Berliner Baupolitik

  • Wie heute die BZ berichtet hat , wird kurz berichtet wie es weiter geht an den Berliner Projekten :Signa- Chef und Karstadt-Milliardär René Benko . In Hamburg wie viele es mitbekommen habe ist zzt. Elbtower Baustopp.

    Die 2 Karstadt: am Hermannplatz & Wedding/ Müllerstraße will er ein Tiel abreißen und es neu sanieren/ bauen. Der am Wedding Karstadt der schließt Januar nächstes Jahres.

    Das bisherige Signa-Projekt am Alexanderplatz hat schon neue Eigentümer: Commerz ( wie schon etwas länger bekannt ist )

    Der wäre z.B nicht betroffen wie von anderen Thread von Usher erwähnt wurde.

    Die am Ku Damm an der Passauer Straße wird weiter gebaut aber Bewohner haben gemerkt das zzt. Etwas weniger Bauarbeiter da zu sehen ist.

    Hoffen wir mal , dass es von den 3 kein Baustopp kommt, obwohl beim Hermannplatz & Wedding noch nicht begonnen wurde. Der bei Wedding steht ja ein Termin fest der aus Hermannplatz liegt noch weit am Sternen....🙄

    Quelle:⬇️

    So steht es um die Berliner Bau-Projekte


    ( wenn es in falschen Thread ist Bitte verschieben)

  • Da ich zwischen Tokyo und Berlin pendele, möchte ich auf ein paar Aspekte aufmerksam machen, die den Städtebau in Tokyo prägen und von denen meines Erachtens Berlins Baupolitik teilweise lernen kann.


    - Polyzentrismus konsequent an grossen Transport-Hubs verankert: Der Städtebau in Tokyo ist sehr stark auf die öffentliche Verkehrsinfrastruktur ausgerichtet. Dort, wo grosse Bahnstationen sind, wird sehr hochverdichtet und werden dicht gestellte Hochhäuser gebaut.


    Die Logik: Zu Fuss sollen von der Bahnstation aus möglichst viele Quadratmeter Büro/Gewerbe/Wohnen erreichbar sein. Das mindert generell den Verkehr und zusätzlich die Erschliessungskosten für die öffentliche Hand pro gebautem QM drastisch.


    Übertragen auf Berlin würde das bedeuten: Ein 200m-Hochhauscluster am Alex und Zoo - aber auch am Ostkreuz, Westkreuz, Südkreuz, Gesundbrunnen. Auf die Idee, statt dessen den Flughafen Tegel oder das Gartenfeld (beides quasi unerreichbar mit Tokyoter Maßstäben) zu einem Schwerpunkt der Stadtentwicklung zu erklären, käme man eher nicht. In Berlin werden solche Konzepte hin und wieder zwar auch diskutiert - in Tokyo aber seit 50 Jahren gebaut. Entsprechend gibt es fast 20 solcher Cluster. Das Modell hat sich sowohl ökonomisch als auch ökologisch allen anderen Modellen überlegen erwiesen.



    - Priorität auf Mischnutzung / Laxes Baurecht: Ein mit Berliner Maßstäben skandalös liberales Baurecht ermöglichst sehr erfolgreiche Mischnutzung und - für eine so große Stadt - sehr günstige Mieten im Kernbereich. Wer ein Grundstück besitzt, kann, ohne dass die Nachbarn gross etwas dagegen unternehmen können, fast jeden QM bebauen wie er mag. Die strenge Gebiets-Trennung in Wohnen, leises Gewerbe, lautes Gewerbe, Büro etc etc mit vielen weiteren Einschränkungen ist viel weniger relevant. So entstehen wild gemischte Bauformen und Nutzungen. Was das angeht, ist Tokyo einer Art riesiges "Gründerzeitkreuzberg" - als es noch 8.000 Einwohner pro QM hatte - aber für 35 Mio Menschen - indem sich in Wohnungen aller Art, Dienstleistungen, Schulen, Sozialeinrichtungen, Kultur, Einkaufen - und sogar Fabriken/produzierendes Gewerbe - wild durcheinander und aufeinander türmen. Alles auf sehr engem Raum und - mit unseren Maßstäben - ohne jede Struktur. Aus meiner Sicht mit hervorragendem Ergebnis: Organische, lebendige, bunte Viertel - in denen fussläufig oder mit dem Fahrrad wirklich alles erreichbar ist - und die bezahlbar sind. Natürlich mit dem Nachteil, dass einem der Nachbar aus 1 Meter Entfernung auf dem Balkon beim Frühstücken zusehen kann.

