Wilmersdorf, Halensee, Grunewald, Schmargendorf | Kleinere Projekte

  • Sicher kann man den Bau irgendwie optisch aushalten, wenn man die Augen zusammenkneift sieht man sicher nicht wie abgeschmackt und billig umgesetzt der Bau der so gern mondän wäre eigentlich ist.


    Ich stör mich gar nicht mal so an der Weihnachtsbeleuchtung - die Unmengen an Lichtkörpern auf engstem Raum wirken eher ungeschickt aber vielleicht gab es da ja mengenrabatt.

    absolute.


    Abturner sind für mich die teigigen korinth. Kapitelle, die nudeligen Beton-Baluster und die wirklich scheußlichen Plastiksprossenfenster.


    Die herrschaftliche Raummaße vorgaukelnden nichtsnutzigen frz. Fenster sind ja mittlerweile Usus, diese merkwürdige Transparentbrüstung an diesen Finde ich trotzdem erklärungsbedürftig - ging den Leuten da das Balkongitter?


    Ich finde es zudem sehr bedauerlich dass der Ambitionierten Opulenz und Großzügigkeit der Eingangssituation, der Balkon quasi auf den Kopf fällt.


    Die ganzen anmaßenden Proportionen fallen dem letztlich doch sparefrohen Bau völlig auf die Füße.


    Ein für mich leider in der Umsetzung völlig misslungener Bau, der mehr sein will als er bereit ist dafür zu geben und sich an seinen Ansprüchen deutlich verhoben hat.


    Der zitierte noble amerikanische Klassizismus über den man sich an dieser Stelle wirklich hätte freuen können, wird hier leider für mich zu ner peinlichen, zu heiß gewaschenen Billigheimer-Version aus Großkotzis Sonderpostenbaumarkt - keine Ahnung ob Architekten oder n chinesisches Werbebüro diese Architektur entwickelt haben.


    Solche verballhornten Stil-Produkte eignen sich für mich bestenfalls für die Fernsicht Potemkinscher Dörfer oder gehören in die abgeschirmte Blase von all inclusive Resorts und Vergnügungsparks.


    Es ist für mich eher eine Tragödie - wenn man in Berlin mit solchen, einfach schlechten, stumpfsinnigen Blenderprodukten, eine Alternative zum fast schon zur Manie geratenen, kreativ verarmtem, grenzdebilem Würfelhusten anbietet.

  • Gerade weil mir klassische Architektur sehr zusagt, finde ich diesen Pseudo-Bau absolut scheußlich. Wir setzen doch auch keine WDVS-Kästen mit Werken von Gropius oder Mendelsohn gleich?


    Wie von meinen Vorrednern bereits treffend beschrieben, fehlt es hier an allen Ecken und Enden an genau der Handwerklichkeit, Detailliebe und tektonischer Harmonie, die die klassische Architektur so ansprechend macht. Ein guter Indikator für die Qualität eines klassischen Entwurfs ist mMn die Entasis der Säulen, bzw. in diesem Fall die nicht vorhandene Entasis. Mehr braucht man nicht, um das fehlende Verständnis des Architekten zu entlarven.


    Wer dieses grobschlächtige Teil als Neoklassische Architektur davonkommen lässt, erweist all denen, die der Architekturtradition zu einer neuen Wertschätzung verhelfen wollen , einen Bärendienst. In einem Vorort von Shanghai könnte man darüber hinwegsehen, aber in guter Nachbarschaft zu qualitätsvollen, authentischen Villen aus der Gründerzeit macht sich dieses Haus lächerlich.

  • ^du bevorzugst also den Würfelhusten? (Ernstgemeinte Frage).

    Was ist die Alternative? Welche gelungenen Einfamilienhäuser habt ihr denn seit 1990 in Berlin wahrgenommen? Ich freue mich über Beispiele. Das würde mich wirklich interessieren. Meiner Erfahrung nach ist dieser Markt nämlich in den meisten Fällen relativ unansehnlich. Diese Villa hingegen ist eine angenehme Ausnahme und deutlich geschmackvoller als der sonstige Einheitsbrei.


    Details zu Referenzen aus der Vergangenheit die nur für den Fachmann auffallen, bestätigen hierbei nur meine Meinung. Der nahezu wahnhafte Drang in Deutschland allzeit und immer nur auf den Fachmann hören zu müssen, denn nur dieser wisse ja was nun als "ansehnlich" bezeichnet werden darf, halte ich für ziemlichen Unsinn.


    Da hilft auch nicht die Detailerklärung von Endell. "Scheußliche Plastiksprossenfenster" z.B. - ja, ich verstehe diese Kritik und ich würde mir niemals (!) derselbige einbauen, aber ich würde nicht so weit gehen diese in diesem Kontext dermaßen zu verdammen.


