Fassadenveränderungen in den 20er Jahren und heute

  • orientiert sich stilistisch an der Neuen Sachlichkeit der 20er Jahre.

    Nur eine kleine Ergänzung: Die Fassade des zweiten Hauses, das Du anführst (Neue Schönhauser Ecke Rosenthaler) ist zwar tatsächlich im Stil der 20er Jahre umgestaltet worden, in seiner Substanz und seinen Proportionen aber ist das Gebäude älter, Jahrhundertwende oder so. (An einer Stelle der Fassade ist das frei gelegt worden und auch in Deinem Bild erkennbar.)

  • Es gibt ganze Abhandlungen über diese furchtbare Phase der Fassadenverstümmelung in den 20ern – die oft nur den Zweck hatte Flächen für Leuchtreklamen und Werbeschilder zu generieren (...)

    da behalf man sich mit solchen Fisimatenten deren Ergebnis eben oft nach hinten losging und das Auge bis heute oft genug beleidigen.

    Interessant, gibt es in Berlin weitere Beispiele solcher Fassadenveränderungen in den 20er Jahren? Mir schien das Gebäude an der Neuen-Schönhauser/Rosenthaler Str., bislang ein ziemliches Unikat zu sein, zumindest in Berlin. Und schon wegen der Seltenheit finde ich diese frühe Fasadenmodernisierung architekturhistorisch hochinteressant und möchte sie keinesfalls missen.


    Was die Reklame und Werbeschilder angeht, so bin ich, wenn ich alte Fotos sehe, immer wieder von Neuem vom Ausmaß beeindruckt, mit welchem auch gründerzeitliche Gebäude mit Werbung zutapeziert waren. Werbeschilder waren kein Spezifikum einer bestimmten Architektur.

  • ^ Viele sogar. Hier eine Promotionsschrift, die sich diesem Thema gewidmet hat:
    https://depositonce.tu-berlin.de/handle/11303/6155 (als PDFs abrufbar)

    Neben den Umbauten für Schaufenster/Fassadenwerbung bei Geschäftshäuser oder allgemein der Anähnelung an Neubauten steht aber auch der bröckelnde Stuck der historistischen Bauten, der - ähnlich den Klinkerriemchen des Kollhoff-Hochhauses am Potsdamer Platz - zunehmend auf die Straße fiel.

  • Lieber ElleDeBe, Bestes Beispiel ist wohl das Eckgebäude Kurfürstenstraße Ecke Einemstrasse - wenn auch in späterer Zeit noch zusätzlich mit eternit verunstaltet , der Umbau des Bankhauses Merck in der Taubenstrasse 23 von Zuker 1923 dürfte wohl zu den gelungeneren Umbauten gehören.

    Aber es gibt eben auch Die Potsdamer str. 146 und 70, Hasenheide 115, Kurfürstenstraße 28, Dresdener 1 und 21, Oranienstrasse 15 um nur einige Beispiele zu nennen.


    Die TU hat da wie bereits eine ganz interessante Abhandlung zum Thema ins Netz gestellt.


    Dass Fassaden schon in der Gründerzeit zugetackert mit Werbung waren ist unbestritten - dass das mit den Lebhaften Fassadenbildern auf hässliche Art in Konfusion geriet - und weder der Fassade noch dem Werbebedürfnis vorteilhaft zu Gute kam ebenso - daher scheint der Wunsch nach Vereinfachung der Fassaden erst mal nachvollziehbar, genauso wie man den System-und Epochenwandel hin zu etwas in seiner Zeit „Modernen“ eben auch markieren wollte.


    Nur ist es eben nicht immer gelungen - gerade dann, wenn die Altbauten ihre alte Fassadenkonzeption durchscheinen lassen (Erker, Balkone, Fensterkreuze, Rythmus und Proportion z.b) funktioniert es eher leidlich.


    Balkongeländer zu verkoffern und ausgemauerte Gesimse und Steinarbeiten zu schleifen um dann Platte Putzbänder drüber zu legen ist halt auch keine schöpferische GlanzLeistung und grenzt schon an Vandalismus.

    Dass ausgerechnet am Ku’damm der Stuck in dieser Zeit von der Fassade fiel halte ich auch eher für einen Mythos.

    Einmal editiert, zuletzt von Endell ()

  • Einiges ist recht schrecklich. : o


    Anderes finde ich durchaus gelungen (Bismarckstraße, Kaufhaus Israel).


    Manchmal kommt der Stuck auch wirklich etwas too much daher. Allerdings mag ich eher Fassaden mit von vorn herein hochwertigen Materialien, die ohne Verzierungen wirken. Nur Putz ist mir bei Gebäuden ab einer gewissen Größe und/oder einer anderen als Bauhaus-Formensprache einfach zu wenig, um eine Schönheit zu entdecken.