    Die Angst vor starker Verdichtung, vor flächendeckender Nutzungsmischung, vor Freiheit von Angebot und Nachfrage - und vor allem die Angst vor Hochhäusern - kennt man nicht. Die Diskussion um Blickachsen und Frischluftschneisen würde in dem Masse, wie sie in Berlin diskutiert wird, auf vollkommenes Unverständnis treffen. Freiflächen und Grün sind knapp in Tokyo (im Verhältnis zu Berlin) - aber das Luftqualität trotzdem vergleichbar gut.

    Berlin sollte und könnte hier viel mutiger sein. Auch in Berlin gilt, dass die am meisten nachgefragten Viertel die am dichtesten bebauten und am meisten gemischten sind. Für mich persönlich ist es erschreckend, was in den letzten Jahren in Berlin entstanden ist. Am Übelsten finde ich die monothematischen Wohnungswürfelhusten in Einheitshöhe und Einheitsfassde mit Abstandsgrün. Vorstadt in der Kernstadt. Crazy.



    - Verkehr: Tokyo hat Verkehrs-Schneisen, die sich mit je 6 Suren auf 3 Ebenen mitten in der Stadt auftürmen. Im Grunde wie wenn man das Dreieck am Funkturm 3x aufeinander schichtet und dann an den Alex verpflanzt. Gleichzeitig hat Tokyo aber in 100 Meter Entfernung davon sehr kleine, sehr enge Strassen. Und natürlich ein sehr gutes Netz des öffentlichen Nachverkehrs. Zum Vergleich: Pro Tag fahren in Tokyo 15 Mio Menschen mit den Öffis. In New York 3 Mio. In Berlin 1,5 Mio. Das Tokyoter Verkehrsmodel ist aus meiner Sicht genial und produziert eine sehr hohe Lebensqualität (immer im Kopf habend: Hier geht es um 35 Mio Menschen).


    Es gibt eine Ko-Existenz eines sehr effizienten Systems für grössere Distanzen (bestehend aus Öffis und Durchgangsstrassen mit recht hohen Geschwindigkeiten und sehr hohem Durchlass) und direkt daneben in den Mischvierteln sehr viele sehr enge Strassen. Die engen Straßen haben häufig den Charakter einer Linienstrasse - zwei Autos kommen kaum andienender vorbei. Die gefahrenen Geschwindigkeiten sind sehr niedrig: 10, 20, max 30km. In diesem Strassen mischen sich Autos, Fussgänger und Fahrräder - häufig ohne jede Fahrbahn-Markierung - oft sogar ohne Bürgersteig. Also ein echtes "Shared-Space-Konzept". Dieses Nebeneinander der beiden Extreme halte ich für ausschlaggebend für die Lebensqualität.

    Auch hier könnte sich Berlin meines Erachtens etwas abgucken. Statt den Autoverkehr langsamer (im Distanzbereich) zu machen - lieber den öffentlicher Nachverkehr schneller machen. Ausserdem sehr viel mehr Shared Space abseits von Durchgangsstrassen. Und keine Notwenigkeit den Autoverkehr zu verbannen...