    Die Mehrheit moderner Häuser sehen deutlich hässlicher aus und haben teilweise noch viel deplatziertere Dekoelemente. Ich erkenne aus diesem Reflex eher eine besondere Abneigung gegen jegliche Imitation, ein typischer Verhaltensreflex und Schönheitskodex der Moderne.


    Ich muss aber darauf hinweisen das auch schon im Historismus wahnsinnig viel kopiert und imitiert würde und auch nicht alles vom Handwerksmeister kam. Aber wenn ihr die Gründerzeit auch als kitschig empfindet, dann komplettiert sich für mich das Bild und wir müssen eigentlich nicht weiter diskutieren.

  • Nein, ich mag halt einfach keine schlechte Architektur - unabhängig vom Stil. Beides sollte daher kritisiert werden.


    Was denn nun eigentlich Kitsch ist, ist eine sehr schwierige, aber höchst interessante Fragestellung im philosophischen Bereich. Ich wäre offen für eine ausgiebigere Diskussion über dieses Thema und versuche mich mal, dem zu nähern:


    Ein Teilphänomen von Kitsch, das bei diesem Projekt zutrifft, ist ein künstlerisch minderwertiger Versuch, eine Sache zu imitieren. Das Werk verfällt dadurch zu etwas oberflächlich Bildhaftem, bei dem die Unfähigkeit des Künstlers, die angestrebte Ästhetik zu erreichen, dem Werk „auf der Stirn geschrieben steht“.


    Und nein, den Historismus halte ich nicht für Kitsch - unter einer Voraussetzung, die damals (insbesondere im Vergleich zu heute) deutlich häufiger zugetroffen hat. Wenn der gewünschte Stil mit der gleichen künstlerischen Fähigkeit umgesetzt wird und dem Original ebenbürtig ist oder der Stil auf dem gleichen künstlerischen Niveau uminterpretiert wird, um was Neues zu schaffen, sehe ich darin keinen Kitsch.


    Ist ein gelungenes Werk der Neogotik bspw. Kitsch? Meiner Meinung nach nein, denn das Werk wurde entweder mit vollstem Verständnis für diese Kunstrichtung imitiert oder auf gleichem künstlerischen Niveau, oder sogar als Weiterentwicklung davon, in eine neue Form uminterpretiert und in ein eigenständiges Werk übersetzt. Heutzutage bauen wir ja auch in Neomodernen Formen, zitieren/imitieren Stile der 50er/60er Jahre oder sogar Formen aus dem 100 Jahre alten Bauhaus und das bezeichnen wir auch nicht als Kitsch, nur weil die Quelle der Inspiration deutlich erkennbar ist.


    Ein weiteres Beispiel ist für mich das meisterhafte Romanische Forum am Breitscheidplatz. Ein wunderbares, leider zerstörtes Ensemble bestehend aus der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und zwei den Platz einrahmenden Mietshäusern (Erstes Romanisches Haus, Zweites Romanisches Haus), die die Romanik nicht nur verstanden, sondern auf eine neue künstlerische Ebene weiterentwickelt haben - das ist alles andere als Kitsch.


    Aber ja, es gibt auch kitschigen Historismus: Typischerweise der fragwürdige Gebäudeschmuck eines zufälligen Mietshauses, dem der ungelenke Umgang mit den architektonischen Elementen anzusehen ist. Wenn die Elemente also plötzlich willkürlich oder fehl am Platz erscheinen, macht sich eine künstlerische Unfähigkeit erkennbar, die dann zur Wahrnehmung von Kitsch führt. Ein Mahnmal hierfür ist mMn das Luisenhaus im Wedding.

  • Wirklich schwierige Diskussion: Ich meine bei den Plastikfenstern sind wir uns sicher alle einig: Ja genau diesen Eindruck würde ich auch gerne vermeiden. Aber mein Punkt ist ja folgender: Was ist das kleinere Übel? Wer möchte sich denn trauen hier ein qualitativ gelungenes Einfamilienhaus/Villa vorzustellen? Ich glaube wir werden kaum etwas zeitgenössisches finden das auf Wertschätzung trifft.

  • ^... da lasse ich mich doch nicht lumpen, hier ein sehr schönes Beispiel von Schwanenwerder:


    http://www.secretcitytravel.co…nwerde-architecture.shtml


    ... hier von Graft-Architekten:


    https://graftlab.com/projects/villa-m


    ... und hier mein absoluter Favorit:


    https://www.visitberlin.de/de/haus-am-rupenhorn aus Charlottenburg/Wilmersdorf


    Das so heiß diskutierte Objekt findet sich übrigens auf dieser Homepage:


    https://concept-plan-berlin.com/2019/01/14/villa-han/

    Einmal editiert, zuletzt von Batō () aus folgendem Grund: Ein Beitrag von Camondo mit diesem Beitrag zusammengefügt.