  • Ich denke der Strang wäre für eine thematische Erweiterung geeignet, in etwa "Entstuckung / Wiederbestuckung von Berliner Altbauten". Dann hätte der Strang etwas mehr Aktualität indem abgeschlossene und laufende Fassadensanierungen oder Zukunftspotenziale besprochen werden können.


    Heute bin ich an einer sehr schönen Wiederbestuckung an der imposanten Ecke Mommsenstraße / Bleibtreustraße vorbeigelaufen. Eine derartig gelungene, historisch (annähernd) korrekte Wiederbestuckung samt turmähnlicher Eckbetonung ist äußerst selten :)


    Vorzustand auf Google Maps


    img_1194rqk3s.jpg

  • Begrüßenswerte Idee zu einem eigenen thread -


    In weiten Teilen finde ich die Wiederherstellung der Fassade hier wirklich gut bis überzeugend geraten bis hin zu Giebeln, den Kartuschen in den Balkonbrüstungen und der Wiederhergestellten Erkergestaltung.


    Mich irritiert nur etwas der unmotivierte Abbruch des Rundbogenfrieses, der Lüftelnde Abschluss mit dieser Putzkachel ist nicht wirklich glücklich.

    Auch der recht ornamentale Fries um die Runden Ornamentkartuschen endet plötzlich aus mir unerfindlichen Gründen und findet mit dem angeschnitten Rundausschnitt keinen schönen sauberen Abschluss .

    Zudem scheint der Fries aus Versehen nach Oben gerutscht zu sein und schließt nicht wirklich an die Runden ornamentfelder an

    Das kippt mir leider etwas Wasser in diesen Wein.


    Auf der verlinkten Bauzeichnung wirkt das ganze zunächst schlüssiger weil die Fenstertrios unterhalb des Turmaufbaues Dort grafisch durch ein Vertikalenereignis eingefasst werden so dass dieser Bereich dort optisch aus der Fassadenfläche hervorspringt. Nun sieht’s aber irgendwie unfertig aus.


    Das Arrangement des Turmes ist recht eigenwillig, aber wenigstens gibts wieder einen.


    Es sieht so aus als wäre auf dem einen Rundpfeiler der Loggia ein Kapitell vorhanden während bei der andere Loggia der Pfeiler stumpf die Rundbögen stützt.

    Auf den Zeichnungen taucht nichts dergleichen auf.

    Ein zartes gotisches Blatt- oder Blütenkapitell wäre zb hier ne schöne passende Ergänzung

    gewesen


    Insgesamt besser als so manch andere wiederbestuckung oder Fassadenbelebung aussm Profilekatalog, aber so richtig schlüssige, verständige Qualitätvolle wiederbestuckungen sind in Berlin wohl echt Ausnahmeerscheinungen. Vielleicht fehlts da mittlerweile echt an Wissen, und Leidenschaft für solche Fassaden.

  • ^

    Bezüglich der historischen Gestaltung konnte ich zwei Fotos ausfindig machen.


    1. Luftaufnahme von 1920: Unten rechts ist das Gebäude zu erkennen. Einen großen Turmaufsatz hat es nie gegeben, jedoch eine Eckbetonung, die größenmäßig der heutigen Reko relativ nahe kommt. Die großen Dachfenster, die den Giebel flankieren, sind natürlich erfunden. Trotzdem wirkt der Gesamteindruck mMn angemessen proportioniert.


    2. Straßenansicht an der Kreuzung Mommsen-/Bleibtreustraße, das Gebäude ist links angeschnitten: Der von dir angesprochene Rundbogenfries ging früher komplett rum und wurde bei der Sanierung leider nicht vollständig angebracht. Der ebenfalls von dir angesprochene "Ornamentale Fries um die runden Ornamentkartuschen" scheint früher jedoch tatsächlich so ausgesehen zu haben. Die Bildqualität ist zwar nicht gut, aber meines Erachtens hört der Fries nahe der Ecke auf - die gotischen Fensterabschlüsse stünden einer Fortführung des Frieses im Weg.


    Frage an den Mod: Kann man die verlinkten Fotos hier direkt posten, sofern die Quelle angegeben wird?


    Siehe Richtlinien für das Einbinden von Bildern.

  • Zunächst noch ein Nachtrag zum Haus Scharlachberg...


    Mod: Alle Bilder/Scans mit fehlenden bzw. ungenügenden Quellenangaben wurden geurlt. Bitte Richtlinien für das Einbinden von Bildern beachten!


    https://model2.de/light/4816/000berlini2gxhj06.jpg" alt="000berlini2gxhj06.jpg


    Die Originalansicht sollte nicht vergessen werden.


    Anderes finde ich durchaus gelungen (Bismarckstraße, Kaufhaus Israel).

