mir sehr. Mal sehen, ob das dann so vermarktbar ist.

  • Im Folgenden möchte ich ein weiteres, sehr zentral gelegenes Projekt vorstellen. Es gehört im weiteren Sinne ebenfalls zu dem Komplex an Umnutzungen auf der Neustadtseite der Weser wie etwa das Spurwerk oder das Tabakquartier. Es handelt sich um die ehemaligen Produktionsstätten des Bremer Schokoladenherstellers "Hachez", der hier zumindest in der Region in etwa die Funktion von "Lindt" innehat, also die Sorte (etwas) höherpreisige Schokolade/Pralinen, die man z.B. als Mitbringsel kauft.


    Die Firma, die wohl schon seit längerem mit stagnierendem Umsatz zu tun hatte, weil wohl kaum jemand unter 50 noch diese Art Schokolade konsumiert, hat vor einigen Jahren die Aufgabe/den Umzug der Produktionsstätten nach Polen verkündet, nachdem sie vor einigen Jahren von einer schwedischen Firma übernommen worden war. Die Verwaltung bleibt aber in Bremen und ist ins Tabakquartier gezogen.


    Die folgenden Abbildungen stammen alle von der Homepage des "Hachez-Quartiers". Das Areal liegt extrem zentral in der "Alten Neustadt":



    Und somit fußläufig zur Kleinen Weser, zum Teerhof, zu den Neustadtswallanlagen, der Hochschule Bremen und auch der Altstadt auf der anderen Weserseite.


    Ein paar Fotos vom Bestand (eigene), und zwar denjenigen Gebäuden, die erhalten bleiben sollen:




    Und die Front zur Westerstraße:



    Den Wettbewerb haben COBE Architekten aus Kopenhagen gewonnen.


    butenunbinnen-Beitrag aus dem letzten Jahr mit einem Interview mit einer der Architektinnen von COBE.


    Ein paar Visualisierungen/Modellfotos, zunächst etwa aus derselben Perspektive wie vom Foto oben/Westerstraße:



    Hier ein Modellfoto des Bestands:



    Und ein leider nicht so gut aufgelöstes Fotos der geplanten Neubebauung im Modell:



    Insgesamt sollen 5 der 12 Bestandsgebäude sicher erhalten werden und 2 weitere optional. Der Rest ist ohnehin denkmaltechnisch uninteressant und besteht aus rein funktionalen Gebäuden der Nachkriegszeit. Die Blockränder sollen überall erhalten und vervollständigt werden, das ganze macht erneut einen durchdachten und urbanen Eindruck, der der Lage gerecht wird. Man beachte jedoch, dass die Abbildungen keine endgültigen Fassadenentwürfe enthalten, sondern eher als Baumassenstudien zu verstehen sind.


    Baubeginn ist aktuell für 2023 geplant.