  • Der Witz ist ja, dass der Entwurf, auf der Seite, die Camondo verlinkt hat, gar nicht soooo übel ist. Die modernen Glasbalkongeländer, die moderneren Säulen, die fehlenden Kandelaber. All das wirkt besser als die Realität. Aber vielleicht hat auch ein kitschverliebter Bauherr auf die Änderungen bestanden.

    ©Conceptplan

  • Camondo: Die von dir angeführten Beispiele für "gelungene" Einfamilienhäuser erschließen sich mir in ihrer Qualität nicht. Nicht nur das es mir bei der Villa von Graft Architekten speiübel wird: Man kann auf den Fotos sehr schön sehen, wie sehr die Architekten den Kontext geradezu herablassend ignorieren. Der einzige Grund warum man bei diesem Haus nicht über Proportionen spricht ist, dass diese so mißraten sind, dass das Thema überhaupt nicht aufkommt. Es sieht aus wie ein demoliertes Ufo, dass im CAD Tool eines 15-jährigen entstanden ist. Überzeugt micht nicht.


    Haus am Rupenhorn: HIer spricht natürlich der historische Kontext für sich, denn damals war dies sicherlich etwas neues, interessantes herausragendes. Ich habe aber nach zeitgenössischem gefragt ;)


    Die VIlla am Wannsee: Ja, das ist wohl etwas für James Bond (oder eher für dessen Gegenspieler?). Könnte ein nettes Zuhause für einen Bösewicht sein. Im Ernst: Besser, aber die Dimensionen erinnern eher an ein Krankenhaus als an ein bescheidenes Eigenheim für eine Familie. Mir gefallen die Rundungen. Aber mal ehrlich: DAS soll Lichtjahre besser sein als die gezeigte Villa, weil dort ein paar Details leider inkonsequent durchgezogen wurden?


    Ich bleibe dabei, ich würde lieber in die Villa einziehen und evtl. mal über andere Fenster und Außenleuchten nachdenken (Im Übrigen Teile die man recht leicht austauschen kann).

  • Vor gut einem Jahr bin ich mal mit ner 360 Cam an dem Graft Bau vorbeigelaufen. Ich verlinke ab Minute 27, um den städtebaulichen Kontext zu zeigen. Besonders positive Gefühle hatte ich damals als Laie leider nicht.


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  • Nicht so viel Zurückhaltung - das ist ja genau meine Kritik: Niemand muss sich für sein Gefühl oder Geschmack entschuldigen.


    In anderen Kunstformen wie z.B. der Musik wird allgemein akzeptiert das der Geschmack der Mehrheit die "Pop"-Musik (Populäre Musik) validiert. Es gibt hier kein Expertengremium die die vorhergehenden 1000 Jahre der Musikgeschichte mit beurteilt und dann dem Konsumenten vorschreibt, was er zu hören hat. Das schließt im übrigen experimentelle Formen der Musik oder elitären Anspruch nicht aus. Nur ist diese Eitelkeit dann nicht so omnipräsent wie in der Architektur, denn dort kann der Kunde leider nur selten wirklich aktiv mitbestimmen.


    Wie viel mehr muss dies also beim Leben/Wohnraum gewürdigt werden. In diesem Fall ist dies passiert, indem ein entsprechend finanzstarker Kunde scheinbar klare Vorstellungen artikuliert hat. Das muss man eben respektieren und wird später auch ein Stückweit Architekturgeschichte von heute prägen.

  • Wer möchte sich denn trauen hier ein qualitativ gelungenes Einfamilienhaus/Villa vorzustellen? Ich glaube wir werden kaum etwas zeitgenössisches finden das auf Wertschätzung trifft.

    Ich habe mal ein paar Beispiele gesammelt, die ich für einige der gelungensten zeitgenössischen Neubau-Villen halte. Zeitgenössisch heißt mWn, dass nicht der Stil, sondern die Erbauungszeit zählt.


    Dass gleich zwei Häuser von Sebastian Treese zeigen, wie man klassische Architektur heutzutage stilsicher und hochwertig umsetzt, ist wohl keine große Überraschung. Das in Planung befindliche Haus in Wannsee greift den Landhaustypus der 1900er/1910er Jahre sehr stilsicher auf und das realisierte Haus im Grunewald ist sehr edel, auch von Innen.