    Beim Kaufhaus Israel finde ich die neue Fassade zu monoton. Kann sein, dass es damals im Straßenverlauf besser gewirkt hat, aber so für sich betrachtet,

    sieht es zu sehr nach Fabrik oder Büro und zuwenig nach Kaufhaustempel aus...


    https://model2.de/light/4816/iraelberlink227ka2.jpg

    größeres Bild


    Ein bisschen Art-déco hätte hier sehr gut gepasst. Das Interieur hingegen war deutlich gelungener:


    https://model2.de/light/4816/iraelberlini1iaki0.jpg

    https://model2.de/light/4816/iraelberlini2kh1ks6.jpg

    größeres Bild


    Beim Umbau des Hauses in der Bismarckstr. ist die neue Fassade bis zum 3. OG noch recht stimmig, wobei die Balkone mit ihren Ecken und Kanten nicht so ganz ins Bild passen wollen, der Dachbereich ist dann aber doch missraten. Das sieht zu sehr nach Notlösung aus und ergibt kein stimmiges Gesamtbild.


    Ein weiteres Beispiel, bei dem man sich auch für's Dach etwas überlegt hat...


    https://model2.de/light/4816/kurfrstendamm45bleibtyqkfp.jpg

    größeres Bild Kurfürstendamm 45 Ecke Bleibtreustr.


    Nunja... heute sieht die Ecke so aus (sofern ich da nichts übersehen habe):


    kurfrstendammbleibtre48kuj.jpg

    Quelle: Bildausschnitt von Gunnar Klack bei wikimedia


    Ich denke der Strang wäre für eine thematische Erweiterung geeignet, in etwa "Entstuckung / Wiederbestuckung von Berliner Altbauten".

    Wobei dieser Titel ein wenig am ursprünglichen Thema vorbeigeht, denn das Bemerkenswerte an den Fassadenumbauten ist ja, dass man zumindest versucht hat, eine wirklich neue Gestaltung zu erreichen, während so etwa ab den 30ern und in der Nachkriegszeit überwiegend nur noch "entstuckt" wurde...


    Eine derartig gelungene, historisch (annähernd) korrekte Wiederbestuckung samt turmähnlicher Eckbetonung ist äußerst selten :)

    ...jedenfalls in Berlin. 8o Gegenüber sieht es übrigens so aus:


    Bleibtreu1.jpg

    Quelle: Milopa bei wikipedia


    ...und so:


    1146px-Charlottenburg_Mommsenstra%C3%9Fe_Neubau.jpg

    Quelle: Fridolin freudenfett bei wikimedia


    ...da hätte man sich auch ein bisschen mehr Rücksicht auf die bestehenden Baudenkmale vorstellen können.



    Abschließend noch ein Bericht aus dem Jahre 1927:


    https://model2.de/light/4816/form27berlin1pojld.jpg

    https://model2.de/light/4816/form27berlin3aqjar.jpg

    https://model2.de/light/4816/form27berlin4f2jy6.jpg

    https://model2.de/light/4816/form27berlin58sjhk.jpg

    https://model2.de/light/4816/form27berlin64pj29.jpg


    PS: Wieso wird hier ein Teil der Bilder skaliert/verkleinert dargestellt und in der Vorschau nicht? Die Texte am Schluss habe ich extra auf die bisher vorgegebene Breite von 1024 Pixeln gebracht und nun das!? =O

    Einmal editiert, zuletzt von Rundling ()

  • ^Dieses Gesülze war schon damals kaum zu ertragen. Und auch damals war das Empfinden vieler Bewohner gänzlich anders. Bei Abrissen gab es Proteste. Die Entstuckung wurde hingenommen - es war ja meist eh nicht das Eigentum der Bewohner.


    Es war schon immer die begeisterte Architektenschaft, die sich selbst bis in den Himmel gelobt hat. Wie begeistert der eine oder andere Architekt wohl damals von den heutigen Schuhschachteln, Rasterfassaden, Aldi-Tempeln und Tankstellen gewesen wäre?

  • Ich habe heute zufälligerweise eine erfreuliche Wiederbestuckung eines Gründerzeithauses in der Grolmanstraße entdeckt. Der Unterschied zum Vorzustand ist wirklich krass und zeigt mal wieder, wie viel Potenzial noch in den ganzen entstuckten und zerstörten Fassaden der Altbauten steckt.


    Vorzustand:


    Screenshot von Google Maps


    https://model2.de/img/17839/fad78276-c776-4071-9u0khb.jpeg


    Eingebundener Screenshot wegen ungenügender Quellenangabe geurlt.