    - Lärm: Ich empfinde Tokyo als ausgesprochen leise Stadt. Es gibt zwar viel mehr Protz-AMGs/Ferraris/Lambos (und Maybachs) als in Berlin. Aber die werden offenbar nicht von Protz-Tyen gefahren. Es gibt einen höheren Anteil an Hybrid Autos - die bei den niedrigen Geschwindigkeiten abseits der Trunk-Raods sehr leise sind. Mir kommt es so vor, als gäbe es strengere Lärmvorschriften für Autos, Busse etc. Auch an Baustellen gibt es in Tokyo Lärm-Messtationen - die die Dezibelzahl minutengenau anzeigen. Habe noch nie so leise Schlitzwandbagger gehört... Alles sehr angenehm - und das tut mE mehr für die alltägliche Lebensqualität als Abstandsgrün, ein abgeschnittenes Hochhaus und eine "Frischluftschneise".



    - Wohnviertel und Modal Split: Modal Split in Tokyo ist 47% Public, 12% Auto, 17% Fahrrad und 24% Fussgänger. Und das mit ganz wenigen Fahrradwegen... Und ausserdem ohne die Verkehrsträger ideologisch so gegeneinander auszuspielen...

    Das geht, weil man konsequent um grosse Nachverkehrs-Schwerpunkte herum Hochhauscluster baut und dort extrem verdichtet. Das geht auch, weil man sich - in den eigentlichen Mischvierteln im Shared-Space - zu Fuss und mit dem Fahrrad sehr angenehm bewegen kann. Und weil diese Mischviertel in kurzer Distanz eben auch wirklich alles haben. Die Cité-15-Minutes, die die französische Bürgermeisterin seit einigen Jahren populär macht, wird in Tokyo seit Jahrzehnten gebaut. 6-Jährige Kinder können zu Fuss gefahrlos (natürlich auch wegen der niedrigen Kriminalität) allein zur Schule in der Nachbarschaft... Und die ältere Dame auf dem Fahrrad ums Eck zum Arzt...


    Im Prinzip hat man das auch in Berlin verstanden. Warum man sich aber trotzdem so gegen Verdichtung, Hochhauscluster, Mischnutzung, Shared Spaces sträubt, ist mir ein Rätsel. Statt dessen arbeitet man sich an der Friedrichstraße ab. Und baut reine "Wohnviertel" in die Pampa. Hier passiert was die Berliner gerne dem Rest der Republik vorwerfen: Provinzialität ohne Ende. Den viel stärkeren Ausbau von Public Transport strebt man ja an. Aber im Verhältnis zur Grösse der Stadt produziert Berlin hier vor allem viel heisse Luft - und weniger Ergebnis als die Autostadt Hamburg. An all diesen Punkten müsste man sich echt mal am Riemen reissen und sich im Rest der Welt umgucken.

    4 Mal editiert, zuletzt von Oranien ()

  • Der langjährige Berliner Senatsbaudirektor Hans Stimmann hat heute im Feuillton der FAZ einen langen Artikel zur derzeitigen Berliner Stadtplanung veröffentlicht:


    Unüberlegte Stadtplanung : Das Zentrum Berlins bleibt eine Leerstelle


    Das Bild des Hochhauses der Senatsbauverwaltung kommentiert er mit dem Satz "Lieber sanieren statt neu denken: Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bleibt, wo sie war." Seine These: In der Sanierung ihres Hochhauses spiegelt sich die fortdauernd westdeutsche Perspektive der Berliner Planungsverwaltung – und zeugt damit von einem offenkundig fehlenden Gespür für das Ganze.


    Für mich als Nicht-Berlin-Kenner ist das ein überaus interessanter Artikel, weil er auf Entwicklungen und Tendenzen in der Vergangenheit verweist, die mir als interessiertem Laien weitgehend nicht bekannt waren; ein sehr fachkundiger Blick eines Insiders eben. Mir ist durchaus bewusst, dass Stimman sicher auch nicht unumstritten war, aber trotz interessant, was er schreibt. Unbedingt lesenswert!

    Einmal editiert, zuletzt von tunnelklick () aus folgendem Grund: Rechtschreibung