    Ein modernes Beispiel ist die Erweiterung eines Bestandsbaus aus den 60ern, die unübersehbar von Mies van der Rohe inspiriert ist. Diese super minimalistische Architektursprache, die das Innere des Hauses wie beim Farnsworth House zur Natur hin öffnet, ist mMn auch sehr ansprechend.


    Und zu guter Letzt ein überraschender Neubau an der Ecke Bismarckallee / Wernerstraße, auf den letzten 6 Bildern des Beitrags #88 im APH gut dokumentiert, wirkt verblüffend authentisch, als hätte es dort schon immer gestanden.

  • Danke für die Beispiele - es bestätigt aber meine Perspektive. Die meisten gezeigten Beispiele zeigen Villen, die sich an klassischer Architektur orientieren. In den USA kann man das ja auch beachten. Praktisch niemand baut dort diesen langweiligen Einheitsbrei der leider sonst so in Deutschland entsteht. Ja, da gibt es auch Kitsch, aber generell würde ich die amerikanischen Vororte (kann gerne Beispiele zeigen), deutlich ansprechender einordnen als die Deutschen.

    Einmal editiert, zuletzt von UrbanFreak ()

  • Treverer, danke für deine Ausführungen in Beitrag #559.


    Ich kann die von dir genannten Mängel sehr gut nachvollziehen. Aber wir unterscheiden uns da in einer grundsätzlichen Herangehensweise: Dir geht es um die konkrete Ausführung bei diesem Bauvorhaben. Mir geht es eher ums Grundsätzliche. Es ist nämlich so: ich habe lieber schlechten Klassizismus als gar keinen Klassizismus im ansonsten modern geprägten Berlin.

  • ^Vielleicht können wir uns ja doch auf Historismus einigen, dann muss man sich wegen der strengen Stildefinition nämlich auch nicht so streiten ;)

  • ^ das wird nicht funktionieren. Es handelt sich um zwei unterschiedliche kunstgeschichtliche Epochen. Der Historismus hat den Klassizismus zeitlich abgelöst. Klassizistische Architektur lässt sich nicht unter den Historismus subsumieren.


    Daher verstehe ich auch nicht, warum maselzr so konsequent auf Beispiele aus der Jugenstil-Epoche verweist. Romanisches Forum am Breitscheidplatz, Haus in Wannseer, Neubau an der Ecke Bismarckallee / Wernerstraße .... das ist alles schön und gut, hat aber nichts mit Klassizismus zu tun. Zwischen einer klassizistischen Villa aus dem 1820 und dem zitierten Landhaustypus um 1900/1910 liegen mehr als 80 Jahre Zeit dazwischen.

  • ^Zeitlich magst du Recht haben, inhaltlich aber nicht:


    "Den Historismus kennzeichnet ein Stilpluralismus, bei dem auf mehrere als ebenbürtig angesehene Architekturformen vergangener Epochen zurückgegriffen wird. Er ist somit nicht als direkte Antwort auf den Klassizismus zu verstehen; vielmehr geht dieser im Formenkanon der Stile des Historismus auf."


    Quelle: https://www.baukunst-nrw.de/

  • Wer dieses grobschlächtige Teil als Neoklassische Architektur davonkommen lässt, erweist all denen, die der Architekturtradition zu einer neuen Wertschätzung verhelfen wollen , einen Bärendienst.

    Ja, das Ding ist scheußlich. Ein wahres Disneyland-White House. Zu den vielen mit Recht erwähnten Kritikpunkten ließen sich noch das deplatzierte Staffelgeschoss, die absurde Fenstergliederung und das überdimensionierte Portal hinzufügen.


    Wie man es besser machen kann, wenn man neo-neoklassizistisch bauen möchte, zeigt unsere geschätzte Senatsbaudirektorin mit diesem Projekt von 1993: Wertiger Verputz, Schieferdach, gelungene Proportionen, ionische Kapitelle (statt korinthischen), echte Sprossenfenster statt aufgeklebter Plastikstreifen (dass das Plastikzeugs zu dem Preis durchgehen konnte, ist nur durch komplette Geschmacksverirrung der Bauherren zu erklären).


    Von Innen ist mir auch die Kahlfeldt-Villa zu überladen, außen finde ich sie aber sehr elegant. Der Bau erinnert an das Salve Hospes in Braunschweig, ein klassizistisches Kleinod aus dem frühen 19. Jahrhundert.

    2 Mal editiert, zuletzt von Architektenkind () aus folgendem Grund: Tippfehler korrigiert.

  • Sigmaringer Straße 17a

    Zuletzt hier


    Das Wohnprojekt von Sebastian Treese schreitet weiterhin voran. Derzeit wird die Dämmung an die Fassade gebracht:


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