    Heute:


    3a346251-a885-4549-9eijjw.jpeg
    bfd16fe2-d564-4144-9zcjgy.jpeg

  • Kurfürstendamm 54-55 Ecke Wielandstraße und Wielandstraße 29

    Der ehemals imposante Eckbau, der durch Fassaden- und Dachveränderungen bei Sanierungen in der Nachkriegszeit in seiner ursprünglichen Form nicht mehr existiert, wird jetzt durch eine erneute Sanierung samt (Teil-)Wiederbestuckung wenigstens ein bisschen mehr an sein früheres Erscheinungsbild angenähert.


    Der Wille ist da, jedoch fehlt offenbar die Expertise für eine historisch korrekte Stuckatur wodurch das Ergebnis hinter der Bauplane doch relativ fragwürdig aussieht. Positiv hervorzuheben ist jedoch die Eckbetonung des Gebäudes, die in ihrer Silhouette nach Vorbild des Vorkriegszustandes rekonstruiert wird.

    Spannend bleibt auch, ob die etwas in die Jahre gekommene Dachgestaltung neu überarbeitet wird. Eine Rekonstruktion des originalen, sehr aufwendigen Eckturmes sollte man jedoch nicht erwarten. ;)


    1. Vorkriegszustand des Eckgebäudes


    2. Zustand vor der Sanierung


    3. Derzeitige Situation


    img_5223frcl4.jpg


    Mit saniert und wiederbestuckt wurde das zum Eckgebäude gehörende Wohnhaus in der Wielandstraße, das bereits abgerüstet ist und im Vergleich zum Vorzustand durch wenige Mittel deutlich besser aussieht.


    img_5218tcfbo.jpg

    Einmal editiert, zuletzt von maselzr ()

  • ^

    Die Gerüste sind nun gefallen. Einerseits ist die neue Eckbetonung eine gelungene Aufwertung, andererseits ist die Wiederbestuckung sehr einfallslos. Eine angedeutete Rustizierung bis ans Kranzgesims zu ziehen ist dann doch etwas zu kurz gesprungen.


  • Ecke Gasteiner Straße 33 / Nassauische Straße 36

    Eine deutlich erfreulichere Entdeckung ist dieses Eckhaus in Wilmersdorf, direkt gegenüber vom Bauvorhaben "Stadtpalais Nassau" von Patzschke Architekten. Zwar ist das Projekt schon längst fertiggestellt, jedoch ist die originalgetreue Vollrekonstruktion der historischen Fassade sehr bemerkenswert. Die besten Altbausanierungen sind nunmal die, die am schwierigsten als solche erkennbar sind. ;) Schade nur, dass die markanten Giebelfenster ausgelassen wurden. Sollte mal eine neue Dachsanierung erfolgen, könnten aber auch diese wieder zurückkehren.


    Hier der Vorzustand des Gebäudes sowie eine historische Ansicht auf der Website des Architekten


    Ansichten von gestern:


    img_5846dvd7v.jpg


    img_5848u0dor.jpg

  • Oranienburger Straße 69

    Die Fassade des unter Ensembleschutz stehenden, stadtbildprägenden Eckhauses an der Oranienburger Straße aus dem Jahr 1886, gegenüber vom historischen Postfuhramt, soll bald in Zusammenarbeit mit der Denkmalbehörde nach historischer Vorlage rekonstruiert werden. Derzeit befindet sich das Gebäude aufgrund seiner entstuckten, dunkel verputzten Fassade in einem tristen Zustand.


    Die Sanierung wird eine riesige Aufwertung für das Gebäude sein und ich hoffe, dass dieses ambitionierte Projekt in Berlin Schule macht.


    Der aktuelle Zustand auf Google Maps


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    Eine historische Ansicht des Gebäudes konnte ich auf anhieb nicht finden.

  • Ich bin geneigt das Ergebnis ohne jede Euphorie erst mal abzuwarten.

    Die Zeichnung sieht ja verdächtig schematisch aus - dass selbst kein Fotografisches Zeugnis seitens des Projektanbieters existiert - schiebt die Wiederherstellung der Fassade wohl ins Spekulative.

    Es wäre also gut vorstellbar dass die Fassadengestaltung dann ziemlich ernüchternd ausfällt.

    Von Heimwerkerpuzzelei aus aufgeklebten Fertigprofilen bis zur recht unwahrscheinlichen Rekonstruktion aus solide ausgemauerten Gesimsen und Stuckarbeiten ist da recht viel möglich.

    Das Historische Foyer und Treppenhaus sieht beeindruckend aus - es scheint wirklich angebracht dass der Denkmalschutz hier ein Auge drauf hat - in wieweit er bei der Fassade erfolgreich beraten kann bleibt abzuwarten - es wäre mit Sicherheit ein wunderbarer Gewinn fürs Straßenbild wenn hier eine überzeugende od talentierte Wiederherstellung gelänge - die. Ja eher Ausnahmen als Regel sind